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Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
05.03.2021, 21:04
Beitrag: #1
Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
Vielleicht ein Beispiel aus dem Mittelalter, das für eine Diskussion, das eine oder andere historische psychologisch zu beleuchten, geeignet sein könnte.
"Cherchez la femme ..."

Vor einiger Zeit habe ich einen unbekannten, älteren historischen Roman von einer gewissen Katharina Hoffmann gelesen: "Der reichste Fürst", publiziert Anfang der 1920er-Jahre. Offensichtlich war die Dame auch Jugendbuchautorin, im Schwäbischen beheimatet und katholisch, mehr habe ich über sie nicht herausgefunden.

Ihr Roman erzählt die Lebensgeschichte des Grafen und Herzogs Eberhard "im Bart", worauf auch der Titel verweist. Anders als heute war es damals in Romanen durchaus üblich das ganze Leben einer historischen Person von der Geburt / Jugend bis zum Tod zu erzählen, wobei die Darstellung sich durchaus an dem orientierte, was damals als historisch gesichert galt beziehungsweise widergibt, wie man sich das halt damals vorgestellt hat. Wie in vielen älteren historischen Romanen ist daher schwer zu entscheiden, ob historische Ungenauigkeiten, Unrichtigkeiten oder gravierende Fehler in Kauf genommen wurden, der Schlamperei geschuldet waren oder auf die damalige Sekundärliteratur beziehungsweise damaligen Zeitgeist und Wahrnehmung zurückzuführen sind. (Dass in den Buch einige historisch belegte Rahmenbedingungen unrichtig sind, ist allerdings für den Kontext dieses Threads nicht wichtig.)

Im Roman hat der spätere erste Herzog von Würtemberg eine Jugendgeliebte (Tochter eines Hofangestellten, Typus "braves Bürgermädchen"), deren Tod er tragisch verschuldet und die deswegen postum als vermeintliche Selbstmörderin kein christliches Begräbnis erhält. (In Wirklichkeit hat sie sich in der Gewitternacht nicht selbst getötet, sondern ist tödlich verunglückt.) Seine Mutter , die legendenumwobene Mechthild von der Pfalz, vermittelt Eberhard im Roman die Ehe mit Barbara, hier eine liebevolle, aber zarte Ehefrau und die einzige Tochter von Mechthilds bester Freundin. (Die Freundschaft der Mütter hat eindeutig keine historische Grundlage und historische Barbara von Mantua hatte mehrere Brüder und Schwestern, während sie im Roman geliebtes, einziges Kind ihrer Eltern ist).

Die Frau allerdings, die sozusagen fast das gesamte Leben von Eberhard bestimmt, ist aber seine Mutter Mechthild. Mechthild hat im Roman ihr Leben auf ihre Kinder und besonders auf Eberhard ausgerichtet. Als die würtembergischen Stände beziehungsweise der Schwager Ulrich ihr die Kinder wegnehmen und diesen verbieten, die Mutter Sonntags zu besuchen, ist sie völlig verzweifelt. Eberhard ist ihr ein und alles (das sind die anderen Kinder zwar auch, aber die werden nur namentlich genannt und haben in dem Roman auch keine wirkliche Rolle außer dass es sie gibt). Mechthild tut alles für ihren Sohn und seine Karriere, wobei sie sich selbst nicht schont. Noch aus der Ferne und von ihm getrennt, wacht sie im Roman über seinen Lebenswegs. Als er einige Dummheiten macht, sorgt sie per Post dafür, dass er ihr zu Liebe wieder auf den rechten Weg gerät. Einen Konflikt mit dieser dominanten Mutter, der aus heutiger Sicht eigentlich zu erwarten wäre, findet aber nicht statt. In allen Schwierigkeiten steht Mechthild bis zu ihrem Tod (also fast den ganzen Roman hindurch) Eberhard zur Seite, meistens sind es ihre Ratschläge, ihr Geld oder andere Aktivitäten, die ihm weiterhelfen. Eberhards Darstellung als "Muttersöhnchen" ist im Roman durchgehend positiv inszeniert. (Im Roman ist diese Mutter sozusagen das Beste, was Eberhard passieren konnte.) Allzu subtil ist die Autorin mit ihrer Verherrlichung einer Sohn-Mutter-Beziehung nicht, an einigen Stellen wird die die Mutterliebe dezidiert als herrlichste Form von Liebe, die es überhaupt gibt, bezeichnet, und auch die Darstellung enthält nichts, was sie vielleicht ansatzweise in Frage gestellt hätte.

"Württembergs geliebter Herr" - ein Muttersöhnchen oder gar der Beweis dafür, was Mutterliebe alles bewirken kann? (Mir war das persönlich zu viel des Guten, aber das ist vielleicht auch Geschmacksache.)

Bleibt natürlich die Frage - war der historische Eberhard tatsächlich ein Muttersöhnchen? Ist die "Übermutter" Mechthild als eine psychologische Interpretation für Eberhards Werdegang auch mit Blick auf das, was überliefert ist, vorstellbar? Oder wäre sie zwar mit Blick auf das, was historisch gesichert scheint, in dieser Rolle vorstellbar, hat aber den Nebeneffekt, dass sie Eberhard als "bewunderungswürdigen" Politiker weniger aufwertet als nachhaltig beschädigt?

Ich selbst vermute, dass eine heutige Autorin oder ein heutiger Autor, die Mutter Mechthild in ihrer Funktion als dominante Übermutter entweder entschärfen oder noch mehr und vor allem als zweifelhafte Belastung für den historischen Eberhard ausbauen würde, je nachdem, ob sie als positive oder negative Frauenfigur fungieren soll.

Allerdings war die dominante Übermutter im Film Anfang des 21. Jahrhunderts durchaus in Mode, Beispiele dafür sind der Alexanderfilm mit Angelina Jolie, der Jesusfilm mit Jeremy Sisto oder der Napoleonfilm mit Christian Clavier.

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05.03.2021, 22:51
Beitrag: #2
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
Mir fallen zwei Dinge auf:
Das erste ist die überzogene Mutterdarstellung. Sie entpricht natürlich dem urkatholischen Mutterbild- die Mutter, die sich zum Wohl des Sohnes aufopfert und alles für ihn tut, damit er seine Ziele erreicht. Das ist ein altes römisches Motiv (das meiner Meinung nach mit Paulus in die Christliche Lehre gekommen ist, aber das ist wieder ein anderes Thema) und zeigt auch ganz gut auf, dass es Frauen im Mittelalter selten direkt, sondern nur über Beherrschung eines Mannes "zu etwas gebracht" haben.

Das zweite, was mir auffällt, ist die zeitliche Parallele des Romans zu Freud- und da liegt die Vermutung nahe, dass die Autorin in ihrer Ausgestaltung der Figurenkonstellation sich auch gegen Freuds Thesen zur Wehr setzen wollte.
Das ist aber nur eine Vermutung.

Einen historschen Roman psychologisch zu beleuchten, ist insofern schwierig, als dass der Roman ja nur das erzählt, von dem der Autor denkt, dass es so gewesen sein könnte. Psychologisch gesehen verrät also der historische Roman mehr über den Autor als über die historische Figur.

Aber warum sollte ein Konflikt zwischen Mutter und Sohn stattfinden? Wenn die Mutter wirklich alles zum Besten des Sohnes einrichtet, warum sollte ein so erzogener Sohn dagegen aufbegehren? Ein Aufbegehren würde es nur geben, wenn die Ziele der beiden nicht übereinstimmen. Aber dazu bietet dein Text keinen Anhaltspunkt.

Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
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06.03.2021, 01:33
Beitrag: #3
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
Mir ist noch etwas eingefallen, was mit der historischen Figur des Eberhard und der Mechthild wahrscheinlich gar nichts zu tun hat.

Ich kenne eine Mutter- Sohn- Konstellation, die genauso aussieht- die Übermutter, die für ihren Sohn alles tut, alles für seinen Erfolg und dergleichen mehr, und ich weiß auch, dass sich da viele wundern, dass der Sohn gar nicht aufbegehrt.
Mich wundert es nicht- denn es ist anders, als es nach außen erscheint. Der Sohn manipuliert seine Mutter, damit sie sich für ihn aufopfert und dafür sorgt, dass er alles bekommt, was er haben will.

Auch eine Deutungsmöglichkeit. Aber wie gesagt, das ist einfach ins blaue hineingeraten- ich habe heute abend zum ersten Mal von Eberhard und Mechthild gehört...

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07.03.2021, 17:29
Beitrag: #4
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
Ich denke, dass es falsch ist, Mechthild als Übermutter bzw. Eberhard als Muttersöhnchen darzustellen. Im 15. Jahrhundert haben Hochadlige ihre persönliche Lebensplanung der dynastischen Politik unterordnen müssen. Mechthild wurde als junge Frau mit vier Kindern Witwe, also brauchte sie einen Beschützer für sich und ihre Kinder bzw. für das Land Württemberg-Urach. Deswegen heiratete sie den habsburger Albrecht VI. und nachdem dieser gestorben war, war Eberhard volljährig. Der war halt so klug, seine Mutter in die Politik einzubinden. Sein letztlich politisch erfolgreiches Wirken zeigt, dass er keine schlechte Lösung gefunden hat.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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08.03.2021, 16:50
Beitrag: #5
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
Zu beachten bitte ich, dass sich Mechthild, wieder verwitwet, kaum Jahrzehntelang als mehr oder weniger selbständige Herrscherin der Grafschaft Hohenberg (+Böblingen etcetera) hätte halten könne, ohne den Rückhalt ihres Sohnes.
Mit anderen Worten "es kann auch genau anders rum gewesen sein" der Übersohn Eberhardt dominiert seine Mutter.
Auch ihr Versuch die Grafschaft Hohenberg ihrem Sohn zuzuschanzen, wird wohl eher auf des Sohnes "Miste gewachsen sein"

Nachstehend der mMn aktuelle Forschungsstand zu Mechthild

https://www.academia.edu/37339952/Werner...ff%C3%A4re

es gibt viel zu spekulieren.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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08.03.2021, 21:58
Beitrag: #6
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
Sehr interessanter Artikel.

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10.03.2021, 11:29
Beitrag: #7
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
Zitat:Im Roman hat der spätere erste Herzog von Würtemberg eine Jugendgeliebte (Tochter eines Hofangestellten, Typus "braves Bürgermädchen")

Da war das Vorbild verm. der zur Zeit der Romanentstehung regierende Wilhelm I v Württemberg der ziemlich sicher mit genau so einem "Bürgermädchen" (Tochter eines Leitenden aus der Landschaft) während seiner Zeit in Paris verheiratet war. Ob die Ehe rechtsgültig war, da streiten sich die Geister, die franz. Republik wollte sie aber anerkennen, was der herzgl. Vater abwehren konnte. Dem Sohn wars wohl pillepalle er hat sein ganzes Leben erhebliche Probleme wegen seiner Schwäche für schöne Frauen gehabt.

Eberhard hat, man beachte den Link, Oberndorf/N. erheblich unter Wert an Werner von Zimmern verkauft, der zdZ mit Mechthild liiert gewesen sein soll. Diese Liaison ist übrigens für den Nachruhm der Mechthild verhängnisvoll geworden, Siehe Zimmerische chronik

alles Siehe Link

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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10.03.2021, 20:30
Beitrag: #8
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
(05.03.2021 22:51)Bunbury schrieb:  Mir fallen zwei Dinge auf:
Das erste ist die überzogene Mutterdarstellung. Sie entpricht natürlich dem urkatholischen Mutterbild- die Mutter, die sich zum Wohl des Sohnes aufopfert und alles für ihn tut, damit er seine Ziele erreicht. Das ist ein altes römisches Motiv (das meiner Meinung nach mit Paulus in die Christliche Lehre gekommen ist, aber das ist wieder ein anderes Thema) und zeigt auch ganz gut auf, dass es Frauen im Mittelalter selten direkt, sondern nur über Beherrschung eines Mannes "zu etwas gebracht" haben.

Das zweite, was mir auffällt, ist die zeitliche Parallele des Romans zu Freud- und da liegt die Vermutung nahe, dass die Autorin in ihrer Ausgestaltung der Figurenkonstellation sich auch gegen Freuds Thesen zur Wehr setzen wollte.
Das ist aber nur eine Vermutung.

Einen historschen Roman psychologisch zu beleuchten, ist insofern schwierig, als dass der Roman ja nur das erzählt, von dem der Autor denkt, dass es so gewesen sein könnte. Psychologisch gesehen verrät also der historische Roman mehr über den Autor als über die historische Figur.

Aber warum sollte ein Konflikt zwischen Mutter und Sohn stattfinden? Wenn die Mutter wirklich alles zum Besten des Sohnes einrichtet, warum sollte ein so erzogener Sohn dagegen aufbegehren? Ein Aufbegehren würde es nur geben, wenn die Ziele der beiden nicht übereinstimmen. Aber dazu bietet dein Text keinen Anhaltspunkt.

Mit der Vermutung, dass die Autorin bei ihrer Figurenkonstellation gegen Freuds Themen zur Wehr setzen wollte, könntest du übrigens richtig liegen. Jedenfalls ist auffallend, dass Ideen wie ein Oedipuskomplex, die sich für den Roman angeboten hätten, nicht einmal ansatzweise vorkommen. (Eberhard ist zwar im Roman ziemlich eingeschnappt, als er erfährt, dass seine Mutter sich mit Erzherzog Albrecht verlobt hat, beruhigt sich nach einem Gespräch mit seinem besten Freund recht rasch. Ein wirklicher Konflikt mit seinem Stiefvater kommt nicht vor, auch eine mögliche Rivalität ist kein Thema)

Davon abgesehen ist auffallend, dass Liebesformen "außerhalb von Verwandtschaft" im Roman nur zweimal vorkommen, und beide Male kein glückliches Ende haben. In einem Fall bezahlt die verliebte unschuldige junge Frau mit dem Leben, in dem sie trotz aufziehendem Gewitter zum vereinbarten Rendezvous geht. Im anderen Fall läuft es in etwa nach der Formel: Zunächst tat er alles, um sie, die er schon immer geliebt hatte, zu kriegen (beziehungsweise als Ehefrau zu gewinnen). Nach der Eheschließung tat er nichts, um sie zu halten, sondern glänzt durch ständige "beruflich" bedingte Abwesenheit.

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10.03.2021, 23:32
Beitrag: #9
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
(07.03.2021 17:29)Sansavoir schrieb:  Ich denke, dass es falsch ist, Mechthild als Übermutter bzw. Eberhard als Muttersöhnchen darzustellen. Im 15. Jahrhundert haben Hochadlige ihre persönliche Lebensplanung der dynastischen Politik unterordnen müssen. Mechthild wurde als junge Frau mit vier Kindern Witwe, also brauchte sie einen Beschützer für sich und ihre Kinder bzw. für das Land Württemberg-Urach. Deswegen heiratete sie den habsburger Albrecht VI. und nachdem dieser gestorben war, war Eberhard volljährig. Der war halt so klug, seine Mutter in die Politik einzubinden. Sein letztlich politisch erfolgreiches Wirken zeigt, dass er keine schlechte Lösung gefunden hat.

In einem Roman könnte so eine Sicht, wenn sie überzeugend und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen umgesetzt ist, eine interessante Geschichte ergeben. Was die Historizität betrifft, können psychologische Überlegungen im besten Fall bei einer Annäherung interessante Ansätze liefern, allerdings sollten sie mit Vorsicht und ohne Deutungshoheit angewendet werden.

Bei Mechthild und Eberhard ist schon auffällig, dass beide offensichtlich auch in der Forschung häufig gemeinsame Aufmerksamkeit erfahren, wobei die Bilder, die bisher von Mechthild gezeichnet wurden, auch stark von der momentanen Sicht der Geschichtsforschung von Frauen abhängig sind.
Das Klischee, dass Frauen im Mittelalter rechtlos waren, aber über das Ehebett und auf indirekten Wegen über einen Mann Einfluss nahmen, ist bis heute verbreitet. Da sich solche nicht öffentlichen Zugänge gewöhnlich gar nicht mit Quellen belegen lassen, ist sehr vorteilhaft. Zudem dann die Chancen einer Verbreitung dieser Vermutung ausgezeichnet sind, und etwas, was mehrmals gelesen wurde, bereits als Tatsache gesehen wird. (Das auch dann, wenn das mehrmalige Lesen nur dem Umstand geschuldet ist, dass die Forscherinnen und Forscher von einander abgeschrieben haben. Heute kommt noch hinzu. Sobald eine Vermutung in einem populärwissenschaftlichen Geschichtsbuch publiziert wurde, ist sie für Wikipedia auch dann gültig, selbst wenn Urkunden und Quellen dem widersprechen oder andere Sekundärliteratur Gegenteiliges zumindest andeutet. Die Möglichkeit, auf Fragwürdiges in einem Wikipedia-Artikel hinzuweisen, ist von der Wikipedia-Führung, selbst wenn sich da zu in der Forschungsliteratur Indizien finden, sogar offiziell verboten.)

Bestes Beispiel dafür ist bei Mechthild die Gründung der Universität Freiburg. Für ihre Rolle als Mitbegründerin oder tatsächliche Gründerin gibt es keine urkundlichen Belege. Die baugeschichtlichen Belege, die gerne angeführt werden, dürften erst Jahre später entstanden sein.

Dafür, dass Mechthild die treibende Kraft hinter ihrem Ehemann war, gibt es keine Belege. Es gibt aber auch keine Belege, dafür, dass sie es nicht war.

Dass sie immerhin wegen Einkünfte aus einer Kirchenpfründe, welche Albrecht zur Dotierung der Universität bestimmt hatte, mit dieser prozessierte, ist belegt. Das dürfte als Indiz eher für die Theorie sprechen, wonach sie an der Gründung der Universität nicht beteiligt war.

Auch der Umstand, dass die Universität Freiburg ihre ersten Professoren aus Wien und nicht aus Heidelberg bezog, dürfte als Indiz eher gegen Mechthild als Gründerin, Mitgründerin oder Initiatorin sprechen.

Der Standort übrigens ebenfalls - für Mechthild wäre vermutlich eine Universitätsgründung in Rottenburg am Neckar oder einem anderen wichtigeren Ort in ihrem Wittum sicher interessanter gewesen.
Dass ein anderer Standort als Freiburg im Breisgau durchaus im Rahmen des Möglichen gewesen wären, deuten die Verhandlungen um die päpstliche Erlaubnis an. Für die Kurie jedenfalls wies Freiburg als Standort für eine Universität erhebliche Mängel auf. (Auch wenn diese vor allem deswegen hervorgehoben wurden, da die Kurie Interesse hatte, das Universitätsprojekt in Freiburg zu verhindern, da sie in ihm eine gefährliche Konkurrenz für ein anderes Universitätsprojekt gesehen haben dürfte.)

Da die Gründungsurkunde der Freiburger Universität das Modell für die Gründungsurkunde der Tübinger Universität war, ist ein Zusammenhang zwischen den beiden Universitätsgründungen sehr wahrscheinlich. Mechthild war zudem an der Gründung der Tübinger Universität tatsächlich beteiligt. (Dafür gibt es urkundliche Belege.) Aber ist das wirklich ein Indiz dafür, dass Mechthild auch an der Freiburger Universität beteiligt war?

Könnte Eberhard nicht selbst diese Idee gehabt haben oder vielleicht seine Räte?
Interessant ist auch, dass sich an Eberhards Hof Personen wie Georg von Ehingen findet, die zuvor bereits am Hof seines Stiefvaters Albrecht zu finden waren. Natürlich ist es verlockend, in Mechthild das Bindeglied zu sehen. Aber vielleicht brauchte Eberhard dazu nicht seine Mutter.

Ähnlich verhält es sich auch mit dem Aufsatz, auf den uns Suebe verwiesen hat und den übrigens bereits bekannt habe. Die Überlegungen dafür, dass Mechthild in den letzten Jahren ihrer Ehe in eine Liebesbeziehung mit einem verheirateten Adeligen verstrickt war und ihr Sohn diese mit einer materiellen Abgeltung für den Liebhaber beendete, wirkt sehr glaubwürdig. Dennoch sind es leider nur Indizien, auf denen diese Annahme aufbaut. Sie zeigt aber auch, wie wenig gesichert eigentlich die bisherigen "Mechthild-Bilder" sind.

Hätte sich Mechthild ohne Eberhard auf ihren Witwensitzen wirklich nicht halten können? War es wirklich Eberhard, der Mechthild dazu verführte, ihr Wittum ihm zu überlassen? Oder spielte Mechthild dabei doch eine aktivere Rolle.

Tatsache ist, dass sie in ihrem Testament Eberhard zu ihrem Universalerben einsetzte. Aber wen hätte sie sonst zu ihrem Haupterben machen können?

Nach seiner Volljährigkeit war Eberhard sozusagen der Familienchef seiner Linie. Nachdem Tod seines Onkels brachte er es zum Familienchef im Haus Württemberg. Mechthild, die etwa zu jenem Zeitpunkt, als Eberhard volljährig wurde, zum zweiten Mal verwitwete, hatte aus ihrer zweiten Ehe keine Kinder. (Hinzu kommt noch, dass die Stellung ihres zweiten Ehemannes innerhalb seiner Herkunftsfamilie durchaus brüchig war.) Eberhard war damit Mechthilds nächster männlicher Verwandter.

Auffällig ist, dass Mechthild bis zu ihrem Tod immer wieder Heidelberg besuchte, die Kontakte zu ihrer Herkunftsfamilie also nicht völlig aufgegeben hat. Wäre es vorstellbar, dass sie zumindest ihre Herkunftsfamilie gegen die Familie, in die sie in erster Ehe eingeheiratet hatte, ausspielte, um so ihren eigenen Handlungsrahmen und ihre eigenen Stellung zu sichern. Indem sie sich in zweiter Ehe mit einem Mann verheiratete, der einerseits vom Status her ihrer Herkunftsfamilie ebenbürtig war, andererseits aber weder zu dieser noch zu der Familie ihres ersten Ehemannes zugehörig, dürfte sich Mechthild noch ein weiteres Standbein gegen die Herkunftsfamilie und die Verwandten ihres ersten Ehemannes geschaffen haben. Es stellt sich allerdings die Frage, ob es Mechthild um ihren eigenen politischen und persönlichen Spiel- und Freiraum ging oder ob sie so die Stellung ihrer Kinder zu sichern versuchte.

Wollte sie so die Stellung ihrer Kinder sichern, stellt sich wiederum die Frage, ob dies aus Mutterliebe geschah oder aus Berechnung, um über die Stellung der Kinder ihre eigenen Position zu sichern.

Zu den Verwandten ihrer beiden Ehemänner (besonders mit den Brüdern ihrer Ehemänner) dürfte sie, soweit sich das beurteilen lässt, keineswegs gute Beziehungen gehabt haben.

Mein Eindruck ist, dass sie jedenfalls eine gute Netzwerkerin war. Es stellt sich auch die Frage, ob Eberhard als Reichsfürst später nicht von diesem Kontaktnetzwerk profitiert hat.

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11.03.2021, 12:27
Beitrag: #10
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
Zitat Theresa.
Zitat:In einem Fall bezahlt die verliebte unschuldige junge Frau mit dem Leben, in dem sie trotz aufziehendem Gewitter zum vereinbarten Rendezvous geht.

Noch eine Analogie zu Wilhelm.
Dessen 2. (3.)Frau Katharina hat spitz bekommen dass er ein Rendezvous hatte, und ist im Karacho an den Ort gefahren.
Dabei hat sie sich eine Lungenentzündung geholt und ist gestorben.
In sehr jungen Jahren.
Die Katharina hat bis heute in Württemberg den Ruf einer "Heiligen"

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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11.03.2021, 13:32
Beitrag: #11
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
(10.03.2021 23:32)Teresa C. schrieb:  In einem Roman könnte so eine Sicht, wenn sie überzeugend und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen umgesetzt ist, eine interessante Geschichte ergeben. Was die Historizität betrifft, können psychologische Überlegungen im besten Fall bei einer Annäherung interessante Ansätze liefern, allerdings sollten sie mit Vorsicht und ohne Deutungshoheit angewendet werden.

Das sollte bei aller Geschichtsschreibung eigentlich selbstverständlich sein, besonder wenn es aus einer Zeit stammte, in der nur wenige die Möglichkeit (und die Fähigkeit?) hatten, etwas aufzuschreiben. Gerade aus dem Mittelalter, in dem Dokumente zum größten Teil von Klerikern verfasst und verfielfältigt wurde, ist wohl keine halbwegs objektive Sicht auf Frauen in führender Stellung zu erwarten.
Das, was wir unter "Geschichtsschreibung" verstehen, ist nicht die wahre Geschichte. Es ist nur das, was diejenigen, die die Geschichte aufschrieben, die Nachwelt wissen lassen wollte. Auch das ist immer dem Zeitgeist unterworfen- und sollte bei der späteren Interpretation berücksichtigt werden. (Und nur gut, dass es damals noch keine Netztwerke gab, in denen sich sich absprechen konnten... und sich die Schreiber keineswegs einig waren... )
zwei Romane, die das recht amüsant auf die Schippe nehmen, sind Judith Merkle Rileys "Die Stimme" und "Die Vision"...

Was hier gegen eine psychologische Deutung spricht, ist nicht, dass die Deutung an sich ungenauer wäre als die Geschichtsschreibung, sondern schlicht und einfach, dass für eine eingigermaßen plausible psychologische Deutung nicht genug Daten vorliegen. Wenn ich deinen Ausführungen so folge, gibt es keine Beschreibung wie sich die beiden Personen in bestimmten (mehreren) Situationen verhalten haben- und damit läßt sich das psycholgisch nicht deuten.

Ganz anders verhält es sich z.B. bei Caesar. Nicht nur seine eigene Schrift, sondern auch die von Zeitzeugen erlauben eine gute Analyse seiner Psyche.

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14.03.2021, 22:46
Beitrag: #12
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
Ich habe mich jetzt in die mir zugängliche Literatur Eberhard betreffend "eingelesen".
Er hat sich ab Beginn seiner Volljährigkeit, die fiel mit dem Tod ihres 2.Ehemanns etwa zusammen, sehr oft um Rat bei ihr nachgefragt.
Zwei seiner außerehelichen Kinder hat sie ihm erzogen. (es gab aber einige mehr)
Die Idee zur Unigründung in Tübingen hatte er wohl selbst, aber sie hat ihn dabei nachdrücklich unterstützt.

Ihr Verhältnis war ab Beginn ihrer zweiten Witwenschaft zweifellos eng.
Wie es zuvor war, kann ich nicht beurteilen, fehlen mir Infos.
Teilweise ist zu lesen, dass er etliches an Jugendsünden auf dem Kerbholz
hatte.

Meine Meinung: Es war da wohl per Saldo ein geben und nehmen.

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15.03.2021, 20:20
Beitrag: #13
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
Zitat Teresa
Zitat:Davon abgesehen ist auffallend, dass Liebesformen "außerhalb von Verwandtschaft" im Roman nur zweimal vorkommen, und beide Male kein glückliches Ende haben.

Noja... Roman halt.
Sein Erzieher hat verlauten lassen, dass er alles andere als ein "zurückhaltender junger Mann" gewesen ist. Die stattliche Anzahl an Kindern die er anerkannt hat, lässt auch nichts anderes annehmen.
Sagenhaft ist dann noch von dem Überfall auf ein Nonnenkloster, verübt mit ein paar "Kumpels" die Rede. Bat
Ein richtiger Musterknabe halt Wilted_rose

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16.03.2021, 20:20
Beitrag: #14
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
Wobei mir jedenfalls vorkommt, dass Überfälle auf Nonnenklöster, um gewisse Fürsten und Adelige etwas Zweifelhaftes tun zu lassen, ein recht beliebtes Motiv sind. Eberhards wilde Jugend - im Roman darf er ein wenig über die Stränge schlagen, wobei er durchaus insofern entschuldigt wird, als Mama Mechthild fern von ihm ist, und er halt in schlechte Gesellschaft geraten ist. Das bleibt aber eine Episode. Durch den tragischen Tod der bürgerlich-unschuldigen Jugendliebe lässt die Autorin ihren Eberhard zur Besinnung kommen, danach ist er ein ganz Braver. Und wenig später bezieht Mechthild ihren Witwensitz in Rottenburg und ist damit wieder in seiner Nähe ...

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16.03.2021, 21:03
Beitrag: #15
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
(16.03.2021 20:20)Teresa C. schrieb:  Wobei mir jedenfalls vorkommt, dass Überfälle auf Nonnenklöster, um gewisse Fürsten und Adelige etwas Zweifelhaftes tun zu lassen, ein recht beliebtes Motiv sind. Eberhards wilde Jugend - im Roman darf er ein wenig über die Stränge schlagen, wobei er durchaus insofern entschuldigt wird, als Mama Mechthild fern von ihm ist, und er halt in schlechte Gesellschaft geraten ist. Das bleibt aber eine Episode. Durch den tragischen Tod der bürgerlich-unschuldigen Jugendliebe lässt die Autorin ihren Eberhard zur Besinnung kommen, danach ist er ein ganz Braver. Und wenig später bezieht Mechthild ihren Witwensitz in Rottenburg und ist damit wieder in seiner Nähe ...


Nähe ist relativ - Rottenburg - Urach aktuell ca. 1,5 bis 2 Stunden mit >100 Pferden zeitgenössisch 4 Rösser ca. 8 Stunden
Schlechte Gesellschaft??? Vielleicht waren seine Kumpane auch unvorsichtig in der Auswahl ihres UmgangsBig GrinCoolTongue
Aber, sollte irgendwas an der Episode aus der Zimmerischen Chronik stimmen, müsste sie für die erotischen Ausrutscher Verständnis gehabt haben.
Angel

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16.03.2021, 23:33
Beitrag: #16
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
Das mit den erotischen Ausrutschern - kam vielleicht darauf an, wer ihn begeht und in welcher Form?
War die Ehefrau schwanger, soll im Mittelalter dem Ehemann sogar der außereheliche Geschlechtsverkehr nahegelegt worden sein, da es die Vorstellung gab, dass Sex der Schwangerschaft schaden könne.

Wenn bei einem Reichstag, wo gewöhnlich viel los war und viele "Ausländer" vor Ort waren, sollen die Reichstädte auf die in ihren städtischen Frauenhäusern (damaliger Ausdruck für Freudenhäuser) "angestellten" Huren zurückgegriffen haben, sozusagen, um so die "braven" Ehefrauen und Töchter ihrer Stadtbürger und "ehrbaren" Einwohner zu schützen.

Wenn Männer fremdgingen, dürfte es auch bei der Beurteilung eine Rolle gespielt haben, wie diskret dabei vorgegangen wurde und inwieweit die Öffentlichkeit dabei informiert wurde. Offensichtlich machte es sehr wohl einen Unterschied, ob das Bordell am helllichten Tag und ganz öffentlich besucht wurde oder am Abend und unter Wahrung von Diskretion. Offensichtlich spielte es auch eine Rolle bei der Beurteilung, ob sich ein verheirateter Mann seine Hure ins Haus holte oder ob er zumindest insofern Rücksicht auf die Ehefrau nahm, indem er ihr die Möglichkeit gab, alles ignorieren zu können oder darauf achtete, dass sie nichts mitbekommen musste. Bei jungen Männern dürfte auch eine gewisse Toleranz gegeben gewesen sein, denn immerhin mussten sie später imstande sein, eine Ehe zu vollziehen.

Bei Frauen dürfte die Sache kritischer gewesen sein, zudem es nicht nur um Ehelichkeit der Kinder ging, sondern auch darum, dass der Ehemann gewöhnlich auch der Herr des Hauses war und er für den Ehebruch seiner Frau belangt werden konnte. (Eine Ehefrau dagegen unterstand dem Ehemann, also konnte sie zumindest rechtlich nicht belangt werden, wenn er Ehebruch beging.)

Solange der Ehebruch einer Frau nicht publik wurde, wäre es für Mann gegebenenfalls noch möglich gewesen, ihn zu tolerieren, aber spätestens, wenn der Ehebruch publik wurde, musste der Ehemann etwas unternehmen, damit er eben nicht am Ende noch als Zuhälter oder Mitschuldiger seiner Frau verurteilt wurde.

Sicher dürfte auch der Status der betroffenen Personen eine Rolle gespielt haben, die rechtliche Lage für den Stand oder den geographischen Bereich sowie die tatsächlichen Machtverhältnisse in Bezug auf die davon Betroffenen, und bei der Oberschicht auch die politischen Verhältnisse.

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17.03.2021, 15:57
Beitrag: #17
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
Jch habe mal Quergelesen,
"Das Haus Württemberg Herausgeber Sönke Lorenz" zZt das Standartwerk hierzu
da gab es zeitgenössisch jede Menge Wittwen, Tanten, Basen und Verschwägerte ums Haus Württemberg herum.
Und alle (soweit ich auf die schnelle das überprüfen konnte) hatten große Probleme mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche als Wittwe, mussten froh sein, wenn ihnen die Hälfte zugestanden wurde. Egal war zahlen hätte sollen, Habsburg, Pfalz, diverse bay. Wittelsbacher, Hohenzollern, Habsburg oder auch Württemberg. Nicht selten wurde unmittelbar nach einer Einigung die Zahlung wieder aufs neue veweigert.

Da hatte Mechthild schon "Glück".
Besser gesagt einen mächtigen Verbündeten

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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17.03.2021, 16:54
Beitrag: #18
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
Tja, die Liebe ist eine Himmelsmacht!


Nachdem Mechthild aber zwei dieser "Spuriuse" persönlich erzogen hat, kann man wohl unterstellen, dass sie Verständnis hatte.

NS: Hat nicht Kaiser Sigismund in einer Rede in Zürich die dortigen käuflichen Damen überaus gelobt?

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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17.03.2021, 21:02
Beitrag: #19
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
Oder sie tat das, was von ihr erwartet wurde. Dass zwei uneheliche Kinder bei Eberhards Mutter erzogen wurden, könnte übrigens auch ein Indiz dafür sein, dass Eberhard diese beiden Kinder besonders am Herzen lagen oder er sich von ihnen sehr viel versprochen hat. Jedenfalls könnte es auch Eberhards Wunsch gewesen sein.

Von Karl V. wissen wir zum Beispiel, dass eine uneheliche Tochter bei seiner Tante Margarete von Österreich, damals Stadthalterin der Niederlande, erzogen wurde. Sie wurde übrigens anerkannt und immerhin für Ehen mit Papstnepoten genutzt.

Louis von Orléans (ermordet 1407) ließ immerhin einen unehelichen Sohn zusammen mit seinem ehelichen Kindern erziehen. Seine Ehefrau war damit einverstanden und hatte es zu akzeptieren.

An Hof der Herzöge von Burgund (Haus Valois) wurden uneheliche Kinder mit den ehelichen Kindern erzogen.

Davon abgesehen aber habe ich inzwischen herausgefunden, dass die Anerkennung von unehelichen Kindern bestimmten Regeln unterlag. Offensichtlich war sie nur rechtlich möglich, wenn die Mutter zumindest den Status einer Freien hatte.
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Was König Sigismund (damals war er noch nicht gekrönter Kaiser) betrifft, wäre zu überlegen, ob diese Geschichte nicht eine Erfindung ist, um Sigismund je nach Absicht des Chronisten (oder seiner Auftraggeber) als unmoralischen oder lebenslustig-leutseligen Herrn zu zeigen, also gar nicht historisch, auch wenn sie im Zusammenhang mit einem historischen belegten Aufenthalt spielt. Eine Rolle mag außerdem gespielt haben, dass Sigismunds Besuch solo erfolgte, das heißt, ohne Ehefrau. Die Ehefrau wurde also nicht vor Ort durch diesen Bordellbesuch gedemütigt.

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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17.03.2021, 21:40
Beitrag: #20
RE: Eberhard im Bart als Produkt einer Übermutter?
(16.03.2021 23:33)Teresa C. schrieb:  Solange der Ehebruch einer Frau nicht publik wurde, wäre es für Mann gegebenenfalls noch möglich gewesen, ihn zu tolerieren, aber spätestens, wenn der Ehebruch publik wurde, musste der Ehemann etwas unternehmen, damit er eben nicht am Ende noch als Zuhälter oder Mitschuldiger seiner Frau verurteilt wurde.

Sicher dürfte auch der Status der betroffenen Personen eine Rolle gespielt haben, die rechtliche Lage für den Stand oder den geographischen Bereich sowie die tatsächlichen Machtverhältnisse in Bezug auf die davon Betroffenen, und bei der Oberschicht auch die politischen Verhältnisse.

Ich schweife mal kurz von Thema ab. Rodrigo Borgia, der spätere Papst Alexander VI. verheiratete seine langjährige Geliebte Vanozza de Catanei dreimal. Die ersten beiden Ehen dienten zum Vertuschen seines Verhältnisses, die dritte Ehe war eine Versorgungsehe für seine Ex-Geliebte. Alle drei Ehemänner waren in der Kirchenverwaltung beschäftigt und ihre Rolle als Alibi-Ehemann hat sich zumindest finanziell ausgezahlt. Während seines Papsttums führte Alexander VI. eine langjährige Beziehung mit Giulia Farnese.

Während Vanozzas Herkunft nicht eindeutig belegt ist, entstammte Giulia einer der wichtigsten adligen Familien des Latiums. Sie wurde mit einem jungen Mann aus dem bedeutenden römischen Geschlecht Orsini verheiratet.
Dieser musste wohl oder übel den Ehebruch seiner Frau hinnehmen. Vorteile haben die Orsini aus der Beziehung Giulias nicht gehabt. Aber ihre eigene Familie: Ihr Bruder Alessandro Farnese wurde 1534 Papst unter den Namen Paul III. Er rief 1545 das Konzil von Trient ein, mit dem die Gegenreformation eingeleitet wurde. Paul III. führte über 40 Jahre eine Beziehung mit Silvia Ruffini. Sie war die Ehefrau eines Kaufmanns, als sie ihre Beziehung mit Alessandro begann. Ihr Ehemann starb bald darauf ...

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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