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Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
01.02.2020, 14:09
Beitrag: #21
RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Der letzte Graf von Hohenberg war Sigmund aus der Wildberger Linie.
er war Obervogt von Balingen und hatte von Württemberg die Pfandschaft über das Städtchen Ebingen erworben, das seine Vorfahjren 200Jahre zuvor gegründet hatten.
Auszug aus dem HStA Stgt.
Zitat: Geboren auf Schloss Rotenberg bei Rottenburg am Neckar, gestorben vermutlich in Albstadt-Ebingen, Wirtembergischer Rath, Obervogt in Balingen, kommt vor von 1423 an, in 2. Ehe verh. mit Ursula Freiin von Räzüns, starb 1486 als letzter des Geschlechts
Quelle: https://www.leo-bw.de/en_GB/web/guest/de...+1402-1486

Erstaunlicherweise wird dieser Sigmund in den Stammbäumen oftmals unterschlagen.

Das Schloss in Ebingen, vermutlich von Graf Sigmund erbaut 1888 abgebrannt, trug bis zum Ende den Namen Hohenberger-Schloss

Mir ist ein Ritter von Hohenberg bekannt, der als Ministeriale auf der Burg Oberhohenberg sass, und ich vermutete, dass es sich um einen aus dessen Nachkommenschaft handelt.

Da wir gerade dabei sind, was bedeutet der Titel "Halbritter" der idZ hin und wieder erwähnt wird?

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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01.02.2020, 19:32
Beitrag: #22
RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(01.02.2020 14:09)Suebe schrieb:  Der letzte Graf von Hohenberg war Sigmund aus der Wildberger Linie.
er war Obervogt von Balingen und hatte von Württemberg die Pfandschaft über das Städtchen Ebingen erworben, das seine Vorfahjren 200Jahre zuvor gegründet hatten.
Auszug aus dem HStA Stgt.
Zitat: Geboren auf Schloss Rotenberg bei Rottenburg am Neckar, gestorben vermutlich in Albstadt-Ebingen, Wirtembergischer Rath, Obervogt in Balingen, kommt vor von 1423 an, in 2. Ehe verh. mit Ursula Freiin von Räzüns, starb 1486 als letzter des Geschlechts
Quelle: https://www.leo-bw.de/en_GB/web/guest/de...+1402-1486

Erstaunlicherweise wird dieser Sigmund in den Stammbäumen oftmals unterschlagen.

Das Schloss in Ebingen, vermutlich von Graf Sigmund erbaut 1888 abgebrannt, trug bis zum Ende den Namen Hohenberger-Schloss

Mir ist ein Ritter von Hohenberg bekannt, der als Ministeriale auf der Burg Oberhohenberg sass, und ich vermutete, dass es sich um einen aus dessen Nachkommenschaft handelt.

Da wir gerade dabei sind, was bedeutet der Titel "Halbritter" der idZ hin und wieder erwähnt wird?

Den Sigmund habe ich meiner zusammengebastelten Genealogie als "Hauptmann von Balingen" geführt. Seine Frau entstammt dem (ausgestorbenen) Freiherrengeschlecht von Rhäzuns (Graubünden). Das Schloss Rhäzuns gehört heute dem Guru Milliardär der Rechtspartei der Schweiz (SVP), Blocher.

Sigmund hatte zwei Schwestern, Verena und Margarehte, Nonnen in Reuthin und Buchau. Seine Söhne, beide mit Namen Peter (? - weiss nicht mehr, woher ich das habe), sind vor ihm gestorben. Neben seiner in dem von Dir angegebenen Link genannten Tochter Margarethe, verh. mit Schenk Georg I von Limpurg hatte er offenbar eine weitere Tochter, Apollonia, g. 1492, Äbtissin von Königsfelden.

Was ein Halbritter ist, weiss ich nicht. Aus dem Mittelalter ist mir der Begriff nicht bekannt.
Nachtrag: Aber Wikipedia weiss es
https://de.wikipedia.org/wiki/Halbritter_(Name)
Die Erklärung erscheint mir plausibel, aber ob es sich tatsächlich so verhält, kann ich nicht beurteilen. Der Artikel bezieht sich auf die "Ritterschaft" als "Stand" und nicht als Würde, wenn behauptet wird, der Hochadel gehöre nicht zur Ritterschaft. Im Mittelalter war ein grosser Teil des Hochadels ebenfalls Ritter - z.B. Kaiser Maximilian I hatte nicht nur den Beinamen "der letzte Ritter" sondern war auch einer. Und noch der französische König Franz I im ausgehenden Spätmittelalter legte besonderen Wert darauf, vom Musterritter Bayard und nicht von irgendwem zum Ritter geschlagen zu werden.
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01.02.2020, 20:08
Beitrag: #23
RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(31.01.2020 20:29)Aguyar schrieb:  Gemäss Régine Pernoud hat Richard in Messina eine öffentliche Beichte abgelegt und um Verzeihung für "widernatürliche Sünden" (also nicht nur für Sünden) abgelegt. Ein Kaplan Renaud de Mayac soll die Beichte abgenommen haben.

Selbstzitate finde ich zwar peinlich - aber ich brauche sie hier, um meine Behauptungen betreffend der Sodomie-Definition von weltlichen Gerichten im Mittelalter sowie hinsichtlich der "widernatürlichen Sünden" zu untermauern. Wikipedia meint dazu:

"Als Sodomiterverfolgung wird die strafrechtliche Verfolgung und Hinrichtung von Männern bezeichnet, denen im Mittelalter und der frühen Neuzeit vorgeworfen wurde, das „sodomitische Laster“ (vitium sodomiticum) praktiziert zu haben."
Und:
"Heute wird im deutschen Sprachraum als Sodomie der sexuelle Verkehr mit Tieren (Zoophilie) bezeichnet. Demgegenüber fasste das Mittelalter ganz verschiedene „widernatürliche“ Praktiken unter diesen Begriff, hauptsächlich jedoch den Analverkehr."
Und:
"Bis zum 13. Jahrhundert war Sodomie in den Ländern Europas nicht strafbar, sondern lediglich eine von vielen Sünden in den kirchlichen Bußbüchern. Das änderte sich jedoch im Rahmen der Kreuzzugspropaganda gegen den Islam, die den Begriff der Sodomie politisierte. Mohammed, der „Feind der Natur“, habe die Sünde der Sodomiter unter seinen Leuten popularisiert, hieß es in den zeitgenössischen Pamphleten. Die Sarazenen würden Bischöfe vergewaltigen und christliche Knaben für ihre fleischlichen Begierden missbrauchen. Nur wenig später gehörte die Sodomie auch zu den Standardvorwürfen gegen die Häretiker, so dass ketzern im Mittelhochdeutschen zum Synonym für „sodomitisch verkehren“ wurde. Gleiches geschah in Frankreich mit bougrerie und in England mit buggery, die sich beide vom Namen der Bogomilensekte ableiten"

Es ist also nicht ganz abwegig, wenn einige Historiker (und nicht nur "EU-Porpagandisten") bei Richards Selbstbezichtiungen Homosexualität vermuten.
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01.02.2020, 20:21
Beitrag: #24
RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
War wohl mißverständlich von mir, der "gesottene" Hohenburg hielt ich für einen Abkömmling des Ministeriale auf Oberhohenberg.

Die Bezeichnung "Halbritter" (oder Titel?) habe ich erstmals entdeckt im Erbbgräbniss der Grafen usw. von Landau-Grüningen im Kreuzgang des Klosters Heiligkreuztal die Nachkommen des Graf Lutz von Landau nennen sich nur noch Ritter, die Ehefrau des Lutz war nicht vom "HohenAdel".
Und genau dort taucht dann uch zumindest 1mal der "Titel" Halbritter auf.

Auf der Wikiseite zu Landau-Grüningen, bei Sönke Lorenz "Haus Württemberg" usw. usf. allüberall zu lesen, aber ohne Begriffserklärung.
Zeit, 14. Jahrhundert, also Spätmittelalter

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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01.02.2020, 20:31
Beitrag: #25
RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(01.02.2020 20:21)Suebe schrieb:  War wohl mißverständlich von mir, der "gesottene" Hohenburg hielt ich für einen Abkömmling des Ministeriale auf Oberhohenberg.

Die Bezeichnung "Halbritter" (oder Titel?) habe ich erstmals entdeckt im Erbbgräbniss der Grafen usw. von Landau-Grüningen im Kreuzgang des Klosters Heiligkreuztal die Nachkommen des Graf Lutz von Landau nennen sich nur noch Ritter, die Ehefrau des Lutz war nicht vom "HohenAdel".
Und genau dort taucht dann uch zumindest 1mal der "Titel" Halbritter auf.

Auf der Wikiseite zu Landau-Grüningen, bei Sönke Lorenz "Haus Württemberg" usw. usf. allüberall zu lesen, aber ohne Begriffserklärung.
Zeit, 14. Jahrhundert, also Spätmittelalter

Habe das oben noch ergänzt
Nachtrag: Aber Wikipedia weiss es
https://de.wikipedia.org/wiki/Halbritter_(Name)
Die Erklärung erscheint mir plausibel, aber ob es sich tatsächlich so verhält, kann ich nicht beurteilen. Der Artikel bezieht sich auf die "Ritterschaft" als "Stand" und nicht als Würde, wenn behauptet wird, der Hochadel gehöre nicht zur Ritterschaft. Im Mittelalter war ein grosser Teil des Hochadels ebenfalls Ritter - z.B. Kaiser Maximilian I hatte nicht nur den Beinamen "der letzte Ritter" sondern war auch einer. Und noch der französische König Franz I im ausgehenden Spätmittelalter legte besonderen Wert darauf, vom Musterritter Bayard und nicht von irgendwem zum Ritter geschlagen zu werden.
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01.02.2020, 23:41
Beitrag: #26
RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(01.02.2020 20:08)Aguyar schrieb:  
(31.01.2020 20:29)Aguyar schrieb:  Gemäss Régine Pernoud hat Richard in Messina eine öffentliche Beichte abgelegt und um Verzeihung für "widernatürliche Sünden" (also nicht nur für Sünden) abgelegt. Ein Kaplan Renaud de Mayac soll die Beichte abgenommen haben.

Selbstzitate finde ich zwar peinlich - aber ich brauche sie hier, um meine Behauptungen betreffend der Sodomie-Definition von weltlichen Gerichten im Mittelalter sowie hinsichtlich der "widernatürlichen Sünden" zu untermauern. Wikipedia meint dazu:

"Als Sodomiterverfolgung wird die strafrechtliche Verfolgung und Hinrichtung von Männern bezeichnet, denen im Mittelalter und der frühen Neuzeit vorgeworfen wurde, das „sodomitische Laster“ (vitium sodomiticum) praktiziert zu haben."
Und:
"Heute wird im deutschen Sprachraum als Sodomie der sexuelle Verkehr mit Tieren (Zoophilie) bezeichnet. Demgegenüber fasste das Mittelalter ganz verschiedene „widernatürliche“ Praktiken unter diesen Begriff, hauptsächlich jedoch den Analverkehr."
Und:
"Bis zum 13. Jahrhundert war Sodomie in den Ländern Europas nicht strafbar, sondern lediglich eine von vielen Sünden in den kirchlichen Bußbüchern. Das änderte sich jedoch im Rahmen der Kreuzzugspropaganda gegen den Islam, die den Begriff der Sodomie politisierte. Mohammed, der „Feind der Natur“, habe die Sünde der Sodomiter unter seinen Leuten popularisiert, hieß es in den zeitgenössischen Pamphleten. Die Sarazenen würden Bischöfe vergewaltigen und christliche Knaben für ihre fleischlichen Begierden missbrauchen. Nur wenig später gehörte die Sodomie auch zu den Standardvorwürfen gegen die Häretiker, so dass ketzern im Mittelhochdeutschen zum Synonym für „sodomitisch verkehren“ wurde. Gleiches geschah in Frankreich mit bougrerie und in England mit buggery, die sich beide vom Namen der Bogomilensekte ableiten"

Es ist also nicht ganz abwegig, wenn einige Historiker (und nicht nur "EU-Porpagandisten") bei Richards Selbstbezichtiungen Homosexualität vermuten.

Ich frage mich bei diesem Statement nur, was der "EU-Propagandist" mit Richards angeblicher Selbstbezichtigung zu tun haben soll. Ganz ehrlich, für die EU-Propaganda dürfte Richards Homosexualität doch unwichtig sein. Oder meinst du tatsächlich, dass Richard, der englische König, von der EU als Prototyp eines Engländers diffamiert wird, um die Engländer als Bestrafung für den Brexit schlecht zu machen.

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
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01.02.2020, 23:46
Beitrag: #27
RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
(01.02.2020 20:21)Suebe schrieb:  ...
Die Bezeichnung "Halbritter" (oder Titel?) habe ich erstmals entdeckt im Erbbgräbniss der Grafen usw. von Landau-Grüningen im Kreuzgang des Klosters Heiligkreuztal die Nachkommen des Graf Lutz von Landau nennen sich nur noch Ritter, die Ehefrau des Lutz war nicht vom "HohenAdel".
Und genau dort taucht dann uch zumindest 1mal der "Titel" Halbritter auf.
...

Wenn der Vater nur mehr ein Ritter war (wenn gleich aus einer zumindest ritterbürtigen Familie) und die Mutter nicht vom Hochadel und auch keine Angehörige einer ritterbürtigen Familie mehr war, sind die Söhne nur mehr zur Hälfte Ritter, als Halbritter.

---
Eine ritterbürtige Familie meint eine Familie, die ihre Zugehörigkeit zum Ritterstand auf ihre Abstammung zurückführt.
---

Eine Frage, die sich für mich schon länger stellt, ist übrigens, ob der Ritterschlag im Spätmittelalter überhaupt notwendig war, wenn die Familie ritterbürtig war. Denn, wenn ich mir zum Beispiel die Ritterschlagslisten im Zusammenhang mit einer Königs- oder Kaiserkrönung ansehe, kann ich mir nicht so recht vorstellen, dass die vielen Teilnehmer dort wirklich mit dem Ritterschlag so lange gewartet haben, bis es wieder einen neuen König / Kaiser gibt, der sich krönen lässt und aus diesem Anlass Ritterschläge erteilt.

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Josephine Tey, Alibi für einen König
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04.02.2020, 05:45
Beitrag: #28
RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Ich bin jetzt zufällig in einer Richard-Biographie auf eine Zusammenfassung der Eremitenepisode gestoßen, die mit Blick auf das Thema hier auf jeden Fall interessant ist.

Nach der Zusammenfassung des Autors, der diese Biographie geschrieben hat, finden die Begegnung Richard - Eremit und Richards Selbstbezichtigung im Frühjahr 1195 statt, ein geographischer Ort wird nicht genannt.

Nach der Zusammenfassung erscheint eines Tages ein Einsiedler bei Richard und ermahnt ihn, sich an die Zerstörung von Sodom zu erinnern und auf unerlaubte Akte zu verzichten, da ihn Gott sonst bestrafen werde. Richard schenkt dieser Prophezeiung zunächst keine besondere Beachtung. Als er bald darauf erkrankt, kommt ihm die Warnung jedoch wieder in den Sinn, den Anfang April 1195 bekennt er seine Sünden und nimmt seine vernachlässigte Ehefrau wieder zu sich, um den ehelichen Pflichten in stärkeren Maß zu entsprechen. Außerdem besucht er fortan täglich die Kirche und spendet für die Armen.

Als Autor ist der Chronist Roger von Howden angeführt, den der Autor dieser Biographie in einem Teil seines Buches als einen königstreuen Chronisten einstuft.

Quelle: Robert-Tarek Fischer: Richard I. Löwenherz 1157-1199. Ikone des Mittelalters. Böhlau Verlag, Wien / Köln / Weimar, 2. überarbeitete Auflage 2019. ISBN 978-3-205-20980-5, S. 254

Was ergibt sich aus dieser Zusammenfassung? Zunächst einmal wäre es vermutlich wirklich wichtig, den Originaltext zu kennen beziehungsweise, wenn die Chronik nicht im Original überliefert ist, die frühesten Fassungen, die von ihr überliefert sind.

Denn die Zusammenfassung von Fischer unterscheidet sich zum Beispiel doch in einem wesentlichen Punkt den bisherigen Zusammenfassungen, die hier angeführt wurden. Während dort der Eindruck entsteht, dass Richard in der Chronik direkt der Sodomie bezichtigt wurde, wird ihm in dieser Zusammenfassung der Einsiedler-Episode nur eine Bestrafung für "unerlaubte Akte" angedroht. Nicht uninteressant ist auch, dass die Bestrafung nur dann zu befürchten ist, wenn Richard mit den "unerlaubten Akten" nicht aufhört, sondern sie weiter begeht. Die Stadt Sodom ist in dieser der Zusammenfassung nur ein Beispiel für den strafenden Gott. Was mit den "unerlaubten Akten" konkret gemeint ist, bleibt in der Chronik offen. Im diesem Kontext ist nur eindeutig klar, dass es sich um Sünden handelt.

Sodom und Gomorrha sind in der Bibel aber nur lasterhafte Städte, die von Gott bestraft werden. Allerdings wäre Gott bereit gewesen, sie zu schonen, wenn ihre Einwohnerschaft von ihrem lasterhaften Tun abgelassen hätte. Offensichtlich wird Sodom in dieser symbolischen Bedeutung angeführt.

In dieser Darstellung jedenfalls, wenn wir uns nur an den Text halten, werden Richard lediglich Sünden vorgeworfen und der Verweis auf Sodom deutet an, was ihm droht, wenn er weiterhin sündigt, aber auch, dass Gott Gnade walten lässt, wenn er mit dem sündigen aufhört. Das tut Richard aber erst, als er plötzlich erkrankt.

Die daraufhin beschriebenen Maßnahmen (Rückholung der Ehefrau, regelmäßiger Besuch der Messe, Armenspeisung / Akte der Barmherzigkeit) symbolisieren Richards Umkehr und seine Rückkehr zu einem christlichen Leben, nachdem er öffentlich die Beichte abgelegt hat.

Der Hinweis, dass Richard daraufhin wieder seine Ehefrau zu sich holt und seinen ehelichen Pflichten nachkommt, legt nahe, dass es sich bei den "unerlaubten Akten" um sexuelle Verfehlungen handelt, allerdings legt die Rückkehr zur Ehefrau Ehebruch nahe.

Mit Blick darauf, welche Akte der nun mehr geläuterte Richard hier setzt, fällt auf, dass sie eigentlich recht milde ausfallen. Es reicht, dass Richard offiziell seine Sünden bekennt, dass er seine Ehefrau wieder zu sich holt, dass er ab sofort regelmäßig wieder den Gottesdienst besucht und dass er die Armen öfter speist. Wenn es bei den "unerlaubten Akten" tatsächlich um das Ausleben von Homosexualität gehandelt hätte, das im Mittelalter und danach als "widernatürlich" angesehen wurde, hätte der Chronist Richard wohl doch etwas drastischere Maßnahmen ergreifen lassen.

Auf jeden Fall bietet Fischer eine Zusammenfassung dieser Episode, die so gestaltet ist, dass sie für jemanden, der noch nie etwas davon gehört, dass Richard ein Homosexueller gewesen sein soll, sicher keine diesbezüglichen Assoziationen bietet.

Entscheidend ist hier natürlich, wie genau Fischer die Episode zusammengefasst hat. Im Quellen- und Literaturverzeichnis hat er jedenfalls eine Ausgabe der "Chronica magistri Rogeri de Hoveden" (Ausgabe von William Stubbs, 4 Bände, 1868-1871) angeführt, sodass doch naheliegend, dass er den Originaltext in der Fassung dieser Ausgabe selbst gelesen haben wird. (Inwieweit diese Ausgabe allerdings wirklich dem Originaltext beziehungsweise den überlieferten Fassungen gerecht wird, wäre natürlich zu prüfen, da die Ausgabe aus dem 19. Jahrhundert ist.

Was zeigt das Beispiel aber?
Es deutet jedenfalls an, dass die "Hauptquelle", die gewöhnlich für Richards mögliche Homosexualität angeführt wird, in Wirklichkeit gar keine Ansätze zu einer solchen Sicht bietet. (Wie gesagt, hier wäre es halt wichtig, im ursprünglichen Text, soweit das aufgrund der Überlieferung möglich ist, selbst nachzusehen.)

Zusammen mit den Hinweisen von Sansavoir auf Quellen des Mittelalters für Richard stets sexuelle Vergehen mit Frauen unterstellt werden, sprechen die Indizien in diesem Fall doch gegen eine Homosexualität. Dazu passt auch, dass diese Theorie erst nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals auftaucht und offensichtlich erst in den letzten 30 Jahren zu einem "Fakt" gemacht wurde.

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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22.06.2022, 23:49
Beitrag: #29
RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
All diese Erörterungen ließen sich aus einer entspannt sachlichen Perspektive lesen, würde da nicht an gleich mehreren Stellen in ganz offensichtlich aus heutiger Sicht geschriebene Formulierungen anstelle tatsächlich neutraler Ausdrücke wie „Annahme“, „Vermutung“, „Mutmaßung“ oder „These“ der Ausdruck „Verdacht“ hineinrutschen. Dieses Wort jedoch steht für die Vermutung eines eindeutig negativ zu wertenden Verhaltens, enthält also eine potenzielle Verurteilung. Und sagt hier viel über die (unbewusste?) Haltung jener, die es verwenden.

Etwas subtiler kommt dazu die im Titel gewählte Bezeichnung: aus einer Eigenschaft (wie schwarzhaarig, blauäugig, linkshändig) macht sie eine Personengruppen-Bezeichnung, die zugeordneten Menschen tendenziell implizit Gemeinsamkeiten unterstellt, die über ein einziges Kriterium hinaus reichen, als seien sie deshalb eher wesentlich von allen anderen zu unterscheiden. Auch wenn nicht explizit behauptet, wird das, wenn nicht ausdrücklich ausgeschlossen, unweigerlich über negativ abgrenzende Klischees aus dem kollektiven Bewusstsein vergangener Jahrzehnte und Generationen mitgeschleppt, die teils nicht nur nachwirken oder weiter aktuell sind, sondern in Teilen der EU neu instrumentalisiert werden.
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26.06.2022, 11:54
Beitrag: #30
RE: Richard I. - tatsächlich ein Homosexueller?
Aber dir ist schon bewußt, dass du hier in einem Forum für Geschichte unterwegs bist?
Historiker sind Menschen, die sich damit beschäftigen, wie es früher einmal war. Und ja, früher gab es den "Verdacht", dass jemand homosexuell war- es war jahrhunderte lang etwas negativ bewertetes.
Wenn man sich mit etwas beschäftigt, das in der Vergangenheit war, dann greift man auch auf das dort übliche Vokabular zurück- und da muss man nicht zwangsläufig etwas böses unterstellen.

Wie wäre es stattdessen, dieses historische Bild als solches in Frage zu stellen, und nicht die Menschen, die sich damit beschäftigen? Ja, vielleicht ist es an der Zeit, das alles zu revidieren- aber das kann man auch tun, ohne anderen gleich homophobie zu unterstellen.

Ich weigere mich auch "Sah ein Knab ein Röslein stehen" zu singen, weil es für mich ein Vergewaltigungslied ist- und viele andere singen es und denken sich nichts dabei. Soll ich jetzt allen unterstellen, sie würden Vergewaltigung gutheißen?

Aufklärung tut not, Bewußtmachen auch- aber Unterstellungen haben noch nie etwas postives bewirkt.

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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