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Hat Darwin Schuld am modernen Rassismus?
20.12.2013, 01:01
Beitrag: #2
RE: Hat Darwin Schuld am modernen Rassismus?
Du schneidest ein sehr interessantes Thema an. Ich denke, dass Darwin nicht am modernen Rassismus schuld ist, auch wenn z.B. sich die Sozialdarwinisten auf ihn berufen. Darwin schrieb zwar, dass die Entstehung der Arten durch natürliche Auslese gesichert wird, er bezog dies jedoch nicht auf die menschlichen Rassen. Richtig ist sicher, dass Darwin als Mann des 19. Jahrhunderts - gewollt oder ungewollt - hochmütig auf nichtweiße Menschen schaute. Aber auch bei Marx und Engels findet man Äußerungen, wie Wilde, Hottentotten, Kaffern usw., ebenso könnte man auch Nietzsche als einen der Väter des Rassismus bezeichnen, obwohl er nicht den Übermenschen und den Untermenschen benennt. In allen Fällen muss genau darauf geachtet werden, wie war es gemeint und wie wurde es schließlich ausgelegt.

Der Sozialdarwinismus entstand sicher als Gegenthese zu Gesellschaftsthesen, die an das Gute, an das Altruistische und das soziale Gewissen der Menschen glaubten. Einfach gesagt, die Sozialdarwinisten analysierten die europäischen und nordamerikanischen Gesellschaften, die sich in der Phase des so genannten Manchesterkapitalismus befanden, und schlussfolgerten daraus, dass die darwinischen Erkenntnisse auch für die menschlichen Gesellschaften zutreffen. Sie beachteten keine historischen oder sozialen Gegebenheiten, sie meinten, der Erfolg Einzelner hänge nur von den Genen ab, der Stärkste setzt sich zu Recht durch. D.h. im Umkehrschluss, dass die Erfolglosen minderwertige Gene hätten. Und in letzter Konsequenz auch, dass alle Nichtweißen minderwertig wären. Dabei wurde nicht berücksichtigt, dass diese Menschen nie die Chance hatten, gleiche Kenntnisse wie die Europäer und Nordamerikaner zu erlangen.
Wozu auch? Für einen Afrikaner waren z.B. Fähigkeiten im Spurenlesen oder das Verhalten von Tieren wichtiger, als z.B. Kenntnisse über den Maschinenbau oder Architektur.

Richtig ist, dass Albert Schweitzer "seine Schwarzen" als unreife Kinder ansah, mit denen er gutväterlich-wohlwollend verkehrte. Aber darin unterschied er sich nicht von Robinsoe Crusoe, der in Freitag auch nur den naiven Wilden sah oder von Harriet Becher-Stowe, die mit ihrem Onkel Tom auch nur einen gutherzigen und unmündigen Mann beschrieb, dem geholfen werden muss. Wenn man will, sind dies auch Beispiele von Rassismus, nur dass die Dunkelhäutigen nicht als minderwertig, sondern eher als kindisch-naiv und gut (im Sinne von Rousseau?) betrachtet werden. In diese Bewertung anderer Rassen geht auch die Idealisierung der nordamerikanischen Indianer durch Karl May u.a. Wobei jetzt nicht das Engagement Albert Schweitzers u.a. geschmälert werden sollte, Menschen mit seiner Einstellung schützten oft verschiedene Ethnien vor den tatsächlichen Rassisten. Ich denke aber, dass es den (meisten) Europäern erst in den letzten Jahrzehnten gelungen ist, die rassistische Brille abzulegen und das Wirken von Martin Luther King, Kofi Anaan oder Nelson Mandela anzuerkennen und die Taten von Bokassa, Idi Amin oder Charles Taylor zu verabscheuen.

Widersprechen muss ich aber, dass vor dem 19. Jahrhundert das Leben der Afrikaner in Europa besser war. Puschkins Vorfahr war eher die Ausnahme. Der Vater von Alexandre Dumas war der Sohn eines auf Martinique begüterten Adligen und dessen schwarzer Geliebten, er war erfolgreich in der napoleonischen Armee und wurde schließlich doch aufgrund rassistischer Vorurteile gemobbt und deklassiert. Eine andere Karriere, die Schwarzen in Europa offenstand, war als Eunuch im Harem des Sultans in Konstantinopel zu beträchtlicher Macht zu kommen. Auch bei Boccaccio stehen amüsante Geschichten über das Leben einzelner Schwarzer. All diese aufgeführten Lebenswege waren aber nicht die Regel, die meisten Schwarzen mussten in Europa für ihre weiße Herrschaften sehr hart arbeiten.

Aber dies war wohl noch besser, als auf den Baumwollplantagen in nordamerikanischen Kolonien Englands oder Frankreichs zu arbeiten. Dieses Schicksal erlitten auch Weiße, die konnten jedoch nach sieben Jahren ihre Freiheit erlangen. Die Schwarzen blieben ein Leben lang Sklaven und ihren Kindern blieb meist das gleiche Schicksal vorbehalten. Erstmals bildeten wohl Profitgier und Rassismus eine widerwärtige Symbiose (habe vorhin mal ein bisschen Darwin geschmökert), bis zu Carl Peters, Cecil Rhodes und Leopold II. ist es dann nicht mehr weit. Damit will ich nur feststellen, dass es den Rassismus vor Darwin schon gegeben hat und dass die Gründe gleich oder ähnlich wie zu Zeiten Darwins waren. Der Protagonist des Rassismus war wohl der Franzose Gobineau, aber er beschrieb wohl auch nur das Denken seiner Zeitgenossen aus dem 19. Jahrhundert.

Wenn ich es mir richtig überlege, sollte man mit dem "Unglücksraben" Bartolomeo de Las Casas beginnen, der im 16. Jahrhundert auf den Gedanken kam, statt der südamerikanischen Indios Afrikaner als Arbeitssklaven einzusetzen. Der Mann meinte es gut mit seinen anvertrauten christlichen Indios und bereute spät seine Äußerung über die Afrikaner. Der Beginn des modernen Rassismus liegt wohl in der frühkapitalischen Zeit Europas. Im 19. Jahrhundert wurde das rassistische Denken nur beschrieben, Darwins Lehre bot offenbar Anknüpfungen, die zum Sozialdarwinismus führten.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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RE: Hat Darwin Schuld am modernen Rassismus? - Sansavoir - 20.12.2013 01:01

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