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Armer Konrad ./. Bauernkrieg
11.09.2019, 19:52
Beitrag: #12
RE: Armer Konrad ./. Bauernkrieg
(11.09.2019 12:17)Aguyar schrieb:  Der Einfluss der Reformation resp. die "reformatorische Komponente" im deutschen Bauernkrieg von 1524 bis 1526 halte ich für marginal. Nicht nur Luther sondern auch Melanchthon haben die Bauernaufstände vehement abgelehnt; sie haben sich vollständig auf die Seite der adligen Herren gestellt (sie wurden ja auch von diesen geschützt). Thomas Müntzer war der einzige Reformator, welcher sich auf die Seite der aufständischen Bauern schlug.

Das ist richtig, aber wahrscheinlich komplexer. Thomas Müntzer wurde beispielsweise von Heinrich Pfeiffer, einen evangelischen Theologen und ehemaligen Zisterzienser-Mönch unterstützt. An der Seite der Bauern in Frankenhausen kämpften beispielsweise Melchior Rinck und Hans Hut, die später in der Täuferbewegung Bedeutung erlangten. Andreas Bodenstein (Karlstadt) lehnte sowohl die Gewalt der Bauern, als die der Fürsten ab. Im Gegensatz zu Luther und Melanchthon stellte er sich aber nicht gegen die Bauern.

(11.09.2019 12:17)Aguyar schrieb:  Im Tirol und in Salzburg zettelte Michael Gaismair in jener Zeit verschiedne Bauern- und Bergwerksknappenaufstände an - dies waren meines Wissens die einzigen Austände, welche (aufgrund der protestantischen Bergwerksknappen) einen Bezug zur Reformation hatten.

Michael Gaismair war Schreiber des Bischofs von Brixen. 1526 verfasste er eine Tiroler Landesordnung. Er sollte nicht nur in seinem Bezug zur Reformation gesehen werden, sondern auch als politischer und sozialer Reformer.

(11.09.2019 12:17)Aguyar schrieb:  Eine klassenkämpferische Idee war bei allen mittelalterlichen Bauernaufständen kaum ausgebildet. Nicht nur beim Armen Konrad, auch bei den 12 Meminger Artikel bezogen sich die Forderungen mehrheitlich auf "alte Rechte". Wenn sich darunter neue Forderungen befanden, so behauptete man dennoch, dass es sich um überkommenes Recht - mit Vorliebe aus der Zeit von Barbarossa - handeln würde, da "altes Recht" im Mittealter immer höher gewichtet wurde.

Soziale Aufstände haben oft eine konservative Komponente. Nach der Pest von 1347 bis 1352 fehlten Arbeitskräfte. Die überlebenden Bauern wurden stärker ausgebeutet, ihre Rechte eingeschränkt. Um 1500 war für die Bauern die Schmerzgrenze erreicht. Das Rückbesinnen auf "alte Rechte" war ein Versuch, sich gegen die höhere Effizienz ihrer Ausbeutung zu wehren. Klassenkampf war dies sicher nicht, aber es war ein Kampf gegen die Modernisierung, d.h. ein Kampf gegen die Landesherren und ihre Amtmänner und gegen die Gewinner der frühkapitalistischen Geldwirtschaft. Zu den Verlierern gehörten neben den Bauern die Rittern. Deswegen ist es erklärbar, dass Ritter bzw. Angehörige des niedrigen Adels sich den Bauern anschlossen bzw. sich als Bauernführer etablierten.

Momentan bin ich mir noch unschlüssig, ob ich Parallelen zwischen den deutschen Bauernkrieg von 1524 und 1526 und den Aufständen in der Vendée während der Französischen Revolution ziehen kann.

(11.09.2019 12:17)Aguyar schrieb:  "Als Adam grub und Eva spann, wo war da der Edelmann ?". Der Ausspruch stammt im übrigen ursprünglich aus England, vom Bauernaufstand des Wat Tyler, aus dem Jahr 1381 - ein Hinweis darauf, dass im Mittelalter über die Regionen und Epochen hinweg offenbar auch unter dem dritten Stand durchaus ein gewisser "Kulturaustausch" stattfand.

Der Spruch wurde nicht nur von Wat Tyler verwendet, sondern auch von dem Priester John Ball, der neben Tyler zu den Führern des Bauernaufstands von 1381 gehörte. Ende des 14. Jh. war ein Teil der englischen Priesterschaft von John Wyclif beeinflusst (Lollarden), möglicherweise stammte dieser Spruch von Wyclif.

Auch bei Wat Tyler zeigte sich ein konservativ-traditionelles Gesellschaftsverständnis. Er sah seine Hauptgegner in den Beratern des Königs. Die Autorität des Königs stellte er nie in Frage. Deshalb gelang es Richard II. relativ schnell, die aufständischen Bauern zu besiegen.

Der englische Bauernführer Robert Ket setzte sich 1549 sogar für eine Inthronisierung der katholischen Mary Tudor, der späteren "Bloody Mary" ein. Dies war nicht nur ein Bekenntnis zur katholischen Religion, sondern vor allem Widerstand gegen die Nutznießer der Säkularisierung.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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Armer Konrad ./. Bauernkrieg - Suebe - 19.08.2019, 14:42
RE: Armer Konrad ./. Bauernkrieg - Sansavoir - 11.09.2019 19:52

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