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Existenz-Probleme des Kleinadels im Spätmittelalter
04.01.2017, 19:38
Beitrag: #1
Existenz-Probleme des Kleinadels im Spätmittelalter
(04.01.2017 10:29)Suebe schrieb:  
(03.01.2017 01:23)Sansavoir schrieb:  Teresa, schön, dass Du Dich so intensiv mit Kunz von Kaufungen beschäftigt hast. Die Lebenswege von Andreas Baumkircher und Kunz von Kaufungen sind natürlich unterschiedlich, aber beide sind letztlich Opfer der Rechtsverhältniss niederen Adels von den Fürsten nicht mehr beachtet wurden.
./.
war der gesellschaftliche Abstieg vorprogrammiert. Eigentlich blieb den meisten Angehörigen des niederen Adels nur Tätigkeiten als Söldner oder Raubritter übrig und dies erklärt wohl auch den Prinzenraub.

Sehr interessant, was ihr hier schreibt.

Gewisse Paralellen kann man zu Götz von Berlichingen ziehen. wobei den beiden vermutlich nur "ein Goethe" fehlte zu größerem Nachruhm. Wobei der Ausspruch "Er aber, sags ihm, er kann mich ...." anscheinend historisch ist. Und Goethe evtl. auf Götz aufmerksam machte.

Der "niedere" Adel im 14.15.16. Jahrhundert hatte vielfache Probleme, auch die "Reisläuferei" des Niederadels zdZ insbesondere nach Italien hatte darin ihre Wurzeln.
Als einer der Gründe werden wirtschaftkiche Probleme im gefolge der Pest-Entvölkerung genannt.

Müssen wir auch mal versuchen "aufzudröseln".

(04.01.2017 19:22)Aguyar schrieb:  
(04.01.2017 10:29)Suebe schrieb:  Der "niedere" Adel im 14.15.16. Jahrhundert hatte vielfache Probleme, auch die "Reisläuferei" des Niederadels zdZ insbesondere nach Italien hatte darin ihre Wurzeln.
Als einer der Gründe werden wirtschaftkiche Probleme im gefolge der Pest-Entvölkerung genannt.

Müssen wir auch mal versuchen "aufzudröseln".

Im Spätmittelalter gerieten viele kleinere adlige Grundherren infolge der Aufrechterhaltung eines immer aufwendigeren, standesgemässen Lebens und des Unterhalts von ritterlichen Statussymbolen in wirtschaftliche Bedrängnis. Sie waren gezwungen, ihren Besitz, ob Eigen oder Lehen, mit Hypotheken zu belasten, deren Rückzahlung ausserhalb ihrer Möglichkeiten lag oder als Pfandschaft aus der Hand zu geben, ohne Hoffnung auf eine Auflösung. Der Pfandherr, eine reichsfreie Stadt, ein hochadliger Grundherr oder auch ein reich gewordener, einzelner Stadtbürger wandelte die Pfandschaft gelegentlich in festen Besitz um, indem er gegen eine einmalige Abfindungssumme das Pfandlösungsrecht aufkaufte. Oft blieb dem kleinadligen Grundherr nichts anderes übrig, als seinen Besitz einem hochadligen Territorialfürsten oder einer reichsunmittelbaren Stadt zu verkaufen. Im besten Fall konnte er dabei seinen veräusserten Eigenbesitz als Lehen wieder zurückerhalten, was ihn jedoch automatisch in die Abhängigkeit zum Käufer brachte, dem er dann in der Folge Abgaben und Gefolgschaft schuldete, und was ihn auf den Status des Vasallenadels herunterstufte.

In einigen Regionen Europas (der Niedergang des Kleinadels war keine spezifisch deutsche Entwicklung) setzte die Entmachtung des Kleinadels bereits im 14. Jahrhundert ein. Die selbständigen freiherrlichen Herrschaften gingen im Territorialstaat der hochadligen Fürsten und reichsunmittelbaren Städte auf. Neue Waffen und vor allem neue Kampfformen brachten die ritterliche Kampfweise der kleinadligen Grundherrn zum Teil hoffnungslos ins Hintertreffen. In den reichsfreien Städten ging die politische Macht von der adligen Oberschicht an das kapitalistische Patriziat der Kaufleute oder an die in Handwerkszünften organisierte Bürgerschaft über. Der Abstieg des klein- und mittelständischen Adels ist eine an sich unbestrittene Tatsache, doch sollte man sich vor einer voreiligen Beurteilung dieses Vorgangs hüten. Seine Gründe sind jedenfalls nicht in einer allgemeinen Dekadenz oder gar einer biologischen Degeneration zu suchen. Sein politischer Niedergang wurde vielmehr durch die Übermacht der neuen, hochadligen und städtischen landesherrlichen Gewalten verursacht, gegen die der Kleinadel mit seinen beschränkten wirtschaftlichen Mitteln unter keinen Umständen hätte aufkommen können. Zudem hinderte ihn seine konservative Lebenshaltung daran, sich neuen Verhältnissen und Erfordernissen anzupassen.

Zur politischen und militärischen Entmachtung gesellte sich der wirtschaftliche Ruin. Er wurde durch die Agrarkrisen des Spätmittelalters und die aufkommende städtische Geldwirtschaft hervorgerufen, welche die Einkünfte des Kleinadels schmälerten. Dazu trat um 1300 ein verhängnisvoller Wandel des adligen Lebensstils ein, der die Kosten für eine standesgemässe Lebensführung vervielfachte (u.a. Turnierteilnahmen), ohne dass die Einkünfte hätten erhöht werden können (die geschuldeten Abgaben der Bauern blieben immer gleich und unterlagen nicht der Teuerung). Die adligen Feste entwickelten sich zu aufwendigen Schaustellungen, das standesgemässe Auftreten in der Öffentlichkeit verursachte hohe Repräsentationskosten, und auch das Leben auf den Burgen wurde teurer. Um gesellschaftlich auf der Höhe zu sein, musste man sich eine prachtvolle Innenausstattung anschaffen. Schöne Möbel, kostbares Geschirr, Wirkteppiche und Prunköfen zierten die adlige Behausung des Spätmittelalters. Oft genügten auch die alten Wohnbauten nicht mehr und wurden durch neue, bequeme Palastgebäude ersetzt. Die Fensterverglasung kam auf, die Ziegelbedachung, die Holztäferung. Darüber hinaus musste der kleinadlige Burgherr an seiner Feste umfassende bauliche Verstärkungen vornehmen, um sich gegen die neuartigen Pulvergeschütze behaupten zu können.

Viele klein- und mittelständische Adelsfamilien zogen, um den drohenden Ruin zu entgehen, an die Höfe der hochadligen Grundherren, wo sie unter Verlust ihrer Unabhängigkeit als Hofritter im Fürstendienst ihr standesgemässes Leben weiterführen konnten oder wurden gleich Söldnerführer (nicht nur in Italien).

Andere suchten nach einem standesgerecht-stilvollen Untergang, indem sie sich, auf ihrem Standesprivileg der privaten Kriegführung pochend, in aussichtslose Fehden verstrickten. Dies brachte sie zwangsläufig in Konflikt mit der, durch hochadlige Fürsten und reichsunmittelbaren Städte getragenen, seit dem 13. Jahrhundert erstarkten Landfriedensbewegung, deren Gerichtshoheit zwangsläufig im Widerspruch zur hochmittelalterlichen Rechtsausübung der privaten Fehde stand. Die um ihre Existenz und Unabhängigkeit kämpfenden Vertreter des Kleinadels verloren dabei immer mehr Rechtsboden und rutschten im ausgehenden Mittelalter in die Illegalität und teilweise sogar in die Kriminalität ab. Um den wirtschaftlichen Ruin aufzuhalten, begannen Einige damit, auf ihren Gebieten neue Strassenzölle zu erheben und bei Nichtbezahlung Waren zu beschlagnahmen und Händler mit Arrest zu belegen, was ihnen aus der Sicht der städtischen Kaufleute den Vorwurf des Raubrittertums einbrachte und sie in die Nähe von gemeinen Strassenräubern brachte. Die kleinadligen Grundherren standen in einer solchen spätmittelalterlichen Fehde gegen eine Übermacht, die sie längerfristig nicht gewinnen konnten. Sie wurden als Raubritter diskriminiert und bekämpft und starben schliesslich als Vertreter einer unzeitgemäss gewordenen Lebensform aus. Die Fehden eines Franz von Sickingen oder Götz von Berlichingen im ausgehenden Mittelalter sind vor diesem Hintergrund eines hoffnungslosen Existenzkampfes des Kleinadels im Spätmittelalter zu sehen. Der letzte kleinadlige Grundherr Europas, der den hoffnungslosen Kampf zur Bewahrung seiner Unabhängigkeit aufnahm und dabei, auf sein Fehderecht pochend, als Raubritter sein Ende fand, dürfte der sächsische Reichsritter Wilhelm von Grumbach (1503 – 1567) gewesen sein.

Wiederum andere Vertreter des spätmittelalterlichen Kleinadels, welche sich nicht in den Dienst und die Gefolgschaft eines hochadligen Fürsten oder einer aufstrebenden Stadt begaben und auch nicht in einer aussichtslosen Fehde den standesgemässen Untergang suchten, wanderten in die Städte ab oder sanken sogar ins Bauerntum ab. Infolge dieser Entwicklung wurden bereits vom frühen 14. Jahrhundert an einige Burgen verlassen und dem Zerfall preisgegeben. Andere Anlagen fielen Bränden zum Opfer und blieben Ruinen, da sich ihre Besitzer keinen Wiederaufbau leisten konnten, und schliesslich wurden im Spätmittelalter recht viele Burgen im Lauf von kriegerischen Auseinandersetzungen zerstört.

Obwohl der mittelalterliche Kleinadel im 14., 15. und 16. Jahrhundert politisch entmachtet und wirtschaftlich ruiniert wurde, blieben seine Lebensformen noch lange als Leitbilder der Oberschicht erhalten. So begann bereits um 1300 auch das reiche Bürgertum nach ritterlichem Vorbild ein Wappen zu führen und Turniere abzuhalten. Patrizier heirateten in Ritterfamilien hinein, kauften Adelsherrschaften auf, bezogen die Burgen als neue Wohnsitze und übten, soweit es die territorialen Gewalten zuliessen, herrschaftliche Rechte aus.

Eigentlich könnnen sie einem Leid tun - das meine ich ganz ohne Ironie.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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Existenz-Probleme des Kleinadels im Spätmittelalter - Suebe - 04.01.2017 19:38

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