Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 0 Bewertungen - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Der Papst wird Schwiegervater des Kaisers ...
26.04.2020, 13:22
Beitrag: #1
Der Papst wird Schwiegervater des Kaisers ...
Was wäre gewesen, wenn Friedrich III. die Tochter von Felix V., dem letzten Gegenpapst, geheiratet hätte?

Sicher ist, dass eine solche Ehe (oder wenigstens eine offizielle Verlobung) einerseits die Anerkennung von Felix V. als rechtmäßigen Papst durch den König / Kaiser bedeutet hätte. Außerdem hätte Friedrich III. damit eindeutig Stellung zugunsten des Konzils von Basel und damit gegen die Kirche in Rom bezogen.

Hätte eine solche Entscheidung den Verlauf der Geschichte langfristig oder wenigstens kurzfristig verändert?

---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
26.04.2020, 20:58
Beitrag: #2
RE: Der Papst wird Schwiegervater des Kaisers ...
Friedrich III. hätte sich damit eindeutig auf die Seite des Konzils gestellt. Ob die Geschichte dann anders verlaufen, ist natürlich spekulativ:

1. Die sogenannten Renaissance-Päpste hätte es nicht gegeben. Calixt III., Sixtus IV., Alexander VI., Julius II., Leo X. oder Paul III. wären nicht Papst geworden, die Päpste hätten keine Familienpolitik machen können
2. Francesco Sforza wäre nicht Herzog von Mailand, Ferrante I. nicht König von Neapel geworden.
3. Friedrich hätte aber keine neo-ghibellinische Politik betreiben können. Er hätte sich in die italienische Politik eingemischt, ob er erfolgreich wäre, ist fraglich - ich denke da an die Gegnerschaft von Venedig und/oder Florenz. Möglich wäre, dass ein vergleichbarer Vertrag wie der Vertrag von Lodi zustande gekommen wäre.
4. Ein konzilares Papsttum hätte sicher bestimmte Missbräuche in der Kirche beseitigt oder reduziert. Der Nepotismus wäre nicht so ausgeufert. Aber eine Figur wie Savonarola wäre trotzdem möglich und wäre sicher auch auf dem Scheiterhaufen gelandet. Ein Problem für die Päpste wären die Orsini oder die Colonna gewesen.
5. Die Kirchenspaltung infolge der Reformation hätte vielleicht nicht stattgefunden. D.h. aber nicht, dass die gesellschaftlichen Umbrüche ab dem 16. Jahrhundert nicht stattgefunden hätten.
6. Die Eroberung Südosteuropas durch die Osmanen wäre so abgelaufen, wie es tatsächlich geschah.

Das sind mal ein paar Gedankenspiele.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
29.04.2020, 19:10
Beitrag: #3
RE: Der Papst wird Schwiegervater des Kaisers ...
Überlegungen zu Sansavoirs Gedankenspielen / erst einmal nur Schlagworte:


Eine entscheidende Frage dürfte sein, ob eine Entscheidung Friedrichs für das Konzil tatsächlich dessen Sieg oder Durchsetzung bedeutet hätte.

1.)
Berücksichtigen wir, dass die Reichsfürsten (und vor allem die Kurfürsten) immerhin sich zu einer neutralen Haltung entschlossen hatten, ist für mich keineswegs sicher, ob sie eine solche Entscheidung des Kaisers (langfristig) gut geheißen oder unterstützt hätten.

(26.04.2020 20:58)Sansavoir schrieb:  4. Ein konzilares Papsttum hätte sicher bestimmte Missbräuche in der Kirche beseitigt oder reduziert. Der Nepotismus wäre nicht so ausgeufert. Aber eine Figur wie Savonarola wäre trotzdem möglich und wäre sicher auch auf dem Scheiterhaufen gelandet. Ein Problem für die Päpste wären die Orsini oder die Colonna gewesen.

Hätte eine Entscheidung des Kaisers für das Konzil von Basel und dessen Papst tatsächlich das Ende des römischen Papstums bedeutet und diesem zum Sieg verholfen.
immerhin lag die Wahl von Felix schon einige Jahre zurück und Eugen hatte sich bisher trotz allem halten können. Offensichtlich hatte er Rückhalt, zudem war es dem Vorgänger Martin gelungen, Rom als Residenz des rechtmäßigen Papstes wieder zu etablieren.

Ich würde daher nicht völlig ausschließen, dass die Entscheidung Friedrichs für das Konzil von Basel der Beginn eines neuen Schismas hätte sein können, wobei das Auftauchen von weiteren Päpsten nicht auszuschließen gewesen wäre. Andere Könige hätten die Lage durchaus nützen können, um sich eigene Päpste zu organisieren.

(26.04.2020 20:58)Sansavoir schrieb:  1. Die sogenannten Renaissance-Päpste hätte es nicht gegeben. Calixt III., Sixtus IV., Alexander VI., Julius II., Leo X. oder Paul III. wären nicht Papst geworden, die Päpste hätten keine Familienpolitik machen können.

Ohne Calixt III. hätte es keinen Alexander VI. gegeben, ohne Sixtus IV. hätte es keinen Julius II. gegeben und ohne Alexander VI. hätte es keinen Paul III. gegeben.

Das Konzil von Basel hätte mit fragwürdigen Päpsten und Vetternwirtschaft seine offizielle Berechtigung eingebüßt.
Ein um seine Existenz kämpfender römischer Papst wäre eher keine attraktive Position mehr gewesen. Ein neues Schisma hätte das noch verstärkt. Zumindest jene Päpste, die ohnehin diese Position nur als Versorgung für die Dynastie gesucht hatte oder aufgrund ihres Glanzes oder anderer Karrieremöglichkeiten, hätte es wohl eher nicht gegeben.

(26.04.2020 20:58)Sansavoir schrieb:  5. Die Kirchenspaltung infolge der Reformation hätte vielleicht nicht stattgefunden. D.h. aber nicht, dass die gesellschaftlichen Umbrüche ab dem 16. Jahrhundert nicht stattgefunden hätten.

Ich vermute, dass es in diesem Fall auch keinen Martin Luther und seinen "Thesenanschlag" gegeben hätte, da für die auslösende Geschichte der Hintergrund weggefallen wäre. (Hätte es ein neues Schisma gegeben, hätte Albrecht von Brandenburg sich nicht einfach mit Hilfe des Ablasshandels das päpstliche Privileg, mehrere Bischofssitze in seiner Person zu vereinen, finanzieren können. Das wäre ohne einen allgemein anerkannten Papst nicht durchführbar gewesen.)

Dass es allerdings sehr wohl Reformatoren gegeben hätte, halte ich für wahrscheinlich. Reformbedarf bestand schließlich. Hätte es wieder ein Schisma oder mehrere Päpste gegeben, vielleicht hätten wir heute keine reformierten Kirchen, sondern katholisch-reformierte Kirchen, je nachdem, welcher Papst welchen Reformator unterstützt hätte.

(26.04.2020 20:58)Sansavoir schrieb:  3. Friedrich hätte aber keine neo-ghibellinische Politik betreiben können. Er hätte sich in die italienische Politik eingemischt, ob er erfolgreich wäre, ist fraglich - ich denke da an die Gegnerschaft von Venedig und/oder Florenz. Möglich wäre, dass ein vergleichbarer Vertrag wie der Vertrag von Lodi zustande gekommen wäre.

Friedrich hätte vermutlich der Italienpolitik sogar Priorität einräumen müssen. Hätte er sich mit dem Konzilspapst verbunden, wäre der Erfolg dieser Verbindung auch davon abhängig gewesen, dass der römische Papst entmachtet oder ausgeschaltet wird, damit es nicht letztlich zu einem neuen Schisma kommen würde. Da doch sehr viel dafür spricht, dass Eugen nicht freiwillig abgedankt hätte beziehungsweise seine Anhänger zum Konzil übergelaufen wäre, hätte Friedrich wahrscheinlich einen militärischen Romzug unternehmen müssen. Damit aber hätte er sich in die italienischen Konflikte zwischen den dortigen Staaten verstrickt, aus denen er sich lebenslang sehr erfolgreich herausgehalten hat.

(26.04.2020 20:58)Sansavoir schrieb:  2. Francesco Sforza wäre nicht Herzog von Mailand, Ferrante I. nicht König von Neapel geworden.

Möglicherweise hätte seine Bindung an das Haus Savoyen Friedrichs Handlungs- und Entscheidungsspielraum in beiden Fällen wesentlich eingeschränkt. Da Margarita von Savoyen erst um 1480 starb und zudem fruchtbar war, hätte Friedrich jedenfalls keine Ehe mit der Infantin Eleonore von Portugal eingehen können, die immerhin die Nichte von König Alfonso, dem Vater von Ferrante I., war. Es spricht eigentlich nichts dagegen, dass Alfonso von Aragon sich bei dem Erbfolgestreit gegen die Anjous ("le bon roi" René) nicht behauptet hätte und dass sein Sohn Ferrante ihm nicht nachgefolgt wäre.

Margarita war in erster Ehe mit Ludwig von Anjou (Bruder von René) verheiratet gewesen, den Königin Johanna II. von Neapel ursprünglich als ihren Nachfolger eingesetzt hatte. Ursprünglich waren die Anjous (mit Anspruch auf die Krone von Neapel) also mit dem Haus Savoyen (Familie von Papst Felix V.) verbündet. Dazu müssten die Fakten überprüft werden, aber auf den ersten oberflächlichen Blick spricht eigentlich nichts dagegen, dass gegen eine Allianz zwischen Anjou und Savoyen eine Allianz zwischen dem römischen Papst und Aragon eine recht plausible Maßnahme gewesen wäre.

Als Verbündeter des Hauses Savoyen wäre Friedrich eindeutig zum Gegner des römischen Papstes und somit auch des Königs von Neapel geworden. (Dazu kommt noch, dass das Königreich Neapel zumindest noch theoretische Ansprüche auf die ungarische Krone hatte, Friedrich aber zu dieser Zeit der Vormund des ungarischen Königs (Ladislaus Postumus) war. Das hätte ein weiterer Konfliktherd werden können und nebenbei hätte sich das auch negativ auf Friedrichs eher positive Beziehung zur Republik Venedig auswirken können.)

Die Chancen, dass Ferrante in diesem Fall König von Neapel geworden wäre, halte ich für sehr wahrscheinlich.

Wer in Mailand letztlich geherrscht hätte, da lässt sich wirklich spekulieren. Friedrich selbst hat als König / Kaiser Francesco Sforza nie als Herzog von Mailand anerkannt. Er hat allerdings auch nichts unternommen, ihn etwa aus Mailand wieder zu vertreiben. Es dürfte für Friedrichs Politik nicht von entscheidender Wichtigkeit gewesen sein, wer tatsächlich in Mailand herrschte, andererseits gab es aber auch keinen Grund für Friedrich Francesco Sforza als Verbündeten zu haben, also nahm er den Statusquo hin, unterließ aber alles, um ihn rechtskräftig zu machen.

Charles von Orleans, der Neffe des letzten Visconti-Herzogs von Mailand befand sich seit 1415 in englischer Gefangenschaft und hatte wesentliche andere Sorgen, als seinen Anspruch auf Mailand geltend zu machen. Von dieser Seite war für Friedrich noch keine Gefahr zu erwarten.

Bei einem militärischen Romzug hätte Friedrich wohl doch die Notwendigkeit gehabt, Francesco Sforza entweder durch eine Anerkennung als Herzog zum Verbündeten zu gewinnen oder durch einen für ihn passenderen Kandidaten zu ersetzen.
Eine Anerkennung hätte allerdings Probleme für ihn bedeutet.

Blenden wir zurück:
Charles von Orleans war ein Enkel des ersten Herzogs von Mailand über seine Mutter. Dieser war zum Herrn von Mailand aufgestiegen, in dem er seinen Vorgänger Barnabo Visconti (der außerdem sein Onkel und sein Schwiegervater war) absetzen und vermutlich auch ermorde ließ. Wenzel der Faule hatte ihn dann zum Herzog von Mailand erhoben, was die Reichsfürsten im Heiligen Römischen Reich negativ aufgenommen hatten.

Bernabo Visconti hatte zahlreiche legitime und illegitime Töchter, mehrere Töchter waren mit wichtigen Reichsfürsten verheiratet und einige mit weiteren Herrschern. Theoretisch hätten eine ganze Reihe von Reichsfürsten ebenfalls auf Mailand Ansprüche erheben können.

Hätte Friedrich im Rahmen eines militärischen Romzuges die Verhältnisse in Mailand neu zu ordnen versucht, so wären für ihn vor allem zwei Möglichkeiten naheliegend gewesen:
- Friedrich selbst, seine Großmutter war Verde (auch Viridis) Visconti und immerhin die älteste Tochter von Barnabo Visconti.
- jemand ein Sohn von Papst Felix V., denn dessen Tochter Maria (die Schwester von Margarita) war die letzte Ehefrau von Filippo Maria Visconti (der Vorgänger, den Francesco Sforza beerbte) gewesen.
Ob eine solche Lösung allerdings zu verwirklichen gewesen wäre … es hätte genügend Widerstand gegeben.

(Friedrich mag zu Recht befürchtet haben, dass dieses Haus Savoyen als angeheiratete Familie letztlich mehr Ärger als Vorteile für ihn bringen würde.)

(26.04.2020 20:58)Sansavoir schrieb:  6. Die Eroberung Südosteuropas durch die Osmanen wäre so abgelaufen, wie es tatsächlich geschah.

Dem kann ich nur zustimmen.

---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
30.04.2020, 17:26
Beitrag: #4
RE: Der Papst wird Schwiegervater des Kaisers ...
Wie immer: ein sehr guter Beitrag.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds