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Fundleere Schichten, Krisengründe
20.05.2013, 10:52
Beitrag: #55
RE: Fundleere Schichten, Krisengründe
(19.05.2013 12:21)Suebe schrieb:  Zur Zeit versucht bei uns ein Historiker, Journalist im Brotberuf, nachzuweisen, dass die Römerherrschaft die Aufhebung des Limes als Militär und Zollgrenze mindestens 1 Jahrhundert überlebt hat. Und seine bisherigen Nachweise lesen sich nicht schlecht.

Mach deinen Journalisten-Historiker - wenn er´s nicht eh schon weiß - darauf aufmerksam, wo der Begriff "Baar" herkommt. Der entstand im frühen Mittelalter und lässt sich auf die Bezeichnung "huntari" zurückführen, der wiederum die deutsche Übersetzung des römischen Begriffs "Centenen" = Hundertschaft. Das waren Steuerbezirke!
Als um 800 die Franken neben dem Grafschaftssystem auch ein neues Steuersystem einführten, übernahmen sie diesen alten Begriff (vgl. Grundfragen der alemannischen Geschichte. Vorträge und Forschungen I. 1976, 4.Auflage. Darin die Beiträge von Theodor Mayer, "Grundlagen und Grundfragen" (besonders S.31) und Hubert Jänichen, "Baar und Huntari").
Es gab im damaligen (Nord-)Alamnnien sechs Bezirke, die "Huntari" genannt wurden, jeweils mit dem Namen eines Adligen + "Huntari" als Bezeichnung. Die Namen der Adligen wechselten mitunter, was bedeutet, dass diese Huntari von einem Adligen an den nächsten weitergegeben wurden und dabei auch den Namen wechselten, es waren also nicht erbliche Amtsbezirke.
Dabei tritt das Phänomen auf, dass gleichzeitig ein übergeordnetes System von "Baaren" bestand, die teilweise denselben Adligennamen trugen wie eine oder sogar mehrere der Huntari. Einer davon, Albuin, dürfte bis um 770 auch der Tribun von Alamannien gewesen sein.
Es gab also im Schwarzwaldgebiet einen Bezirk namens "Baar", der in mehreren Unter-"Baaren" aufgeteilt war, die wiederum den "Überbau" für die sechs "Huntari" abgaben.
"Baar" hat übrigens mit unserem heute noch geläufigen "Bar"(-geld) zu tun, die "Baaren" waren also ebenfalls Steuerbezirke.
Im 9.Jh. verschwindet das Amt des Tribunen und wird durch den "Comes" = Graf ersetzt. Zwischen 817 und 819 sind die Huntari dem Grafen der "Adalhardsbaar" unterstellt, und zwar allesamt, es gab also nur EINE Baar.
Der Name tradiert sich noch einige Zeit weiter in Verbindung mit Adligennamen, bis schließlich der alleinige Begriff "Baar" übrig bleibt, und zwar mittlerweile losgelöst von seinen verwaltungstechnischen Implikationen. Bis heute ist es ein reiner Landschafsbegriff.
Das Spannende nun daran ist nicht nur, dass es römerzeitliche Begriffe aus der Steuerverwaltung gab, die unter Karl dem Großen wiederbelebt werden konnten, also in ihrer Bedeutung noch fast 400 Jahre nach dem Ende des Weströmischen Reichs bekannt waren, sondern dass dies offenbar nicht nur auf den Bereich des westlichen Alamannien zutraf. Im Bereich des östlichen Rätien gibt es mehrere Orte, die ebenfalls "Baar" oder auch "Paar" heißen, daneben einen kleinen Fluss namens "Paar" (an dessen Mündung in die Donau Manching liegt). Jänichen bearbeitet in seinem Artikel nur die Region Baar im Schwarzwald. Seine Erkenntnisse lassen sich aber m.E. auch auf das östliche Rätien und diese Ortsnamen anwenden.
Statt den Flussnamen "Paar" auf ein vermutetes keltisches Wort aus dem Wortfeld "fließen" zurück zu führen, ist es m.E. logischer, dass der Fluss seinen Namen in germanischer Zeit von den beiden (!) Ortschaften namens "Baar" bzw. "Paar" bekommen hat, die knapp südlich seiner Mündung bzw. in der Nähe von Aichach an der sog. "Kleinen Paar" liegen.
Und diese Ortschaften (es gibt noch mehr gleichen Namens) müssten, wenn man Jänichens Erkenntnisse wie gesagt von einer Region auf eine Ortschaft herunterbricht, ebenfalls mit dem römischen Steuerbezirkssystem zu tun haben. Mindestens ist es wahrscheinlich, dass der bloße Zusammenhang mit Geld und Steuern die Benennung der Orte beeinflusst hat. Paar, Baar, Ober-/Unterbaar müssten also alle das Zentrum eines Steuerbezirks oder zumindest Verwaltungsbezirks dargestellt haben.

Auch hier also wieder ein Weiterleben römischer Verwaltungstradition in germanischer Zeit, Jahrhunderte nach dem Untergang des Weströmischen Reichs...

Ich werde diesen Artikel auch noch einmal im Bajuwaren-Thread einstellen, er passt hier genauso gut hin wie da.

VG
Christian
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Angeln , Sachsen und Jüten . - Luki - 26.06.2012, 19:43
RE: Fundleere Schichten, Krisengründe - 913Chris - 20.05.2013 10:52

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