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Historische Abweichungen von Fakten - wie weit darf das gehen?
20.07.2016, 09:33
Beitrag: #12
RE: Historische Abweichungen von Fakten - wie weit darf das gehen?
Soweit ich weiss, hat Berling neben seinen eigenen Recherchen (die ziemlich gut sind, was z.B. die sarazenischen Piraten im Alpenraum betrifft) Ideen von politisch äusserst fragwürdigen Leuten benutzt. Inwieweit er "der heilige Gral und seine Erben" verwendet hat, kann ich nicht überblicken.

Bei der Verbindung zwischen Katharer und Gral hat Berling die Ideen des Esoterikers (und SS-Offizier) Rahn und des Antroposophen Roche, welche eine Verbindung zwischen Albigenser und dem Budhismus konstruierten, die Katharer aber gleichzeitig zu Nachfahren einer gnostischen "Untergrundreligion" der Westgoten erklärten, den Gral als Schatz der Katharer interpretierten und den sie in den Höhlen der Ariège suchten, verarbeitet. In der Höhenburg der Albigenser Montségur vermuteten sie die von Wolfram von Eschenbach erfundene Gralsburg Montsalvatsch.
Das Geschwurbel von Rahn geht im Übrigen noch weiter: So seien die Katharer zusätzlich auch noch Abkömmlinge von bekehrten Druiden gewesen. Und der Gral der Albigenser soll zudem noch irgendwie etwas mit dem Kalachakra-Tantra des tibetanischen Buddhismus zu tun haben (ich blicke da nicht durch - ich habe dieses esoterische Nazi-Gedöhns nicht gelesen).

Dieses ganze fantastsiche Konstrukt wurde so nur von Berling verarbeitet, Brown hat es nicht verwendet (wenn er überhaupt etwas davon gewusst hat).

Die heimliche Genealogie der Merowinger, d.h. das Konstrukt, dass die fränkischen Merwoinger nicht ausgestorben sind, geht auf Pierre Plantard (der von sich selbst behauptete, ein Abkömmling der Merowinger zu sein), dem Gründer der Prieuré von Sion, zurück.

Die Idee, die "geheime" Genealogie der Merowinger mit konstruierten Nachkommen von Jesus und Maria Magdalena und diese wiederum als "königliches Blut" (sang real) zum Gral zu machen, geht offenbar tatsächlich auf Lincoln und Baigent mit ihrem "Der heilige Gral und seine Erben) zurück.

Berling hat in seinen Romanen (lange vor Brown) Lincolns/Baigents Gral als "königliche Blutlinie der Nachkommen von Jesus/Magdalena und der Merowinger (das/die Kinder von Jesus und Maria Magdalena sind zusammen mit Jopseph von Arimathäa nach Europa geflohen und haben sich dort mit den Merowingern vermischt) aufgegriffen und das Thema mit
den esoterischen Ideologien über den "Katharer-Gral" von Rahn in Verbindung gebracht.
Die Verschwörungstheorien um angebliche Machenschaften der Prieuré von Sion hat Berling nicht theamtisiert, da er schliesslich lediglich Mittelalter-Romane schrieb. Dafür hat er weitere - tatsächliche und vermutete - zeitgenössische Geschenisse in seinen Romanen eingebaut.

Brown griff das Thema, rund 20 Jahre nach Berling, auf und bezieht sich ganz offensichtlich auf Lincoln und Baigents von denen er nicht nur die mitttelalterliche Handlung übernimmt sonndern auch die Verschwörungstheorien rund um die Prieuré von Sion. Rahns Esoterik über den "Gral und Katharer", die Berling mit einbezieht, scheint er nicht gekannt zu haben.

Der Versuch, hier eine kleine Übersicht über den ganzen Kompelx zu geben ist mangelhaft, unvollständig und vermutlich in einzelnen Punkten auch falsch. Ich habe mich früher mal nur oberflächlich damit befasst, wobei es mir darum ging, die mittelalterlichen Überlieferungen (keltische und oriental. Sagen, Werke der Troubadoure und Minnesänger) des Themenkreises Artus-Tafelrunde-Gral vom neuzeitlichen und modernen Geschwurbel sauber zu trennen.

(19.07.2016 17:29)Bunbury schrieb:  Was mir halt nicht klar ist, ist, ob Berling auch das gräßliche "Der Heilige Gral und seine Erben" gelesen hat oder ob die Geschichte der Kinder des Grals auf eine andere Quelle zurückgeht. Ich hatte einiges über die Schrifttollen vom Toten meer gelesen und die Behauptung, dass die Idee dort zuerst auftauchte ( aber das kann bei Baigent und Leigh gewesen sein- das Buch hatte ich vorher gelesen und fand es ziemlich gut... Hat mich dazu gebracht, mich mit den Apokryphen zu beschäftigen...). Zumindest hatte Berling auch andere Quellen als Dan Brown. Ich habe nie ganz verstanden, warum Lincoln, Baigent und Leigh den Plagiatsprozess gegen Brown verloren hatte- Brown hat ja offensichtlich nur ihr Buch als Vorlage benutzt und sich weitere Recherchen geschenkt...

Das Brown den Plagiatsprozess gewonnen hat, wundert mich auch. Warum Lincoln, Baigent und Leigh aber nicht schon früher gegen Berling prozessiert haben ? Vielleicht deshalb, weil er zu wenig erfolgreich war - oder auch weil das Thema von ihm weiter ausgebaut wurde.

Mit den Schriftrollen vom Toten Meer meinst Du die Qumran-Rollen ? Mir ist nicht bekannt, dass dort etwas bez. Nachkommen von Jesus angedeutet würde. Das wäre, meine ich, auch nicht nötig, denn die Idee einer Verbindung zwischen Jesus und Maria Magdalena ist eigentlich recht naheliegend, wenn sie sich nicht geradezu aufdrängt. Nikos Kazantzsakis jedenfalls setzt dies bereits in seinem 1951 erschienen Jesus-Roman "Die letzte Versuchung" literarisch um. Bei der "letzten Versuchung" handelt es sich um eine Vision Jesus' als er am Kreuz hing, in welcher er mit Maria Magdalena Kinder zeugt und ein patriarchalisches Familienleben führt.
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RE: Historische Abweichungen von Fakten - wie weit darf das gehen? - Aguyar - 20.07.2016 09:33

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