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Stadtbrände - Diskussion zum G/Geschichteheft 6/2014:
30.10.2012, 21:05
Beitrag: #2
RE: Stadtbrände
Unter den verschiedenen Stadtbränden habe ich mir einmal den Rostocker Stadtbrand von 1677 herausgesucht. Es war nicht der erste der Stadt, schon seit der Gründung der drei unabhängig voneinander sich entwickelnden Teilstädte Alt-, Mittel- und Neustadt im dreizehnten Jahrhundert hatte es schon so manchen Klein- und auch mehrere Großbrände gegeben. Die Häuser der Stadt bestanden aus Holz, das Dach wurde mit Reet gedeckt. Dadurch erhöhte sich die Brandgefahr natürlich enorm. In den Folgejahren bis -jahrzehnten wurden abgebrannte Holzhäuser aus Stein wieder errichtet. Dabei spielte auch eine Rolle, da Rostock langsam eine aufstrebende Handelsmacht wurde. Auf diese Weise konnte man das Risiko eines größeren Brandes stark senken.
Trotz diesen Maßnahmen gab es in der Blütezeit der Stadt immer eine große Brandgefahr. Die Stadtmauer reichte nicht mehr dafür aus, auf breitem Raum zusammen zu leben. Deshalb wurden die Häuser immer gedrängter aneinander gebaut und die Gassen immer enger. Da konnte auch eine kleine Unachtsamkeit einen Stadtbrand mittelschwerer Ausmaße herbeirufen. Außerdem waren in vielen Speichern und Lagerhäusern Waren wie Holz, Getreide oder Stroh gelagert, die sich schnell entzünden können. Und natürlich sind Bäckereien und Schmieden immer ein Risiko, da sie naturgemäß nun einmal mit Feuer arbeite(te)n. 1576 wurde in der Rostocker Polizeiordnung festgelegt, dass jeder – aber Angehörige einer mit Feuer vermehrt hantierenden Berufsgruppe noch einmal besonders – jeden Morgen und jeden Abend auf das Feuer genauestens zu achten.
Trotzdem war es gerade ein Bäcker, bei dem der Große Brand 1677 ausbrach. Es war Joachim Schulze, dessen Bäckerei sich an der Ecke Große Goldstraße – Altschmiedestraße in der Neustadt befand. Am 11. August 1677 geriet dort ein Feuer außer Kontrolle – wie das genau ablief ist unbekannt. Doch es ergriff sehr schnell das ganze Haus und schließlich auch die Nachbarhäuser. Erst sah es so aus, als sei es nur einer der üblichen kleineren Stadtbrände, doch dann kam ein sehr trockener und heißer Wind aus Südost auf, der das Feuer auf das ganze Viertel verteilte und in Nordwestrichtung vor sich hertrieb. Alle Straßenzüge zwischen Nikolaikirche und Petrikirche wurden zerstört, diese beiden Gotteshäuser selber nicht. Dagegen ging das Katharinenkloster mit der dazugehörigen Klosterkirche so gut wie komplett in Flammen auf.
Die Altstadt wiederum, das Gebiet zwischen dem Flüsschen Grube, der Stadtmauer und der Straße, die heute Grubenstraße heißt, war von Wasser umgeben. Das Feuer konnte sie nicht erreichen. Die Mittelstadt war gleichfalls durch Gewässer abgeschottet, doch diesmal konnte das die Flammen nicht daran hindern, über die Brücken hinüberzukommen. Die nördliche Mittelstadt wurde sozusagen komplett verwüstet. In der Nacht breitete sich das Feuer weiter aus, bis kurz vor das Rathaus und die Marienkirche. Erst am Folgetag, dem 12. August, konnte man das Feuer einigermaßen unter Kontrolle bringen und diese Gebäude retten. Während an einigen Stellen die Flammen immer weiter zurückgetrieben werden konnten, breiteten sich die Flammen andernorts weiter bis zum Wokrentertor aus. Der Ausgang des Brandes war noch ungewiss. Erst gegen Abend gelang es mit Hilfe mittelschweren Regens, den Brand komplett zu beseitigen.
Dieser Stadtbrand hatte ungefähr ein drittel der Rostocker Häuser zerstört. Von 2000 bezeugten Häusern standen nur noch um die 1300. Während die südliche Mittel- und die Neustadt vollkommen intakt waren, waren die nördliche Mittel- und die Altstadt so gut wie komplett zerstört. Dazu kamen viele Wohnkeller, die zerstört worden waren. In diesen hatten vorher die Armen der Stadt gewohnt – auch sie waren nun obdachlos. Viel historische Bausubstanz – zum Beispiel wertvolle gotische Giebelhäuser – wurde zerstört.
Auch die wirtschaftlichen Folgen gingen weit darüber hinaus, dass fast alle Brauhäuser zerstört waren. Man kann den Stadtbrand als Zeichen des Niedergangs Rostocks sehen. Die Hanse, in der die Stadt eine bedeutende Rolle gespielt hatte, löste sich auf, der letzte Hansetag hatte schon acht Jahre vorher stattgefunden. Dadurch sank auch die Bedeutung als Hansestadt auf ein sehr niedriges Niveau hinab. Wegen dem Dreißigjährigen Krieg und dem Abstieg Rostocks sank die Bevölkerung im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts auf ein Drittel des Wertes von 1600 und umfasste nur noch 5000 Menschen. Aus diesem Grund wurde so manches Haus erst Jahrzehnte bis Jahrhunderte nach der Zerstörung durch den Stadtbrand wieder aufgebaut – in völlig neuem Stil. Während anderen Stadtbränden ein umso prunkvollerer Wiederaufbau folgte, markierte dieser das Ende der Blütezeit Rostocks.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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Stadtbrände - Maxdorfer - 30.10.2012, 21:02
RE: Stadtbrände - Maxdorfer - 30.10.2012 21:05
RE: Stadtbrände - Suebe - 30.10.2012, 21:27
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