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Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter
25.11.2012, 10:02
Beitrag: #25
RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter
Abriss vom Leben der minderjährigen und jugendlichen französischen Königen des Mittelalters

Teil 1

Dieser Artikel behandelt minderjährige und jugendliche Herrscher aus den Dynastien der Kapetinger und der Valois. Es werden die Regentschaften für minderjährige Könige und die ersten Schritte der bereits volljährigen Herrscher untersucht. Dabei handelt es sich um acht (von insgesamt einundzwanzig) Königen, die zwischen 987 und 1498 geherrscht haben. Die Geschichte um Johann I. (*/† 1316) wurde schon in einem früheren Artikel beschrieben und wurde in diesem Artikel nicht berücksichtigt.

Nach dem Zerfall des wiedervereinigten Karolingerreiches im Jahr 887 wechselte im Westfrankreich das Königtum zwischen den rivalisierenden Dynastien der Karolingern und den Robertinern, den späteren Kapetingern. Nach dem Tod des karolingischen Königs Ludwig V. im Jahr 987 entschlossen sich die westfränkischen Magnaten statt des karolingischen Thronanwärters Karl (von Niederlothringen) dessen Konkurrenten Hugo Capet (941–996), Herzog von Franzien, zum neuen König zu krönen. Um die Erbfolge endgültig für seine Familie zu sichern, ließ Hugo noch im Dezember 987 seinen 15-jährigen Sohn Robert II. zum Mitkönig krönen. Daraus ergaben sich für die Zukunft die Optionen, einerseits den Thronfolger noch zu Lebzeiten des alten Königs zu salben und zu krönen, andererseits das Alter für die Volljährigkeit eines Königs von 21 auf 15 Jahre herabzusetzen. Beides waren Maßnahmen, die auf politische Erfahrungen der Jahre von 888 bis 987 begründet waren und die einen reibungslosen Herrscherwechsel, möglichst ohne lange Regentschaften für einen Minderjährigen, garantieren sollten.

1. Korrekte Regentschaften

Eine Herrschaft eines Minderjährigen stellte immer eine Gefahr für den Staat dar. Umso wichtiger war es, einen fähigen Regenten einzusetzen, der einerseits die Interessen des minderjährigen Königs durchsetzte, andererseits loyal genug war, ihm beim Erreichen der Volljährigkeit die Herrschaft zu überlassen und sich danach entweder auf beratende Funktionen zu begrenzen oder sich zurückzuziehen. Dies geschah während der Jahre von 987 bis 1498 nur zweimal.

1.1 Ludwig IX. (* 1214, König von 1226 bis 1270)

Ludwig IX. war der älteste Sohn von Ludwig VIII. (* 1187, König von 1223 bis 1226) und dessen Frau Blanche (Blanca) von Kastilien (1188–1252), die eine Enkelin der Eleonore von Aquitanien war. Trotz des frühen, unerwarteten Todes von Ludwig VIII. am 8. November 1226 gestaltete sich die Nachfolgeregelung problemlos, bereits drei Wochen später wurde Ludwig IX. zum König gekrönt. Grundlage dafür waren die von Ludwig VIII. vorsorglich in seinem Testament festgelegten Verfügungen, die er seiner Frau Blanche noch erläutern konnte. Ludwig IX. erhielt am Tage seiner Krönung auch seine Schwertleite, so dass er als volljährige Person der adligen Gesellschaft galt.

Das Testament Ludwigs VIII. bestimmte Blanche von Kastilien zur Regentin. Sie versprach im Gegenzug ihrem sterbenden Mann, die Regentschaft für Ludwig IX. und die Schutzaufsicht für ihn, seine fünf Geschwister und das noch posthum geborene Kind (Karl von Anjou 1227–1285) zu übernehmen. Diese und weitere kluge Maßnahmen verhinderten die Regentschaft bzw. den politischen Einfluss von Ludwigs VIII. Halbbruder Philippe Hurepel († 1234), der als nächster männlicher Verwandter Ansprüche auf die Regentschaft gehabt hätte, den Ludwig VIII. jedoch als politisch unzuverlässig einschätzte. Inwieweit Ludwig tatsächlich so vorausplanend gedacht hatte oder Blanche diese Vorausplanung nur geschickt propagierte, um ihre eigene Stellung zu behaupten, ist strittig.

Fakt ist, die Regelung, die Königinmutter als Regentin und Vormund einzusetzen, garantierte den Verbleib der Macht bei den alten Herrschaftsträgern des Königtums. Trotzdem versuchten ehrgeizige Grafen, wie Theobald IV. von der Champagne, Hugo Lusignan, Graf von La Marche oder Pierre Mauclerc, Graf der Bretagne, die alle vom englischen König Heinrich III. unterstützt wurden, gegen die Königinmutter zu opponieren. Blanche von Kastilien gelang es jedoch, durch geschickte Verträge die französischen Magnaten zu bändigen. Des Weiteren konnte sie die bereits unter Ludwig VIII. ausgehandelten Apanagen für ihre jüngeren Söhne sichern. So konnten diese mit dem Erreichen der Volljährigkeit ihre Herrschaften in Artois (1237), Poitou (1241) und Anjou (1246) antreten.

Ein genaues Datum über den Rückzug Blanches aus der Politik lässt sich nicht ermitteln, da ihr Ausscheiden in kleinen Schritten geschah. Fest steht, dass sie maßgeblichen Anteil an der Friedenpolitik Ludwigs IX., an dessen Aussöhnung mit Raimund VII., Graf von Toulouse und am Waffenstillstand mit England (1243) hatte. So ist es ihr zu verdanken, dass die erste Phase von Ludwigs Königtum friedlich blieb. Während der Abwesenheit Ludwigs aufgrund des 6. Kreuzzugs von 1248 bis 1254 führte Blanche erneut die Regentschaft. Nach dem Tod ihres Sohnes Robert von Artois (1216–1250) begann sie allerdings die Regierungsgeschäfte ihrem vom Kreuzzug heimgekehrten Sohn Karl von Anjou (1227–1285) zu überlassen.

1.2 Karl VIII. (* 1470, König von 1483 bis 1498)

Karl VIII. war der einzig überlebende Sohn von Ludwig XI. (* 1423, König von 1461 bis 1483) und dessen Ehefrau Charlotte von Savoyen († 1483). Er war der letzte, unmittelbar auf dem Vater folgende Herrscher der Hauptlinie der Valois und ist heute vor allem durch seinen 1494 begonnenen Italienfeldzug, der die bis 1559 andauernden Italienischen Kriege einleitete, in Erinnerung geblieben.

Ludwig XI. erlitt im März 1481 einen schweren Schlaganfall, so dass es voraussehbar war, dass Karl seinem Vater noch als Minderjähriger folgen wird. Belegt ist, dass der alte, kranke, aber immer noch gefürchtete König im September 1482 seinem zwölfjährigen Sohn die Prinzipien des Regierens zu erklären versuchte. Karl musste geloben, diese Ratschläge, die im Oktober 1482 von einem königlichen Rat gebilligt wurden, zu befolgen. Nach einem erneuten Schlaganfall am 25. August 1483 übergab schließlich Ludwig seinem Sohn das königliche Siegel, ehe er ein paar Tage später starb. Ein Versuch Ludwigs, sich mit seinen stärksten außenpolitischen Gegner, dem Regenten von Burgund, Erzherzog Maximilian (1459–1519), auszusöhnen, gelang nicht. Zwar unterschrieben Maximilian und Ludwig im Dezember 1482 einen Friedensvertrag, in dem u.a. festgelegt wurde, dass Karl sich mit Maximilians zweijähriger Tochter Margarethe (1480–1530) verloben wird. Allerdings war dies bereits die zweite Verlobung für den zwölfjährigen Karl. Die Verlobung mit Elisabeth (1466–1503), der Tochter Eduards IV. von England wurde aufgelöst. Interessant ist auch, dass Ludwig XI. bereits vor und vor allem noch im Jahr 1477 versuchte, seinen Sohn Karl mit der um dreizehn Jahre älteren Maria von Burgund (1457–1482), Erbin seines politischen Konkurrenten Karl des Kühnen (1433–1477), zu verloben und nun keine Skrupel hatte, die Tochter der inzwischen Verstorbenen mit seinem Sohn zu verloben.

Eine kluge Entscheidung Ludwigs XI. war, die Regentschaft de facto seiner Tochter Anne (1461–1522) und deren Ehemann Pierre de Beaujeu (1437–1503) zu übergeben. Pierre de Beaujeu war ein jüngerer Bruder des Herzogs von Bourbon, der sich in Ludwigs letzten Lebensjahren als verlässliche Stütze des Königs bewährte. Rechtlich war die Regentschaft der Beaujeus nicht gesichert, aber sie verfügten auf Anordnung Ludwigs über die Person des Königs. Diese willkürliche Festlegung führte zur Opposition von Karls zweiten, von der Macht verdrängten Schwager Ludwig von Orleans (1462–1515), der mit Karls Schwester Johanna (1464–1505) verheiratet war. Ludwig war ein Angehöriger der Valois-Orleans und nach Karl der nächste Anwärter auf den Thron. 1498 folgte er ihn auch als Ludwig XII., doch dies war 1483 nicht voraussehbar.

Um die Legitimität ihrer Regentschaft abzusichern, riefen die Beaujeus für Januar 1484 eine Generalständeversammlung ein. Sie waren klug genug, einen neuen Wahlmodus zu gestatten, der dazu führte, dass Vertreter des dritten Standes zur dominierenden Gruppe wurde. Diese Vertreter des dritten Standes unterstützten die Beaujeus, da sie einerseits an einer Kontinuität des Königtums interessiert waren, andererseits nicht an einer Stärkung diverser Adelsgruppen interessiert waren. Indem die Beaujeus zusätzlich den Steuerumfang für die Jahre 1484 und 1485 stark reduzierten, sicherten sie sich die Loyalität der Vertreter des dritten Standes. Nachdem Karl VIII. im Juni 1484 in Reims zum König gekrönt wurde, bemühte er sich mit dem inzwischen gefangen gesetzten Ludwig sich zu versöhnen. Er gestattete ihm sogar die Leitung des königlichen Rates. Trotz dieser Eigenmächtigkeit des jungen Königs blieben Ludwig und sein Anhang machtlos. Die Beaujeus behaupteten ihre Machtstellung.

1485 versuchte Ludwig von Orleans erfolglos die Generalstände einzuberufen, mit dem Ziel, Karl aus der Aufsicht der Beaujeus zu befreien. Danach versuchte er mit Hilfe von Maximilian von Burgund, dem späteren Kaiser Maximilian I. und Franz II., dem Herzog der Bretagne militärisch gegen die Regenten vorzugehen. Dieser „unsinnige Krieg“ („guerre folle“) endete am 28. Juli 1488 mit dem Sieg der Königlichen bei Saint-Aubin-du-Cormier. Ludwig von Orleans geriet in Gefangenschaft, aus der erst 1491 entlassen wurde.

Eine Folge des Sieges der königlichen Armee war, dass die Bretagne ihre Unabhängigkeit verlor. Im Vertrag von Verger vom 21. August 1488 musste der bretonische Herzog einer Vermählung seiner Erbtochter Anne (1477–1514) mit dem französischen König zustimmen, womit die Inbesitznahme der bis dato selbständigen Bretagne durch Frankreich möglich wurde. Allerdings erschwerten sich die Bedingungen, nachdem wenig später Franz II. verstarb und ihm seine elfjährige Tochter Anne folgte. Dieses recht resolute Mädchen widersetzte sich, unterstützt von den bretonischen Ständen und ihren Räten, den oben genannten Vertrag. Anfang 1489 kam es erneut zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen der Bretagne und Frankreich. Deshalb entschloss sich die junge Herzogin, sich mit Maximilian zu verbünden. Im Dezember 1490 kam es zur Eheschließung zwischen Anne und Maximilian, die dieser durch einen Bevollmächtigten in Rennes schließen ließ.

Diese Heirat betrachteten die Franzosen als Affront. Sie begannen die Bretagne anzugreifen und deren Hauptstadt Rennes zu belagern. Maximilian unterstützte die Bretonen nicht, die schließlich am 15. November 1491 den, von den Franzosen vorgelegten, Friedensvertrag zustimmten. Anne willigte nun in eine Heirat mit Karl ein. Damit war das „bretonische Problem“ für Frankreich, trotz komplizierter Erbschaftsregelungen, gelöst. Anne wurde im Fall ihrer Witwenschaft nur eine erneute Ehe mit dem nachfolgenden Träger der Krone gestattet. Dies geschah dann auch 1499 mit ihrer Eheschließung mit Ludwig XII.

Am 6. Dezember 1491 heirateten Anne und Karl. Die Regentschaft der Beaujeus endete damit offiziell. Während die Lösung Karls von Margarethe relativ fair verlief, beide mochten sich und Margarethe kehrte erst 1493 nach Flandern zurück, führte die Scheidung zwischen Anne und Maximilian zu langjährigen Rechtsstreiten. Kirchenrechtlich fand Karl VIII. in Papst Alexander VI. einen Verbündeten, der wegen eigenen weltlichen Machtansprüchen bereit war, Karls bzw. Annes vorherige Ehen zu annullieren. Maximilians Umfeld verbreitete daraufhin die Mär, dass Anne von bewaffneten, französischen Soldaten zur Ehe mit Karl gezwungen wurde. Dieser angebliche „französische Brautraub“ vergiftete schließlich die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich.

Seit seiner Eheschließung regierte Karl VIII. selbständig. Als eine seiner ersten Maßnahmen ließ er den immer noch inhaftierten Ludwig von Orleans frei, der sich in Zukunft als Stütze des Königs erweisen sollte. Die Ehe mit Anne verlief glücklich, sie war seine wichtigste Beraterin. Allerdings warfen das Sterben ihrer vier Kinder und das damit verbundene Ausbleiben eines Thronfolgers einen Schatten auf ihre Ehe.

Anne und Pierre de Beaujeu beeinflussten seit 1491 Karl VIII. nicht mehr. Zentraler Punkt ihres Lebens wurde das Sichern des Erbes ihrer einziger Tochter Suzanne von Bourbon-Beaujeu (1491–1521), die 1505 mit Karl (1490–1527), dem späteren Connétabel von Bourbon, verheiratet wurde.

Literatur

* Ehlers / Müller / Schneidmüller (Herausgeber), Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888–1498, Verlag C.H. Beck München, 1996, ISBN 3-406-40446-4

- Ende des 1. Teils -

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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