Wittelsbacher als Fast-Großmacht
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20.02.2016, 19:26
Beitrag: #9
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RE: Wittelsbacher als Fast-Großmacht
(20.02.2016 11:59)913Chris schrieb: ... Ein jähzorniger Mensch mag bei einer Auseinandersetzung im Nachteil sein - aber können wir wirklich sicher sein, dass Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt jähzornig, Ludwig VIII. "der Bucklige" weniger jähzornig und Heinrich XVI. von Bayern-Landshut ein kühler und rationaler Rechner war? So ist z. B. eine beleidigende Bemerkung von Ludwig VII. auf dem Konzil von Kostanz über Heinrich XVI. überliefert und soll diesen zu einem Mordanschlag verleitet haben. Aber abgesehen davon, dass dieser Vorfall zwar gut dokumentiert, aber die Hintergründe etwas undurchsichtig wirken, gibt es über das Konzil von Konstanz doch sehr viele Informationen, die eine gewisse Frag-Würdigkeit haben, da sie durch weitere Quellen nicht bestätigt sind (in vielen Fällen auch widerlegt werden). Abgesehen davon - auch aus dem Umstand, das ein Vorfall überliefert ist, dass Ludwig VII. sich einmal aufgeregt und jemanden beschimpft hat, lässt sich doch kaum schließen, dass dies geschah, weil er ohnehin ein jähzorniger Mensch war. Heinrichs Mordanschlag soll dann eine spontane Reaktion auf diese Beleidigung gewesen sein, wie passt das aber zu einem kühlen und rationalen Rechner? Der Konflikt, den Ludwig VII. später z. B. mit seinem Sohn hatte, dürfte, soweit sich das beurteilen lässt, nicht mit seinem angeblichen Jähzorn zusammenhängen. Dass es Heinrich erfolgreich gelang, Allianzen gegen Ludwig VII. zustandezubringen, muss auch keineswegs mit charakterlichen Defiziten Ludwigs zu tun haben, bei solchen Allianzen fällt auf, dass sich die Bündnispartner davon gewöhnlich Vorteile versprachen und damit auch persönliche Ziele verfolgten. Natürlich kann Ludwig VII. "der Gebartete" ein "hochfahrendes und jähzorniges Wesen" gehabt haben, aber in der Biographie auf Wikipedia (mein Eindruck - es dürfte in diesem Fall ein relativ kompetenter Artikel sein) erscheint er doch als relativ mehrschichtiger Charakter, und abgesehen von diesem Mordanschlag auf ihn lässt sich nichts, was das angeführt ist, mit Jähzorn motivieren. Mag sein, dass sich neben dem Umstand, dass die Linie Bayern-Ingolstadt mit Ludwigs Sohn ausstarb und er wie auch dieser letztlich im Konflikt mit der Familie die Verlierer waren, auch seine enge Beziehungen zu Frankreich zumindest bei der Beurteilung der späteren Generationen negativ ausgewirkt haben, da er sowohl aus deutscher, als auch aus französischer Sicht schlecht wegkommt. (Seiner Schwester ist übrigens letztlich auch als Negativfigur in die Geschichte eingegangen ist.) Aber auffallend ist halt, dass die Verlierer/innen gar nicht selten ein "hochfahrendes und jähzorniges Wesen" im Spätmittelalter hatten, das wird z. B. auch einem Herzog Karl dem Kühnen nachgesagt, dem mit König Ludwig XI. von Frankreich ein weiterer kühler und rationaler Rechner gegenüber steht. So ein Zufall! ---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten. Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten. Josephine Tey, Alibi für einen König |
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