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Nachdenken über die "Unterschicht"
05.01.2014, 22:26
Beitrag: #94
RE: Nachdenken über die "Unterschicht"
(05.01.2014 15:30)Avicenna schrieb:  ...nach oben zu wursteln. Was bedeutet dieses "oben" eigentlich? In erster Linie doch einen gewissen, großzügig ausgelegten finanziellen Spielraum, der ein bestimmtes materielles Lebensniveau ermöglicht.
Du hattest oben das soziale Umfeld angesprochen, das oftmals den Bach runter geht, wenn sich dieser soziale Abstieg vollzieht.
Verständlich, wenn man es auf den Kreis der Kollegen bezieht, aber nicht unbedingt nachvollziehbar, wenn es sich auf den Freundes- u. sonstigen Bekanntenkreis bezieht. Wenn das zu großen Teilen dennoch geschieht, was ich nicht in Abrede stellen möchte, dann war dieser Freundes- u. Bekanntenkreis nicht viel wert. Man hat sich in bestimmte gesellschaftliche Kreise einfach eingekauft. Versnobt, verlogen, heuchlerisch fallen mir da als naheliegende Beschreibungen ein.

Das Urteil ist zu hart und greift daneben. Es gibt sicher Opportunisten, die es nicht wert sind- das sind die, die sich zuerst verabschieden und um die es auch nicht schade ist.
Aber auch, wenn es um wirkliche Freunde geht, dann bleiben sie einem nur noch eine Zeitlang danach erhalten, weil sich einfach Gräben auftun, die sich einfach durch die geänderten Lebensumstände ergeben. Da ist man jahrelang miteinander in die Sauna gegangen, das kann sich der Arbeitslose nicht mehr leisten. Man hatte das Familientheaterabo, auch das kann sich der Arbeitslose nicht mehr leisten. Es fallen Gesprächstehmen weg, die man früher noch ganz selbstverständlich hatte. Die Freunde sprechen noch immer über ihren Job- und was sagt der Arbeitslose dann? Nein, je länger dieser Zustand andauert, um so mehr Gräben werden sich auftun. Freunde können irgendwann gewisse Dinge einfach nicht mehr nachvollziehen. Man verändert sich einfach und bekommt einen anderen Blickwinkel auf vieles, wenn man eben nicht mehr auf der Sonnenseite des Lebens steht. Und irgendwann stellt man eben fest, daß man sich einfach nichts mehr zu sagen hat... Das ist keine böse Absicht, nicht verheuchelt und verlogen- es ist einfach so.
Es ist auch nicht nur so, daß die Freunde sich vom Arbeitslosen abwenden- er selbst tritt irgendwie den Rückzug an, weil er einfach nur noch nebendran sitzt und nicht mehr mithalten kann.

(05.01.2014 15:30)Avicenna schrieb:  Bei der Betrachtung der gesundheitlichen Aspekte hast du z.T. natürlich recht, wobei ich es aber auch nicht ganz so krass sehen würde.
Wer z.B. sein Leben lang einigermaßen auf seine Beisserchen geachtet hat, dem fallen nicht von einem Tag zum anderen die Zähne aus. Für eine zahnmedizinische Grundversorgung ist auf alle Fälle gesorgt. Auf Implantate muss der Betreffende allerdings verzichten, was aber sicher nicht die Welt zusammenbrechen läßt. Gleiches gilt für überteuerte Gleitsichtbrillen, deren Zweckmäßigkeit ohnehin nicht ganz unumstritten ist.

... was auf gut deutsch bedeutet, daß du nicht das pech hattest, in der Jugend an einen unfähigen Zahnarzt zu geraten- und daß du nicht mit Ende vierzig festgestellt hast, daß du ohne Brille nichts mehr lesen kannst, aber mit Brille alles andere nicht richtig erkennen kannst...Wink

(05.01.2014 15:30)Avicenna schrieb:  Das was die Betreffenden tatsächlich fertig macht und sie z.T. wirklich zu Boden drückt und zu ernsthaften psychologischen Problemen führen kann, ist der permanente Gedanke, dass man nicht mehr dazugehört, dass man gewissermaßen ein Verlierer ist. Egal ob das Ganze nun selbst verschuldet ist oder nicht - ein Teil der Betroffenen versucht diesen Zustand in Alkohol zu ertränken und/oder diese Gedanken medikamentös zu vertreiben - sich mental und körperlich gehen lässt.
Es kommt immer auf die betreffende Persönlichkeit selbst an, wie mit solch einer Situation umgegangen wird, und ob man sich tatsächlich nach ganz unten manövriert.

Ich gehe davon aus, daß du nicht zu der betroffenen Altergruppe gehörst. Ansonsten wüßtest du sicherlich, daß es in diesem Alter nicht mehr unbedingt eine Sache des Willens ist, sondern auch eine Sache der Kraft. Früher fiel es mir z.B. noch sehr leicht, abends noch zwei, drei Stunden Buchhaltung zu machen, wenn die Kinder im Bett waren. Heute geht es einfach nicht mehr.
Und wer darüber hinaus sich nicht nur um sich selbst, sondern auch um eine Familie zu kümmern hat, überfordert sich leicht bei dem Versuch, der Familie das nötige zu geben. Ganz besonders dann, wenn das "nötige" eben kein Geld ist. Das gäbe sich viel leichter...

(05.01.2014 15:30)Avicenna schrieb:  Auch mit wenig Geld kann man sich durchaus gesund ernähren und die körperliche Fitness erhalten. Man sollte zwar auch ein bestimmtes Wissen mitbringen, um das sinnvoll umsetzen zu können, wichtig ist aber vor allem das Wollen, eine positive und optimistische Grundeinstellung dem Leben gegenüber - und die ist nicht mit Geld zu erkaufen.

Und wenn schon Vorschäden da sind? Jahrelange Berufstätigkeit- egal in welchem Berufszweig- führt zu Verschleißerscheinungen. Da kann ich soviele Karotten essen wie ich will, wenn ich nichts mehr lesen kann, was kleiner gedruckt ist als die Schlagzeile einer Tageszeitung, nutzt das auch nichts.

(05.01.2014 15:30)Avicenna schrieb:  Von daher ist solch ein finanzieller, materieller Einbruch und in Folge der soziale Abstieg, nicht das Ende der Welt.
Vielleicht gewinnt man sogar, was ein neues soziales Umfeld betrifft. Es stellt sich mitunter auch die Frage, ob es überhaupt so erstrebenswert ist, dieser weitgefassten Mittelschicht anzugehören ...

Jetzt redest du aber Unfug. Klar, viele Mittelständler sind absolut oberflächlich und definieren sich über ihre Markenkleidung, autos und dergleichen mehr (und glaub mir, ich kenne viele davon), aber mach dir nichts vor- die Perlen der Unterschicht sind Klischees, die in der Realität nur sehr selten vorkommen. Möchte ich gerne mal sehen, wie du mit einem unausgebildeten Lagerarbeiter über den Untergang Roms diskutierst...
In der Unterschicht wird jemand mit einem gewissen Bildungsniveau keine Freunde finden. Das ist eine Illusion...

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
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