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Schwabenkrieg 1499
24.07.2020, 22:18
Beitrag: #29
RE: Schwabenkrieg 1499
(10.07.2020 19:02)Suebe schrieb:  Ja, die ganzen Berner Ratsherren, soweit sie beim Heer waren, waren vor und nach Murten scharf auf den Ritterschlag wie die Henne auf den Äpfelbutzen.

Dass der Krieg aus lokalen Gründen entstanden ist, wage ich sehr zu bezweifeln. Insbesondere endete er, da der Schwäbische Bund den Krieg eben nicht als seine Sache ansah, und keine weiteren Truppen aufstellte.
Oder willst du darauf hinaus, dass die ganzen Schweizer Freiheitskriege nach heutigen geografischen Gegebenheiten innerschweizerische Angelegenheiten waren, mow Bürgerkriege?

Die Brutalität der Eidgenössischen Kriegsführung 1499, (insbesondere gegen die Landbevölkerung) die so nicht erwartet worden war, hat allerdings für lange Zeit die Verhältnisse zwischen nördlich und südlich des Bodensees sehr belastet.

1525 bei Pavia wurde die Quittung ausgestellt.Thumbs_up
Fortan haben sich die Eidgenossen kaum mehr direkt in die europäischen Kriege eingemischt, haben diese allerdings durch ihr hochentwickeltes Bankwesen weitgehend erst ermöglicht.
Rückbesinnung auf das was man am besten kann. IdeaDevil

Nur noch einmal und da miteinander: An der Beresina deckten Schweizer, Badener und Württemberger die Übergangsstellen bis zum Schluss, hatten per Saldo auch die höchsten Verluste aller Kontingente der "Grande Armee"
1812.

Wie oben dargestellt: Zum mindesten nach meiner Sichtweise ist der Schwabenkrieg lediglich die Summe von verschiedenen lokalen Konflikten und Bündnisabhängigkeiten. Wie auch der Burgunderkrieg (Luwig IX hatte den Schultheiss Niklaus von Diesbach bestochen). Und Bern wollte Savoyen.

Die mittelalterliche Geschichte ist keine nationale Geschichte. Und in diesem Sinn gab es keine "Befreiungskriege" von einer "Fremdherrschaft". Befreiungskriege im Mittelalter waren meistens lokale Aufstände, wobei es in der Regel darum ging, "Freiheiten" und Privilegien zu erwerben oder diese zu bewahren.

Insofern waren die Aufstände der Innerschweiz oder Glarus gegen Habsburg, die Aufstände der Leventina und des Blenio gegen Mailand, die Aufstände der Oberwalliser gegen den Bischof von Sion und gegen Savoyen, der Aufstand der Haslitaler gegen die Stadt Bern, der Aufstand der Appenzeller gegen das Kloster St. Gallen, der Aufstand der Entlebucher gegen die Stadt Luzern etc. "Freiheitskämpfe". Der Rest der "Schweizer Befreiungskriege" waren tatsächlich reine Machtkämpfe - auch die gegen Habsburg.

Wenn man die Machtkämpfe zwischen Eidgenossenschaft und Habsburg nicht als das ansehen will, was sie sind, sondern sie national beurteilt, muss man unweigerlich zum Schluss kommen, dass es sich um Bürgerkriege gehandelt haben muss. Denn die habsburgischen Ritter, die gegen die Eidgenossen gekämpft haben, kamen nicht aus Kärtnen oder der Steiermark, sondern aus dem Aargau, aus Zürich (Umland), Luzern (Umland), aus Thurgau, aus Zug etc. Denn Habsburg war für die Eidgenossenschaft vor allem eine lokale und keine internationale Macht.

Ein Beispiel:
Der Vater eines Freundes von mir war in den 70ern Lehrer in Glarus und hat mit den Kindern seiner 26-köpfigen Klasse für die Schlacht von Näfels (die "Befreiungsschlacht" von Glarurs gegen Habsburg 1388) ein kleines Experiment gemacht. Aufgrund ihres Familiennamens wurde der Herkunftsort der Kinder ermittelt und auf das Jahr 1388 übertragen. Das Ergebnis: Drei der Kinder waren Ausländer, nochmals drei stammten von Vorfahren aus dem Ausland ab. Von den verbliebenen 20 hätten gerade mal (inkl. Mädchen) 3 auf der Seite der Glarner (also Eidgenossen) gekämpf, der Rest wäre samt und sonders auf habsburgischer Seite gestanden. Die Kinder waren natürlich schrecklich enttäuscht (sie dachten eben auch national) - aber das ist ein anderes Thema.

Man kann, so behaupte ich, das Mittelalter eben nicht verstehen, wenn
man die nationale Brille aufsetzt. Und von einer "Erbfeindschaft" zwischen Eidgenossenschaft und Habsburg zu reden, ist nationale Sichtweise.
Ein Beispiel: Bevor Rudolf I von Habsburg König wurde, noch als Graf, wurde er von Uri gebeten, in einer Blutrachefehde innerhalb der Talschaft, welche dem Ort offenbar schwer zu schaffen machte, als Unparteischer zu vermitteln und ein Schiedsgericht abzuhalten (Izzeli-Gruoba-Fehde). "Erbfeindschaft" sieht anders aus.

Weiteres Beispiel:
Auch die klassische Befreiungschlacht am Morgarten (Schwyz und Uri gegen Habsburg) war keine Befreiungsschlacht im eigentlichen Sinne sondern eben auch eine lokale Fehde. Es ging dabei um die Waldgebiete
im Grenzgebiet zwischen Schwyz und dem Kloster Einsiedeln. Die Schwyzer, resp. Bauern aus Schwyz rodeten Waldgebiete, die dem Kloster gehörten. Offenbar (ist nicht klar ersichtlich) behaupteten sie, der Wald sei Reichsland, und wer Reichsland rodete, dem gehörte (als Reichslehen oder fallweise sogar als Eigen) das gerodete Land. Der Grenzstreit eskalierte zunehmend mit dem gerodeten Land so dass die Schwyzer das Kloster überfielen, einige Mönche erschlugen, andere in den Kerker warfen, um Lösegeld zu erpressen und - so die Chroniken - mit den vorgefundenen Reliquien pietätlosen Schabernack trieben. Natürlich kam Schwyz, ausgesprochen von Bischof von Konstanz, unter den Kirchenbann.

Nun war aber die Kastvogtei über das Kloster Einsiedeln in habsburgischem Besitz, d.h. die Habsburger trieben für das Kloster nicht nur die Steuern ein sondern waren auch für den Schutz des Kosters verantwortlich. Sie durften also nicht nur, sie mussten sogar eingreifen, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Und Uri (Unterwalden noch nicht) musste aus der Bündnisverpflichtung heraus, Schwyz beistehen.
Soweit zum Befreiungskampf.

Und weiter:
Auch die Bauern und Bürger der Eidgenossenschaft verhielten sich wie der sonst herrschende Adel - mittelalerlich. Sie eroberten, kauften, belehnten, verpfändeten etc. wie das überall üblich war, ganz ohne Intention, den eroberten Gebieten die Freiheit von der Feudalherrschaft zu bringen. Die Eidgenossen - und auch die Bauern unter ihnen - verhielten sich so mittelalterliche wie der ganze Rest von Europa.
Ein Beispiel:
Freiburg (das "Schweizer" Fribourg wohlverstanden, nicht Freiburg im Breisgau) hatte das Simmental (im Berner Oberland) den lokalen Machthabern (Freiherren von Weissenburg, Freiherren von Brandis, Freiherren von Raron etc. etc.) abgenommen und 1389 / 1390 hatte Bern wiederum das Simmental (natürlich wieder eine Fehde) Freiburg abgenommen. Nun hatten die Bauern des Simmentals im Laufe der Entwicklung sich einigen Freiheiten und Privilegien ergattern können, die aber von Bern konsequent ignoriert wurden. Das rief natürlich Widerstand hervor - d.h. die Bauern rebellierten nicht etwa gegen das "böse Habsburg" oder den "bösen Adel" sondern gegen die "guten" Eidgenossen von Bern. Der Landvogt des Simmentals, Peter von Greyerz / Gruyère, Bürger und Ratsherr von Bern, möglicherweise aus dem Geschlecht der Grafen von Greyerz stammend, liess sich etwas besonderes einfallen, um den Widerstand zu brechen. Da er sich nicht auf die bestehende Rechtslage berufen konnte - die gab den Bauern recht - lancierte er einen der ersten Hexenprozesse nach neuem Muster und klagte die widerständischen Bauern der Zauberei und damit dem Teufelspakt und damit wiederum der Ketzerei an. Immerhin wurden um 1400 lediglich zwei Bauern auf dem Scheiterhaufen verbrannt - man zeigte sich "gnädig".

Zu 1525 Pavia:
Die letzte Schlacht in der Verwantwortung der eidgenössischen Orte und ihrer Tagsatzung war die Niederlage von Marignano 1515 - bereits von da an hat sich die Eidgenossenschaft "international" zurückgezogen, d.h. keine "auswärtigen" Kriege mehr geführt.
1525 in Pavia unterlagen die Eidgenossen als Söldner des franz. Königs Franz I gegen Kaiser Karl V, wie übrigens auch schon 1522 in Bicocca, ebenfalls als Söldner von Franz I gegen Karl V.
Eidgenössische Söldner (zum Mindesten Katholische) in Frankreich gab es aber auch nach 1525 und auch noch über das Mittelalter hinaus. Das hat aber ebenfalls nichts mit nationalen Vorlieben und auch nicht mit Reichs- oder Deutschfeindlichkeit zu tun sondern mit den bestehenden Soldverträgen, die Frankreich vor allem nach 1515 abgeschlossen hatte. Zum einen bezahlte Frankreich einfach besser als das Reich, zum anderen hatte Frankreich auch mehr Geld, um die verschiedenen Tagsatzungsabgeordneten zu bestechen, welche die Erlaubnis erteilten, in ihren Orten überhaupt Söldner anwerben zu dürfen.
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