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Armer Konrad ./. Bauernkrieg
11.09.2019, 12:17
Beitrag: #9
RE: Armer Konrad ./. Bauernkrieg
(11.09.2019 09:53)Arkona schrieb:  Nächster Aspekt: Im Südwesten (alemannisches Erbe) waren die Bauern noch frei und waffentragend, nicht wie in Ostelbien (unterworfene Slawen), wo sie als adliger Besitz geknechtet wurden.

Auch im Südwesten waren die Bauern nicht frei. Freie, waffenfähige Bauern gab es im Alpenraum (und dort auch nicht überall) sowie im Friesland. Diese Freiheit - wobei man besser von "Freiheiten" spricht - war zudem kein alemannisches Erbe sondern hat mit der mitttelalterlichen Kolonisationstätigkeit zu tun. Waldgebiet galt nicht nur im HRR oft als "Reichsland", und derjenige der es rodete wurde dadurch Besitzer des Gebiets, d.h. er war für das gerodete Land lediglich dem König verpflichtet, d.h. "reichsunmittelbar". Da er durch diesen Status nun aber auch selbst für seinen Schutz verantwortlich war, musste er zwangsläufig waffenfähig sein - und somit "frei".

Die Organisatoren solcher Kolonisationstätgikeiten, historisch oft als "mittelalterlicher Landesausbau" bezeichnet, waren häufig
kleinadlige Freiherren, die auf diese ihren Besitz erweiterten. Die Rodungsarbeiten selbst wurden von ihren Bauern ausgeführt, welche häufig das gerodete Land als Lehen, verbunden mit weitgehenden Freiheiten, erhielten, was sie gewissermassen zu "freien Bauern" machte. Im Alpenraum wurden solche Rodungskolonien oftmals von den Bauern selbst errichtet, was diese "automatisch" zu freien oder nur halbabhängigen Bauern machte (ein bekannteres Beispiels dafürsind etwa die Walserwanderungen).

Der Arme Konrad im Jahr 1514 war tatsächlich kein reiner Bauernaufstand, es waren Handwerker und zum Teil sogar auch Vertreter des Grossbürgertums (Kaufleute etc.) beteiligt. Ebenso stimmt es, dass die Revolte auf Württemberg beschränkt blieb: Allerdings gehört der Arme Konrad in den Zusammenhang der von 1493 bis 1517 aktiven Bundschuh-Bewegung (Joss Fritz), welche auch in Baden und Elsass aktiv war und dort verschiedene Aufstände anzettelte, die alle niedergeschlagen wurden (Schlettstadt, Untergrombach, Lehen). Auch diese Aufstände waren nicht immer reine Bauernaufstände - der Aufstand von Schlettstadt beispiesweise wurde vom ehemaligen Bürgermeister angeführt. Joss Fritz selbst hingegen war ursprünglich tatsächlich höriger Bauer, hatte aber
als Reisläufer / Landsknecht die Waffenfähigkeit und taktisches Können erlangt. Er konnte sogar lesen und schreiben.

Der Einfluss der Reformation resp. die "reformatorische Komponente" im deutschen Bauernkrieg von 1524 bis 1526 halte ich für marginal. Nicht nur Luther sondern auch Melanchthon haben die Bauernaufstände vehement abgelehnt; sie haben sich vollständig auf die Seite der adligen Herren gestellt (sie wurden ja auch von diesen geschützt). Thomas Müntzer war der einzige Reformator, welcher sich auf die Seite der aufständischen Bauern schlug.

Das Zentrum des Bauernkriegs befand sich zwar, wie bei der Bundschuh-Bewegung, in Südwestdeutschland und im Elsass, aber die Aufstände waren durchaus überregional. Es gab Aufstände in der Pfalz (Neustadt, Landau), in Ostpreussen und in Thüringen (Müntzer). Im Tirol und in Salzburg zettelte Michael Gaismair in jener Zeit verschiedne Bauern- und Bergwerksknappenaufstände an - dies waren meines Wissens die einzigen Austände, welche (aufgrund der protestantischen Bergwerksknappen) einen Bezug zur Reformation hatten.

Eine klassenkämpferische Idee war bei allen mittelalterlichen Bauernaufständen kaum ausgebildet. Nicht nur beim Armen Konrad, auch bei den 12 Meminger Artikel bezogen sich die Forderungen mehrheitlich auf "alte Rechte". Wenn sich darunter neue Forderungen befanden, so behauptete man dennoch, dass es sich um überkommenes Recht - mit Vorliebe aus der Zeit von Barbarossa - handeln würde, da "altes Recht" im Mittealter immer höher gewichtet wurde. Eine Forderung der Abschaffung der gottgewollten Ständegesellschaft war auch für die meisten Bauern ein Tabu. Ansätze dazu finden sich am ehesten bei Thomas Müntzer, Joss Fritz, Michael Gaismaier (der "demokratische" Forderungen stellte und
sich auf Vorbilder im eidgenössischen Graubünden und oberitalienischen Städteverfassungen bezog) und im damals aufgekommenen Spruch "Als Adam grub und Eva spann, wo war da der Edelmann ?". Der Ausspruch stammt im übrigen ursprünglich aus England, vom Bauernaufstand des Wat Tyler, aus dem Jahr 1381 - ein Hinweis darauf, dass im Mittelalter über die Regionen und Epochen hinweg offenbar auch unter dem dritten Stand durchaus ein gewisser "Kulturaustausch" stattfand.
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Armer Konrad ./. Bauernkrieg - Suebe - 19.08.2019, 14:42
RE: Armer Konrad ./. Bauernkrieg - Aguyar - 11.09.2019 12:17

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