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Überlegungen zu Historischen Romanen (Schwerpunkt 21. Jahrhundert)
18.02.2016, 00:29
Beitrag: #1
Überlegungen zu Historischen Romanen (Schwerpunkt 21. Jahrhundert)
Was ist ein historischer Roman?

Ein Blick auf den aktuellen Buchmarkt zeigt, dass unter dem historischen Roman eine ganze Menge vermarktet wird.

Versuch, einer Klassifizierung:

1.)
- historische Romane, die vor historischer (oder angeblich historischer) Kulisse spielen, z. B. historische Abenteuerromane (z. B. Die Teufelsbibel-Trilogie von Richard Dübell), historische Kriminalromane (z. B. Bruder Cadfael-Serie von Ellis Peter, die Falco-Serie von Lindsay Davis oder die Buchserie um den Ermittler Gordianus), historische Liebesromane, erotische Romane (oft Romane, die in einem fernöstlichen Milieu oder in der Renaissance spielen), historische Familiensagas, was wohl für die meisten Romane zutrifft, die im 21. Jahrhundert als historische Romane etikettiert werden.

2.)
- Historische Romane, bei denen es tatsächlich um die Vermittlung von historischen Fakten geht. (Was nicht in jedem dieser Romane wirklich gelungen ist.), z. B. Romanbiographien über Personen, die tatsächlich gelebt haben oder gelebt haben dürften (z. B. "Die Herrin der Kathedrale" v. Nadja und Claudia Beinert über Uta von Naumburg, Romane über Elisabeth I., Alienor von Aquitanien, die Hl. Elisabeth etc.), Romane, die ein historisches Ereignis in den Mittelpunkt stellen (z. B. "Zorn des Himmels" von Richard Dübell über das Magdalenenhochwasser), oder bei denen der Schwerpunkt darauf liegt, dass eine bestimmte Zeit (z. B. "Der Name der Rose" von Umberto Eco) oder das Leben in einer bestimmten Region erzählt werden soll (z. B. "Colorado Saga", "Mazurka" und andere Romane von James A. Mitchener).

Hinzu kommen noch Mischformen, z. B. Romane, in denen es neben dem Haupthandlungsstrang um eine historische Person noch weitere Handlungsstränge um fiktive Figuren gibt oder Romane, wo Autor/in mit den historischen Fakten spielt (was wäre wenn).

Die (objektive) Abgrenzung zwischen den beiden Blöcken ist nicht immer einfach, da auch bei jenen historischen Romane, bei denen es um die Vermittlung von historischen Fakten geht, ein Weg zur Übermittlung gewählt werden muss, sodass eine richtige Geschichte und nicht einfach nur ein Sachbericht erzählt wird.

Historische Fakten sind keineswegs immer so, dass sie sich von selbst zu einer flüssigen Geschichte verbinden, was dramaturgische Abweichungen bzw. Hinzufügungen notwendig macht. Gibt es kaum historisch belegte Fakten, hat Schriftsteller/in viel Freiraum, der gefüllt werden darf.

Bei einer objektiven Beurteilung eines historischen Romans ist zu berücksichtigen, dass zwei Aspekte zu bewerten gibt. (Vorausgesetzt, es gibt überhaupt objektive Kriterien, das wäre auch zu diskutieren.)

- Der historische Roman sollte jene Voraussetzungen erfüllen, die nun einmal jeden lesbaren Roman ausmachen: z. B. einen schlüssigen / glaubwürdigen Handlungsablauf, eine sinnfällige Verknüpfung der einzelnen Handlungsstränge, glaubwürdige Erzählperspektive/n, plausible Charaktere (wenigstens die Hauptfigur und wichtigen Nebenfiguren sollten nicht zu Pappemacheetypen verkommen und so etwas wie einen Charakter haben), sprachliche Gestaltung.

- Bei einem historischen Roman kommt noch die Umsetzung der historischen Fakten hinzu. Ein gelungener historischer Roman ist gewöhnlich eine Auflösung von historischen Fakten in die Handlung. Die Fakten sind großteils vorgegeben, das engt die Möglichkeiten von Autor/in ein. Diese sollten nicht einfach nur schmückendes Beiwerk sein, sondern wenigstens zum Teil auch für die Handlung relevant. Abweichungen von historischen Fakten und fiktive Ergänzungen sind für mich persönlich keine "Kapitalverbrechen", aber sie sollten großteils aus der Handlung heraus begründet wirken. (Nicht gut finde ich, wenn der Eindruck entsteht, dass Autor/in die historischen Fakten nach Belieben oder Willkür verändert, da stellt sich für mich schon die Frage, warum er / sie dann unbedingt einen historischen Roman daraus machen musste.) Zudem sollten die historischen Figuren und der historische Hintergrund eine gewisse historische Authentizität haben. (Was natürlich nicht so einfach ist, wenn es unterschiedliche Sekundärliteratur, widersprüchliche Quellen, Lücken etc. gibt.)

Um das zu erreichen, ist neben Einfühlungsvermögen und Schreibfertigkeit beim historischen Roman auch eine gute Recherche notwendig und dazu gehört z. B. Lektüre von qualitativer, tatsächlich quellenfundierter Sekundärliteratur, die oft nur über die Bibliothek zu kriegen ist, kritischer Umgang mit den Quellenwerken etc.

Ein weiteres Problem ist, dass gerade die populärwissenschaftliche Sekundärliteratur, die im Handel zu finden ist, oft auf Quellen aus der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts aufbaut und so eine ganze Menge zeitbedingte Fehleinschätzungen, ungenaue Verwendung von Quellen, manchmal leider auch Quark und Ähnliches beinhaltet, was längst von der "seriösen" Forschung widerlegt ist.

Ein weiteres Problem ist außerdem, dass die Historiker/innen in den letzten Jahren immer wieder Neues entdeckt haben. Was also vor 5 oder 10 Jahren noch als historisch stimmig galt, kann heute schon längst überholt sein, und auch Autor/innen können nicht dauernd beim Schreiben, ihr Konzept ändern, um diese neuen Recherche-Ergebnisse auch noch zu berücksichtigt.

Insgesamt also ist es gar nicht einfach, einen historischen Roman fair zu beurteilen. Aber einfach nur zu schreiben, ob mir der historische Roman von X. gefallen hat oder nicht, dürfte nicht gerade hilfreich für andere sein, die meine Rezension dazu lesen.Tongue

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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Überlegungen zu Historischen Romanen (Schwerpunkt 21. Jahrhundert) - Teresa C. - 18.02.2016 00:29

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