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Walther von der Vogelweide .
14.02.2016, 16:03
Beitrag: #2
RE: Walther von der Vogelweide .
Was ich bei historischen Personen wie eben z. B. Walter von der Vogelweide interessant finde, von denen kaum etwas überliefert ist (außer ihren Werken), ist auch die spätere Überlieferung von ihnen, die sich z. B. historischen Romanen, Dramen etc. zeigt.

Dazu ein Beispiel in Zusammenhang mit Walter von der Vogelweide:
In "Das Lied der Nachtigall", einem unterhaltsamen "historischen" Roman von Tanja Kinkel, einer deutschen Autorin der Gegenwart, begegnen wir einem Walter, der wohl eher unseren heutigen Vorstellungen von einem Künstler entspricht - ein sympathischer Berufsdichter und "Selfmademan", der seinen Platz in der Gesellschaft erst finden und sich erarbeiten muss. Dazu gehört, dass der zukünftige "Dichter-Star" an seiner eigenen Legende bastelt. So erhebt er sich bei seinem ersten (zufällig zustandegekommenen) Auftritt als Vortrags- und Improvisationskünstler gleich selbst in den Adelsstand, in dem er sich einen adeligen "Künstlernamen" gibt. Die Vogelweide, die ihn in der Eile auf die Idee bringt, befindet sich in der Nähe seines Elternhauses, und außerdem hat er gleich einkalkuliert, dass diese Angabe sicher niemand auf Richtigkeit überprüfen wird.
Natürlich hat er Humor, die Stute, auf denen er stets unterwegs ist, nennt er gewöhnlich Hildegunde, und natürlich beruhen in diesem Roman seine Lieder auf eigener Erfahrung.
Mit der fiktiven jüdischen Ärztin, die in Salerno ausgebildet wurde, bekommt er auch eine selbständige Geliebte mit "eigenem Arbeitsbereich" an die Seite gestellt, wobei es Kinkel sicher auch darum ging, dem Roman eine weibliche Hauptfigur zu geben, die heutige Leser/innen anspricht. (Vielleicht historisch unglaubwürdig, aber aus dramaturgischen Gründe funktioniert diese Idee, da sie es so schafft, ihr "Liebespaar" auf Augenhöhe sich begegnen zu lassen.)
Da Walter und diese Judith in allen möglichen geschichtlichen Ereignisse verwickelt werden oder selbst mitmischen, wobei ein "böser" König Otto IV. als Hauptgegner der beiden und Hauptschurke im Roman fungiert, sorgt für entsprechende Spannung.
Was mir allerdings gut gefallen hat, war, dass zwar vieles Fiktion ist, aber wenigstens in Rahmen dessen bleibt - dürfte zwar Erfindung sein, ist aber mit Blick auf die Fakten eventuell sogar vorstellbar. (Beispiel: wer hat das Nibelungenlied verfasst, Walter liefert sich mit dem englischen König Richard I. Löwenherz einen Dichterwettkampf in einem Gasthaus bei Wien, ehe dieser erkannt und festgenommen wird.)

Das ist eine (sehr unterhaltsame) Romandarstellung aus dem 21. Jahrhundert und darf natürlich nicht mit historischen Fakten verwechselt werden, und ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass Kinkels Walter keineswegs dem historischen Minnesänger gerecht wird, zudem ihr Mittelalter eher die Welt der Abenteuer ist, auch wenn es im Vergleich zu den meisten historischen Romanen des 21. Jahrhunderts wesentlich mehr Authentizität haben dürfte.

Nichtsdestoweniger dürfte das Buch vielleicht für den einen Leser oder die andere Leserin eine Anregung sein, sich ein wenig mit dem historischen Walter und seinem Werk zu befassen, und damit dem "Künstler" aus dem Mittelalter vielleicht ein paar neue "Fans" beschaffen.

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Josephine Tey, Alibi für einen König
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Walther von der Vogelweide . - Luki - 11.06.2012, 13:48
RE: Walther von der Vogelweide . - Teresa C. - 14.02.2016 16:03

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