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Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter
12.11.2012, 03:42
Beitrag: #20
RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter
Wilhelm der Eroberer, vor der Eroberung Englands Wilhelm der Bastard genannt (* 1028 in Falaise (Normandie; † 9. September 1087 im Kloster Saint-Gervais bei Rouen) war seit 1035 als Wilhelm II., Herzog der Normandie und seit 1066 als Wilhelm I. König von England. Der nachfolgende Artikel behandelt nur die Minderjährigkeit und die ersten selbständigen politischen Entscheidungen Wilhelms als Herzog der Normandie.

Wilhelm war ein Angehöriger der ursprünglich aus Skandinavien stammenden Dynastie der Rolloniden, die seit 911 als Grafen bzw. Herzöge die Normandie – also das Land der Normannen – als Vasallen des französischen König regierten. Von 1028 bis 1035 herrschte in der Normandie Wilhelms Vater, Herzog Robert I. (1002/10–1035), von seinen Feinden auch „der Teufel“, von seinen Anhängern jedoch „der Prächtige“ genannt. Robert pflegte eine mehrjährige Beziehung zu der nicht standesgemäßen Herleve aus Falaise (1003–1050), die eine Tochter des Gerbers Fulbert und dessen Frau Doda war. Aus dieser Beziehung, es könnte sogar eine Friedelehe(?) gewesen sein, stammten der 1028 geborene Wilhelm und seine Schwester Adelaide (1030–1082). Da Robert bereits mit der dänischen Prinzessin Edith verheiratet war, initiierte er die Vermählung seiner Geliebten Herleve mit seinem Gefolgsmann und Freund Herluin von Conteville. Aus dieser Ehe entstammten Robert (1031–1090), später Graf von Mortain und Odo (1032–1097), später Bischof von Bayeux. Beide Halbbrüder bewährten sich später als Wilhelms zuverlässigste Gefolgsleute.

Im Jahr 1034 entschloss sich Robert, eine Pilgerfahrt nach Jerusalem zu unternehmen. Dies war politisch unklug, da Robert keinen legitimen Nachfolger hatte. Aber ihn plagte das schlechte Gewissen über seine Lebensführung, so dass er sich erhoffte, nach einer Kreuzfahrt die Absolution für seine Taten zu erhalten. Inwieweit er von kirchlichen Amtsträgern manipuliert worden ist, lässt sich heute nicht mehr beweisen. Es ist aber denkbar, dass ihm seine außereheliche Beziehung zu Herleve, seine mögliche Rolle am Tod seines Bruders und Vorgängers Richard III. (1001–1027) oder das Abschieben von dessen Sohn Nicolas in das Kloster Fécamp vorgeworfen wurde. Robert unternahm jedenfalls die Kreuzfahrt, doch verstarb er im Juli 1035 während der Rückreise in Nicäa im Byzantinischen Reich. Ungewöhnlich waren solche Pilgerreisen des Hochadels im 11. Jahrhundert nicht. So zog 1002 Fulk Nerra, der schreckliche Graf von Anjou nach Jerusalem, um für seine Verbrechen zu büßen. Diese Reise unternahm er in den folgenden Jahren noch zweimal. Für 1008 ist eine Pilgerreise von Geoffrey von Bretagne belegt.

Bevor Robert sich auf seine Pilgerfahrt begab, verpflichtete er jedoch die normannischen Feudalherren, seinen unehelichen Sohn Wilhelm als seinen legitimen Nachfolger anzuerkennen. Sie schworen Wilhelm Lehnstreue und Gehorsam. Außerdem bestimmte Robert einen Vormundschaftsrat, der während seiner Abwesenheit für den minderjährigen Wilhelm regieren sollte. Leiter des Vormundschaftsrates war Robert (967/74–1037), Erzbischof von Rouen, Graf von Evreux und Roberts I. Onkel bzw. Wilhelms Großonkel, der sich bereits seit 1030/31 als wichtige politische Stütze des jungen Herzogs bewährt hatte. Weitere Mitglieder waren Alain III., Graf der Bretagne (997–1040), Gilbert de Brionne, ein Verwandter des jungen Herzogs, der Haushofmeister Osborne sowie Wilhelms Erzieher Turchetil, der den lateinischen Titel „paedagogus“ trug. Ebenso gelang es Robert seinen Lehnsherrn, König Heinrich I. von Frankreich von den Nachfolgeregelungen zu überzeugen. Vermutlich gab er seine Zustimmung, nachdem Wilhelm an den königlichen Hof gereist war, um ihm den geforderten Lehnseid zu leisten.

Robert von Rouen führte die Regentschaft bis zu seinem Tod im Jahr 1037. Er war nun der mächtigste Mann in der Normandie, der seinen Großneffen durchaus hätte beseitigen können. Er tat es aber nicht. Nach seinem Tod rückte Alain III. von Bretagne, der mütterlicherseits von den Rolloniden abstammte, in das Amt des Regenten. Er starb 1040, wahrscheinlich wurde er vergiftet. Danach übernahm Gilbert de Brionne das Amt, der aber bereits nach einigen Monaten erschlagen wurde. Ebenso wurden noch in den Jahren 1040 und 1041 die noch verbliebenen Mitglieder des Regentschaftsrates, wie der „paedagogus“ Turchetil oder der Haushofmeister Osborne ermordet. Wilhelms Hof ähnelte einem Schlachthaus, die Normandie verfiel in Anarchie.

Für Wilhelms persönliche Sicherheit war Walter, ein Bruder seiner Mutter, zuständig. Er übte de facto die Funktion eines Leibwächters aus, der nie von Wilhelms Seite wich und sogar im gleichen Raum wie der junge Herzog schlief. Seiner Tatkraft ist es zu verdanken, dass der junge Herzog einen Mordanschlag in Vaudreuil, bei dem auch der Haushofmeister Osborne starb, überlebte.

Dass Wilhelm überhaupt die Unruhen in den 1040-er Jahren überlebte, verdankte er vor allem dem französischen König Heinrich I., der als Lehnsherr die Vormundschaftsrechte seines inzwischen schutzlosen Vasallen übernahm. Der König übte nun unmittelbare Rechte auf die Normandie aus, die er aber nicht nach dem Ende der Minderjährigkeit Wilhelms zurück erstatten wollte.

Seit 1049 bemühte sich Wilhelm um eine Heirat mit Mathilde (1031–1083), der Tochter des Grafen von Flandern. Aufgrund der nahen Verwandtschaft – beide waren Cousin/Cousine 5. Grades – untersagte Papst Leo IX. auf dem Konzil von Reims die Ehe. Wilhelm widersetzte sich jedoch dem Verbot und ehelichte im Jahr 1051 Mathilde. Das Bündnis zwischen der Normandie und Flandern erschien dem französischen König zu mächtig, so dass er sein früheres Mündel fallen ließ und sich mit dem Grafen von Blois und der Champagne, dem Grafen von Anjou und den rebellierenden normannischen Baronen verband. Die Gegnerschaft blieb bis zum Tod des französischen Königs († 1060) bestehen, dem sein minderjähriger Sohn Philipp I. als König folgte. Doch zu diesem Zeitpunkt war Wilhelms Machtposition in der Normandie gesichert.

Literatur

* David C. Douglas, Wilhelm der Eroberer. Herzog der Normandie – König von England, Verlag Georg D. W. Callwey, München 1980, ISBN 3-7667-0513-X

* Gustav Faber, Die Normannen. Piraten, Entdecker, Staatengründer, Lizenzausgabe für Gondrom GmbH & Co. KG, Bindlach 1991, ISBN 3-8112-0870-5

* Wilhelm der Eroberer (Wikipedia)

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter - Sansavoir - 12.11.2012 03:42
Ergänzung zu Gordian III - WDPG - 01.12.2012, 14:12

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