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das "Aussterben" von Hochadelsfamilien
22.07.2020, 22:16
Beitrag: #18
RE: das "Aussterben" von Hochadelsfamilien
(20.07.2020 18:03)Suebe schrieb:  Wie es manchmal der Zufall will, Am Samstag erhielt ich die disjährige Ausgabe der Zeitschrift (etwas irreführend, das Teil hat um die 700 Sieten)
des Württ. Geschichts- und Altertums-Vereins.
Einer der Aufsätze darin: "Die Grafen von Montfort, ein Hochadelsgeschlecht aus Schwaben"

Die Grafen von Montfort haben sich ca. 1100 von den Pfalzgrafen von Tübingen "abgeteilt" was wohl zu der Zeit, siehe auch Zähringen, eine fast übliche Praxis des Hochadels war.
Allerdings haben die Tübinger/Montfort/Werdenberger/ diese Praxis deutlich länger, bis weit ins 17. Jahrhundert und exessiver als andere ausgelebt. Inbesondere, wenn eine der vielen Linien am "aussterben" war, haben sie ihre Besitzungen und Rechte, vermutlich absichtlich, an andere verscheuert, anstatt sie zuerst mal einem der überlebenden Zweige anzubieten. Man führte durchaus auch ein paar mal Krieg gegeneinander.

Es ist kaum zu glauben, wie viele Linien sich da im Laufe der Jahrhunderte gebildet haben.
Der Autor schreibt etwas zynisch,
"Montfort machte das, was man am besten konnte, man teilte"

Interessant,
das Wappen von Bregenz, Feldkirch, Vaduz, dem Bundesland Vorarlberg, etliche deutsche Städte des Südwestens von Tübingen bis Tettnang und Langenargen sowieso,
geht letztlich auf das Wappen der Pfalzgrafen von Tübingen zurück.

Letztlich am längsten existierte Montfort in Tettnang, bis in die 1780er Jahre aber inzwischen längst völlig unbedeutend und total überschuldet.

Ich denke, wir machen es uns heute mit den Schuldzuweisungen recht einfach. Wir wissen doch kaum etwas, was wirklich eindeutig gesichert ist, und gerade, was den Handlungsmovens betrifft, wäre ein wenig Vorsicht angebracht.

Die Tübinger, Montfort und Werdenberg gehörten dem Reichsadel an, aber, obwohl sie zeitweise wirklich große Gebiete beherrschte, gelang es keinen von ihnen jemals zumindest in den Rang eines Anwärters auf eine königliche Krone oder gar die Kaiserkrone aufzusteigen. Letztlich blieb ihnen auch eine Herzogswürde verwehrt. Unter diesem Umständen waren ihre Chancen, Güterteilungen zu vermeiden oder gar eine Hausordnung mit Primogenitur oder Ähnlichem aufzubauen, wesentlich beschränkt, zudem sie dafür zum Beispiel die Zustimmung des römisch-deutschen Königs oder Kaisers benötigten und diese eigentlich großes Interesse daran hatten, das zu verhindern.

Ein weiteres Problem, das gerne übersehen wird - in vielen Fällen erforderten die Herrschaften, über die so ein Geschlecht herrschte, mit Blick auf Ressourcen, Lage und Ausrichtung unterschiedliche politische Schwerpunkte. Was den Aufbau eines einheitlichen Herrschaftsgebietes wesentlich behinderte.

Weiter lässt sich beobachten, dass durch politische Bündnisse, Vergrößerung des Besitzes durch Lehen und Pfandschaften (und somit Entstehung von Abhängigkeiten) und Heiraten nach einer Teilung, sich meistens die Familien auseinanderentwickelten, auch wenn versucht wurde, dass durch Erbschaftsregelungen, Vorverkaufsrechte etc. zu verhindern.

Viele erbberechtigte Kinder (gewöhnlich Söhne) bedeutete die Gefahr, dass der Besitz durch Teilungen noch weiter verkleinert wurde. Selbst wenn der älteste oder jüngste Sohn der Haupterbe war, mussten die anderen Kinder trotzdem irgendwie versorgt werden.
Der gegenteilige Fall, kaum erbberechtigte Kinder, konnte ebenfalls eine Katastrophe sein, wenn diese starben, ehe sie eigene Kinder hinterließen. Neben dem Aussterben bestand auch das Risiko, dass ein jüngerer Sohn erbte, der dann, wenn der Erbfall eintrat, noch nicht "vogtfähig" (also volljährig und "handlungsfähig") war. Vormundschaftsherrschaften bedeuten meistens ein Risiko, und das besonders dann, wenn niemand aus der Familie als Vormund in Frage kam.
(Die bösen Onkel, die ihre Vormundschaft über die Volljährigkeit hinaus, ungebührlich ausdehnten, sind zwar in der heutigen Forschung schon ein richtiges Stereotyp, aber dabei wird gewöhnlich übersehen, dass ein Familienmitglied zumindest selbst Interesse daran hatte, den Besitz zu erhalten, wenn auch nur für sich. Ganz anders ein Vormund, der nicht dem Familienverband angehörte ...)

Hinzu kommen noch mächtige Nachbarn, die bessere Karten oder Ressourcen haben und mit denen es vermutlich sinnvoller war, sich zu arrangieren, zudem das Möglichkeit für einen selbst Chancen bot, sich zu verbessern oder Schutz und Unterstützung bedeutete.

Ich könnte mir vorstellen, dass für manche dieser Grafen und Herren der Verkauf ihrer Grafschaft und Herrschaft an einen mächtigeren Nachbarn, nicht nur aus Geldgier oder Kurzsichtigkeit geschah, sondern für ihre Untertanen die bessere Lösung gewesen sein dürfte. Immerhin konnte so verhindert werden, dass die eigene Familie das Territorium nicht weiter aufgeteilt oder gar zerstückelt, was für das Gebiet und seine Menschen wenigstens wirtschaftlich besser gewesen war. Dies besonders, wenn gleich mehrere Familienzweige mit Vorverkaufsrecht oder Erbansprüche vorhanden waren (und diese vielleicht selbst keine einigen Häuser).

Die Gesellschaft damals dürfte übrigens nach Zeitzeugenaussagen eine sehr Öffentliche gewesen sein, Höfe waren öffentliche Lebensräume, die Chance also beim Ehebruch entdeckt zu werden, ausgezeichnet, und sobald darüber geredet wurde, hätte der Ehemann, selbst der König, schon im eigenen Interesse Konsequenzen ziehen müssen, wenn er sich nicht selbst als Zuhälter strafbar machen wollte ...

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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RE: das "Aussterben" von Hochadelsfamilien - Teresa C. - 22.07.2020 22:16

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