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Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter
12.08.2016, 00:48
Beitrag: #44
RE: Jugendliche Herrscher in Antike und Mittelalter
(12.07.2016 04:55)Sansavoir schrieb:  Ladislaus Posthumus musste sich ebenfalls gegen Verwandte wie Friedrich III. oder die Cilli-Familie behaupten. Nach dem Tod von Hermann von Cilli, dem Erzieher von Ladislaus Postumus, und von Janos Hunyadi, dem Reichsverweser, im Jahr 1456 bestand in Ungarn ein Machtvakuum, das vom minderjährigen König Ladislaus Posthumus genutzt wurde, selbst die Macht in Ungarn und Böhmen zu übernehmen. Der vierundzwanzigjährige Laszlo Hunyadi wurde deswegen als Oberhaupt der Hunyadi-Familie bzw. -"Partei" hingerichtet. Aus diesem Grund wurde Matthias Hunyadi als ca. Vierzehnjähriger Oberhaupt der Hunyadi-Familie.

Zunächst eine kleine Korrektur, du dürftest Graf Ulrich II. von Cilli wohl mit seinem Großvater Hermann verwechselt haben.
Ob sich Ladislaus Postumus wirklich gegen den Grafen von Cilli durchsetzen musste, wäre außerdem zu diskutieren. (Bei der negativen Einstufung der Grafen von Cilli und vorallem des Grafen Ulrich kommt noch die Frage hinzu, wie zuverlässig die zeitgenössischen Quellen tatsächlich sind und inwieweit hier ein Friedrich III. und ein Matthias Corvinus (bzw. deren Umfeld) die geschichtliche Deutung vorgegeben haben.)

Eine weitere Schwierigkeit im Fall von Ladislaus Postumus war, dass es gleich um drei Länderkomplexe (das ungarische Königreich, das böhmische Königreich, das Herzogtum Österreich ob und unter der Enns) mit unterschiedlicher Rechtslager ging. (Es ist sicher kein Zufall, dass sein König Albrecht II. (als Herzog von Österreich: Albrecht V.) kurz vor seinem Tod drei verschiedene Testamente diktiert hat, je eines für das damalige Königreich Ungarn, für das damalige Königreich Böhmen und für seinen Teil an den Ländern der Herzöge von Österreich.)

Da Ladislaus letztlich zu jenem Zeitpunkt starb, als er versuchte, selbst die Herrschaft zu übernehmen, kann natürlich nur darüber spekuliert werden, wie es mit ihm und seinen Herrschaftspositionen weitergegangen wäre, wenn er länger gelebt hätte.

In seinen österreichischen Gebieten war seine Herrschaft selbst zu dem Zeitpunkt nie wirklich gefährdet, allerdings hatte er (bzw. seine "Vormünder") seit Jahren immer wieder Auseinandersetzungen mit Kaiser Friedrich III. wegen gewisser Burgen, und hinzu kam nun auch der Kampf um das Erbe der Grafen von Cilli. (Hätte er sich als ihr nächster Blutsverwandter wirklich nur mit ihren "ungarischen" Besitzungen begnügt?)

Wie sich der Machtkampf in Ungarn mit den Hunyadys weiterentwickelt hätte, ist offen, doch lässt das Verhalten von Erszebet Szilagy (Witwe von Janos Hunyady) und ihrem Bruder vermuten, dass dieser Konflikt Ladislaus P. sicher noch länger beschäftigt hätte.

Dass es zwischen ihm und Georg von Podiebrad im Königreich Böhmen in der Folge ebenfalls zum Konflikt gekommen wäre, würde ich nicht ausschließen, vorallem wenn Ladislaus in der Folge versucht hätte, den Reichsverweser aus seiner Machtposition zu verdrängen, um selbst die Herrschaft zu übernehmen. (Dass Georg von Podiebrad sich nach dem Tod des Ladislaus als dessen Nachfolger relativ konfliktlos durchsetzten konnte, lässt darauf schließen, dass er zu dieser Zeit im Königreich Böhmen eine sehr starke Machtposition gehabt hatte, die er sich wohl als Reichsverweser aufbauen konnte.)

Dass Ladislaus Postumus immerhin den Tod von Ulrich von Cilli überlebt hat und Belgrad (Machtbereich der Hunyadys) letztlich wieder verlassen könnte, lässt allerdings die Vermutung zu, dass er sich zumindest auf das (politische) "Überleben" verstanden hat.

Sein Tod dürfte ihm jedenfalls ein "gutes" Image beschafft haben.
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(12.07.2016 04:55)Sansavoir schrieb:  Nach dem Tod von Ladislaus Postumus musste Matthias schnell handeln. Wichtigster Verbündeter war Georg Podiebrad, der bisherige Statthalter in Böhmen, der sich zum ersten und einzigen utraquistischen König von Böhmen proklamierte. Damit scheiterte vorerst die Habsburger Politik, erst 1526 konnte sie wieder in Böhmen und Ungarn herrschen.

Als Gefangener befand sich Matthias erst einmal in einer Position, in der er nach dem Tod von Ladislaus Postumus gar nicht selbst handlungsfähig war. Für mich ist daher auch keineswegs so klar, ob sich ein Georg von Podiebrad (sein späterer Schwiegervater) mit ihm so rasch verbündet hätte, wenn er nicht als ungarischer König zu Ladislaus' Nachfolger gemacht worden wäre.

Hinter seiner Wahl von Matthias Corvinus steckten jedenfalls in erster Linie seine Mutter und sein Onkel, vermutlich noch andere Anhänger. Inwieweit diese Wahl tatsächlich "demokratisch" zustande gekommen ist, ist nach der Quellen- und Literaturlage unklar. (Zumindest Franz Theuer, Der Raub der Stephanskrone, 1994, vertritt die Ansicht, dass sein Onkel durch den Einsatz von Truppen die mit der Wahl betreuten ungarischen Adeligen dazu gezwungen haben soll, seinen Neffen zum König zu wählen, weil er auf diese Weise selbst die Macht übernehmen wollte.)

Fakt ist jedenfalls, dass Matthias Corvinus relativ rasch die Herrschaftsausübung selbst übernahm und sich in der Folge als ungarischer König de facto behauptete und schließlich auch offiziell anerkannt wurde. (Wie aber z. B. der Vertrag von Ödenburg / Wiener Neustadt zeigt, war er auch gezwungen, für seine Anerkennung Kompromisse einzugehen.)

Inwieweit seine Rolle als "Heldenkönig" tatsächlich zutrifft (oder war sie doch erst eine nationale "Erfindung" des 19. Jahrhunderts), bleibt offen, ebenso seine doch eher positive Beurteilung.

Da Matthias Corvinus Ladislaus Postumus letztlich "beerbt" hat, stellt sich die Frage, ob die Tötungen von Ulrich von Cilli und Ladislaus Hunyady nicht in Wirklichkeit bereits Teil eines Machtkampfes der Familie Hunyady waren, um die ungarische Krone selbst zu übernehmen? Worauf aber hätten die Hunyadys (nach offizieller Geschichtsschreibung ist die Familie erst mit dem Großvater von Matthias Corvinus nachgewiesen, der wiederum ein unbedeutender Adeliger aus dem damaligen Fürstentum Wallachei war) einen Thronanspruch begründen können?

Gab es im 15. Jahrhundert noch einige Aspekte von (rechtmäßiger) Herrschaft (in damaligen Osteuropa) oder vielleicht sogar im damaligen Europa, die von der Forschung bisher übersehen wurden und bei Matthias Corvinus (und auch Georg von Podiebrad) zum Tragen gekommen sind?

(12.07.2016 04:55)Sansavoir schrieb:  Eine interessante Frage ist deshalb auch, warum 1457/58 die Jagiellonen sich nicht in den Machtkämpfen in Böhmen und Ungarn einmischten. Ein Grund könnte sicher sein, dass Kasimir IV. zu dieser Zeit der einzige Erwachsene dieser Dynastie war und deshalb wohl in Personalunion über Polen-Litauen, Ungarn und Böhmen hätte herrschen müssen, was wohl nicht gewollt oder nicht durchsetzbar war. 1471 war das anders, da konnte sich der fünfzehnjährige Vladislav als neuer König von Böhmen durchsetzen und 1490 folgte er schließlich Matthias in Ungarn.

Die Frage stellt sich auch deswegen, da Kasimir IV. mögliche Ansprüche auf die ungarische Krone ausgebaut haben dürfte, als er 1454 Elisabeth von Österreich (1437-1505), eine der beiden älteren Schwestern von Ladislaus Postumus, heiratete. (Die andere Schwester Anna von Österreich (1432-1462) war seit 1446 Herzog Wilhelm III. von Sachsen verheiratet. Aus der Ehe gab es keine Nachkommen.)

Während in den Ländern der Herzöge von Österreich (wie auch bei anderen Dynastien des HRRs) das Erbrecht strikt patriarchalisch geregelt war (hätte es keinen Ladislaus Postumus gegeben bzw. hätte Elisabeth von Luxemburg 1440 eine Tochter zur Welt gebracht, wäre bereits 1440 das Herzogtum Österreich ob und unter der Enns der leopoldinischen Linie der Habsburger zugefallen), waren im ungarischen Königreich und im böhmischen Königreich (und auch im polnischen Königreich) Frauen erbberechtigt (bzw. ihre Ehemänner / Kinder), zumindest hatte es diesbezüglich im 14. und 15. Jahrhundert genug Präzedenzfälle gegeben.

Nach Wikipedia soll Kasimir sich als Kandidat für die Nachfolge von Ladislaus als böhmischer König schon 1457 ins Spiel gebracht haben. Vielleicht dürfte sein Anspruch aber dadurch eine Schwächung erfahren haben, als Wilhelm III. von Sachsen zu dieser Zeit als Ehemann der älteren Schwester seiner Frau doch den besseren Anspruch hatte. (Überraschend ist auch, dass Friedrich III., so scheint es jedenfalls, selbst keine Ansprüche auf Böhmen erhob, sondern Georg von Podiebrad nach seiner Wahl zum König relativ rasch anerkannte. Eine Wahl zum ungarischen König, zu der es in der Folge auch kam, hat er jedenfalls nicht abgelehnt, auch wenn es diesbezüglich 1463 zu einer Einigung mit Matthias Corvinus gekommen ist.)

Ein anderer Grund könnte vielleicht gewesen sein, dass das Königreich Polen-Litauen vielleicht zu diesem Zeitpunkt in andere Konflikte verwickelt war, denen Kasimir Priorität eingeräumt haben könnte.

Auf Wikipedia findet sich z. B. ein Hinweis auf den "Dreizehnjährigen Krieg" (1453-1466) zwischen dem Preußischen Bund und dem Deutschen Orden, in den das Königreich Polen-Litauen verwickelt war. Er endete mit dem "Zweiten Frieden von Thorn" zugunsten des Bundes, worauf der Deutsche Orden einen Teil seines damaligen Herrschaftsgebietes an Polen-Litauen abtreten musste. Diese Auseinandersetzung könnte vielleicht ein Grund dafür gewesen, dass sich Kasimir nicht besonders um die böhmische und die ungarische Krone bemüht hat.

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