Untergang Ostroms. Warum?
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29.06.2013, 22:04
Beitrag: #51
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RE: Untergang Ostroms. Warum?
(28.06.2013 23:22)Sansavoir schrieb: Grund der Frage ist, dass ich mir Überlegungen zum Verhältnis von Byzanz zu Serbien und Bulgarien mache und ob ein gemeinsames Vorgehen gegen die Osmanen möglich wäre und wenn ja, auch erfolgreich wäre. Würde dieses Verhältnis als insgesamt eher schlecht sehen, Bulgarien war weit von seiner Blütezeit entfernt, oft sogar noch um eine Spur schwäche als Byzanz und somit bestand in absoluten Schwächephasen Bulgariens für Byzanz sogar die Chance auf deren Boden kleine Gebietsgewinne zu machen, in etwas stärkeren Phasen war es umgekehrt. Gemeinsam wäre man in dieser Zeit wohl nicht mehr stark genug gewesen um was zu machen. Und als Bulgarien noch ein größeres Reich war, waren die Osmanen noch kein Thema. Serbien erreichte seine Blüte etwas später. Das Verhältnis war aber auch hier schlecht, Serbien war eine Bedrohung, in der Großreichszeit sogar eine existenzielle. Ob ein Serbisches Großreich, wenn es Konstantinopel erobert hätte stabiler gewesen wäre, wage ich zu bezweifeln. Und später waren ex zahlreiche Einzelfürstentümer und ein territorial schon extremst geschwächtes Byzanz. Ein Bündnis hätte da wohl auch nicht viel gebracht. Sehe von dieser Seite also kaum eine Chance auf Rettung. Interessant ist noch die Frage warum hatte Ungarn erst so spät eingegriffen. Denke das hing auch mit den längerfristigen Verhältnisses auf dem Balkan zusammen. Zunächst hatte Ungarn wohl gar nichts dagegen wenn Byzanz schwach war, konnte man damit seinen eigenen Einfluss auf den Balkan ausdehnen. Als die Osmanen aufstiegen, Byzanz und Bulgarien am Boden lagen und Serbien gespalten war, sah man in Ungarn in den Osmanen wohl nur einen weiteren Machtfaktor in der Region. Einer der sich nicht unbedingt durchsetzen musste. Bis man sich dann endlich mit dem Nikopoliskreuzzug zum Kampf stellte und gleich einmal scheiterte. Schreibe übrigens absichtlich 2 Analysen, einmal bezüglich der Beziehungen der Familien die du genannt hast und einmal bezüglich der Reiche und der Chancenanalyse (und auch dem Machtfaktor Ungarn in der Frühzeit der Osmanenbedrohung). |
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30.06.2013, 04:09
Beitrag: #52
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RE: Untergang Ostroms. Warum?
Erstmal vielen Dank an WDPG für obige zwei Beiträge. Du bestätigst mit Deinen Beiträgen meine Erkenntnisse.
Allerdings muss man die ungarische Politik (im 14./15. Jh.) gegenüber Byzanz differenzierter sehen. Es ist sicher richtig, dass die Könige aus der von 1308 bis 1382 in Ungarn herrschenden Anjou-Dynastie an einem schwachen Byzanz (aber auch einem schwachen Serbien) interessiert waren. Auch wenn das Verhältnis der Anjou-Herrscher bzw. Herrscherinnen in Neapel und Ungarn zueinander sehr kompliziert war, so stimmten beide Königreiche ihre Politik ab. Ungarn herrschte direkt in Kroatien und Dalmatien, indirekt in Bosnien und Serbien mit Hilfe verbündeter Familien wie die Kotromanic oder Brankovic. Dagegen konnte Neapel sich einige Gebiete im heutigen Albanien sichern. Ziel der neapolitanischen und ungarischen Anjou-Könige war die Herrschaft oder zumindest die Kontrolle über die Adria- und Ägäisanrainer zu erhalten. Ludwig I. von Ungarn († 1382) betrieb zusätzlich zu seiner Adria-Balkan-Politik eine nach Mitteleuropa ausgerichtete Politik, die 1370 mit der Übernahme der polnischen Krone ihren Höhepunkt fand. Kurz gesagt: Die Schwerpunkte der Außenpolitik Ludwigs lagen einerseits in der traditionellen Ausrichtung nach Neapel, andererseits im Bemühen um gute Beziehungen zum HRR bzw. zu Böhmen unter Kaiser Karl IV. Der Balkan wurde deswegen nicht vernachlässigt, man setzte auf einheimische Teilfürsten, die ihren Aufstieg zum Teil auch dem ungarischen König zu verdanken hatten. Diese indirekte Machtausübung durch Vasallen führte dazu, dass sich deren Gegner nach Verbündeten umschauten. Sie fanden sie in den Osmanen. Unter Sigismund von Luxemburg änderte sich die Politik. Ein wichtiger Schritt war der als Kreuzzug bezeichnete Feldzug gegen die Osmanen, der 1396 vor Nikopolis scheiterte. Außerdem beauftragte Sigismund die Adligen mit speziellen Verteidigungsaufgaben. Die Gründung des so genannten Drachenordens sollte dazu dienen, ein elitäres Band zwischen den einzelnen Adligen zu schaffen. Ebenso förderte Sigismund die Karrieren ihm geeignet scheinender Adliger, zum Beispiel die von Ulrich Cilli, Johann (Janos) Hunyadi oder die von Vlad Dracul, dem Vater von Vlad Tepes (Dracula). Nachteilig für die Abwehr der Osmanen bzw. für die Unterstützung des Byzantinischen Reiches erwies sich der Konflikt Sigismunds mit den Hussiten, der seine ganze Kraft und Aufmerksamkeit erforderte. Ebenso nachteilig für Byzanz erwiesen sich die Entwicklungen in Ungarn nach dem Tod Sigismunds († 1437). Sein Schwiegersohn und Nachfolger Albrecht II. starb zu früh († 1439). In seinem Todesjahr widersetzten sich die ungarischen Adligen seinen Vorbereitungen, einen Türkenfeldzug zu organisieren. Das wiederum zur vollständigen Unterwerfung Serbiens durch die Osmanen führte. Noch ungünstiger für Ungarn erwies sich das Königtum des minderjährigen Ladislaus Postumus bzw. das Königtum des aus Polen stammende Gegenkönigs Wladislaws III. (I.)., der 1444 ein Heer gegen die Osmanen führte und in der Schlacht bei Warna fiel. In der Folge kämpften rivalisierende Adelsfraktionen in Ungarn um die Macht. Dabei bildeten sich zwei verfeindete Lager, einerseits um den Reichsverweser Janos Hunyadi, andererseits um den „Prinzenerzieher“ Ulrich Cilli, die sich heftig bekämpften. Diese Feindschaft lähmte die ungarische Außenpolitik bis 1456, Ungarn war nicht in der Lage, Byzanz gegen die Osmanen zu unterstützen. "Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero |
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30.06.2013, 11:18
Beitrag: #53
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RE: Untergang Ostroms. Warum?
Ich sehe das auch so, dass es wohl keine großen Chancen für einen Erfolg gegen die Osmanen durch ein Bündnis mit Serbien oder Bulgarien gab.
Diesbezüglich habe ich einige Informationen in einem sehr empfehlenswerten Buch gefunden, das gerade auf das außenpolitische Umfeld sehr gut und immer wieder eingeht: Alain Ducellier: Byzanz. Das Reich und die Stadt. Campus Verlag Frankfurt a. M. 1990. Zusammengefasst: Serben wie Bulgaren waren hauptsächlich mit ihrer eigenen Expansion beschäftigt und kämpften nach 1261 immer wieder gegeneinander, aber auch gegen Byzanz. So sehr die byzantinische Kultur auch auf den Balkanraum ausstrahlte: Bulgaren und Byzantiner waren immer noch alte Feinde, die Serben währenddessen eine aufstrebende Macht, die sehr expansionswillig war. Stefan Uroš II. Milutin von Serbien eroberte von Byzanz Makedonien und Albanien und zwang Kaiser Andronikos II. zu langen und erniedrigenden Verhandlungen. „[F]ür Byzanz beginnt damit das Zurückweichen vor dem unaufhaltsamen Aufstieg Serbiens.“ (S. 398) Später mischen sich die Bulgaren und Serben immer wieder in die byzantinischen Bürgerkriege ein, wobei sie einfach die Situation nutzen und Land erobern. Die Vertreibung von Byzanz vom Balkan blieb das Endziel, und wenn sich eine der beiden dortigen Großmächte kurzzeitig mit Byzanz verbündete, so nur, um die jeweils andere zu besiegen. Bezeichnend ist das Verhalten Stefan Dušans in einem der byzantinischen Machtkämpfe, bei dem ein Thronprätendent, Johannes VI., sogar die Osmanen als Verbündete akzeptierte, um die Herrschaft über Ostrom zu erlangen und den rechtmäßigen Thronerben Johannes V. zu besiegen: „Die Balkanmächte müssen fortan die türkischen Seldschuken und Osmanen, im Grunde Verbündete des [Johannes VI.] Kantakuzenos, in ihre Politik einbeziehen, was den Zar Stefan Dušan nicht daran hindert, aus den byzantinischen Streitigkeiten den größten Nutzen zu ziehen. Er verweigert dem Kaiser [Johannes VI.], der den serbischen Hof mit leeren Händen verlässt, jede militärische Unterstützung, um Byzanz und den griechischen Separatistenstaaten eigenhändig die letzten Besitzungen auf dem Balkan zu entreißen. Auf der anderen Seite des balkanischen Chersones nimmt Zar Ivan Alexander von Bulgarien, der die Regentschaft [Johannes V.] in Konstantinopel unterstützt, die Unterwerfung des Territoriums am oberen Hebros entgegen, das neben Philippupolis [sic!] unter anderem die Festungen Stenimachos, Tzepaina, Krytzimos und Peristica umfasst. Er verspricht im Gegenzug militärische Hilfe, die er jedoch nie schickt.“ (S. 406 f.) Auch später kämpften die Serben wie auch die Bulgaren immer gegen die Osmanen, aber nie wirklich mit Byzanz zusammen und nutzen alle Chancen zur Machtausweitung, die sich ihnen bietet. Sie waren eine zu dynamische Nation, um durch Bündnisse ihren eigenen Expansionsdrang zu zügeln. Sie übernahmen zwar in dieser Zeit sogar byzantinische Ämter und Titel für ihr eigenes Staatssystem, aber an ein ernsthaftes politischer Zusammenarbeiten mit Ostrom war schon von ihrer Seite nicht zu denken. Einen Versuch, dieses zu erreichen, gab es allerdings unter Andronikos II. Dieser „versuchte die militärische Schwäche durch ein umfassendes Bündnissystem auszugleichen, in das er Serben, Bulgaren und Osmanen einbezog, geriet so aber in starke Abhängigkeit von Genua.“ (Wikipedia). Allgemein seine Bündnispolitik nicht von Erfolg gekrönt. Byzanz war Leidtragender der Kämpfe zwischen Genua und Venedig, geriet in starke Abhängigkeit des Söldnerführers Roger de Flor – und die Osmanen waren sowieso nicht aufzuhalten. Auch Bulgarien und Serbien eroberten während seiner Regierungszeit immer weitere Gebiete auf dem Balkan und versuchten, die Position Ostroms zu schwächen. Der oben genannte Friedensvertrag fällt ebenfalls in seine Abhängigkeit. Mein Fazit: Schlussendlich wurden alle Mächte – Byzanz, Serbien, Bulgarien – von den Osmanen besiegt, vielleicht auch deshalb, weil jeder für sich kämpfen wollte. Selbst wenn kurzfristige Bündnisse geschlossen wurden oder wenn mittelfristige Bündnisse geschlossen worden wären, hätte man vielleicht einzelne Siege über die Türken erlangen können, aber wohl auch dann nicht dauerhafte Stabilität erreicht. In dem komplizierten und aggressiven außenpolitischen Klima, das in dieser Region während der Palaiologenzeit herrschte, hätte Byzanz meiner Meinung nach nicht überleben können. Es gab zu viele Feinde. Dynastische Verträge wären aber vielleicht theoretisch möglich gewesen. Also einfach, dass die vertragsschließenden Dynastien behaupten, bei inneren Machtkämpfen für die andere einzutreten. Gehalten hätten die aber wohl eher nicht, bei der erstmöglichen Gelegenheit hätten die Herrscher die Machtkämpfe im Gebiet des anderen zur Expansion ausgenutzt. Heiraten zwischen den Herrscherhäusern gab es natürlich auch zuweilen. Sie waren aber eher ein Zeichen der derzeitigen Stärke des einen als Indikatoren einer politischen Annäherung. Natürlich gingen sie auch zuweilen mit Bündnissen einher, aber wie viel diese galten, habe ich ja oben gezeigt. Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch) |
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30.06.2013, 22:31
Beitrag: #54
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RE: Untergang Ostroms. Warum?
(30.06.2013 11:18)Maxdorfer schrieb: Bezeichnend ist das Verhalten Stefan Dušans in einem der byzantinischen Machtkämpfe, bei dem ein Thronprätendent, Johannes VI., sogar die Osmanen als Verbündete akzeptierte, um die Herrschaft über Ostrom zu erlangen und den rechtmäßigen Thronerben Johannes V. zu besiegen Im Nachhinein gesehen erscheint dieses Zurückgreifen auf die Osmanen nicht ganz logisch, deshalb möchte ich kurz ergänzend erklären wie es zu diesem kam: Andronikos III und Johannes Kantakuzenos hatten erkannt das die Osmanen eine große Gefahr waren und das Anatolien wohl verloren gehen würde. Die Reaktion war ein größeres Programm, man versuchte die Position von Byzanz am Balkan zu stärken (was kurzfristig teilweise gelang), man baute ein Flotte und man verbündete sich mit konkurrierenden türkischen Fürstentümern. Mich wundert es immer noch das man nicht schon früher auf die Idee kam die verschiedenen türkischen Fürstentümer gegeneinander auszuspielen. Auf jeden Fall entwickelten sich im Zuge dieser Politik Kontakte. Kontakte die Johannes Kantakuzenos im Bürgerkrieg natürlich nutzte. Der Sultan von Aydin war ein treuer türkischer Verbündeter. Als dieser ausfiel, brauchte man Ersatz, man hatte also schon vorher auf die Türken zurückgegriffen, brauchte einen entsprechenden Verbündeten, warum also nicht gleich auf die stärkste Möglichkeit zugreifen? Das waren dann die Osmanen. |
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30.06.2013, 22:33
Beitrag: #55
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RE: Untergang Ostroms. Warum?
(30.06.2013 11:18)Maxdorfer schrieb: „Die Balkanmächte müssen fortan die türkischen Seldschuken und Osmanen, im Grunde Verbündete des [Johannes VI.] Kantakuzenos, in ihre Politik einbeziehen, .... Die Rum-Seldschuken selbst spielten in dieser Zeit allerdings nicht mehr wirklich eine Rolle, gemeint sind wohl eher die (ehemals) Seldschukischen türkischen Fürstentümer jener Zeit. |
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30.06.2013, 22:45
Beitrag: #56
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RE: Untergang Ostroms. Warum?
(30.06.2013 11:18)Maxdorfer schrieb: Einen Versuch, dieses zu erreichen, gab es allerdings unter Andronikos II. ........Allgemein seine Bündnispolitik nicht von Erfolg gekrönt. Byzanz war Leidtragender der Kämpfe zwischen Genua und Venedig, geriet in starke Abhängigkeit des Söldnerführers Roger de Flor – und die Osmanen waren sowieso nicht aufzuhalten. Auch Bulgarien und Serbien eroberten während seiner Regierungszeit immer weitere Gebiete auf dem Balkan und versuchten, die Position Ostroms zu schwächen. Der oben genannte Friedensvertrag fällt ebenfalls in seine Abhängigkeit. Das die Osmanen nicht aufzuhalten waren, war in der Zeit von Andronikos II noch nicht unbedingt absehbar. Sie hatten nur ein Fürstentum von vielen, das mit dem Niedergang des Rum-Seldschukenreichs entstanden waren. Michael Palaiologos, der Vater und Vorgänger von Andronikos II hatte, auch um Gefahren aus dem Westen abzuwehren, eine Großmachtpolitik betreiben müssen die Byzanz auf Dauer überforderte. Die Folge dieser Überlastung war eine rigorose Sparpolitik die dann unter Andronikos II gefahren wurde. Auch (vielleicht sogar vor allem) bei der Armee wurde stark gespart – was den Aufstieg der türkischen Fürstentümer in Anatolien sehr stark begünstigte, eines von vielen war damals das der Osmanen. Um den Aufstieg zu bremsen setzte man zuerst auf eingefallene Alanen, die jedoch zu schwach waren, aus diesem Grund holte man die angesprochene Katalanentruppe von Roger de Flor. Diese war höchst erfolgreich und bewies damit auch folgendes: Unbesiegbar oder unaufhaltbar war hier noch niemand. Aber die Katalanentruppe wollte bezahlt werden und wandte sich, als die Bezahlung ausblieb gegen einen Feind den man leichter bedrängen konnte: Byzanz. Auch das Serbien und Bulgarien (meines Wissens war dieses aber schon schwächer als die Serben) in dieser Zeit einen Aufstieg erlebten war unter anderem eine Folge der angesprochenen Sparpolitik. Dieser Sparpolitik war es wohl auch zu verdanken das Byzanz sehr bald schon an der Flotte sparte und es damit zunehmend noch mehr in die Abhängigkeit von Venedig und Genua geriet. |
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