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Untergang Westroms. Warum?
13.06.2012, 13:38
Beitrag: #14
RE: Untergang Westroms. Warum?
(12.06.2012 16:59)Maxdorfer schrieb:  Erstens bin ich nicht die Geschichtsforschung, zweitens sind mir Betonungen in der Geschichte wurscht, weil die durch "Trends" verursacht werden und drittens ist das, was die Geschichtsschreibung vermehrt behandelt nicht unbedingt das, was ausschließlich los war. Und eigentlich - viertens: Ich meinte mit meinem Text ja auch nicht nur den militärgeschichtlichen Aspekt, sondern vor allem den gesellschaftlichen und den sozialen. Mangelnde Integration der Barbaren, die das Staatsgefüge langsam zerbröckeln ließ. Das lässt sich sogar in die momentanen Trends der Geschichtsschreibung einordnen.

Die Betonung gesellschaftlicher, ökonomischer und sozialer Verfallserscheinungen, die den Untergang Westroms mitverursachten und beschleunigten, ist kein "Trend". Diese Sichtweise ist seit Jahrzehnten historischer Standard.

Um die Missstände im Weströmischen Reich zu beheben, wäre vor allem eine Bodenreform notwendig gewesen, die den Kolonen mehr Freiheit und Land gebracht hätte. Obwohl diese einst freien Bauern durch Gesetze an das Land gefesselt und den Großgrundbesitzern hilflos ausgeliefert waren, herrschte eine allgemeine Landflucht. Riesige Flächen lagen brach und somit fiel auch die Steuerleistung ins Unermessliche.

Hinzu kam, dass die Großgrundbesitzer (sowohl römischer Adel als auch Provinzadel) gewaltige Reichtümer angehäuft hatten, wegen ihrer guten Verbindungen und Machtposition jedoch nahezu steuerfrei blieben. Auch hier konnten die kaiserlichen Steuereintreiber also wenig holen, ganz abgesehen davon, dass der spätantike Zwangsstaat eher als Feind denn als Ordnungshüter wahrgenommen wurde. Die staatliche Ordnung vermochte er ohnehin nur noch partiell und lückenhaft zu gewährleisten.

Eine Bodenreform, verbunden mit finanziellen und rechtlichen Erleichterungen für die Kolonen, wäre also geboten gewesen und zwar flankiert von einer Stärkung der Magistrate in den Städten. Auch die waren verantwortlich für vom Staat festgesetzte Steuererhebungen und hatten mit ihrem privaten Vermögen zu haften. Da aber die Wirtschaft darniederlag und das umliegende Land nicht weiter auszupressen war, konnten die Magistrate auch die geforderten Steuern nicht mehr zahlen. Die Folge war auch hier, dass sich die alten städtischen Eliten durch Flucht den kaiserlichen Steuereintreibern entzogen und die Städte im Weströmischen Reich verödeten und verarmten.

Die noch zur Verfügung stehenden Finanzen steckte der weströmische Staat ins riesig dimensionierte Militär, ohne dass auch nur entfernt die Chance bestand, die Grenzen gegen anstürmende Germanen, Hunnen und andere Völker zu sichern. Die Grenzen waren schlicht überdehnt und konnten mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen auch nicht mehr gehalten werden.

Erforderlich gewesen wäre also eine Rücknahme der Grenzen bzw. der Grenzverteidigung, ihre Anpassung an den finanziellen Rahmen und somit die Aufgabe einiger Provinzen. So z.B. Britannien, Germanien und die nördlichen Teile Galliens.

Das alles bleibt jedoch spekulativ, da die Kaiser der Spätantike - abgehoben vom Volk, unter Vormundschaft stehend, im Kindesalter oder schlicht unfähig - außerstande waren, solche Maßnahmen durchzusetzen. Der ganze staatliche Organismus "Westrom" war vermutlich derart morsch, kraftlos und vor allem ohne eine Bevölkerung, die sich noch mit Rom identifizierte, dass wohl kein Gegenmittel mehr hätte Hilfe bringen können.

Eine dominierende Ansicht der militärischen Seite als Ursache für den Untergang Westroms greift viel zu kurz. Der weströmische Staat hatte immense soziale, gesellschaftliche, ökonomische, demografische und finanzielle Probleme, die schließlich zu seiner totalen Desontegration führten.

Die zentralen Gründe für den Zusammenbruch Westroms:

1. Die germanische Invasion

2. Die Barbarisierung des Heeres

3. Die Desintegration des Reiches durch den Kirchenkampf

4. Niedergang der Landwirtschaft und der Städte

5. Strukturelle Probleme hinsichtlich der Gesellschaft und der Administration

6. Finanzielle Destabilisierung,

7. Unerträgliche Steuerlast für die Reichsbewohner

7. Dynastische Probleme

In der Vergangenheit wurde Roms Untergang (oder auch Fortleben) mit verschiedenen Hypothesen erklärt: Dekadenztheorie, Katastrophentheorie, Kontinuitätstheorie. All diese Erklärungen sind unzureichend, denn dieser Untergang ist ein komplexes Problem und nur multikausal erklärbar.

In diesem Zusammenhang ist die Invasion der Germanen natürlich ein wichtiges Phänomen und allein betrachtet Kern der Katastrophentheorie. Allein das erklärt aber den Zusammenbruch nicht, sondern es müssen - wie oben angeführt - noch strukturelle Probleme hinzutreten, z.B. auf dem gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Sektor. Wie alle diese Faktoren zu gewichten sind, darüber streitet die Geschichtswissenschaft bis heute.
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Untergang Westroms. Warum? - Dietrich - 11.06.2012, 13:55
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