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Antiochos VII. und der Untergang des Seleukidenreiches
27.08.2016, 22:55
Beitrag: #4
RE: Antiochos VII. und der Untergang des Seleukidenreiches
Als zweites Merkmal hellenistischer Herrschaft ist die Vorstellung des Königtums wichtig, die sich gut mit dem Herrschaftskonzept Max Webers beschreiben lässt. Weber unterschied zwischen legaler Herrschaft (die durch den Glauben an ihre z. B. gesetzliche Verankerung legitimiert wird), traditionaler Herrschaft (die durch Tradition legitimiert wird, vgl. die absolutistischen Monarchien der Neuzeit) und charismatischer Herrschaft (die durch die persönliche Fähigkeiten des Macht Ausübenden legitimiert wird). So beruhte der Gehorsam der Soldaten Alexanders des Großen auf dessen Fähigkeiten und seiner Persönlichkeit – wie das bei vielen „großen Persönlichkeiten“ der Weltgeschichte ist.
Nach dem Tod Alexanders konnte sich keiner der um die Macht konkurrierenden Generäle anders als durch seine Fähigkeiten legitimieren. Die letzten Angehörigen des makedonischen Königshauses, die eine gewisse traditionale Herrschaft für sich in Anspruch nehmen konnten, wurden schnell getötet. Charakteristisch ist nun, dass diese Legitimation eines Herrschers durch seine persönlichen Eigenschaften die ganze hellenistische Zeit hindurch erforderlich blieb. Interessant finde ich da eine wohl noch aus hellenistischer Zeit stammende Aussage, die später im byzantinischen Lexikon Suda überliefert wurde:
„Es sind weder Natur [= Abstammung] noch Gerechtigkeit [= Legalität, Recht], die das Königtum Menschen geben, sondern die Fähigkeit, ein Heer zu führen und die Angelegenheiten des Staates mit Verstand zu handhaben: Dies war der Fall mit Philipp [Halbbruder Alexanders des Großen] und den Nachfolgern Alexanders. Für den natürlichen Sohn bestand nämlich kein Nutzen in der Verwandtschaft wegen seiner Geistesschwäche. Diejenigen aber, die in keiner [verwandtschaftlichen] Beziehung zu ihm [Alexander] standen, wurden Könige fast der gesamten bewohnten Welt.“ (Übersetzung von Matthias Haake)

Natürlich festigten früher oder später Dynastien ihre Herrschaft in der hellenistischen Welt, wie die Seleukiden, Ptolemäer und Attaliden. Und jeder spätere Angehörige dieser Familien konnte gleichzeitig auch auf seine erfolgreichen und machtvollen Vorfahren verweisen. Hans-Joachim Gehrke spricht daher bei dem hellenistischen Königtum (in Anlehnung an die Weber’schen Kategorien) auch von einer „erbcharismatischen Herrschaft“. Denn trotzdem musste jeder König aufs Neue Verstand, körperliche Tüchtigkeit, Großzügigkeit und ganz besonders militärisches Können unter Beweis stellen. Er stand nach Herrschaftsantritt immer unter dem Druck, einen Krieg zu beginnen, um sich zu beweisen – und eröffnete diesen Krieg im Notfall eben gegen das benachbarte hellenistische Königreich (ich verweise auf die sechs Syrischen Kriege zwischen Seleukiden und Ptolemäern). Er zog persönlich und heroisch an der Spitze seiner Truppen in die Schlacht, um sich zu legitimieren, und ließ dabei nicht selten auch sein Leben (dafür ist Antiochos VII. ein gutes Beispiel). Er zeigte Freigiebigkeit, Reichtum und „persönliche Größe“, was auf Dauer finanziell nicht gerade entlastend war. Und ein jüngerer Sohn oder sonstiger Verwandter konnte nach dem Tod eines Königs unter Verweis auf persönliche Fähigkeiten dessen ältesten Sohn die Herrschaft streitig machen und einen Bürgerkrieg anzetteln (Antiochos Hierax als zufälliges Beispiel).
Anhand dieser Beispiele sollte deutlich geworden sein, dass der hellenistischen Herrschaft als solcher schon gewisse Schwächen innewohnten, die in der Geschichte des Seleukidenreiches immer deutlicher zu Tage traten.

Literaturhinweis dazu: Hans-Joachim Gehrke: Der siegreiche König. Überlegungen zur hellenistischen Monarchie. In: Archiv für Kulturgeschichte, Band 64, 1982, S. 247-277.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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RE: Antiochos VII. und der Untergang des Seleukidenreiches - Maxdorfer - 27.08.2016 22:55

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