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Verschiedene Beinamen - zeitgenössisch bedingt oder Notwendigkeit der "Historiker"
01.01.2019, 17:40
Beitrag: #3
Beinamen
Da in den einzelnen Dynastien häufig die gleichen (Leit-)Namen vorkamen, wurde zur Unterscheidung Nummerierungen oder Beinamen verwendet. Beim Nummerieren war das Problem, dass unterschiedliche Zählweisen angewandt werden und z.T. auch Uneinigkeit besteht, wem welche Nummerierung zugeordnet werden soll. Deswegen entstehen auch Verwechslungen.

Die Beinamen wurden sicher notwendig zur Unterscheidung der einzelnen Persönlichkeiten. Dabei ist zu beachten, dass man unterscheiden muss, ob dieser Beiname bereits zu Lebzeiten bzw. einige Jahre nach dem Tod der Person verwendet wurde oder erst wesentlich später von Chronisten. Außerdem ist zu unterscheiden, ob diese Beinamen propagandistisch - also von oben angeordnet - oder eher im Volk (z.B. infolge Legenden) entstanden sind. Suebe nannte Beispiele, in denen die propagandistischen Überhöhung als solche durchschaut wurden und gescheitert sind.

Die "Heiligen" oder "Frommen" haben sicher ihren Beinamen erhalten, weil sie eine kirchenfreundliche Politik umsetzten bzw. wie bei Olaf den Heiligen oder dem Ungarn Stephan den Heiligen die Christianisierung einleiteten. Bei Ludwig den Frommen könnte der Beiname auch als Kritik an seiner Beeinflussung durch kirchliche Ratgeber betrachtet werden.

Die "Grausamen" hatten oft den Beinamen "der Gerechte". Das trifft auf die beiden Pedros zu, aber auch auf Iwan den Schrecklichen. Auch bei Vlad Tepes hält es sich die Waage - zumindest in Rumänien, ob er nun grausam und/oder gerecht war. Eine Gemeinsamkeit der "Grausamen" ist auch, dass sie selbst oder ihr Nachfolger der letzte ihrer Dynastie waren. Das Haus Trastámara und das Haus Avis stammten von unehelichen Söhnen eines Herrschers ab. Dieser Makel sollte sicher durch Propaganda ausgeglichen werden, indem dem letzten oder vorletzten Herrscher (die durchaus vorhandene) Grausamkeit vorgeworfen wurde. Einen schlechten Ruf, wohl oft nicht zu Unrecht, haben die letzten Herrscher einer Dynastie häufig, man denke nur an die letzten Kapetinger, Valois oder Bourbonen – zufällig immer drei Brüder – oder an Richard III., um nur einige zu benennen.

In der russischen Geschichte kann die Grausamkeit bzw. das rigorose Vorgehen gegen Angehörige der Oberschicht von Iwan IV. und Peter I. durchaus verglichen werden. Peter erhielt aber nicht - im Gegensatz zu Iwan - den Beinamen "der Schreckliche", sondern "der Große", da sich nachfolgende Herrscher als Nachfolger bzw. Fortsetzer seiner Politik verstanden und sich die Romanows als Zäsur in der russischen Geschichte verstanden.

Bei den „Guten“ ist es auch so eine Frage. Der österreichische Kaiser Ferdinand I. der Gute sollte ja im Volksmund Nandl der Trottel genannt worden sein. Der französische König Johann II. der Gute war weder ein guter Herrscher noch ein guter (Familien-)Mensch. Hier fand sicher nur eine propagandistische Abgrenzung zu Karl den Bösen, König von Navarra statt. Diese bewusste Abgrenzung geschah z.B. beim westfränkischen König Karl den Kahlen und Wilfried den Haarigen, Graf von Barcelona. Ähnlich dürfte es auch mit dem sächsischen Kurfürsten Friedrich den Sanftmütigen gewesen sein, dessen Politik auch alles andere als sanftmütig war.

Vielleicht fand hier auch nur eine Abgrenzung zum damaligen Markgrafen von Ansbach und Kulmbach und späteren Kurfürsten von Brandenburg Albrecht Achilles statt. In diesem Fall wäre der Beiname der „Sanftmütige“ eine spätere Namensgebung, da Albrecht Achilles erst ab 1471 Brandenburger Kurfürst war, Friedrich aber bereits 1464 verstarb. Die Hohenzollern erhielten ja Beinamen wie Nestor, Cicero oder Alcibiades – auch eine interessante Möglichkeit zur Unterscheidung. Bei den Medicis ist auffallend, dass Lorenzo der Prächtige genannt wurde, sein bereits nach zwei Jahren entmachteter Sohn als Piero der Unglückliche in die Geschichte einging. Piero scheiterte sicher nicht nur an eigenem Unvermögen, viele Gründe seines Niedergangs sind in der Herrschaft seines Vaters zu finden. Aber dessen Herrschaft erfuhr eine propagandistische Überhöhung einer glorreichen Zeit und in diesem Sinn passt wohl die Überlieferung „vom dummen Sohn“.

Albrecht der Entartete bekam auf jedenfalls seinem Beinamen aus propagandistischen Gründen. Sein Vater wurde als Heinrich der Erlauchte, sein Sohn als Friedrich der Freidige (d.h. der Kühne) bezeichnet. Letzterer ist besser bekannt, als Friedrich der Gebissene. Angeblich sollte ihm seine Mutter Margarete von Hohenstaufen, Tochter von Friedrich II., zum Abschied in die Wange gebissen haben. Ob dies einer Volkssage oder der Propaganda staufischer Sympathisanten entsprang, weiß ich nicht. Albrecht II. (Albrecht I. der Stolze bekam seinen Beinamen wegen seiner gegen Heinrichs VI. gerichteten Politik) , den man den Entarteten oder Unartigen nennt, verfolgte eine sich von seinem Vater, aber auch seinem Sohn unterscheidende Politik, deswegen erhielten diese positiv besetzte, er selbst einen negativen Beinamen.

Vorgeworfen wird ihm vor allem der Verkauf der Landgrafschaft Thüringen an Adolf von Nassau, der dem Vorbild der Habsburger folgte und sich in Thüringen bzw. in Mitteldeutschland ein eigenes Herrschaftsgebiet als Hausmacht aufbauen wollte. Wäre ihm dies gelungen, hätten die Nassauer möglicherweise eine ähnliche Rolle gespielt wie Habsburger und Luxemburger. Dass Adolf scheiterte, lag vor allem daran, dass er gegen die Interessen der Wettiner, aber auch der Braunschweiger verstieß. In diesem Sinn muss man auch Albrechts Politik werten, wobei nicht beachtet wird, dass eine Einheit der (1264 verbliebenen) Landgrafschaft Thüringen mit der Markgrafschaft Meißen nicht erreicht wurde bzw. werden konnte. Dies bewiesen die Chemnitzer Teilung von 1382, die Altenburger Teilung von 1445 und vor allem die bis heute kontrovers diskutierte Teilung von 1485 – auch im Zusammenhang mit einer möglichen Vereinigung der heutigen Freistaaten Sachsen und Thüringen.

Ob sich der Versuch, Albrecht II. den Verleumdeten zu nennen, durchsetzen wird, bezweifle ich. Historiker versuchten um 1990 erfolglos den letzten sächsischen Kurfürsten bzw. ersten König Friedrich August III./I. als den Gerechten zu benennen. Der Leipziger Kabarettist Manfred Uhlig stellte mal einen Kurzfilm her, in dem vorschlug, den letzten – für sein breites Sächsisch bekannten – König Friedrich August III. den Volkstümlichen zu nennen. Der Film endete mit der (gespielt kleinlauten) Rücknahme des Antrages durch den Kabarettisten.

Wie tief Beinamen zum Zweck der Verleumdungen im geschichtlichen Bewusstsein verankert sind zeigen ja Beinamen wie Karl der Einfältige, Johanna die Wahnsinnige oder Ludwig der Faule. Volkstümliche Namen erhielten unter den sächsischen Kurfürsten August der Starke oder weniger positiv besetzt, Christian II. „Säuferchristel“ oder Johann Georg I. „Bier-Jörg“. Letzterer war trotz seiner Vorliebe für Bier, die er mit vielen Herrschern oder Heerführern seiner Zeit teilte, ein durchaus geschickter Politiker in der schwierigen Zeit des Dreißigjährigen Kriegs.

Bei den Herzögen von Burgund ist es erstaunlich, dass Philipp der Gute, dessen Herrschaft am längsten dauerte und unter dem dieses Herzogtum sich erheblich vergrößerte, diesen Beinamen bekam. Dies steht im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern Philipp der Kühne und Johann den Furchtlosen und seinen Nachfolger Karl den Kühnen, dessen deutsche Übersetzung eine sehr wohlwollende ist. Lag es an den Propagandisten der Habsburger? Und stimmt es, dass Philipp der Gute seinen Beinamen bekam, weil er besonders „gut“ zu vielen Töchtern des Landes war? Fakt ist doch, dass Beinamen nicht nur unterscheiden, sondern auch Personen und/oder Politik aus dem Duktus der Zeit bewerten.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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