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Rudolf IV der Stifter
20.01.2017, 16:03
Beitrag: #19
RE: Rudolf IV der Stifter
Ich habe den Eindruck, dass diese Frage der Ebenbürtigkeit in vielen Fällen im Spätmittelalter nicht so eindeutig ist bzw. für uns heute vielleicht gar nicht mehr erkennbar ist.

Nehmen wir z. B. die Grafen von Cilli, eine Adelsfamilie aus dem heutigen Slowenien. Auf den ersten Blick entsteht der Eindruck, dass sie eigentlich unbedeutende Grafen waren, die halt das Glück hatten, im Königreich Ungarn einigen Einfluss zu haben, weswegen der spätere König / Kaiser Sigmund, als er noch ausschließlich ungarischer König war, eine Dame aus ihrer Familie heiratete. Daraufhin wurde die Familie von ihm gefördert, wobei er so auch erfolgreich die Habsburger bzw. deren leopoldinischen Familienzweig schädigen konnte, als die Grafen aufgrund von Besitzungen bzw. Lehen in den Herzogtümern Steiermark, Kärnten und Krain deren Untertanen waren. Indem Sigismund "gegen das Reichsrecht" seinen Schwager und dessen Neffen 1436 zu Reichsgrafen erhob, erlangten sie den (unverdienten) Höhepunkt ihrer Karriere. Als Reichsgrafen waren sie den Dynastien wie den Habsburgern oder den Wittelsbachern de jure gleichgestellt.

Eine verbreitete historische Einschätzung sieht die Grafen von Cilli somit als (reichsferne) unbedeutende edelfreie Familie, denen die Protektion durch eine vorteilhafte Heirat den Aufstieg in den Hochadel verschaffte. Möglicherweise ist hier auch die Ursache für die schlechte Presse, die Barbara von Cilli hatte, in erster Linie zu finden. Dass diese Barbara den Ruf hatte, eine Schönheit zu sein, dürfte für spätere Generationen dann zu einer weiteren Legendenbildung geführt haben: Barbara als schöne Frau aus fragwürdigen Verhältnissen, der ein leichtsinniger königlicher Lebemann verfällt.

Dazu ein Beispiel aus der Literatur, dass die "schöne" Barbara, aber auch Sigismund in besonders übles Licht rückt. In dem historischen Roman "Herrmann von Unna" der in Sachsen ansässigen Schriftstellerin Benedikte Naubert (Christiane Benedikte Naubert (1752-1819) findet sich eine wahre "Schauergeschichte" über das Zusammenfinden der beiden: Statt um seinen ungarischen Thron, der schwer gefährdet ist, zu kämpfen, verbringt "Wenzels Bruder" seine Zeit damit, die schöne Barbara zu umgarnen bzw. sich von dieser umgarnen zu lassen. (Neuberts fiktiver Titelheld ist da wirklich am Verzweifeln, wo es für ihn doch so wichtig wäre, sich bewähren zu können, und nun zeigt sich für ihn, dass er durch seinen Wechsel vom "faulen" Wenzel zu dessen Bruder vom Regen sozusagen in die Traufe gekommen ist.)

Barbara ist hier eine moralisch zweifelhafte Person und verheiratet, um sie ins Bett zu kriegen (Barbara will zuvor von ihm geheiratet werden), ist Nauberts Sigismund nur zu gerne bereit, ihren Ehemann umzubringen. Nach erfolgter Tat wird geheiratet (und der Titelheld flüchtet, findet dann doch noch in Sigismunds Schwiegersohn einen guten Gefolgsherrn und gerät allerdings bald in neue Schwierigkeiten, die uns hier nicht zu kümmern brauchen.)

Jedenfalls wird die königliche Mordgeschichte noch besser (aus heutiger Sicht: schauriger). Nicht genug, dass das lasterhafte Paar Barbara und Sigismund ihre Ziele mit einem Mord verwirklicht und ungeschoren bleibt, die fiktive Heldin im Laufe der Handlung noch heraus, dass Sigismunds erste Frau, der er seine ungarische Krone verdankt (die rechtmäßige Herrscherin wäre sie, er ist nur der Gemahl und Mitregent der Königin und seit ihrem (im Roman angeblichen) Tod der Nachfolger bzw. Regent für die gemeinsame Tochter), noch am Leben ist. Er hat sie in ein Kloster gesperrt und für tot erklären lassen. Da Elisabeth von Luxemburg, historisch die Tochter von Barbara und Sigmund, im Roman allerdings eine relativ positive Figur ist, versteht sich natürlich von selbst, dass sie hier nicht die Tochter der bösen Barbara sein darf, sondern aus seiner ersten Ehe mit der "guten" und bedauernswerten Maria ist und keine Ahnung hat, dass ihre Mutter gar nicht tot ist.

Damit die geschichtlichliche Fakten am Schluss aber noch stimmen, gibt sich die gute Maria von Ungarn nach Aufdeckung damit zufrieden, dass ihre Tochter und ihr Schwiegersohn endlich wissen, dass sie noch am Leben ist und sie nun im Kloster, wo sie dann doch bleiben will, regelmäßig besuchen werden. Barbara und ihr Sigismund bleiben also letztlich ungeschoren und sind am Ende des Romans nicht mehr wichtig, die Leserschaft wird über diese "literarische" Ungerechtigkeit" damit getröstet, dass die Zukunft bei Elisabeth und Albrecht in besseren Händen sein wird.
(Nauberts Darstellung ist insofern interessant, als sie vor allem in Sachsen lebte, also keineswegs sich auf Anhieb ein persönliches oder lokal bedingtes Motiv feststellen lässt, dass die ausschließlich negative Zeichnung von Sigismund und Barbara erklärt, wobei ersterer eindeutig schlechter wegkommt als sein Halbbruder Wenzel.)

Nun, eindeutig belegt ist, dass die historische Barbara noch ein Kind war, als Sigismund sich mit ihr verlobt hat, er musste sich deshalb noch einige Jahre mit der tatsächlichen Eheschließung gedulden, ein Ehemann musste somit nicht beseitigt werden, zum Zeitpunkt der Eheanbahnung war vermutlich auch nicht vorhersehbar, wie es um das Äußere der zukünftigen Frau einmal bestellt sein würde.

Dass die Grafen von Cilli aber vermutlich keine armen, unbedeutenden Grafen waren, wie gerne angenommen wird, denen erst die Schönheit der "bösen" Barbara sozusagen den Aufstieg in den Reichsfürstenstand einbrachte, ist am Stammbaum zu erkennen. Da finden sich eine ganze Reihe von Ehen mit bedeutenden Adelsfamilien und vor allem mit Herrscherhäusern vom Balkan und dem Jagiellonen, mehrere davon offensichtlich bereits 14. Jahrhundert. Offensichtlich waren sie bereit im 14. Jahrhundert in Ost- und Südeuropa eine einflussreiche Adelsfamilie.

Mit den Stadtherren in den italienischen Städten könnte es vermutlich ähnlich gewesen sein. Daneben tauchen immer wieder Grafenfamilien auf, die angeblich nicht besonders bedeutend waren, aber die eine oder ander Ehe oder Verlobung in eine bedeutende Reichsfürstenfamilie lässt sich doch nachweisen.

Ziemlich sicher dürften bei Eheschließungen im Mittelalter nicht nur der Titel ausschlaggebend gewesen sein, sondern die tatsächliche Machtposition der Familie bzw. die Mitgiften. Daneben können auch politische Gründe eine Rolle gespielt haben. Dass die Republik Venedig mindestens zweimal eine Senatorentochter zu einer Tochter der Republik erheben ließ, um die Damen in der Folge mit einem König bzw. einem Großherzog zu verheiraten, dürfte sicher auch ein Versuch gewesen sein, so etwas wie eine standesgemäße Braut bieten zu können.

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Josephine Tey, Alibi für einen König
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