Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 0 Bewertungen - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Alternative Ständesysteme
13.07.2013, 16:11
Beitrag: #3
Ständesystem im Islam, 2: Auf dem Land
Auf dem Land gab es zunächst einmal die Nomadenstämme, wie es sie schon lange auf der Erde gibt und wie sie auch heute noch in einigen Regionen der Erde anzutreffen sind. Sie hatten und haben eine sehr einfache hierarchische Struktur.
Die meisten Bewohner des Landes waren einerseits kleine Bauern und andererseits reichere Großgrundbesitzer, die eben in der finanziellen Lage waren, sich Sklaven halten zu können. Von der wirtschaftlichen Situation her unterschieden sich die Höfe darin, dass einige von Natur aus eine gute Wasserversorgung hatten, während andere künstlich bewässert werden mussten.
Die Bauern waren also frei. Frondienst mussten sie allerdings hin und wieder für den Staat leisten, der Projekte zur Verbesserung der Wasserversorgung durchführte. Eine gesellschaftliche starre Gliederung wie in Europa gab es hingegen nicht. Bauernaufstände kamen selten vor, aber es gab sie. Sie richteten sich allerdings nicht gegen persönliche Unfreiheit, sondern gegen die hohen Steuern und Abgaben an den Staat.
Eher schon unterschied man da zwischen Arabern und Nicht-Arabern. Der Landbesitz außerhalb der arabischen Halbinsel war aufgeteilt in den Besitz von Arabern (der eigentlich theoretisch verboten war, praktisch aber immer wieder vorkam), den Besitz von Nicht-Arabern, den mit Steuern belegt wurde, und der Staatsbesitz, den es ebenfalls in großem Stil gab. Manche dieser Güter in Staatsbesitz wurden von Beamten verwaltet, andere auf unbegrenzte Zeit verpachtet.
Auch konnten Großgrundbesitzer ihr Land für eine begrenzte Zeit an Bauern verpachten, die dafür Teile des Ertrags abtreten mussten. Doch auch das war bei weitem etwas anderes als das europäische Feudalsystem, nämlich einfach nur das Einstellen von Arbeitern, wie es das heute noch gibt. Die Verwalter der Güter waren manchmal Sklaven, doch landwirtschaftliche Arbeit verrichteten die Sklaven nicht im großen Stil.

Letztlich lässt sich die Gesellschaft auf dem Land folgendermaßen zusammenfassen:
  • Ganz unten waren die Sklaven, die für andere arbeiteten, ohne bezahlt zu werden.
  • Über ihnen standen die Tagelöhner und sonstigen Arbeitskräfte, die angeworben werden konnten und gegen Bezahlung arbeiteten.
Schließlich kamen die Landbesitzer, bei denen es wieder vier Gruppen gab:
  • Die Kleinbauern bewirtschafteten ein kleines Stück Land, das für die Selbstversorgung ausreichte, vielleicht auch etwas Überschuss abwarf.
  • Darüber gab es den kleinen Landadel mit größeren Besitzungen, der sein Land weiterverpachtete oder aber Arbeitskräfte anwerben musste. Die Landadeligen waren faktisch oft Oberhäuper eines Dorfes und hatten durchaus etwas zu sagen, die Bewohner gehörten ihnen allerdings nicht und sie konnten auch keinen Zwang auf diese ausüben. Sie entsprechen den europäischen Rittern, hatten aber im Gegensatz zu diesen wie gesagt keine Verfügungsgewalt über die in ihrem Gebiet lebenden Menschen.
  • Als Drittes wäre der Landbesitz von in der Stadt lebenden reichen Personen zu nennen. Er war in der Regel besser organisiert und nicht auf Selbstversorgung ausgelegt, sondern diente der Produktion für den Handelsverkehr. Die Landbesitzer ließen sich dann durch sogenannte Verwalter vertreten.
  • Die Oberschicht schließlich bildeten die wenigen Aristokraten, entweder Prinzen oder hohe Staatsbeamte. Deren riesige Besitztümer bedrohten nicht selten den der anderen drei Gruppen. Ihre Güter ähnelten denen römischer Senatoren - mit dem Unterschied, dass in Rom Sklaven ausgebeutet wurden, während muslimische Adelige ihre Arbeitskräfte bezahlen mussten.

Auf dem Land gab es auch das bereits erwähnte Patronatswesen, bei dem sich eine Person unter den Schutz einer mächtigeren Person begab und praktisch dafür oft materielle Gegenleistung erbringen, also Abgaben an den Schutzherren leisten musste. Auch das ähnelt nicht dem mittelalterlichen Feudalsystem Europas, sondern eher dem römischen Klientenwesen.

Zumindest erwähnen möchte ich auch noch, dass es in ländlichen Regionen der arabischen Welt viele Bodenschätze gab, die in von Städtern verwalteten Bergwerken gefördert wurden.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Nachrichten in diesem Thema
Alternative Ständesysteme - RPGator - 10.07.2013, 02:01
Ständesystem im Islam, 2: Auf dem Land - Maxdorfer - 13.07.2013 16:11
RE: Alternative Ständesysteme - Paul - 14.01.2018, 05:51

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds