Nachdenken über die "Unterschicht"
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07.10.2012, 22:15
Beitrag: #1
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Nachdenken über die "Unterschicht"
Unterschicht. Das klingt böse. Dass es sie aber gibt daran kann es keinen Zweifel geben. Sichtbar wird das jeden Tag in der Stadt. Die Frage ist aber, wie wird über sie gedacht? Inwieweit denkt der Durchschnittsmensch der Mittelschicht im RTL2-Schema? Ruht er sich nicht sogar darauf aus? Es ist genau die einfache Antwort, die er braucht um nicht nachzudenken, hinterfragen zu müssen, ob das alles richtig ist, was in diesem Land so abläuft.
Wenn man hier das klagen über die Krise und deren Auswirkungen hört. Wer spürt dann eigentlich die Auswirkungen? Und wer am stärksten? Am Ende, hört diesen Leuten eigentlich noch jemand zu? Die SPD? kaum. Die Linke. Mit sich selbst und dem Kommunismus beschäftigt. Wer vertritt eigentlich das Interesse? Anbei ein paar Ausschnitte aus einem Zeitartikel, dessen komplette Lektüre ich empfehle: http://www.zeit.de/2012/40/Unterschicht-Armut-Hartz-IV "Mit der Agenda fand die Entfremdung der Sozialdemokratie von den sozial Schwächeren ihren Abschluss. Offenbar wollten die ja gar nicht aufsteigen. Oder konnten es nicht. Die SPD war enttäuscht von den Armen und die Armen von der SPD. So verlor die Unterschicht ihre politische Vertretung. Diejenigen, die keine Arbeit hatten, hatten auch keine Lobby, nicht in der Regierung und nicht in den Talkshows." "Egal, in welchem Beruf Justin einmal arbeiten wird, er wird wohl nie mehr als etwa 1000 Euro im Monat verdienen. Aber es wird mehr sein als seine Mutter jemals selbst verdient hat. Man könnte sagen, dass er aufsteigen wird." "Als die Agenda 2010 durch war, hätte man darauf hoffen können, dass die Verachtung der Unterschicht nachlässt. Aber das passierte nicht. Man hörte nicht auf, die da unten niederzureden. CDU-Fraktionschef Volker Kauder sagte, es gebe »in Teilen der Gesellschaft bereits Verwahrlosung«. Wolfgang Clement schrieb als Arbeits- und Wirtschaftsminister in das Vorwort einer Broschüre aus seinem Ministerium: »Biologen verwenden für ›Organismen‹, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen – ihren Wirten – leben, übereinstimmend die Bezeichnung ›Parasiten‹.« Es war klar, wer gemeint war." "Paul fing an, mit den Kindern der Asylbewerber Tittenmagazine und Matchboxautos zu klauen. Seine Mutter hatte zwei, manchmal drei Jobs gleichzeitig, putzte in einer Arztpraxis, einem Schuhgeschäft, einem Altenheim. Einmal brachte sie ihren Kindern Jeans aus Polen mit, Marke Levros. »Klingt doch so ähnlich wie Levi’s«, sagte sie zum Trost. Peinlich wurde es, als die Mitschüler das Etikett sahen. »Da habe ich erst gemerkt, dass Klamotten auf der Coolheitsskala echt was ausmachen«, sagt Paul heute. Er trägt einen verwaschenen Hoodie, Wollmütze, Jeans, Sportschuhe. Unterarme, Hals und Hände sind tätowiert. Auf dem Hals steht »Gold«, an der Außenseite der linken Hand sein Geburtsdatum, 30.11.1980. Paul ist 31 Jahre alt. In den vergangenen Jahren hat er viel Geld verdient. Sehr viel." Der vernetzte Mensch von heute gerät in Gefahr,
die globalisierte Welt als eine Ansammlung von Zitaten zu erleben. Doug Mack |
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09.10.2012, 05:04
Beitrag: #2
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Gutes Thema
(07.10.2012 22:15)Viriathus schrieb: Unterschicht. Das klingt böse. Dass es sie aber gibt daran kann es keinen Zweifel geben. Natürlich nicht. Wobei hier ein eklatanter Unterschied zwischen Eigen- und Fremdbild besteht. Es ist auch zu berücksichtigen, wie man "Unterschicht" definiert, nur nach Einkommen bzw. Vermögen, oder auch nach Bildungsstand? Die seit rund 20 Jahren stattfindete Verarmung eines Teils der Hochschulabsolventen, die oft nur prekäre Berufe haben, ist evident. (07.10.2012 22:15)Viriathus schrieb: Sichtbar wird das jeden Tag in der Stadt. Die Frage ist aber, wie wird über sie gedacht? Schlecht, auch wenn es offiziell anders dargestellt wird. (07.10.2012 22:15)Viriathus schrieb: Inwieweit denkt der Durchschnittsmensch der Mittelschicht im RTL2-Schema? Ruht er sich nicht sogar darauf aus? Es ist genau die einfache Antwort, die er braucht um nicht nachzudenken, hinterfragen zu müssen, ob das alles richtig ist, was in diesem Land so abläuft. Soloang's ihn selber nicht betrifft, wird's ihm in den meisten Fällen recht egal sein. (07.10.2012 22:15)Viriathus schrieb: Wenn man hier das klagen über die Krise und deren Auswirkungen hört. Wer spürt dann eigentlich die Auswirkungen? Und wer am stärksten? Die, die am meisten zu verlieren haben, die Mittelschicht und die Sparer. (07.10.2012 22:15)Viriathus schrieb: Am Ende, hört diesen Leuten eigentlich noch jemand zu? Die SPD? kaum. Die Linke. Mit sich selbst und dem Kommunismus beschäftigt. Wer vertritt eigentlich das Interesse? Vordergründig fast alle, faktisch fast niemand. Wie ich schon des Öfteren schrieb: Obwohl das deutsche Perteienspektrum einen starken Linksdrall hat, hat die politische Linke in ihrem ureigensten Bereich -dem Vertreten von Arbeitnehmerinteressen- kolossal versagt. Aber das ist freilich nur einer von mehreren Gründen für einen Anstieg des Prekariats. Einen weiteren hat der böse Sarrazin sehr gut beschrieben: Einwanderung ins Sozialsystem und einen höhere Fertilitätsrate der sozial Schwachen. Ein weiterer sind die gigantischem Kapitalabflüsse ins Ausland, die mittelbar und ummittelbar stattfinden. Noch einer liegt in der demographischen Struktur der Bev. Eine überalterte Bev. ist für eine Volkswirtschaft wahnsinnig teuer. Ein fünfter Punkt ist die mangelnde Pflege des Wirtschaftsstandorts Deutschland und der starke Druck auf die KMU. (07.10.2012 22:15)Viriathus schrieb: Anbei ein paar Ausschnitte aus einem Zeitartikel, dessen komplette Lektüre ich empfehle: Obwohl ich die Agenda grundsätzlich für richtig halte, hätte sie einiger Korrekturen bedurft. Mein Eindruck ist, dass die beiden Großparteien in D in ihrer Ausrichtung immer beliebiger werden. Denn rot-grün hat damals - interessanterwweise ebenso wie schwarz-blau in Ö - Wirtschaftspolitik betrieben, die gemeinhin als "neoliberal" bezeichnet wird. (07.10.2012 22:15)Viriathus schrieb: "Als die Agenda 2010 durch war, hätte man darauf hoffen können, dass die Verachtung der Unterschicht nachlässt. Aber das passierte nicht. Man hörte nicht auf, die da unten niederzureden. CDU-Fraktionschef Volker Kauder sagte, es gebe »in Teilen der Gesellschaft bereits Verwahrlosung«. Wolfgang Clement schrieb als Arbeits- und Wirtschaftsminister in das Vorwort einer Broschüre aus seinem Ministerium: »Biologen verwenden für ›Organismen‹, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen – ihren Wirten – leben, übereinstimmend die Bezeichnung ›Parasiten‹.« Es war klar, wer gemeint war." Diese Wortwahl ist unter aller S. Man muss diferenzieren, es gibt nämlich beides, Menschen, die sich sehr bewusst in die soziale Hängematte legen, und welche, die unverschuldet in eine prekäre Situation gekommen sind. Zweiteren, das ist zumindest mein subejktiver Eindruck, wird im Gegensatz zu ersteren zu wenig geholfen. (07.10.2012 22:15)Viriathus schrieb: "Paul fing an, mit den Kindern der Asylbewerber Tittenmagazine und Matchboxautos zu klauen. Seine Mutter hatte zwei, manchmal drei Jobs gleichzeitig, putzte in einer Arztpraxis, einem Schuhgeschäft, einem Altenheim. Einmal brachte sie ihren Kindern Jeans aus Polen mit, Marke Levros. »Klingt doch so ähnlich wie Levi’s«, sagte sie zum Trost. Peinlich wurde es, als die Mitschüler das Etikett sahen. »Da habe ich erst gemerkt, dass Klamotten auf der Coolheitsskala echt was ausmachen«, sagt Paul heute. Er trägt einen verwaschenen Hoodie, Wollmütze, Jeans, Sportschuhe. Unterarme, Hals und Hände sind tätowiert. Auf dem Hals steht »Gold«, an der Außenseite der linken Hand sein Geburtsdatum, 30.11.1980. Paul ist 31 Jahre alt. In den vergangenen Jahren hat er viel Geld verdient. Sehr viel." Ja, Sido, der zz bei uns in Ö für Quoten im ORF sorgen soll, ist ein Beispiel dafür, dass ein Aufstieg grundsätzlich möglich ist. Dem ist sein Erfolg aber nciht in den Schoß gefallen Dazu braucht's aber Talent, Hirn,Selbstdiszplin und - nicht zu vergessen - eine Prise Glück. MfG, Titus Feuerfuchs |
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09.10.2012, 11:48
Beitrag: #3
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
Das Ganze ist eine sehr interessantes Thema, mit viel Stoff zu diskutieren und nachzudenken.
Zuerst würde ich mal sagen kann man die "Unterschicht" nicht in einen Topf werfen, das fällt selbst bei RTL2 Sendungen auf. Arbeitsloser ist nicht gleich Arbeitsloser. Der Grund warum Leute Langzeitarbeitslos sind, ist denke ich total unterschiedlich. Manchmal hat es zahlreiche sehr verzwickte Gründe, warum es nichts wird. Oft beginnt es in der Kindheit (wie schon erwähnt ist es nicht leicht aus dieser Schicht wieder rauszukommen), oft fehlen Schulabschlüsse oder es hat Gesundheitliche Gründe warum Leute mit den hohen Anforderungen der heutigen Arbeitswelt nicht zurecht kommen, kommt man mit diesen nicht zurecht bleiben oft nur relativ "einfache" Arbeiten, bei denen aber kaum Geld zu verdienen ist. Und dann gibts schon auch noch die Minderheit die aus irgendeinem Grund nicht Arbeiten möchte (kenne selbst so jemand aus dem privaten Umfeld). Nur als Faul sehen sollte man solche Leute jedoch nicht, oft gibt es auch hier Gründe. |
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09.10.2012, 11:58
Beitrag: #4
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RE: Gutes Thema
(09.10.2012 05:04)Titus Feuerfuchs schrieb: Ja, Sido, der zz bei uns in Ö für Quoten im ORF sorgen soll, ist ein Beispiel dafür, dass ein Aufstieg grundsätzlich möglich ist. Dem ist sein Erfolg aber nciht in den Schoß gefallen Dazu braucht's aber Talent, Hirn,Selbstdiszplin und - nicht zu vergessen - eine Prise Glück. Natürlich gibt es Beispiele von Leuten die aus der "Unterschicht" aufgestiegen sind, etliche sogar. Aber ich denke der Weg nach Oben ist extrem schwer, vor allem die enorme Selbstdisziplin die da gefordet ist, kann nicht jeder aufbringen. Und wie du geschrieben hast Glück braucht es auch. Was das Beispiel von Viriathus betrifft: Das Tatoo als Zeichen von Unterschicht das hier genannt wurde, da muss ich auch einen Eindruck schreiben. Davon abgesehen das heute nicht nur Leute von der Unterschicht Tatoos haben, muss ich sagen das mir vorkommt das Sido vor etlichen Jahren auch noch nicht so stark tatowiert war (kann aber auch sein das ich mich täusche). Als diese mehr wurden, war er wohl kein Teil der "Unterschicht" mehr. Mittlerweile besitzt er meines Wissens sogar ein Tatoostudio. |
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09.10.2012, 12:06
Beitrag: #5
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
Noch was möchte ich zu Sendungen die, die Unterschicht betreffen sagen.
Der oben genannte Sido, hat vor einiger Zeit für den ORF ein Bandgründungsprojekt gemacht um einige Jugendliche aus der Unterschicht zu holen. OK, man hört von solchen Leuten leider nie wie es mit ihen weiterging und vielleicht verurteile ich das Ganze auch zu unrecht, aber ich habe das Gefühl dass, das Ganze alles andere als erfolgreich war. Kein Wunder, mir kamen die Jugendlichen aus der Unterschicht die hier gezeigt wurden, dafür das unbedingt Rapper werden wollten, reichlich lustlos waren. Fragen wie "wie sollen wir uns denn dazu bewegen?" waren zu hören. Also wenn man Rap als Hobby hat muss man das schon im Gefühl haben. Ein anderes Beispiel war der Versuch von Christian Rach. Besonders erfolgreich, so mein Eindruck war sein erster Versuch nicht, kaum jemand von damals ist heute noch dabei. Bei der zweiten Staffel kommt mir vor, waren die "Sozialfälle" nicht mehr ganz soo hart, wie die ersten. OK, klar das Ganze ist irgendwie auch nur Unterhaltung (auch der Grund warum ich solche Sendungen oft anschaue, man hat nebenbei was laufen und kann dabei locker Internetsurfen), aber irgendwie zeigen diese Fallbeispiele das es oft alles andere als einfach ist Leute aus der Unterschicht wieder herauszuholen. Oft sind sie zu festgefahren, oft sind die Probleme im Hintergrund zu stark. Soll jetzt aber nicht heißen das man es nicht versuchen soll, leicht ist es sicherlich aber nicht. |
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09.10.2012, 13:32
Beitrag: #6
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
Das ist ein vielschichtiges Thema, dem ich mich nur in Teilschritten nähern kann.
Da WDPG die Unterschichtdarstellung im TV angesprochen hat, frage ich mich, was da gemeint ist. Diese unsäglichen Gerichtssendungen, Talkrunden im Nachmittagsprogramm der Privaten habe ich immer weggeklickt, wenn ich mal nachmittags zu Hause war, gibt es die noch? Die Akteure dort sind doch Darsteller, Zirkusclowns. Genauso diese DSDS- Starsuchen, da mögen die Sänger, Models zwar echte Menschen sein, trotzdem kann man sich doch aus dem TV kein Bild über die Unterschicht machen. Überhaupt ist es unmöglich, sich über unterschiedliche Einzelschicksale ein allgemeines Bild zu machen. Das einzige, was diese Gruppe vereint, ist ihre prekäre Einkommenssituation, die unterhalb einer bestimmten Schwelle des Durchschnittseinkommens liegt. Mit diesem Einkommen ist in einer Marktwirtschaft wie D nur ein bestimmter Lebensstandard möglich und so sind die Teilmärkte für lebensnotwendige Güter aufgeteilt. Das Einkommen entscheidet, wo und wie man in D wohnt, einkauft, ißt und trinkt, wie man sich einrichtet und damit welche Bildungs- und Aufstiegschancen man hat. |
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09.10.2012, 17:12
Beitrag: #7
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(09.10.2012 11:48)WDPG schrieb: Zuerst würde ich mal sagen kann man die "Unterschicht" nicht in einen Topf werfen, das fällt selbst bei RTL2 Sendungen auf. Arbeitsloser ist nicht gleich Arbeitsloser.Mit beiden Aussagen hast du natürlich recht. Da gibt es sehr unterschiedliche Gründe und Lebensläufe. Das Problematische daran ist, dass der Anteil der Unterschicht in der Gesellschaft, auf Kosten einer dünner werdenden Mittelschicht wächst. Und das nicht, weil die Zahl der Langzeitarbeitslosen permanent steigt, sondern durch das Anwachsen des Billiglohnsektors. Wenn jemand einen Fulltime-Job hat und nicht mal die 1000 € Nettogrenze knacken kann, dann ist da etwas nicht in Ordnung. Alleinerziehende Mutter von zwei oder drei Kindern, arbeitet vollzeitbeschäftigt im Einzelhandel (übles Bsp., aber nicht unnormal) und verdient 960 € Netto im Monat. Die muss das ohnehin erstmal gebacken bekommen - die Kinder, die Arbeit und dann noch vernünftig davon leben. Dass das schwer ist, ist die eine Sache. Die andere - was geht auf ihr Rentenkonto ein? Von Vornherein verdammt zur Altersarmut!? Die Frau hat in dem Sinne noch Glück, eben weil sie einen sozialversicherungspflichtigen Job hat, bei dem zumindest etwas in die Rentenkasse eingezahlt wird. Zur Not, wenns klappt, kann sie fürs Tägliche bei der Arge noch etwas aufstocken. Wie geht es aber denen, die vorher auch eine ähnliche Arbeit hatten (vielleicht sogar eine relativ gut bezahlte), ihnen aber aus den fadenscheinigsten Gründen gekündigt wurde, um genau diese Stelle dann mit billigeren Zeitarbeitern zu besetzen? Und wie geht es den Zeit-, den Leiharbeitern? Noch schlechter bezahlt? Ja, und es wird gar nichts in die Altersvorsorge eingezahlt. In dieser Situation befindet sich nicht nur un- oder weniggebildetes, faules Gesindel. Wir sind in den letzten Jahren ein gutes Stück zurückgerutscht. Zurückgeglitten auf ein Level, was Anzeichen eines Manchesterkapitalismus auf modernem Niveau in sich birgt. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Und du warst schön. In deinem Auge schien sich Nacht und Sonne sieghaft zu versöhnen. ... So kam dich meine Liebe krönen. Und meine nächteblasse Sehnsucht stand, weißbindig wie der Vesta Priesterin, an deines Seelentempels Säulenrand und streute lächelnd weiße Blüten hin. (Rainer Maria Rilke) |
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09.10.2012, 17:48
Beitrag: #8
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RE: Gutes Thema
(09.10.2012 05:04)Titus Feuerfuchs schrieb: Dem ist sein Erfolg aber nciht in den Schoß gefallen Dazu braucht's aber Talent, Hirn,Selbstdiszplin und - nicht zu vergessen - eine Prise Glück.Heutzutage wohl weit mehr als eine Prise. (09.10.2012 13:32)Renegat schrieb: Da WDPG die Unterschichtdarstellung im TV angesprochen hat, frage ich mich, was da gemeint ist. Diese unsäglichen Gerichtssendungen, Talkrunden im Nachmittagsprogramm der Privaten habe ich immer weggeklickt, wenn ich mal nachmittags zu Hause war, gibt es die noch? Die Akteure dort sind doch Darsteller, Zirkusclowns. Genauso diese DSDS- Starsuchen, da mögen die Sänger, Models zwar echte Menschen sein, trotzdem kann man sich doch aus dem TV kein Bild über die Unterschicht machen.Eigentlich möchte man dir sagen, schaue mal frühabends RTL2 oder VOX, aber ne, lass es. Was Du kennst ist noch harmlos. Unglaublicher Niveauverfall. Wohlgemerkt nicht wegen den dargestellten Leuten, sondern wegen jenen, die sowas zur Entspannung anschalten. Und ja, diese Leute gibt es. Aber was anderes: ein Leiharbeiter bekommt 7 Euro, und nimmt noch reguläre Jobs weg. Zudem befristet und in einem Abhängigkeitsverhältnis: Noch Fragen? Der vernetzte Mensch von heute gerät in Gefahr,
die globalisierte Welt als eine Ansammlung von Zitaten zu erleben. Doug Mack |
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09.10.2012, 18:01
Beitrag: #9
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RE: Gutes Thema
(09.10.2012 17:48)Viriathus schrieb: Aber was anderes: ein Leiharbeiter bekommt 7 Euro, und nimmt noch reguläre Jobs weg. Zudem befristet und in einem Abhängigkeitsverhältnis: Noch Fragen? Nicht der Leiharbeiter nimmt die Jobs weg, sondern die Arbeitgeber, die nur zu gern bereit sind, wegen des angeblichen Billigdruck des Marktes, Menschen zu solchen Bedingungen einzustellen. Und es trifft besonders die jüngere Generation unter 35. Ich frage mich fast täglich, wann es zu Lohnkämpfen, Streiks, Demonstrationen kommt, irgendeine neue Form von Solidarität, es muß ja nicht der alte Klassenkampf sein. |
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09.10.2012, 23:38
Beitrag: #10
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(09.10.2012 13:32)Renegat schrieb: Überhaupt ist es unmöglich, sich über unterschiedliche Einzelschicksale ein allgemeines Bild zu machen. Das einzige, was diese Gruppe vereint, ist ihre prekäre Einkommenssituation, die unterhalb einer bestimmten Schwelle des Durchschnittseinkommens liegt. Das stimmt so nicht. Nicht das Einkommen entscheidet über Bildungs- und Aufstiegschancen von Kindern, sondern vor allem der Bildungshintergrund der Eltern bzw. des alleinerziehenden Elternteils. Ist jemand selbst gebildet, aber aus bestimmten Gründen arbeitslos (u.a. Alleinerziehend), so ist er durchaus im Stande, seinen Kindern bei der Schulbildung zur Hand zu gehen, auch wenn er keine Nachhilfe bezahlen kann. Er ist auch im Stande, seinen Kindern Bildung zu vermitteln, und im Zweifelsfall wird ein gebildeter "Armer" auch das nötige Wissen haben, um einigermaßen gut über die Runden zu kommen. Ein gebildeter hat fast immer die Chance, der Armutsfalle irgendwann zu entgehen (es sei denn, es liegen Krankheiten vor), selbst wenn es ein paar Jahre dauern wird. Er wird vielleicht nicht reich oder wohlhabend, aber ein gebildeter Mensch hat eine Chance, irgendwann wieder genug zum leben zu haben. Die sogenannte "Unterschicht" ist gleichbedeutend mit bildungsfernen Schichten, denn diese Menschen haben kaum eine Chance, jemals aufzusteigen. Selbst wenn sie noch so fleißig sind- bei €4,50 Stundenlohn reichen den Ungebildeten auch 10 Stunden Arbeit nicht am Tag, um aufzusteigen. Und sie geben ihre Bildungsferne an die nächste Generation weiter. Denn es sind gerade die Ungebildeten, die ihre Kinder stundenlang vor dem Fernseher parken (müssen), weil sie vom 10 Stunden Job erschöpft sind und sich eine Kinderbetreuung nicht leisten können. Es sind die ungebildeten, die von ihren €35-40 am Tag eben nur minderwertige Nahrungsmittel kaufen und somit ihren Kindern schon eine schlechte Gesundheitsgrundlage mitgeben. Nein, das Einkommen entscheidet wenn überhaupt nur kurzfristig über die Zugehörigkeit zur Schicht. Die Bildung ist viel entscheidender... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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09.10.2012, 23:57
Beitrag: #11
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(09.10.2012 17:12)Wallenstein schrieb: Das Problematische daran ist, dass der Anteil der Unterschicht in der Gesellschaft, auf Kosten einer dünner werdenden Mittelschicht wächst. Das hört man häufig, die Frage ist, ob es wirklich stimmt. Denn eigentlich schrumpft die Mittelschicht an sich nicht so wesentlich. Sie rutscht nur immer weiter von der Oberschicht weg in Richtung Unterschicht- die Mittelschicht wird ärmer. (09.10.2012 17:12)Wallenstein schrieb: Und das nicht, weil die Zahl der Langzeitarbeitslosen permanent steigt, sondern durch das Anwachsen des Billiglohnsektors. Damit hast du zwar absolut recht, aber in der Regel stammen die langfristigen Billigjobber auch aus der Unterschicht und steigen nicht aus der Mittelschicht in die Unterschicht ab. (09.10.2012 17:12)Wallenstein schrieb: Alleinerziehende Mutter von zwei oder drei Kindern, arbeitet vollzeitbeschäftigt im Einzelhandel (übles Bsp., aber nicht unnormal) und verdient 960 € Netto im Monat. Die muss das ohnehin erstmal gebacken bekommen - die Kinder, die Arbeit und dann noch vernünftig davon leben. Dass das schwer ist, ist die eine Sache. Die andere - was geht auf ihr Rentenkonto ein? Von Vornherein verdammt zur Altersarmut!? Definitiv. (09.10.2012 17:12)Wallenstein schrieb: In dieser Situation befindet sich nicht nur un- oder weniggebildetes, faules Gesindel. Irgendwie stoße ich mich an dem Komma- nimm es mir nicht übel. Unser Bildungssystem ist nicht darauf ausgerichtet, Bildungsdefizite der Eltern auszugleichen. Faulheit ist nicht unbedingt die Ursache, wenn Kinder die Schule nicht schaffen oder nur schlecht schaffen. (09.10.2012 17:12)Wallenstein schrieb: Wir sind in den letzten Jahren ein gutes Stück zurückgerutscht. Zurückgeglitten auf ein Level, was Anzeichen eines Manchesterkapitalismus auf modernem Niveau in sich birgt. Ja, und wer verdammt noch mal in die Hände spucken und etwas dagegen tun muss, ist die Mittelschicht. Es ist die Oberschicht, die diese Verhältnisse geschaffen hat. Und die bescheuerte Mittelschicht tut alles, um sich von der Unterschicht abzugrenzen, in der festen Illusion, daß sie es schaffen könnten, irgendwann zur Oberschicht dazuzugehören. Das werden sie nur nie. Aber in ihrem Machtstrebenübersieht die verblendete Mittelschicht, daß nur sie es in der Hand hat, an den bestehenden Verhältnissen etwas zu ändern. Um es mal ganz billig und polemisch zu sagen- jeder kann für sich selbst die Entscheidung treffen, ob er den Vorzeige BMW fahren muss und dafür Lebensmittel und Klamotten da billig einkauft, wo Leute dafür ausgebeutet werden. Oder er kann sich entscheiden, anständige und faire Preise zu zahlen und dafür auf das, was ihm das gefühl gibt, zur Oberschicht zu gehören zu verzichten... Nur rafft das irgendwie keiner. Vielleicht weil es mit der Bildung dann doch immer schlechter geworden ist... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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10.10.2012, 02:32
Beitrag: #12
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
Bildung schützt aber nicht von vornherein vorm Abgleiten in die Unterschicht. Kenne einige Akademiker und Ingenieure, die aufgrund ihrer "Überqualifizierung" nicht vermittelbar sind. Die sind alle keine Alkoholiker und sind nicht sozial verwahrlost. Was den einen oder anderen fehlt, ist vielleicht das Talent zur Selbstvermarktung. Letztlich hängt vieles vom Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein ab.
"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero |
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10.10.2012, 06:25
Beitrag: #13
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(09.10.2012 23:57)Bunbury schrieb: Das hört man häufig, die Frage ist, ob es wirklich stimmt. Denn eigentlich schrumpft die Mittelschicht an sich nicht so wesentlich. Sie rutscht nur immer weiter von der Oberschicht weg in Richtung Unterschicht- die Mittelschicht wird ärmer. Das ist doch dasselbe. (09.10.2012 23:57)Bunbury schrieb: Irgendwie stoße ich mich an dem Komma- nimm es mir nicht übel. Unser Bildungssystem ist nicht darauf ausgerichtet, Bildungsdefizite der Eltern auszugleichen. Faulheit ist nicht unbedingt die Ursache, wenn Kinder die Schule nicht schaffen oder nur schlecht schaffen. Nein, Faulheit ist dem schulischen Erfolg wesentlich abträglicher als mangelnde Intelligenz. Diese lässt sich duch Fleiß und Ehrgeiz recht gut kompensieren, umgekehrt geht es wesentlich schlechter. (09.10.2012 23:57)Bunbury schrieb: Ja, und wer verdammt noch mal in die Hände spucken und etwas dagegen tun muss, ist die Mittelschicht. Die schultert ohnehin schon die ganze Volkswirtschaft, was soll die denn noch tun? (09.10.2012 23:57)Bunbury schrieb: Es ist die Oberschicht, die diese Verhältnisse geschaffen hat. Nö, die Politik; die Bürger machen sich bloß mitschuldig, indem sie das dulden. (09.10.2012 23:57)Bunbury schrieb: Und die bescheuerte Mittelschicht tut alles, um sich von der Unterschicht abzugrenzen, in der festen Illusion, daß sie es schaffen könnten, irgendwann zur Oberschicht dazuzugehören. Abgesehen von billig und polemisch, was du selber richtig erkannt hast, ist das sachlich falsch, da hochwertige Kleidung ein wesentliches Merkmal von sozialem Status ist. MfG, Titus Feuerfuchs |
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10.10.2012, 06:30
Beitrag: #14
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(09.10.2012 12:06)WDPG schrieb: Noch was möchte ich zu Sendungen die, die Unterschicht betreffen sagen. Diesen Eindruck hatte ich auch. Dazu kommt, dass die Kandidaten unisono Unsympathler waren. Die bekommen eine unglaubliche Chance, Menschen die sich für sie engagieren, und begegnen diesen mit Abschätzigkeit und Gleichgültigkeit. Dazu kommt auch noch die Gruppendynamik. Wenn du mit lauter "Owezarern" unterwegs bist, stärkt das nicht deine Motivation. MfG, Titus Feuerfuchs |
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10.10.2012, 06:34
Beitrag: #15
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RE: Gutes Thema
(09.10.2012 18:01)Renegat schrieb: Nicht der Leiharbeiter nimmt die Jobs weg, sondern die Arbeitgeber, die nur zu gern bereit sind, wegen des angeblichen Billigdruck des Marktes, Menschen zu solchen Bedingungen einzustellen. Natürlich gibt es raffgierige Arbeitgeber. Aber man muss schon ziemlich blind sein, wenn man glaubt, dass ein Unternehmen nicht permanent unter hohem Kostendruck steht. MfG, Titus Feuerfuchs |
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10.10.2012, 10:46
Beitrag: #16
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RE: Gutes Thema
(10.10.2012 06:34)Titus Feuerfuchs schrieb: Natürlich gibt es raffgierige Arbeitgeber. Den Kostendruck gibt es doch nur wegen des fehlenden Mindestlohns und der Bündnisschwäche auf der Arbeitnehmerseite. Dadurch wird derjenige AG mit höherem Profit belohnt, der den Produktionsfaktor Arbeit am effektivsten ausnutzt. Einen bestimmten Teil des Profits gibt er über die Preise an die Verbraucher weiter, was zu einer Ausweitung seines Marktanteils führt. Darum haben wir überall die gleichen Ladenketten und die Profite konzentrieren sich auf immer weniger Firmengruppen. |
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10.10.2012, 12:53
Beitrag: #17
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RE: Gutes Thema
(10.10.2012 06:34)Titus Feuerfuchs schrieb: Natürlich gibt es raffgierige Arbeitgeber.Sicher, da hast du doch recht. Wobei es in D aber ganz extrem ist. Es gibt wohl kaum ein anderes Land auf der Welt, in dem der Preiskampf so intensiv geführt wird. Nicht in Europa, nicht in Amerika. Egal, ob hier produziert oder nur vertrieben wird. Es geht aber vor allem um Gewinnmaximierung, und genau da ist der Lohn, das Gehalt für die Mitarbeiter, zumeist der größte zu beeinflussende Kostenfaktor. Zumindest bei den gängigen Industrien und Unternehmungen. Und du warst schön. In deinem Auge schien sich Nacht und Sonne sieghaft zu versöhnen. ... So kam dich meine Liebe krönen. Und meine nächteblasse Sehnsucht stand, weißbindig wie der Vesta Priesterin, an deines Seelentempels Säulenrand und streute lächelnd weiße Blüten hin. (Rainer Maria Rilke) |
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10.10.2012, 23:15
Beitrag: #18
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(09.10.2012 23:57)Bunbury schrieb: Um es mal ganz billig und polemisch zu sagen- jeder kann für sich selbst die Entscheidung treffen, ob er den Vorzeige BMW fahren muss und dafür Lebensmittel und Klamotten da billig einkauft, wo Leute dafür ausgebeutet werden. Oder er kann sich entscheiden, anständige und faire Preise zu zahlen und dafür auf das, was ihm das gefühl gibt, zur Oberschicht zu gehören zu verzichten...Ich würde nicht sagen, dass das an der Bildung liegt, sondern einfach an dem menschlichen Bedürfnis sich abzugrenzen. In dem Fall das Bedürfnis der Mittelschicht sich von der Unterschicht abzugrenzen. Und das geht eben am besten durch den Konsum teurer Statussymbole (Autos, Häuser, etc.) nicht durch den Konsum von fairer Kleidung oder Lebensmitteln "Auflehnung ist das heiligste aller Rechte und die notwendigste aller Pflichten."
Marquis de La Fayette
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10.10.2012, 23:17
Beitrag: #19
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(10.10.2012 06:25)Titus Feuerfuchs schrieb: Abgesehen von billig und polemisch, was du selber richtig erkannt hast, ist das sachlich falsch, da hochwertige Kleidung ein wesentliches Merkmal von sozialem Status ist.Nur diese erkennt man eben nicht auf den ersten Blick. Abgrenzung durch Kleidung ist heutzutage nicht mehr so einfach, wie zum Beispiel in der frühen Neuzeit oder im Mittelalter. "Auflehnung ist das heiligste aller Rechte und die notwendigste aller Pflichten."
Marquis de La Fayette
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10.10.2012, 23:34
Beitrag: #20
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(07.10.2012 22:15)Viriathus schrieb: Unterschicht. Das klingt böse.Eigentlich nicht, nur drifted unser Bild von der Unterschicht immer weiter ins negative ab. (07.10.2012 22:15)Viriathus schrieb: Die Frage ist aber, wie wird über sie gedacht? Inwieweit denkt der Durchschnittsmensch der Mittelschicht im RTL2-Schema?Ich würde sagen, dass ist sehr unterschiedlich. Es gibt natürlich Leute, die in diesem Trashfernsehen-Schema denken, vor allem junge Leute, aber es gibt auch Leute, die nicht so denken. (07.10.2012 22:15)Viriathus schrieb: Ruht er sich nicht sogar darauf aus? Es ist genau die einfache Antwort, die er braucht um nicht nachzudenken, hinterfragen zu müssen, ob das alles richtig ist, was in diesem Land so abläuft.Bei den Leuten, die so denken, würd eich sagen ja. Denn dadurch haben sie jemanden, auf den sie herabschauen können. (07.10.2012 22:15)Viriathus schrieb: Wenn man hier das klagen über die Krise und deren Auswirkungen hört. Wer spürt dann eigentlich die Auswirkungen? Und wer am stärksten?Die Auswirkungen spüren die Unter- und Mittelschicht. Wobei die Mittelschicht am stärksten betroffen ist, da sie durch die Krise am meisten verlieren kann. (07.10.2012 22:15)Viriathus schrieb: Am Ende, hört diesen Leuten eigentlich noch jemand zu? Die SPD? kaum.Leider kaum noch. ![]() (07.10.2012 22:15)Viriathus schrieb: Wer vertritt eigentlich das Interesse?Keiner. Außer vielleicht den Kommunisten. ![]() (07.10.2012 22:15)Viriathus schrieb: "[...] Einmal brachte sie ihren Kindern Jeans aus Polen mit, Marke Levros. »Klingt doch so ähnlich wie Levi’s«, sagte sie zum Trost. Peinlich wurde es, als die Mitschüler das Etikett sahen. »Da habe ich erst gemerkt, dass Klamotten auf der Coolheitsskala echt was ausmachen«, sagt Paul heute. [...]"Gerade das ist aber schon von Region zu Region und Schule zu Schule sehr unterschiedlich. Es gibt Schulen, wo die Schüler mehr auf die Klamotten achten und Schulen, wo dem nicht so ist. Laut Aussage meiner besten Freundin sind Klamotten in den östlichen Bundesländern nicht so wichtig, wie hier in den westlichen Bundesländern. "Auflehnung ist das heiligste aller Rechte und die notwendigste aller Pflichten."
Marquis de La Fayette
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10.10.2012, 23:37
Beitrag: #21
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RE: Gutes Thema
(09.10.2012 05:04)Titus Feuerfuchs schrieb: Ja, Sido, der zz bei uns in Ö für Quoten im ORF sorgen soll, ist ein Beispiel dafür, dass ein Aufstieg grundsätzlich möglich ist. Dem ist sein Erfolg aber nciht in den Schoß gefallen Dazu braucht's aber Talent, Hirn,Selbstdiszplin und - nicht zu vergessen - eine Prise Glück.Natürlich ist ein gesellschaftlicher Aufstieg möglich, nur ist dies sehr schwer und viele schaffen das eben nicht. "Auflehnung ist das heiligste aller Rechte und die notwendigste aller Pflichten."
Marquis de La Fayette
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10.10.2012, 23:41
Beitrag: #22
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(10.10.2012 06:25)Titus Feuerfuchs schrieb: Nein, Faulheit ist dem schulischen Erfolg wesentlich abträglicher als mangelnde Intelligenz.Bunbury hat doch gar nicht von mangelnder Intelligenz gesprochen, sondern davon, dass "Faulheit [...] nicht unbedingt die Ursache [ist], wenn Kinder die Schule nicht schaffen oder nur schlecht schaffen." (Bunbury) Meiner Meinung nach geht Faulheit der Schüler und Bildunsdefizit der Eltern aber Hand in Hand. Denn wer wird denn faul in der Schule ?? Der Schüler aus eine bildungsnahen Familie oder der Schüler aus einer bildungsfernen Familie ?? "Auflehnung ist das heiligste aller Rechte und die notwendigste aller Pflichten."
Marquis de La Fayette
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10.10.2012, 23:49
Beitrag: #23
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(10.10.2012 23:41)Annatar schrieb: Bunbury hat doch gar nicht von mangelnder Intelligenz gesprochen, sondern davon, dass "Faulheit [...] nicht unbedingt die Ursache [ist], wenn Kinder die Schule nicht schaffen oder nur schlecht schaffen." (Bunbury) Hier sehe ich keine Korrelation, Faule gibt es hier wie dort. Und abesehen von Faulheit und mangelnder Intelligenz gibt es kaum Gründe, warum man in der Schule scheitern könnte. Sprachdefizite würden mir ad hoc noch einfallen MfG, Titus Feuerfuchs |
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11.10.2012, 09:48
Beitrag: #24
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(10.10.2012 06:25)Titus Feuerfuchs schrieb: Abgesehen von billig und polemisch, was du selber richtig erkannt hast, ist das sachlich falsch, da hochwertige Kleidung ein wesentliches Merkmal von sozialem Status ist. Ja, bei der echten Oberschicht schon. Nicht aber bei der Mittelschicht. Die sehen zu, daß sie klamottentechnisch ein paar richtig teure Markenteile haben- eine teure Nobeljacke, eine Nobelhandtasche, Nobelschuhe- halt eben einzelne Teile, die auffallen. Ansonsten stürmen sie Tschibo oder H&M... Deswegen kann sich die Mittelschicht auch noch so abrackern- zur Oberschicht wird sie nicht gehören. Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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11.10.2012, 10:00
Beitrag: #25
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(10.10.2012 06:25)Titus Feuerfuchs schrieb: Nein, Faulheit ist dem schulischen Erfolg wesentlich abträglicher als mangelnde Intelligenz. Hier spricht jemand, der vom deutschen Schulsystem überhaupt keine Ahnung hat. Jede Studie, die sich mit unserem Schulsystem beschäftigt, sagt aus, daß der schulische Erfolg eines Kindes im wesentlichen vom Bildungsstand seiner Eltern abhängt. Nach einem Jahr G8 Erfahrung unterschreibe ich diese Aussage auf der Stelle. Der Umstieg von der Grundschule auf G8 ist ohne die Hilfe der Eltern nicht zu bewerkstelligen. Entweder, in dem sie selbst die Hausaufgaben kontrollieren, Schwachstellen erkennen und mit den Kindern üben- oder in dem sie Nachhilfe bezahlen. Durch den komprimierten Stundenplan bliebt tendenziell zu wenig Zeit, um das Erlernte auch zu Üben (insbesondere im Englischen eine Katastrophe.). Wo sollen bitte die Kinder, deren Eltern kein Englisch sprechen, u.U.mit dem Deutschen nicht gut zurecht kommen (Betrifft nicht nur Ausländer) und über die vier Grundrechenarten nicht hinauskommen, da Hilfe finden? Selbst, wenn sie lernen wollen- der Unterricht ist verdammt noch mal nicht so konzipiert, daß sie das alleine schaffen können. Nein, das hat mit Faulheit nicht das mindeste zu tun. Hier wurde ein Schulsystem gestrickt, das nur dazu beitragen soll, daß die, die unten sind, auch unten bleiben. Denn ganz böse gefragt- wer füllt die Regale bei Aldi auf, wenn tatsächlich jeder die gleiche Chance auf Bildung hätte? Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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11.10.2012, 10:08
Beitrag: #26
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(10.10.2012 02:32)Sansavoir schrieb: Bildung schützt aber nicht von vornherein vorm Abgleiten in die Unterschicht. Kenne einige Akademiker und Ingenieure, die aufgrund ihrer "Überqualifizierung" nicht vermittelbar sind. Die sind alle keine Alkoholiker und sind nicht sozial verwahrlost. Was den einen oder anderen fehlt, ist vielleicht das Talent zur Selbstvermarktung. Letztlich hängt vieles vom Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein ab. Das ist alles richtig. Bildung schützt nicht vor einem Abstieg in die Unterschicht.Aber wer gebildet ist, hat die Chance, der Unterschicht irgendwann wieder zu "entkommen". Selbst wenn er mit dem Regale- Auffüllen beginnt, wird er irgendwann aufgrund seiner Bildung Beobachtungen treffen, die ihn dazu veranlassen, Verbesserungsvorschläge zu machen, Dinge zu verändern. Und das fällt irgendwann auch auf. Der Weg ist mühsam, aber machbar. Er kann irgendwann wieder mehr verdienen, wenn er es will. Wer ungebildet ist, defintiv nicht. Der bleibt in diesem System. Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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11.10.2012, 10:37
Beitrag: #27
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 09:48)Bunbury schrieb: Ja, bei der echten Oberschicht schon. Das halte ich inzwischen für Überholt. Man hält wohl noch die Haushälterin und die Putzhilfe, außerdem noch 2-3 Leute für den Garten genannten Privatpark, aber eingekauft wird bei Aldi, AWG und C&A. Das hat sich die letzten 20 Jahre sehr gewandelt. (11.10.2012 10:00)Bunbury schrieb: Hier spricht jemand, der vom deutschen Schulsystem überhaupt keine Ahnung hat. Jede Studie, die sich mit unserem Schulsystem beschäftigt, sagt aus, daß der schulische Erfolg eines Kindes im wesentlichen vom Bildungsstand seiner Eltern abhängt. Das stimmt natürlich, wer den Kindern nicht bei den Hausaufgaben hilft/helfen kann und sie nicht bei dem einen oder anderen Anlass in den Allerwertesten tritt, wird aus unserem Schulsystem keine befriedigenden Ergebnisse einfahren. Ich hatte 3 so Fälle, und wenn bei 2en davon meine Frau nicht... Aber.... das war doch schon zu meiner Zeit so. Nach dem Tod meines Großvaters hat kein Mensch mehr nach mir und der Schule geschaut, Ergebnis: 2 Rundläufe Und in der Oberstufe, als die anderen dasselbe Arbeitslevel (nahe 0) erreichten, war ich plötzlich ein überdurchschnittlicher Schüler. Und um auch mal drastischer auf die damaligen Verhältnisse hinzuweisen: Wir waren 26 Abiturienten, 3 davon, in Worten drei, waren niemals klebengeblieben. Also, der Untergang des Abendlandes wird auch in Zukunft noch auf sich warten lassen. "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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11.10.2012, 11:47
Beitrag: #28
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(10.10.2012 23:49)Titus Feuerfuchs schrieb: Hier sehe ich keine Korrelation, Faule gibt es hier wie dort.Natürlich gibt es überall falue, nur ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Schüler aus bildunsfernen Haushalten eher faul werden, als Schüler aus bildunsnahen Haushalten. (10.10.2012 23:49)Titus Feuerfuchs schrieb: Und abesehen von Faulheit und mangelnder Intelligenz gibt es kaum Gründe, warum man in der Schule scheitern könnte. Sprachdefizite würden mir ad hoc noch einfallenMangelnde Unterstützung der Eltern ist auch ein weiterer und meiner Meinung nach der wichtigste Grund. "Auflehnung ist das heiligste aller Rechte und die notwendigste aller Pflichten."
Marquis de La Fayette
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11.10.2012, 11:54
Beitrag: #29
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 10:00)Bunbury schrieb: Hier spricht jemand, der vom deutschen Schulsystem überhaupt keine Ahnung hat. Jede Studie, die sich mit unserem Schulsystem beschäftigt, sagt aus, daß der schulische Erfolg eines Kindes im wesentlichen vom Bildungsstand seiner Eltern abhängt.Stimmt. (11.10.2012 10:00)Bunbury schrieb: Nach einem Jahr G8 Erfahrung unterschreibe ich diese Aussage auf der Stelle. Der Umstieg von der Grundschule auf G8 ist ohne die Hilfe der Eltern nicht zu bewerkstelligen. Entweder, in dem sie selbst die Hausaufgaben kontrollieren, Schwachstellen erkennen und mit den Kindern üben- oder in dem sie Nachhilfe bezahlen. Durch den komprimierten Stundenplan bliebt tendenziell zu wenig Zeit, um das Erlernte auch zu Üben (insbesondere im Englischen eine Katastrophe.).Auch hier: stimmt. Nur existiert dieses Problem schon länger. Das G8 hat es nur verschärft. Gymnasien sind darauf ausgelegt, dass die Eltern den Kindern helfen. (11.10.2012 10:00)Bunbury schrieb: Nein, das hat mit Faulheit nicht das mindeste zu tun. Hier wurde ein Schulsystem gestrickt, das nur dazu beitragen soll, daß die, die unten sind, auch unten bleiben.Stimmt. ![]() (11.10.2012 10:00)Bunbury schrieb: Denn ganz böse gefragt- wer füllt die Regale bei Aldi auf, wenn tatsächlich jeder die gleiche Chance auf Bildung hätte?Jetzt sind wir aber wieder bei den Verschwörungstheorien. ![]() "Auflehnung ist das heiligste aller Rechte und die notwendigste aller Pflichten."
Marquis de La Fayette
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11.10.2012, 13:02
Beitrag: #30
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
Unser Schulsystem ist ein wichtiger Punkt der Diskussion über die Unterschicht. Ich frage mich aber, ob man alles mit fehlender Bildung erklären und mit Bildung alles erreichen kann.
Vor 40 Jahren wurden zu Zeiten Willy Brandts unter einer SPD-Regierung unser Bildungssystem geöffnet, Stichpunkte dazu: Bafög, verschiedene Möglichkeiten höhere Bildungsabschlüsse zu erwerben, 2. Bildungsweg. Damals war mit einem Hochschulabschluss ein ordentlich bezahlter Arbeitsplatz so gut wie garantiert. Aber auch mit einer betrieblichen Ausbildung konnte man in Handwerk, Industrie oder als Kaufmann auskömmlich leben. Selbst von an- oder ungelernten Tätigkeiten konnte man leben und wenn man sich anstrengte, sogar seine Position verbessern. Diese Zeiten sind seit ca 20 Jahren vorbei. Bildung kann zwar die Situation verbessern, aber nur in der richtigen Sparte und wenn Beziehungen, Glück und eine geschickte Selbstvermarktung hinzukommen. Das klassische Arbeiterbewußtsein ist schon lange abhanden gekommen, es gibt die Jobs auch gar nicht mehr. Heute werden viele Tätigkeiten so weit aufgegliedert, dass sie nach ganz kurzer Anlernphase mehr schlecht als recht zu leisten sind, das macht die Arbeitnehmer auswechselbar, das wissen die auch und das ist das Ziel, denn so kann man den Preis für Arbeit drücken. Beispiele: Callcenter, Zustelldienste, in solchen Jobs arbeiten einige gut gebildete Menschen und haben trotzdem so gut wie keine Chance eine auskömmliche Lebensperspektive zu entwickeln. Es kann und muß nicht jeder Leiter oder sonstige Führungskraft werden aber jeder möchte sich einigermaßen mit seiner Arbeit identifizieren und dafür ist Voraussetzung, dass diese über eine vernünftige Bezahlung und ein ordentliches Anstellungsverhältnis wertgeschätzt wird. |
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11.10.2012, 13:28
Beitrag: #31
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 13:02)Renegat schrieb: Unser Schulsystem ist ein wichtiger Punkt der Diskussion über die Unterschicht. Ich frage mich aber, ob man alles mit fehlender Bildung erklären und mit Bildung alles erreichen kann. Ja und nein. Bildung ist kein Garant für ein Erfolgreiches Leben. Nichtbildung aber einer für ein Versagerleben (11.10.2012 13:02)Renegat schrieb: Vor 40 Jahren wurden zu Zeiten Willy Brandts unter einer SPD-Regierung unser Bildungssystem geöffnet, Stichpunkte dazu: Bafög, verschiedene Möglichkeiten höhere Bildungsabschlüsse zu erwerben, 2. Bildungsweg. Nein, das ist nicht generell so. Ich kenne genug inbesondere Mütter, die nach langer Jobabwesenheit zuerst ganz klein in Aushilfstätigkeiten angefangen haben und sich dann aber über Weiterbildugnsangebote langsam hochgearbeitet haben. Die Möglichkeiten gibt es also durchaus. Kann aber auch sein, daß das von der Region abhängig ist- hier sieht die Situation also gar nicht so schlecht aus. (11.10.2012 13:02)Renegat schrieb: Das klassische Arbeiterbewußtsein ist schon lange abhanden gekommen, es gibt die Jobs auch gar nicht mehr. Heute werden viele Tätigkeiten so weit aufgegliedert, dass sie nach ganz kurzer Anlernphase mehr schlecht als recht zu leisten sind, das macht die Arbeitnehmer auswechselbar, das wissen die auch und das ist das Ziel, denn so kann man den Preis für Arbeit drücken. Nicht jeder Job läßt sich aber soweit reduzieren, daß man ihn aufteilen kann. Aber da wo es geht- da hast du natürlich recht, wird das sehr häufig so gemacht. (11.10.2012 13:02)Renegat schrieb: Es kann und muß nicht jeder Leiter oder sonstige Führungskraft werden aber jeder möchte sich einigermaßen mit seiner Arbeit identifizieren und dazu gehört das diese über eine vernünftige Bezahlung und ein ordentliches Anstellungsverhältnis wertgeschätzt wird. Mit der Wertschätzuing hast du ein ziemliches gesamtgellschaftliches Problem angeprochen. Wer oder was wird denn generell wirklich wertgeschätzt? Haben wir nicht hierzulande eine Einstellung entwickelt, die Leistungen anderer herabzuwürdigen? Sie generell der Lächerlichkeit preiszugeben? Im Geo stand in der Septemberausgabe ein hochinteressanter Artikel zum Thema "Narzisstische Gesellschaft." Wir leben in einer Gesellschaft, in der die einzelnen Mitglieder zunehmen narzisstisch gesprägt sind- die Wertschätzung anderer fällt in einem zunehmend narzisstisch gesprägten Weltbild leider hinten runter... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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11.10.2012, 14:10
Beitrag: #32
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 13:28)Bunbury schrieb: Ja und nein. Bildung ist kein Garant für ein Erfolgreiches Leben. Nichtbildung aber einer für ein Versagerleben Das ist mir zu sehr auf die schulische Erstbildung und das Erreichen von bestimmten Bildungsabschlüssen abgestellt. Es gibt nun mal viele Schüler, insbesondere Jungen, die mit unserem Schulsystem überhaupt nicht zurechtkommen. Dazu gibt es Untersuchungen. Wenn man die deshalb schon in jungen Jahren auf die Versagerkarriere festlegt, hängt man einen Teil der Genration unter 35 ab. Die haben ja selbst ein Wort dafür geprägt, was in diesem Kontext benutzt wird, Looser. Sind wir mal ehrlich, was von dem, was wir bis zum Abitur als Schulstoff gelernt haben, brauchen wir im wirklichen Leben? Man erwirbt damit einen Berechtigungsschein. Wenn man clever ist, erwirbt man danach noch weitere Berechtigungsscheine, mit denen man sich um die Teilnahme am Arbeitsleben bewerben kann. Hätten nicht auch die Schulversager eine faire zweite Chance verdient? Müssen die Eltern ihre Kinder wirklich bis zum Abitur und noch weiter schleifen, weil sie Angst haben, dass ihre Kinder es nicht "mal besser haben"? Ich kenne einen Fall, 9-jähriger Junge, 4. Klasse wird wahrscheinlich im Januar keine Gymnasialempfehlung kriegen. Eltern wohnen in ländlicher Kleinstadt, es gibt nur ein Gymnasium, da kursiert die Aussage der Schule, dass diese keine Schüler mit erweitertem Sek-1-Abschluss nach der 10. Klasse aufnehmen wird, also wird gedrillt. Die Eltern überlegen sich sogar umzuziehen, damit sie eine größere Schulauswahl haben. Da frage ich mich doch, wie ein Neunjähriger da noch Spaß am lernen haben soll. Sowas macht mich wütend, kann man dem Kind nicht Zeit geben für eine eigene Entwicklung? Zur Not kann man sich auch noch mit 30 auf den Hintern setzen, dann tut man es aus eigenem Antrieb. (11.10.2012 13:28)Bunbury schrieb: Nein, das ist nicht generell so. Ich kenne genug inbesondere Mütter, die nach langer Jobabwesenheit zuerst ganz klein in Aushilfstätigkeiten angefangen haben und sich dann aber über Weiterbildugnsangebote langsam hochgearbeitet haben. Die Möglichkeiten gibt es also durchaus.Stimmt, das ist abhängig von der Region. Im Süden sieht es gut aus, im Norden und Westen etwas schlechter und im Osten ziemlich düster. Wenn wir Europa betrachten, haben wir in den Mittelmeerländern hohe Arbeitslosigkeit bei gut ausgebildeten jungen Leuten, ein riesiges Konfliktpotenzial, wo Bildung so gar nicht weitergeholfen hat. (11.10.2012 13:28)Bunbury schrieb: Nicht jeder Job läßt sich aber soweit reduzieren, daß man ihn aufteilen kann. Aber da wo es geht- da hast du natürlich recht, wird das sehr häufig so gemacht.Ich möchte das gar nicht philosofisch betrachten, es hat ja handfeste wirtschaftsökonomische Gründe. Mache ich den Anderen klein, ist er nicht so teuer. Nur stehen sich beim Zocken auf dem Bazar zwei Geschäftspartner auf Augenhöhe gegenüber. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es ein faires Kräfteverhältnis nur noch auf Teilmärkten, die streiken, wie jetzt die Ärzte. |
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11.10.2012, 15:29
Beitrag: #33
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 14:10)Renegat schrieb: Das ist mir zu sehr auf die schulische Erstbildung und das Erreichen von bestimmten Bildungsabschlüssen abgestellt. Das ist das, was du herausinterpretierst. Ich habe bereits (in einer anderen Diskussion, soweit ich mich entsinne) klargestellt, daß Bildung nicht nur durch die Schule erfolgen kann. Wenn allerdings das Elternhaus bildungsfern ist, dann muss die Schule die Bildung sicher stellen- ansonsten tut es keiner. Wenn man als Kind nicht mit den Eltern in die Stadtbücherei gegangen ist, muss man es mit der Schule tun. Wer als Kind mit den Eltern kein Museum besucht, sollte es mit der Schule tun. Es gibt mehr Bildung als den Schulunterricht- aber für bildungsferne Schichten bleibt nun mal nur die Schule, um überhaupt davon etwas zu ahnen... (11.10.2012 14:10)Renegat schrieb: Es gibt nun mal viele Schüler, insbesondere Jungen, die mit unserem Schulsystem überhaupt nicht zurechtkommen. Dazu gibt es Untersuchungen. Nochmals- ich habe nie "Bildung" mit "Schulbildung" gleichgesetzt und werde es auch nicht tun, weil es Unfug ist. Darüber, wie sinnvoll unser Bildugnssystem sollten wir an dieser Stelle aber nicht diskutieren, dazu gibt es einen eigenen Thread. (11.10.2012 14:10)Renegat schrieb: Stimmt, das ist abhängig von der Region. Im Süden sieht es gut aus, im Norden und Westen etwas schlechter und im Osten ziemlich düster. Wenn wir Europa betrachten, haben wir in den Mittelmeerländern hohe Arbeitslosigkeit bei gut ausgebildeten jungen Leuten, ein riesiges Konfliktpotenzial, wo Bildung so gar nicht weitergeholfen hat. Gut, dann streichen wir also die Bildung- und was hilft dann weiter? Heute scheinst du etwas begriffsstutzig zu sein, bekommst du eine Grippe? Ich habe nie behauptet, daß Bildung alleine reicht, um ein gutes Leben leben zu können. Ich habe nur gesagt, daß jemand, der keine Bildung hat, keine Möglichkeit hat, von unten nach oben zu kommen. Und um den ganzen eines draufzusetze- ich behaupte auch, daß jemand, der ein gewisses Bildungsniveau hat, durchaus im Stande ist, seinen Kindern auch in Zeiten wirtschaftlicher Not Bildung zu vermitteln. Gebildete Arbeitslose kommen auf den Gedanken, Stadtbüchereien zu nutzen. Bildungsferne Schichten nicht. Einkommen ist also nicht die Grundvoraussetzung für Bildung. Ohne Geld geht zwar nicht alles, aber immerhin einiges... (11.10.2012 14:10)Renegat schrieb: Ich möchte das gar nicht philosofisch betrachten, es hat ja handfeste wirtschaftsökonomische Gründe. Mache ich den Anderen klein, ist er nicht so teuer. Nur stehen sich beim Zocken auf dem Bazar zwei Geschäftspartner auf Augenhöhe gegenüber. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es ein faires Kräfteverhältnis nur noch auf Teilmärkten, die streiken, wie jetzt die Ärzte. Es geht dabei um mehr. Jeder Mensch ist im Wirtschaftskreislauf gewissermaßen doppelt vorhanden. Wir konzentrieren uns hier auf die Erwerbsseite. Das andere hat mehr mit der zweiten, der Konsumentenseite zu tun... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
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11.10.2012, 15:43
Beitrag: #34
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
Bildung ja. Abschlüsse ja. Das ist wichtig, natürlich.
Aber wenn es nur noch um das Erreichen des Abiturs und ein anschließendes Studium geht, dann ist diese Diskussion etwas zu abgehoben und geht an der Realität vorbei. Zumindest bei 50-60% der Fälle. Wir, die Gesellschaft, brauchen nicht nur Anwälte, Manager, Lehrer, Architekten, Marketingexperten, Börsenspekulanten, Ärzte, Wissenschaftler, Ingenieure usw. - wir brauchen auch die anderen - nämlich jene, die die eigentliche Arbeit machen, die den Mehrwert schaffen. Wir brauchen den Handwerksmeister, den Gesellen, wir brauchen den Bauarbeiter, den Bäcker, die Verkäuferin, den Produktionsarbeiter, den KFZ-Mechaniker - und, wir brauchen auch die, die die Regale einräumen und auch die Menschen, die uns den Sprit an der Tankstelle verkaufen, nicht zu vergessen jene, die in dorthin liefern. Und du warst schön. In deinem Auge schien sich Nacht und Sonne sieghaft zu versöhnen. ... So kam dich meine Liebe krönen. Und meine nächteblasse Sehnsucht stand, weißbindig wie der Vesta Priesterin, an deines Seelentempels Säulenrand und streute lächelnd weiße Blüten hin. (Rainer Maria Rilke) |
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11.10.2012, 16:21
Beitrag: #35
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 13:28)Bunbury schrieb: Im Geo stand in der Septemberausgabe ein hochinteressanter Artikel zum Thema "Narzisstische Gesellschaft." Wir leben in einer Gesellschaft, in der die einzelnen Mitglieder zunehmen narzisstisch gesprägt sind- die Wertschätzung anderer fällt in einem zunehmend narzisstisch gesprägten Weltbild leider hinten runter...Im Spiegel 34 von diesem Jahr gibt es dazu auch einen Artikel. Titel "Wir Asozialen". http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-87818583.html "Auflehnung ist das heiligste aller Rechte und die notwendigste aller Pflichten."
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11.10.2012, 16:24
Beitrag: #36
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 15:43)Wallenstein schrieb: Bildung ja. Abschlüsse ja. Das ist wichtig, natürlich.Stimmt. Deswegen halte ich die Forderung nach mehr Abiturienten auch für vollkommen daneben. Denn dadurch wird der Gesellschaft eher geschadet, als geholfen. "Auflehnung ist das heiligste aller Rechte und die notwendigste aller Pflichten."
Marquis de La Fayette
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11.10.2012, 17:02
Beitrag: #37
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 13:02)Renegat schrieb: Unser Schulsystem ist ein wichtiger Punkt der Diskussion über die Unterschicht. Ich frage mich aber, ob man alles mit fehlender Bildung erklären und mit Bildung alles erreichen kann.Ich glaube Du bringst hier sehr gut auf den Punkt, was abläuft. Und ich glaube wenn wir nicht aufpassen, fliegt uns dieser Sachverhalt noch ganz gehörig um die Ohren. Vor allem die Zustelldienste: Du brauchst quasi nur noch Einpacker und Leute die Adressaufkleber draufheften. Das kann jeder machen. Zunehmend mehr wird übers Internet geordert: Multimedia, Bücher, Kleidung etc. etc. Auf lange Sicht ist es naiv zu glauben, dass die Anzahl der Fachverkäuferstellen nicht rapide sinken wird. Und das sind viele, und diese sind schon eher schlecht bezahlt. (11.10.2012 15:43)Wallenstein schrieb: Bildung ja. Abschlüsse ja. Das ist wichtig, natürlich.Stimmt das wirklich? In teilen sicherlich. Aber nimm z.B. die Bäcker: Wenn Du ehrlich bist geht die Entwicklung dort hin, dass morgens um drei ein LKW vorfährt und die vorgebackenen Brötchen aus der Großbäckerei anliefert. Wo gibts denn noch echte Bäckereien? Oder denk an die Schnellbäcker, wo die Verkäuferinnen, weder einen richtigen Stuhl noch sonst irgendwas haben sodass ihre Arbeit angenehm ist. Der vernetzte Mensch von heute gerät in Gefahr,
die globalisierte Welt als eine Ansammlung von Zitaten zu erleben. Doug Mack |
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11.10.2012, 17:50
Beitrag: #38
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 16:24)Annatar schrieb: Stimmt. Deswegen halte ich die Forderung nach mehr Abiturienten auch für vollkommen daneben. Okay, ich sehe, daß ihr "Bildung" offensichtlich sehr einseitig versteht und "Bildung" mit Schulbildung und Schulabschlüssen gleichsetzt. Das ist natürlich Unfug. "Gebildet" ist auch, wer hier drei jahre dualer Ausbildung hinter sich hat und es nicht damit gut sein läßt, das, was er damals in der Ausbildung gelernt hat zu wissen, sich also ständig weiterbildet. Gebildet ist jemand, der sich nicht nur auf ein Fachgebiet beschränkt, sondern sich auch Kenntnisse in anderen Bereichen aneignet. (Was durchaus erklären könnte, daß es auch recht viele ungebildete Abiturienten gibt.) Es gibt darüber hinaus aber auch mehr als nur eine fachliche oder intellektuelle Bildung. Es gibt auch soziale Bildung. Kommt doch mal weg von den bloßen Schulabschlüssen. Eigentlich, wenn ich es mir so überlege, ein bißchen traurig. Gerade bei Mitgliedern eines Geschichtsforums ist es schon ein bißchen überraschend, wie schnell "Bildung" hier auf "Schulbildung" reduziert wird... Was nun die Abiturienten anbetrifft, ist es nun mal leider so, daß immer mehr Berufe das Abitur voraussetzen. Zu meiner Zeit konnte man noch mit Realschulabschluss eine kaufmännische Lehre machen- heute nicht mehr. Früher gab es den guten alten Automechaniker, der einfach einen guten Hauptschulabschluss brauchte. Heute reicht das nicht mehr. Der einfache Automechaniker stirbt so langsam aus...heute gibt es dann "Automechantroniker"... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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11.10.2012, 17:58
Beitrag: #39
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 15:43)Wallenstein schrieb: Wir, die Gesellschaft, brauchen nicht nur Anwälte, Manager, Lehrer, Architekten, Marketingexperten, Börsenspekulanten, Ärzte, Wissenschaftler, Ingenieure usw. - wir brauchen auch die anderen - nämlich jene, die die eigentliche Arbeit machen, die den Mehrwert schaffen. Wir brauchen diese Menschen, ja- aber sind wir auch bereit, ihre Arbeit angemessen zu entlohnen? Sind wir bereit, diesen Menschen zu garantieren, daß sie nach 45 Berufsjahren eine Rente haben, von der sie leben können? Und da lautet die Antwort ganz klar- nein. Sind wir nicht. Wir wollen nicht den Bäcker bezahlen, der nachts um drei aufsteht und frische Brötchen backt- wir wollen lieber €0,05 weniger bezahlen, auch wenn sie aus der Großbäckerei kommen. Wir wollen den Gärtner, der uns den Garten macht, aber anschließend kürzen wir die Rechnung um 20 %, unter dem Vorwand, weil ein Strauch nicht absolut gerade Äste hat. Wir wollen aus dem Supermarktregal unsere Waren nehmen können, aber wir gehen nicht in den Supermarkt, der seine Mitarbeiter fair bezahlt, sondern in den, in dem es am billigsten ist. (ist jetzt OT, aber wie war es denn mit den Legehennen? 90% aller Deutschen lehnten Legebatterien für Hühner ab- aber nur 30% waren bereit, den Preis für Eier aus Freiland- oder Bodenhaltung zu zahlen...) Und solange wir nicht bereit sind, die Leute, die wir angeblich brauchen, auch richtig zu bezahlen, brauchen wir uns nicht zu wundern, daß jeder Abitur machen will... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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11.10.2012, 18:50
Beitrag: #40
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 15:43)Wallenstein schrieb: Bildung ja. Abschlüsse ja. Das ist wichtig, natürlich. Ach darum geht es euch. ![]() Also Leute, da liegt ihr vollkommen falsch. Das Problem liegt in der Hauptschule. Der heutige Absolvent einer deutschen Hauptschule ist nicht mehr in der Lage eine Handwerkslehre zu abzulegen! Ich wollte es lange selbst nicht glauben. Aber meine letzten 4 Automechaniker-Stifte mit Hauptschulabschluß sind grandios in den ersten zwei Lehrjahren gescheitert. 9+irgendwas, besser Realschule, BVJ dagegen kann man ganz vergessen, das sind verhinderte Sonderschüler. Bei mir vor Ort der größte Arbeitgeber hat zZ einen einjährigen Kurs eingerichtet, in dem er die Hauptschüler ausbildungsfähig macht. Und um das Problem an der Wurzel zu packen, baut er jetzt eine private betriebliche Hauptschule die zum nächsten Schuljahreswechsel eröffnet. Wallenstein hat vollkommen recht, zZ produziert unser Schulsystem Akademiker und Harz4-Empfänger. Sonst nichts. Das kann es aber nicht sein! "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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11.10.2012, 18:55
Beitrag: #41
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 17:50)Bunbury schrieb: Okay, ich sehe, daß ihr "Bildung" offensichtlich sehr einseitig versteht und "Bildung" mit Schulbildung und Schulabschlüssen gleichsetzt.Ich versicher dir, dass dahinter keine Absicht liegt. Es ist nur so tief in mir verwurzelt Bildung mit Schulbildung gleichzusetzen. Auch wenn dem bei weitem nicht so ist. (11.10.2012 17:50)Bunbury schrieb: Was nun die Abiturienten anbetrifft, ist es nun mal leider so, daß immer mehr Berufe das Abitur voraussetzen. Zu meiner Zeit konnte man noch mit Realschulabschluss eine kaufmännische Lehre machen- heute nicht mehr. Früher gab es den guten alten Automechaniker, der einfach einen guten Hauptschulabschluss brauchte. Heute reicht das nicht mehr. Der einfache Automechaniker stirbt so langsam aus...heute gibt es dann "Automechantroniker"...Stimmt. "Auflehnung ist das heiligste aller Rechte und die notwendigste aller Pflichten."
Marquis de La Fayette
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11.10.2012, 19:02
Beitrag: #42
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 18:50)Suebe schrieb: Ach darum geht es euch. Unser Schulsystem ist zwar extrem bescheiden, aber so leid es mir tut- an der Unfähigkeit der heutigen Jugend ist nicht nur das Schulsystem schuld. Im übrigen sieht es mit der Befähigung der Abiturienten für eine Ausbildung auch nicht viel besser aus. Die haben zwar ein Abitur in der Tasche, aber die Mängel liegen auch nicht so sehr im schulischen. Aber sie zeigen kein Engagement, können nicht selbstständig arbeiten, haben keine Eigeninititative. Sie wollen etwas "gezeigt bekommen"- aber bitte Schritt für Schritt und bloß nicht selbst denken. Da muss man sich ja anstrengen. Am liebsten 7,5 Stunden irgendwie herumsitzen, Kaffeetrinken- und dann heim zum Fernseher oder ins Interner, da wos Leben wirklich spielt. Ist kein Mist- habe ich in den letzten Jahren immer wieder mitbekommen im kaufmännischen Bereich... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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11.10.2012, 19:07
Beitrag: #43
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
Gut, Bunbury, mit dem Begriff Bildung waren wir auf der falschen Spur. Meinst du damit eher Durchblick, den Einsatz des gesunden Menschenverstandes?
Suebe, der Zusammenbruch der Hauptschule ist wieder ein ganz anderes Problem. Der resultiert aus der fehlenden Perspektive und damit Motivation der Schüler, die dort gestrandet sind. Das deutsche, dreigliedrige Schulsystem funktioniert noch immer als Frühsortierungsmaschine, dahinter stehen die Einstiegsgehälter für die entsprechenden Berufe und die sind bei der Hauptschule auf Hartz IV- Niveau. Den zweiten Punkt, den Bunbury angesprochen hat, finde ich sehr sehr wichtig, nämlich die Funktion des Verbrauchers als Homo ökonomikus, der durch seine "Geiz ist geil"-Mentalität angeblich unser heutiges Lohngefüge verantwortet. Ist das wirklich so? Würden wir uns alle selber die Haare schneiden, wenn das 30,- kosten würde? Oder die Supermärkte mit der Super-Selbstbedienung, wollen wir das wirklich so, damit wir für das ersparte Geld irgendwelchen Elektonikschrott oder Möbel zum Selbstaufbau kaufen können, die ohnehin in kurzer Zeit kaputt sind? Oder wird uns das nur eingeredet, damit wir nicht merken, wo sich wirklich der Profit anhäuft? |
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11.10.2012, 20:32
Beitrag: #44
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 19:07)Renegat schrieb: Gut, Bunbury, mit dem Begriff Bildung waren wir auf der falschen Spur. Meinst du damit eher Durchblick, den Einsatz des gesunden Menschenverstandes? Nein, der gehört zwar dazu, ist aber eher Vorraussetzung als Ergebnis. Es ist eher eine Bereitschaft, seinen Horizont zu erweitern, neues dazu zu lernen, althergebrachte Pfade zu verlassen, sich aktiv mit seiner Umwelt zu beschäftigen und auseinanderzusetzen. Ob das nun innerhalb eines Berufsbildes oder breitgefächert stattfindet, spielt letztendlich keine Rolle. Ein gebildeter Mensch zeichnet sich letztendlich durch die Fähigkeit aus, immer wieder etwas neues dazulernen zu wollen und zu können und so letztendlich seinen Wissens- und Erfahrungsschatz stark ausbauen zu können. Und somit kommt er immer wieder in Situationen, in dem ihm das, was er früher gelernt hat, von Nutzen ist. Und das kann Schule definitiv nicht leisten. Was sie leisten sollte, ist den Kindern beizubringen, wie man sich weiterbildet... (11.10.2012 19:07)Renegat schrieb: Den zweiten Punkt, den Bunbury angesprochen hat, finde ich sehr sehr wichtig, nämlich die Funktion des Verbrauchers als Homo ökonomikus, der durch seine "Geiz ist geil"-Mentalität angeblich unser heutiges Lohngefüge verantwortet. Auch hier gilt- das ist nur eine Seite der Medaille. Rein Betriebswirtschaftlich gilt: Gewinn= Umsatz - Kosten. Der Umsatz wird durch Marketing (= Bedürfnisse zu erzeugen, die man gar nicht hatte) angeheizt. Die Kosten durch Dumpinglöhne gedrückt, um die Gewinne zu erhöhen. Ich bin mir nicht sicher, ob der Verbraucher, der beim Billigdiscounter einkauft, diese Billiglöhne verursacht. Aber mit seinem Einkauf billigt er sie. Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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11.10.2012, 21:15
Beitrag: #45
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 18:50)Suebe schrieb: Das Problem liegt in der Hauptschule.Bevor ich meinen Senf dazu gebe - ja, das ist so - das stimmt. Suebe, du hast es auf den Punkt gebracht. Ersteinmal egal was ein Bunbury oder ein Renegat davon halten oder wie sie es sehen. Und du warst schön. In deinem Auge schien sich Nacht und Sonne sieghaft zu versöhnen. ... So kam dich meine Liebe krönen. Und meine nächteblasse Sehnsucht stand, weißbindig wie der Vesta Priesterin, an deines Seelentempels Säulenrand und streute lächelnd weiße Blüten hin. (Rainer Maria Rilke) |
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12.10.2012, 11:40
Beitrag: #46
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
Möchte mal folgende Frage in den Raum stellen:
-Was ist für euch überhaupt Mittelschicht und Unterschicht? Wo sind die Grenzen? |
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12.10.2012, 13:20
Beitrag: #47
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(12.10.2012 11:40)WDPG schrieb: Möchte mal folgende Frage in den Raum stellen: Ich weiß nicht ob es da fest definierte Grenzen gibt, hört man Politiker zu diesem Thema hört man oft Summen, bei denen ich mir denke „aha, ist also der Großteil der Leute die ich kenne aus der Unterschicht“. Andererseits kann es doch nicht sein das diese Unterschicht den Großteil der Gesellschaft ausmacht. Meine ungefähre Einordnung sieht so aus: -Unterschicht: Das sind jene Leute finanziell immer sehr knapp dran sind, ein kleines Problem tritt auf und sie haben größte Anstrengungen überhaupt noch irgendwie über die Runden zu kommen und das obwohl sie keinen besonders hohen Lebensstandard haben. Diese Lage herrscht über längere Zeit. -Mittelschicht: Die Leute aus der Mittelschicht (sehe mich ungefähr in dieser und auch den Großteil meines Umfeldes) können sich meist an 1-2 Stellen irgendeinen kleinen Luxus gönnen (teureres Auto, Reisen, Gartenhäuschen usw.), wenn sie halbwegs vernünftig planen und kommen so halbwegs über die Runden, im Optimalfall noch mit etwas sparen. -Gehobene Mittelschicht: Diese Leute können sich schon etwas mehr leisten, als Reich würde ich sie auch nicht bezeichnen, da es auch schnell wieder bergab gehen kann. Beispiel das mir Einfällt: Ein erfolgreicher Selbstständiger. |
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12.10.2012, 14:37
Beitrag: #48
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(12.10.2012 11:40)WDPG schrieb: Möchte mal folgende Frage in den Raum stellen:Es ist gut, dass du diese Frage stellst. Sollte ja letzlich der Rahmen für diesen 3D sein. In erster Linie wird das Einkommen als wichtigster Parameter zu Rate gezogen. Meiner Meinung nach gibt es aber auch softere Merkmale, wer wo zu welcher Schicht gehört bzw. in welcher er sich gerade befindet. Aber man kennt das ja - halt Schubkastensystem. Es gibt diesbezüglich einen relativ guten Wiki-Artikel, der das Schichtenmodell einführend erklärt. Da steckt 'ne Menge Statistik mit drin, mit Mittelwerten und oberen und unteren Grenzen. Sämtliche numerischen Angaben sind auch nicht statisch zu sehen, sondern unterliegen einer zeitlichen Dynamik. Auch sind diese Definitionen von Herausgeber zu Herausgeber unterschiedlich. Dabei kommen z.T. unterschiedliche statistische Ansätze zum Tragen. Die Schichten können sich auch extrem überlappen. Also alles nicht so ganz eindeutig. Hier auch noch ein anderer interessanter Artikel: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ei...-1.1451263 Und du warst schön. In deinem Auge schien sich Nacht und Sonne sieghaft zu versöhnen. ... So kam dich meine Liebe krönen. Und meine nächteblasse Sehnsucht stand, weißbindig wie der Vesta Priesterin, an deines Seelentempels Säulenrand und streute lächelnd weiße Blüten hin. (Rainer Maria Rilke) |
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12.10.2012, 18:42
Beitrag: #49
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(12.10.2012 13:20)WDPG schrieb: -Unterschicht: Das sind jene Leute finanziell immer sehr knapp dran sind, ein kleines Problem tritt auf und sie haben größte Anstrengungen überhaupt noch irgendwie über die Runden zu kommen und das obwohl sie keinen besonders hohen Lebensstandard haben. Diese Lage herrscht über längere Zeit. Ich denke doch, um den Faktor Bildung kommen wir nicht rum. Es gibt nämlich eine breite Grauzone zwischen Unter- und Mittelschicht, die sich am Ausmaß ihrer Bildung bzw. Nicht-Bildung festmachen lässt. Jemand, der finanziell am unteren Rand rumkrebst, sich aber, sagen wir mal, in Sachen Goethe bis Kleist auskennt, die meisten Länder der Welt auf der Karte auf Anhieb findet, darüber hinaus nicht nur ein bisschen was mit prägnanten Gestalten der Geschichte anfangen kann und sich darüber hinaus für die aktuelle Politik interessiert, der ist für mich keine Unterschicht. Der mag verarmte Mittelschicht sein (irgendwie muss er ja an seine Bildung gekommen sein, und das kostet was), aber keine Unterschicht. In der Mittelschicht dagegen findet man schon auch Leute, die keine Ahnung haben, wo sie z.B. Dänemark auf der Karte suchen müssen oder wer Napoleon III. war, stattdessen anfangen, von Russland-Feldzug zu faseln und flugs bei Hitler sind, die keine Zeitung lesen und sich abends vor ihrer Eiche-Furnier-Schrankwand zwei bis vier Bier hinter die Binde gießen, während sie RTL2 - und zwar ausschließlich - gucken. Aber sie leben in den eigenen vier Wänden oder in einer nicht zu kleinen Wohnung, haben das Auto abbezahlt oder zumindest die Perspektive, es mal ganz abzuzahlen, ein entsprechend hohes Einkommen - diese Leute sind zwar Bildungs-Unterschicht, aber sie zählen gesellschaftlich zur Mittelschicht. Kleinbürger, Spießbürger, aber Mittelschicht. Während obiger Fall eines armen Gebildeten zwar auch kein echtes Bildungsbürgertum ist (wenn´s das noch gäbe, und wozu auch ein gewisser Wohlstand gehört), aber eventuell als Unterschichten-Bildungsbürger durchgeht. Und bevor jetz was kommt von wegen Klischee: Kenne beide Fälle. Zur einen gehören viele Studierte, die auf Hartz-IV angewiesen sind, zur anderen eben der klassische Spießbürger. Von denen es auch nicht zu wenige gibt... VG Christian |
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12.10.2012, 19:50
Beitrag: #50
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RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(11.10.2012 20:32)Bunbury schrieb: Auch hier gilt- das ist nur eine Seite der Medaille. Rein Betriebswirtschaftlich gilt: Ich verstehe das nicht. Einer der Kernsätze jeder kaufmännischen Tätigkeit heißt: Im Einkauf liegt der Gewinn! Und weiter? Über was bitte wundert man sich hier? Dass sich heute jeder so verhält? Ja Himmel Ar... und Zwirn, was soll denn daran verwerflich sein? Ich soll mir ein schlechtes Gewissen machen, wenn ich zB irgendwelche Textilien kaufe, die in irgendwelchen billiglohnländern billig produziert werden? Sch... drauf, ich habe ein gutes Gewissen, würde ich die Lappen nicht kaufen, hätten die armen Kinder dort nämlich nichts zu essen! Das ist doch Fakt. Dass die Leute dort eine gewisse Zeit für Hungerlöhne arbeiten kann ja sein. Aber besser Hungerlohn wie gar kein Lohn. Das Geschrei über Jahre, wie fürchterlich der Schlecker zu seinen Angestellten wäre.......... Schlecker pleite, und noch größeres Geschrei, die vielen Arbeitsplätze die da verloren gehen........... Und nochmals Himmel Armleuchter und Zwirn. spinn ich denn, oder wie oder was??????????? "Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966) |
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