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Hochzeitserlaubnis
10.06.2012, 12:35
Beitrag: #1
Hochzeitserlaubnis
Hochzeitserlaubnis oder wie die Menschen im 19. Jahrhundert kuranzt und geschuriegelt wurden


Die Ehe war, man wird staunen, bis in das 16. Jahrhundert eine vollkommen „zivile“ Angelegenheit. Die Kirche hat sich bis zum Konzil von Trient nur am Rande darum gekümmert.
Für die Protestanten galt dies sogar bis in das 18. Jahrhundert.

Umsomehr hat sich natürlich der „Staat“ darum gekümmert, insbesondere natürlich aus „fiskalischer Sicht“ die Leibeigenen zB mussten ganz schön löhnen, so sie sich verehelichen wollten. Die Leibeigenschaft gehört ja sowieso zur Geschichte der Steuern.
Weiter ging es dem Staat um die militärische Dienstpflicht, so wurde das Heiratsmindestalter recht hoch gesetzt, da Ehemänner und Familienväter nicht zum Militär geholt wurden.
Vielleicht interessiert hier am Rande, dass die beiden Begriffe „Heirat“ und „Hochzeit“ die heute Synonyme sind, damals eine unterschiedliche Bedeutung hatten, die „Heirat“ ist in etwa zu vergleichen mit der heutigen Verlobung.

Im Jahr 1807 hat der König von Württemberg alle diese lokalen „Ehehindernisse“ kassiert, soweit sie nicht „canonischer“ oder „consicriptionsordnungs“ Art waren.
Ab 1817 gingen zahllose Anträge von Gemeinden aber auch von Ministerien bei der Regierung ein, diese früheren „Ehebeschränkungen“ wieder einzuführen. „Um die Straßenbettelei“ einzuschränken. Die Gemeinden, für die Ortsarmen zuständig, unterstellten den Armen ein Verhalten wie den „Karnikeln“ (man gestatte diese persönliche Einfügung) die fleißig neue Arme produzieren würden, die wiederum der Ortsarmenkasse zu Lasten fallen würden.
Die Regierung verhielt sich aber ablehnend.

1828 wurde das Bürgerrechtsgesetz erlassen, in der Folge wurden die Beschwerden der Gemeinden immer lauter und die Forderungen nach Heiratsbeschränkungen immer heftiger.
1833 wurde dann das Bürgerrechtsgesetz revidiert, und festgelegt, dass „der Gemeindebürger sich vor einer Verehelichung über einen genügenden Nahrungsstand auszuweisen“ habe.
Der Gemeinderat (damals lebenslänglich gewählt!) durfte die Heiratserlaubnis verweigern, außer dem „nicht genügenden Nahrungsstand“ noch aus etlichen anderen Gründen wie „notorischem Hang zum Trunk“.
Man lebte in einem Rechtsstaat, Rekurs (Berufung) gegen die Verweigerung der Heiratserlaubnis war vor dem Oberamt und bei der Kreisregierung möglich.

Aber nach wie vor waren die Gemeinden mit dem Gesetz unzufrieden. Man konnte dem Bezieher von Armenunterstützung die Ehe verweigern, aber einem einfach Armen nicht!
Und wenn der dann Karnikel spielte… zu Lasten der Armenkasse…
So ging es ja nicht. Ein Heiratswilliger sollte nicht nur die Befähigung zu einer Tätigkeit nachweisen, sondern auch den Nachweis der Erwerbsgelegenheit erbringen müssen.
Aus einer Eingabe des Bezirksarmenvereins von Tuttlingen 1847:
„…die Bürger sehen bekümmerten Blicks der Zukunft entgegen, in Sorge vor der immer mehr und mehr hervortretenden Lust des Proletariats, mit den Besitzenden zu theilen“

Die Periode der Reaktion nach 1848/49 nahm die Regierung zum Anlass die Ehebeschränkungen von 1833 wesentlich zu erweitern. Nun musste ein Heiratswilliger den „Besitz eines rechtmässigen Erwerbszweigs“ incl. Der nötigen Werkzeuge und ein kleines Vermögen von 150 Gulden nachweisen. Außerdem konnte die Heiratsbewilligung einem „offenkundig schlechten Haushälter“ (ein überaus „objektives“ Kriterium)verweigert werden. Und alle diese Bestimmungen wurden nun auch auf die Braut angewendet.
Außerdem wurde das „Rekursrecht“ geändert, so dass die Gemeinden auch auf die Entscheidungen der 2. Instanz großen Einfluss ausüben konnten.

Die Armenkassen stellten oft ein relativ großes Vermögen dar, das die Gemeinden im 19. Jahrhundert in erheblichem Umfang zu öffentlichen Aufgaben verwendeten, Mir ist ein Fall bekannt, wo eine Familie, der Familienvater war ermordet worden, infam aus dem Ort vertrieben wurde. Die Armenkasse sollte für die Wasserversorgung des Dorfes verwendet werden.

Die Ehebeschränkungen in Württemberg endeten erst am 1. Januar 1871!

Abgelehnt wurden die Ehegesuche in etwas mehr als 6% der Fälle. Was sich nicht soooo schlimm anhört, man darf aber getrost von einer mehrfach so hohen Dunkelziffer ausgehen, die gleich gar keinen Antrag stellten.

Dies ein Wiedergänger aus dem GG-Forum
man Beachte in diesem Zusammenhang "Hitlers Familiengeschichte" die ich im Bereich "3. Reich" geschrieben habe.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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