Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 0 Bewertungen - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Der Altenburger Prinzenraub, Kriminalcoup od. eine schief gegangene Fehde?
02.01.2017, 20:04
Beitrag: #1
Der Altenburger Prinzenraub, Kriminalcoup od. eine schief gegangene Fehde?
Im Zusammenhang mit dem "Juxrätsel" zu Andreas Baumkircher wurde auch der Name Kunz von Kauffungen genannt. Ich habe zwar nicht den Eindruck, dass Andreas Baumkirchner ein "österreichischer" Kunz von Kauffungen war, wie dort gemutmaßt wurde, aber eine interessante Geschichte ist der Altenburger Prinzenraub, durch den dieser Kunz von Kauffungen bekannt ist, auf jeden Fall, und er wirft jedenfalls ein gewisses Licht auf die Rechtsverhältnisse des 15. Jahrhunderts.

"Kennen gelernt" habe ich diesen Ritter Kunz durch das Buch "Habsburgs verkaufte Töchter" von Thea Leitner (1921-2016) und in dem die Autorin, die als Verfasserin von populärwissenschaftlichen Geschichtsbüchern Erfolg hatte, die sich immerhin ganz unterhaltsam lesen und zumindest als Erstlektüre durchaus zu empfehlen sind, sechs Habsburgerinnen vorstellt, die damals in der breiten Öffentlichkeit noch unbekannt waren, darunter Erzherzogin Kunigunde, die Tochter von Kaiser Friedrich III., Schwester von Kaiser Maximlian I. und Ehefrau von Herzog Albrecht IV. von Bayern bzw. Bayern-München.

Offensichtlich um diesen Teil des Buches aufzulockern, wird hier die Geschichte des "bösen" Kunz von Kauffungen erzählt. Zum einen entsteht der Eindruck, dass die Geschichte damals als Warngeschichte für unfolgsame adelige Kinder im Umlauf gewesen sein soll, nach dem Motto: Wenn du nicht brav bist, holt dich der böse Kunz von Kauffungen, zum anderen zieht Leitner hier eine Parallele zu einer Entführungslegende um die Kaisertochter Kunigunde, an die ein Denkmal am Grazer Schlossberg unterhalb des Uhrturms erinnert. Im Jahr 1481 soll ein bellender Hund Kunigunde davor bewahrt haben, von Söldnern des Ungarnkönigs Matthias Corvinus entführt zu werden, der zuvor vergeblich um ihre Hand angehalten hatte. Zum Dank ließ ihr Vater diesen wachsamen Hund in Form eines Standbilds verewigen.

Dieses Hunde-Denkmal gibt es wirklich, ob diese Entführungsgeschichte zumindest einen historischen Kern hat, ist allerdings nicht geklärt. (Dass König Matthias an einer Heirat mit Kunigunde interessiert war, gilt als gesicherter Fakt. Wie auch seine Heiratspläne mit einer Tochter des polnischen Königs dürfte sie nicht zustandegekommen sein, weil er von beiden Dynastien als "Aufgeruckter" und somit nicht standesgemäß angesehen wurde.)

Friedrich II. der Sanftmütige (1412-1464), Kurfürst von Sachsen, Markgraf von Meißen und Landgraf von Thüringen, hatte 1431 Margarethe von Österreich, eine Schwester von Kunigundes Vater geheiratet. Die Kaisertochter war somit eine Cousine 1. Grades der beiden sächsischen Prinzen Ernst (1441-1486) [später Kurfürst von Sachsen, Landgraf in Thüringen und Markgraf zu Meißen, Begründer der ernestinischen Linie des Hauses Wettin] und Albrecht (1443-1500) [heute bekannt als Albrecht der Beherzte, Herzog von Sachsen, Gubernator von Friesland und Begründer der albertinischen Linie des Hauses Wettin], deren Entführung durch den "bösen" Ritter Kunz im Jahr 1455 als "Altenburger Prinzenraub" in die Geschichte eingegangen ist.

Aber wer war dieser "böse" Ritter Kunz (eigentlich Konrad) von Kauffungen (oder Kaufungen) (um 1410-1455), dieser dreiste Kerl, der es doch wagte unschuldige Prinzen zu entführen?

Er war kein namenloser Paria, zweifelhafter Aufsteiger oder professioneller Krimineller mit entsprechendem Background, wie wir wohl heute erwarten würden, sondern entstammte dem niederen sächsischen Adels mit Besitzungen in Sachsen und Böhmen. Ein Onkel von ihm, Caspar von Schönberg, war Bischof von Meißen, Kunz war übrigens standesgemäß verheiratet und hatte Familie. (Sein Bruder wurde später wegen des Prinzenraubs ebenfalls hingerichtet, seine Besitzungen wurden eingezogen und seine Söhne sind später in Böhmen nachgewiesen, wobei ihr weiteres Schicksal nicht geklärt zu sein scheint.)

Kunz von Kauffungen war unter Kurfürst Friedrich II. eine Zeitlang dessen Burgvogt (Verwalter) von Schloss Altenburg gewesen, dem Ort, wo die Entführung stattfand und nach dem sie benannt ist, und außerdem auch einige Jahre Erzieher der beiden Prinzen. (Opfer und Täter kannten sich somit persönlich.)

Im Sächsischen Bruderkrieg (1446-1451) kämpfte Kunz auf der Seite von Kurfürst Friedrich dem Sanftmütigen, wobei er im Rahmen des Fehderechts Überfälle auf Handelskontigente und Ähnliches unternahm, um dessen Bruder Herzog Wilhelm zu schaden. Allerdings wurden auch seine Besitzungen in Mitleidenschaft gezogen, er selbst geriet später in böhmische Gefangenschaft (Wilhelm, der seit 1446 mit Anna von Österreich, einer Tochter von König Albrecht II. und Enkelin von Kaiser Sigmund, verheiratet war und Ansprüche auf die böhmische Krone bzw. Teile des Königreichs Böhmen erhoben hatte, hatte hier zeitweise Verbündete) und musste sich durch eine für seine Verhältnisse enorme Lösegeldzahlung freikaufen.

Nach dem Friedensschluss forderte Kunz vom Kurfürsten eine Entschädigung für das Lösegeld und seine anderen Verluste. Dabei berief er sich auf einen Artikel des Friedensvertrages. Der Kurfürst allerdings wies seine die Forderungen mit dem Argument ab, dass Kauffungen als freier Ritter auf eigenes Risiko in den Krieg eingetreten sei und machte stattdessen eine Rechnung an Kunz auf. (Diese Vorgehensweise, einer Forderung mit einer Gegenforderung zu begegnen, lässt sich übrigens bei anderen Rechtsstreitigkeiten in dieser Zeit beobachten.)

Prüfungen durch Schiedsgerichte brachten unterschiedliche Ergebnisse, auch das lässt sich in anderen Fällen beobachten, zudem war es eine Frage der Machtverhältnisse, dass und ob solche Schiedssprüche überhaupt von den Konfliktparteien anerkannt wurden. Die Gerichte in Magdeburg und Friedberg gaben Kunz von Kauffungen Recht, das Gericht im sächsischen Leipzig aber dem Kurfürsten und diesem Urteil aus dem Jahr 1455 konnte Kunz von Kauffungen nichts mehr entgegensetzen. Er selbst fühlte sich offensichtlich ungerecht behandelt, und das dürfte ihn veranlasst haben, seine Forderung an den Kurfürsten mit Hilfe einer Fehde durchzusetzen. Vermutlich waren es dann seine Ortskenntnisse im Schloss Altenburg und sein früherer Posten als Prinzenerzieher, die ihn auf die Idee gebracht haben könnte, die Söhne des Kurfürsten zu entführen und so Druck auf den Kurfürsten auszuüben.

Am frühen Morgen des 8. Juli 1455 entführte er zusmmen mit seinem Verwandten Wilhelm von Schönfels und einem weiteren Adeligen namens Wilhelm von Mosen die beiden sächsischen Prinzen Ernst und Albrecht aus dem Altenburger Schloss. Die Absicht der Entführer, mit den beiden Prinzen nach Böhmen zu seinen Besitzungen unter der Lehnsherrschaft des böhmischen Königs zu gelangen und von dort ein Lösegeld auszuhandeln, scheiterte jedoch schon am ersten Tag. Kunz mit Albrecht und seine Mithelfer mit Ernst trennten sich auf der Flucht, er wurde allerdings (angeblich dank eines aufmerksamen Köhlers) noch am selben Tag gefasst und schon eine Woche später in Freiberg enthauptet.

Was die rechtliche Seite betrifft, so hatte Kunz übrigens vor der Durchführung der Entführung dem Kurfürsten offiziell die Fehde ansagen lassen. Es scheint nicht ganz klar, ob er dabei die Frist, die rechtlich nach der Zustellung des Fehdebefehls einzuhalten gewesen wäre, nicht eingehalten hat oder ob dies später als Vorwand missbraucht oder erfunden wurde, um ihn gleich standrechtlich verurteilen zu können.

Seine Helfer waren da erfolgreicher, aber als sie von seiner Festnahme erfuhren, zogen sie es vor, Verhandlungen aufzunehmen und gegen Straffreiheit und freien Abzug mit anschließendem Exil im Austausch gegen den Prinzen Ernst, aus dem Entführungscoup sozusagen auszusteigen.

----------

Aus heutiger Sicht mutet es zumindest merkwürdig an, dass Kunz tatsächlich geglaubt haben soll, dss er mit dieser Aktion durchkommen würde. Selbst wenn er den Kurfürst mit Entführung seiner Söhne hätte erpressen können, ist eigentlich nicht vorstellbar, dass danach Friede, Freude und Eierkuchen für ihn geherrscht hätte, denn der Kurfürst hätte ihn wohl kaum nach Rückgabe seiner Söhne in Ruhe gelassen, und Friedrich II. saß wohl eindeutig am längeren Hebel. Zudem hat es nicht den Anschein, dass Kunz irgendeinen anderen mächtigen Reichsfürsten oder eine mächtige Institution hinter sich hatte, der bzw. die ihn (und sein Familie) in der Folge vor der Vergeltung des Kurfürsten erfolgreich hätte schützen können.

War Kunz also so verblendet oder verzweifelt, dass er das nicht sehen wollte?

Oder gibt es da noch Aspekte, die der Forschung bisher nicht aufgefallen sind oder nicht als solche erkannt wurden. Vorstellbar wäre es, da Kunz von Kauffungen und sein Vorgehen gegen den Kurfürsten (Typus eines Konflikts zwischen Ritter / Graf / Edelfreier u.vÄ. und Landesfürst / Reichsfürst) zwar recht bekannt wurde (weil er eben mit der Prinzenentführung doch sehr weit ging), aber keineswegs ein Einzelfall ist.

Eine weitere Möglichkeit wäre natürlich auch zu überlegen, wie zuverlässig ist die Überlieferung? Könnte es sein, dass Kunz von Kauffungen in Wirklichkeit Opfer einer Intrige wurde und dass ihm eine Falle gestellt wurde?

Auf jedem Fall scheint hinter diesem Fall doch mehr zu stecken, als ein tolldreister Entführungscoup.

Quellen:
Thea Leitner: Habsburgs verkaufte Töchter, 1987 (in der Folge mehrere weitere Auflagen)
die Wikipedia-Artikeln zu Kunz von Kauffungen und den Altenburger Prinzenraub

Ein sehr interessantes und aufschlussreiches wissenschaftliches Buch zum Thema "Raubrittertum: „Raubritter“ oder „Rechtschaffene vom Adel“? Aspekte von Politik, Friede und Recht im späten Mittelalter. Hrsg. von Kurt Andermann, 1997. (Um Kunz von Kauffungen geht es hier nicht, aber um seine Zeit.)

---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Nachrichten in diesem Thema
Der Altenburger Prinzenraub, Kriminalcoup od. eine schief gegangene Fehde? - Teresa C. - 02.01.2017 20:04

Möglicherweise verwandte Themen...
Thema: Verfasser Antworten: Ansichten: Letzter Beitrag
  Hohenberg Fehde Suebe 5 2.945 05.01.2022 11:21
Letzter Beitrag: Suebe

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds