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hochfahrend und jähzornig - oder das Stereotyp des Verlierers
21.02.2016, 18:02
Beitrag: #1
hochfahrend und jähzornig - oder das Stereotyp des Verlierers
Nachdem es in einem anderen Thread hier zu einer kurzen Diskussion gekommen ist, ob Herzog Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt tatsächlich ein "hochfahrendes und jähzorniges Wesen" hatte, wäre es vielleicht einmal interessant, solche Charakterisierungen auch einmal ein wenig zu diskutieren und vielleicht auch zu hinterfragen.

Über Personendarstellungen im Mittelalter findet sich immer wieder die Meinung, dass sie stark der Stereotype / dem Typus verpflichtet waren - es galt weniger den tatsächlichen Charakter eines Promis zu beschreiben, als ihn als Träger seines Amtes, seiner Position etc. zu typisieren.

Bei diesem Herzog Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt habe ich die Frage gestellt, ob er letztlich der Verlierer war, weil er ein tatsächlich ein "hochfahrendes und jähzorniges Wesen" besaß oder ob ihm dieses "hochfahrendes und jähzorniges Wesen" später "angedichtet" wurde, weil er eben der Verlierer war.

Da haben wir z. B. mit König Przemysl II. Ottokar von Böhmen und Herzog Karl dem Kühnen von Burgund neben dem Wittelsbacher Ludwig VII. zwei wesentlich bekanntere Herren, die beide übrigens, wie auch Ludwig, einen (Haupt-)Gegenspieler hatten, der als "kühlen und rationalen Rechner" gilt und letztlich auch der Sieger.

König Przemysl II. Ottokar von Böhmen contra König Rudolf I. (Graf Rudolf IV. von Habsburg)
Herzog Karl dem Kühnen von Burgund contra König Ludwig XI. von Frankreich
Herzog Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt contra Herzog Heinrich XVI. von Bayern-Landshut

(Auch die Konstellation: Richard III. von England contra Henry VII. von England lässt sich auf eine solche Formel reduzieren, bei Shakespeare: Monster und "Idealkönig", aber wenn wir uns einmal diesen Henry VII. genauer unter die Lupe nehmen, ist doch auffallend, dass wir da einiges finden, das auch auf Ludwig XI. zutrifft. War dieser nicht die einzige "Spinne" unter den zeitgenössischen Herrschern?)

Für auffallend ist jedenfalls, dass wir im Mittelalter mehrere Fürsten finden, die als Verlierer endeten, und denen ein "hochfahrendes und jähzorniges Wesen" nachgesagt wird. (Auffallend ist auch, dass es sich dabei durchaus um Personen handelt, die zunächst sehr erfolgreich waren und deren Dynastien mit ihnen oder nicht einmal 50 Jahre später in männlicher Linie ausgestorben waren.)

Aus religiöser Sicht, die im Mittelalter noch wichtig war, gelten Hochfahrt und Jähzorn als Todsünden (heute: Wurzelsünden). Sollte mit dieser Behauptung alles in den Augen der Zeitgenossen sozusagen als gerechtfertigt und Teil der "Normalität" verständlich gemacht werden?

In vielen Chroniken und bei vielen Mittelalter-Historiographen ist zumindest klar, dass sie selbst keineswegs den Durchblick hatten, den auch wir heute nur zum Teil haben.
Wenn nicht bewusst hier eine Parteinahme vorliegt, mag es für diese durchaus auch Erklärungsbedarf gegeben haben, wie es denn so weit kommen konnte, dass machtvolle und erfolgreiche Promis plötzlich zu Fall kommen, sich ihre Aufwärtskurve völlig unerwartet ins Gegenteil verkehrt. Also mussten sie wohl gegen den "göttlichen Heilplan" verstoßen haben, damit ihr Ende sozusagen als verdient gesehen werden konnte, und da mag sich eine Erklärung zu "Todsündern" gleich angeboten haben.

Interessant ist natürlich auch, ob diese Sicht bereits im Mittelalter eindeutig feststand oder sich erst später durchsetzte oder festgeschrieben wurde, so z. B. im 19. Jahrhundert durch literarische Werke wie z. B. das Drama von Franz Grillparzer "König Ottokars Glück und Ende" oder Walter Scotts Roman "Quentin Durward - Im Auftrag des Königs" oder auch durch die dortige Historiographie.

Bei einem Ludwig VII. wäre z. B. auch gut vorstellbar, dass er den preußischen Historikern bzw. denen des Wilhelminischen Kaiserreiches schon deswegen als Negativfigur passte, weil er doch als "Deutscher" in sehr engem Kontakt zum "deutschen" Erbfeind Frankreich gestanden hatte.

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Josephine Tey, Alibi für einen König
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hochfahrend und jähzornig - oder das Stereotyp des Verlierers - Teresa C. - 21.02.2016 18:02

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