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Historische Abweichungen von Fakten - wie weit darf das gehen?
11.07.2016, 23:56
Beitrag: #7
RE: Historische Abweichungen von Fakten - wie weit darf das gehen?
Das Thema ist nicht einfach zu beantworten. Da es sich um einen Roman (oder einen Film) handelt, sollte dichterische Freiheit gestattet sein. Manche Autoren weisen ihre Leser daraufhin. Ich finde das okay, wenn man im Falle dichterischer Freiheiten dann über die tatsächlichen Geschehnisse informiert wird.

Ich denke aber, dass das Problem nicht nur beim Produzenten (Autor / Drehbuchautor, Regisseur) liegt, sondern auch beim Konsumenten (Leser, Filmgucker) liegt. Man ist halt nur bereit die Unterhaltung anzunehmen und nicht bereit, sich in Fachbüchern oder Fachzeitschriften zu informieren. Seit Dan Brown sind viele Leute überzeugt, dass Jesus und Maria Magdalena ein Liebespaar waren und Nachkommen hatten. Das Bild Neros ist wohl von Sinkiewiczs Roman oder besser von Peter Ustinovs Darstellung geprägt und Historiker können schreiben, was sie wollen, das Image Neros lässt sich wohl nicht mehr so leicht ändern. Das zeigt, was gute schauspielerische Leistungen ausmachen können. Peter O'Toole und Katherine Hepburn prägen seit "Der Löwe im Winter" das Bild von Heinrich II. von England und Eleonore von Aquitanien und Richard Löwenherz gilt seitdem als homosexuell, was eher dem Zeitgeist um 1970 geschuldet ist, als historischen Fakten.

Dies sprengt nicht unbedingt den Rahmen der dichterischen Freiheit und kleine Abweichungen von den Fakten sind durchfall sinnvoll. Im 1994 gedrehten französischen Film "Die Bartholomäusnacht" (nach Alexander Dumas "Die Königin Margot" und nicht zu verwechseln mit "Die Bartholomäusnacht" von Prosper Merimee) sind z.B. die Darsteller von Margot, Heinrich von Navarra oder Karl IX alle um die 40 Jahre alt, während die historischen Vorbilder im Jahre 1572 zwischen 18 und 21 Jahre alt waren. Es wäre deshalb interessant, ob dies aus Unachtsamkeit geschah oder ganz bewusst negiert wurde. Andererseits: Hätte damals eine neunzehjährige Schauspielerin die Rolle der Margot so ausgefüllt, wie Isabelle Adjani, die zu Zeiten der Dreharbeiten 39 Jahre alt war! Oder hätte ein 18-jähriger den späteren Heinrich IV. so spielen können, wie der damals 44-jährige Daniel Auteil.

Als Kind der DDR musste wir uns die Ernst-Thälmann-Filme anschauen. Die Titelrolle wurde von Günther Simon gespielt, einen damals beliebten Schauspieler. Der hat die Rolle so ausgefüllt, dass es einen nach der Wende schwergefallen ist, das Bild des historischen Thälmanns von der Darstellung Simons zu lösen. Und irgendwie bleibt die Legende vom guten "Teddy" Thälmann, der seine Frühstückschnitten hungrigen Arbeitern gab hängen. Und das sind halt die Folgen von Propaganda ...

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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RE: Historische Abweichungen von Fakten - wie weit darf das gehen? - Sansavoir - 11.07.2016 23:56

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