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Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
02.06.2012, 14:24
Beitrag: #1
Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
"Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land" kaum ein Kirchenlied steht so für den Habitus der katholischen Kirche des 19. Jahrhunderts als das von Joseph Mohr. Dabei wird ein Kirchenbild propagiert, dass sich wie ein Strich durch die Moderne zieht und sich erst 1965 auf dem zweiten Vatikanum zur historischer Bedeutung läutern ließ.
Es geht um die Ausrichtung der Kath. Kirche, die zunehmend ihre Macht verliert, es geht um Glauben oder Gehorsam, es geht um Politik oder Theologie. Auf diese kritische Phase kannte der Klerus nur eine Antwort: die absolute Fixierung auf das Bischofskolleg und dem Past im Vatikan.

Es soll die Zeit werden, in der die Kirche den Anschluss an ihre Zeit verliert, es soll die Zeit werden, in der nur einwandfreie Katholiken ein Ghetto in Mitteleuropa bilden (Soceítas Perfekta). Es wird eine Zeit, in der eine theologische Begründung für Diktaturen gefunden werden soll - zu Nichte der geistigen Menschenrechte.

In dieser Serie will ich versuchen, den Ultramontanismus zu deskripieren, Probleme aufzuzeigen, die hohe Theologie verständlich zu machen und damit zu erklären, warum die Kirche bzw. der Klerus wenig populäres Ansehen genießt.

Je nach Stand meines Weiterkommens wird die Serie erweitert.

Euer Werner S.

P.S. Wers vorab nicht erwarten kann, dem kann ich empfehlen, sich doch mal mit dem Text Joseph Mohrs auseinader zu setzen.

Edit: Ich habe einen Zeitplan ausgearbeitet, denn ich so genau wie möglich einhalten will:

Folge 1: Was ist Ultramontanismus? Samstag, 9.06.2012.
Folge 2: "Wir sehen wahrlich den Höllenpfuhl offen" Kirche und Menschenrechte im Ulramontannismus 16.06.2012
Folge 3: Schwierig aber wichtig: Die Theologie der Ultramontanen. Das Erste Vatikanische Konzil 1870 - 1871* 14.07.2012
Folge 4 "Ein Haus voll Glorie schauet" - Die Soceítas Perfecta - Utopie oder reeles Ghetto? Die Modernistenkrise 21.07.2012
Folge 5: Der Schock - Kirche im dritten Reich. 28.07.2012

* Auch für Nichtgläubige interessant, ich werde mich bemühen so sachlich und präzise zu bleiben wie möglich, jedoch die Komplexität so zu nehmen, dass man sie auch ohne persönlichen Bezug zur Theologie versteht.

P.S. Zwischen den Beiträge ist auch immer genug Zeit und Platz für Fragen und Diskussionen. Wink

Wer die Vergangheit nicht achtet, dem kann es die Zukunft kosten

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04.06.2012, 17:09
Beitrag: #2
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Ein interessantes Thema, deshalb bin ich gespannt auf deine Ausführungen. Als Evangele kenne ich mich mit der Geschichte der katholischen Kirche zumindest in der Neuzeit nicht mehr so aus.
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09.06.2012, 10:14
Beitrag: #3
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Folge 1 Was ist der Ultramontanismus?

Eine Welt, die sich sehr schnell verändert, kann ihre Zeitgenossen schon mal überfordern. Die alte Welt bricht Anfangs des langen 19. Jahrhundert (also nach der französischen Revolution) langsam zusammen. Eine wichtigere Neuerung, Besitzgüter der Kirche werden säkularisiert, das heißt an weltliche Herrscher vergibt. Die katholische Kirche verliert ihre letzten Machthochburgen.
Dabei hat die Kirche ja schon genug Probleme. Die Aufklärung lässt der Religion nur noch eine pädagogisch-didaktische Rolle zukommen, man kann in einer beginnenden Industrialisierung schwerlich den Gläubigen Mut machen in einem sehr anstrengenden Leben noch an das letzte Himmelreich zu denken. Die Kirche ist seit längerem zudem in einem Prozess der Wahrheitsfindung, der diesmal wirklich schwer zu beseitigen ist – angesichts der ständig wechselnden Verhältnissen.

Theologen (vor allem Deutsche und Niederländische) stehen diesem Problem sehr gespalten gegenüber. Während die eine Seite sagt, die Kirche müsste sich an die Zeit anpassen um in einer Gesellschaft wie die Zeitgenössische fest verwurzelt zu sein, sagt die andere, eine liberale Gesellschaft werde den Glaube verderben. Durchgesetzt haben sich die Konservativen, die dachten, die Kunst der Liturgie sowie die Ausstattung der Kirche könne nur noch von denjenigen kommen, die rein katholisch sind damit kein schädliches Gedankengut in die Kirche mehr kommen kann. Vom den Sänger der Kirchenchöre über Organisten bis hin zu den Kirchgänger dürfen nur noch Katholische, nicht mal aus Mischehen katholische Menschen die Kirchen besuchen. Das Wort Ultramontanismus kommt aus dem lateinischen und besagt genau, dass man zum Vatikan schauen müsse (ultra montan = über Berge), also von deutscher Sicht über die Alpen, um Heil zu erfahren und um astrein als Katholik zu gelten.

Laut den Ultramontanisten ist es nur dem Papst in der Tradition erlaubt Lehren zu verbreiten, da dieser als Nachfolger Petrus Jesus Christus am nähsten steht und somit vom Hl. Geist erfüllt wird. Eine Lehrtradition wurde hiermit geschaffen und getragen. Wahrheit in der Kirche kommt also nur aus dem Munde des Papstes, es bedarf keiner/ weniger sonstiger Entscheidungsträger. Damit wurde der Kontrast zu den Protestantischen Kirchen sehr verstärkt: Während bei den Protestanten nur das Wort und die Schrift gilt (synodaler Machtaufbau), ist in der katholischen Kirche nur noch der Papst derjenige der den Anspruch auf Wahrheit im Glauben haben soll.

Für die Ultramontanisten galt eine Besinnung auf das mittelalterliche Ordnungsdenken, das jedoch seit der französischen Revolution obsolet geworden war. Jedoch bevorzugte man eine Pyramide, einen Stand der oberen, die gehorsam den Glauben lehren, nicht aus Überzeugung.
Dazu kommt die absolute Bekämpfung von allem Neuem was die Zeit bringt. Einige setzen sich gegen die Industrialisierung ein, jedoch war das nicht unbedingt ein Kernthema. Vielmehr stand die Bekämpfung der geistigen Freiheit im Vordergrund. Papst Gregor XVI erklärte in seiner Enzyklika Mirari Vos, dass die Wissenschaft Irrlehren verbreite, das man Bücher auf theologischen Wahrheitsgehalt zensieren soll und dass man am besten jede neue Publikation verbrennen solle. Die Angst vor liberalem Gedankengut war spürbar. Eine Welt mit liberaler Philosophie würde nie mehr einen Gott brauchen, könnte die Schöpfung missachten – und der sittliche Verfall der Menschheit würde den Heilsplan Gottes außer Kraft setzen. Ja – Gregor sah nach eigenen Worten „wahrlich den Höllenpfuhl“ offen. Auch in der Kritik nach innen zur Kirche ist der Papst nicht zimperlich. Die „Modernisten“*, also jene, die eine stärkere Verwurzelung in der modernen Gesellschaft durch Anpassung fordern, würden ebenfalls den Versuchungen nicht widerstehen und damit ebenfalls im Irrtum leben. Der Kampf zwischen dem Ultramontanismus und dem Modernismus wird zum symptomatischen Bild der katholischen Kirche im 19. Jahrhundert.

Der Ultramontanismus sieht sich unfehlbar in der Theologie. In der festen Meinung im Recht zu sein, glauben sie, vom Heilligen Geist erfüllt zu sein, da Jesus Christus das selbst versprochen hat, wo „Ein oder zwei in [s]einem Namen versammelt sind“ sei er „mitten unter Ihnen“ (Mt. 18,20). Gemeint ist die Erfüllung mit dem Heilligen Geist, der Vater und Jesus sendet, wenn sie sich in und für seinem Namen stark machen. Die Tatsache, dass eine Minderheit sich hier gegen die Modernisten durchsetzte, bestärkte diese Einstellung erst recht. Bis zum zweiten Vatikanischen Konzil werden alle Päpste diesem Habitus folgen.

Eines der wichtigsten Werke zur Feststellung der Wahrheit des Glaubens kommt von dem Theologen Heinrich Denzinger (1818 – 1883). Denzinger steht für die Tradition dieser ultramontanen Einstellung und veröffentlicht 1854 eine Quellensammlung „ Enchiridion Symbolorum“ in dem er ausnahmslos alle Quellenpapiere der Katholischen Kirche berücksichtigt, immer mit dem Blick, dass nur der Papst und das Bischofskollegium diese Entscheidungen getroffen haben. Seine Publikation steht aber historisch auf der Ebene der Enzyklopädien, die im 19. Jahrhundert erschienen sind. Kritiker sprachen von der „Denzingertheologie“, die als Wahrheitskriterium nicht gelten darf.

*Das Wort Modernisten verwendet Papst Gregor noch nicht. Auch wenn diese Gruppe gemeint war, tauchte der Terminus „Modernismus“ erst später auf.

Literatur zur Folge 1:


Arnold, Clauß, Neuere Forschungen zur Modernismuskrise in der katholischen Kirche. In: Theologische Revue 99, 2003. S. 91 – 103.

Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1866 – 1918. Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1990 (Bd. 1).

Stuflesser, Martin / Winter Stephan: Wo zwei oder drei versammelt sind. Was ist Liturgie?, Regensburg 2004.

Matthäus 18,20


http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Denzinger [zuletzt aufgerufen 02.06.2012. 15:20 h].

Folge 2: „Wir sehen wahrlich den Höllenpfuhl offen“ - Kirche und Menschenrechte im Ultramontanismus

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10.06.2012, 12:45
Beitrag: #4
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Wäre ganz nett, ne Rückmeldung zu bekommen (ich weiß nie wie ich Schweigen interpretiren soll)Thema nicht interessant? Text zu fehlerhaft? Zu unverständlich? Fragen zu dem Text?

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10.06.2012, 12:57
Beitrag: #5
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
(10.06.2012 12:45)WernerS schrieb:  Wäre ganz nett, ne Rückmeldung zu bekommen (ich weiß nie wie ich Schweigen interpretiren soll)Thema nicht interessant? Text zu fehlerhaft? Zu unverständlich? Fragen zu dem Text?

Ich hoffe mal, dass der Text nicht fehlerhaft ist.

Das Thema ist hochineressant, aber nicht einfach.

Dass ich nichts geschrieben habe, lag daran, dass ich (außer den Fakten aus deinem Text) keine Ahnung vom Thema habe und für mich der Text einfach gut war. Ich hätte "Sehr gut" oder "Recht hast du" schreiben können, mehr aber nicht.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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10.06.2012, 13:02
Beitrag: #6
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Wenn man aber nichts zurück bekommt, dann verunsichert das auch. Aber ich habe schon meine Quellen, d.h. inhaltliche Fehler sind keine drinne, vlt aber auch Rechtschreibfehler. Und wenn die Rechtschreibung eben nicht stimmt, dann ließt man das auch nicht gerne.

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10.06.2012, 13:22
Beitrag: #7
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
(09.06.2012 10:14)WernerS schrieb:  Eine Welt, die sich sehr schnell verändert, kann seine Zeitgenossen schon mal überfordern.
Eine Welt, die sich sehr schnell verändert, kann IHRE Zeitgenossen schon mal überfordern.
(die Welt ist weiblich, rein grammatisch)
(09.06.2012 10:14)WernerS schrieb:  Besitzgüter der Kirche werden säkularisiert, dass heißt an weltliche Herrscher geben die katholische Kirche allen voran verliert ihre letzten Machthochburgen.
Besitzgüter der Kirche werden säkularisiert, DAS heißt an weltliche Herrscher VERgeben. Die Katholische Kirche allen voran verliert ihre letzten Machthochburgen.
Das schreibt man mit einem "s", Besitzgüter werden "VERgeben" und am Ende dieses Satzes fehlt ein Punkt.
(09.06.2012 10:14)WernerS schrieb:  Jedoch bevorzugte man eine Pyramide [an dieser Stelle fehlt ein Bindestrich] einen Stand der oberen, die gehorsam den Glauben lehren, nicht aus Überzeugung.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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10.06.2012, 14:08
Beitrag: #8
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Hey Werner,

liegt sicherlich nicht an der Rechtschreibung oder so.
Ist einfach ein sehr tiefes Thema. Mal eben drüber lesen und dann was dazu posten ist da sehr schwer. Deswegen bleiben die Beiträge sicherlich aus.
Vielleicht interessiert es auch nicht alle, aber das muss es ja auch nicht, oder?

Setze die Serie doch einfach fort. Vielleicht ergibt sich dann noch was Exclamation Smile

Der vernetzte Mensch von heute gerät in Gefahr,
die globalisierte Welt als eine Ansammlung von Zitaten zu erleben.

Doug Mack
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10.06.2012, 14:31
Beitrag: #9
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Danke, Maxdorfer, werds korriegieren.

Zitat:Ist einfach ein sehr tiefes Thema.

Sagen wir mal so: ich gehe halt tief rein, könnte man gewiss auch Oberflächlicher machen.

Zitat:Vielleicht interessiert es auch nicht alle, aber das muss es ja auch nicht, oder?

Wenn ich es schreibe schon Tongue . Nee im Ernst, es gibt eigentlich auf die zur Zeit "gefühlte Kirchenhetze" schon Antworten. Und ich missbrauche das Thema auch ein bisschen um zu testen wie es mir gelingt komplizierte Dinge einfach so beschreiben, dass sie verständlich werden.

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10.06.2012, 17:31
Beitrag: #10
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
(10.06.2012 12:45)WernerS schrieb:  Wäre ganz nett, ne Rückmeldung zu bekommen (ich weiß nie wie ich Schweigen interpretiren soll)Thema nicht interessant? Text zu fehlerhaft? Zu unverständlich? Fragen zu dem Text?
Ich finde den Text gut und sehr erkenntnisreich. Smile
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10.06.2012, 23:01
Beitrag: #11
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Warum solltest Du nicht weiter schreiben, Du behandelst doch ein interessantes Thema. Und Gregor XVI. (oder Pius IX.) sind doch interessante Persönlichkeiten. Du kannst doch noch über das 1. Vatikanische Konzil schreiben oder die Stellung der Ultramontanen zur Industrialisierung, zur sozialen Frage der Arbeiter, zur nationalen Einheit Italiens, zum Kulturkampf Bismarcks, zu Adolph Kolping u.v.a. ...

Über Deinen Stil oder Deine Rechtschreibung brauchst Du Dir hier keine Gedanken machen.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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11.06.2012, 16:35
Beitrag: #12
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
(10.06.2012 23:01)Sansavoir schrieb:  Warum solltest Du nicht weiter schreiben, Du behandelst doch ein interessantes Thema. Und Gregor XVI. (oder Pius IX.) sind doch interessante Persönlichkeiten. Du kannst doch noch über das 1. Vatikanische Konzil schreiben oder die Stellung der Ultramontanen zur Industrialisierung, zur sozialen Frage der Arbeiter, zur nationalen Einheit Italiens, zum Kulturkampf Bismarcks, zu Adolph Kolping u.v.a. ...

Über Deinen Stil oder Deine Rechtschreibung brauchst Du Dir hier keine Gedanken machen.

Natürlich möchte ich auch, dass Werner weiterschreibt.

Den Stil und die Rechtschreibung geht deutlich schlimmer, also ist mir die auch nicht so wichtig. Korrigiert habe ich sie nur, weil Werner danach gefragt hat und nur dort, wo der Fehler das Satzverständnis hemmte.

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13.06.2012, 15:57
Beitrag: #13
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Die französische Revolution hat ja zunächst mal einem blutigen Regime den Weg bereitet, von dem auch die Kirche nicht verschont blieb. In Rom blieb wohl die Parole der Revolutionäre im Ohr hängen, die den damals regierenden Papst Pius VI. leichtfertig als "Pius den Letzten" bezeichneten. Das dürfte auch der Grund gewesen sein, dass in den folgenden zwei Jahrhunderten der bis dahin eher selten benutzte Papstname "Pius" zum häufigsten wurde (von Pius VII., der 1800 gewählt wurde bis Pius XII. der 1958 starb).

Bis ins 19. Jahrhundert hinein, war die Kirche tatsächlich der Ansicht, sie können nur über politischen Einfluss als Autorität wahrgenommen werden, weshalb sie den (schlecht organisierten) Kirchenstaat unbedingt halten wollte. Das Unfehlbarkeitsdogma diente auch der Kompensation des weltlichen Machtverlustes. Das entspringt aber nicht mittelalterlichem Denken. Gerade im Mittelalter herrschte ein vergleichsweise entspanntes Verhältnis zwischen Rom und den Ortskirchen. Das lag natürlich auch daran, dass das geistige Denken recht homogen war und nicht so sehr von radikal abweichenden Strömungen durchsetzt wurde, wie sie zunächst die Reformation, später dann Humanismus, Aufklärung oder Idealismus mit sich brachten. Beginnend mit der Reformation setzte auch ein römischer Machtanspruch ein, den es so vorher nicht gab. Das Trienter Konzil des 16. Jahrhunderts, setzte zwar die Römische Liturgie als Maßstab ein, nahm allerdings viel mehr Rücksicht auf Eigentraditionen als 400 Jahre später das Zweite Vatikanische Konzil. Die tridentinischen Beschlüsse änderten zunächst nichts an der liturgischen Viefalt in Europa. Am Beispiel Frankreichs läßt sich erkennen, dass der gallische Ritus erhalten blieb und später sogar durch einen neo-gallischen Ritus ersetzt wurde (aus dem Teile sogar in die Liturgiereform des 20. Jahrhunderts einflossen). Erst die Rundumschläge der Französischen Revolution haben die französischen Katholiken - wie des übrigen Europas - enger an Rom gebunden. Es zeigt sich, dass im 19. Jahrhundert bis auf die Diözesen Lyon und Mailand fast überall in Europa das Römische Meßbuch eingeführt war. Das war aber keine Vorgabe des Papstes, sondern eine Solidarisierung der Ortskirchen wie sie sie selbst zu Zeiten der Reformation nicht denkbar war.
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13.06.2012, 18:10
Beitrag: #14
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
(10.06.2012 12:45)WernerS schrieb:  Wäre ganz nett, ne Rückmeldung zu bekommen (ich weiß nie wie ich Schweigen interpretiren soll)Thema nicht interessant? Text zu fehlerhaft? Zu unverständlich? Fragen zu dem Text?

Ich bin so ein kleines bisschen in der ev. Kirche engagiert.
Sprich das Thema interessiert mich sehr, aber ich kann halt nicht mitreden.
Bitte schreib feste weiter.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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14.06.2012, 08:51
Beitrag: #15
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Ich bin jetzt erst dazu gekommen, das Thema zu lesen. (Für längere Texte aus fremden Interessengebieten braucht man Zeit) Das Thema gefällt mir aber gut, da es eine mir unbekannte Seite des 19. Jhd beleuchtet.
Wahrscheinlich kommst du in den Fortsetzungen noch auf meine Fragen zu sprechen?
-Der Ultramontanismus scheint mir eine extreme Reaktion auf Aufklärung, frz. Revolution und das Aufbegehren der unteren Stände zu sein. Die Reformation hatte ja Teile dieses veränderten Denkens aufgenommen und im 19. Jhd waren die Protestanten unabhängig von Rom. Gab es liberalere oder sozialere Strömungen innerhalb der katholischen Kirche?
-Wieweit prägte der Ultramontanismus den einfachen Katholiken?
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15.06.2012, 16:37
Beitrag: #16
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
(14.06.2012 08:51)Renegat schrieb:  -Der Ultramontanismus scheint mir eine extreme Reaktion auf Aufklärung, frz. Revolution und das Aufbegehren der unteren Stände zu sein. Die Reformation hatte ja Teile dieses veränderten Denkens aufgenommen und im 19. Jhd waren die Protestanten unabhängig von Rom. Gab es liberalere oder sozialere Strömungen innerhalb der katholischen Kirche?

Die gab es auf jeden Fall, einerseits, die als "Modernisten" (eher zweite Jahrhunderhälfte, Terminus negativ konnotiert) abgetanen Liberalen, die eher einen Kurs der bürgerlichen Gesellschaft wollten und die Kirche der breiten Masse zugänglich zu halten. Dann gab es auch in Frankreich eine katholische Arbeiterbewegungen z. B. Alfred Loisy, auf den ich später nochmals eingehen möchte, der aber auch mit seinem Vorhaben zu Nichte gemacht worden ist und vor allem gab es nach wie vor die Armutsbewegung der Franziskaner. Auch die christliche Gesellschaftslehre hat sich hier entwickelt, der sog. Kirchensozialismus das gegen die Arbeitermissstände kämpfte (z. B. Bischof Ketterer.).

Zitat:-Wieweit prägte der Ultramontanismus den einfachen Katholiken?

Das ist umstritten. Einerseits war die Einstellung auf intellektueller Ebene zu Hause. Also Professoren und Klerus, sowie einige niedrige Prälaten. Für den einfachen Katholiken war wichtig, rein katholisch zu sein, um zur "Socaitas Perfekta" zu gehören. Das führe ich weiter aus. Das ist aber genau die Zeit, in der Laien dann auch wirklich katholisch sein mussten bis hin zum Gottesdienstbesucher und der Kirchenmusik (kommt später ebenfalls nochmals). Also es bildete sich eine katholische Parallelgesellschaft so ein bischen abseits der Normalität. Man könnte sagen, dass die Kirche sich von protestantischen Einflüssen abschottete, obwohl das sicher als einfach Katholik nicht gwollt war. Aber wollte man im Kirchenchor singen, oder in der Liturgie engagieren, Kunstwerke anbieten man musste astrein katholisch sein. Was anderes wurde nicht zugelassen. Erst gegen den zweiten Weltkrieg hin löste sich die Kirche nach und nach davon.

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16.06.2012, 09:31
Beitrag: #17
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Zitat:Bis ins 19. Jahrhundert hinein, war die Kirche tatsächlich der Ansicht, sie können nur über politischen Einfluss als Autorität wahrgenommen werden, weshalb sie den (schlecht organisierten) Kirchenstaat unbedingt halten wollte. Das Unfehlbarkeitsdogma diente auch der Kompensation des weltlichen Machtverlustes. Das entspringt aber nicht mittelalterlichem Denken. Gerade im Mittelalter herrschte ein vergleichsweise entspanntes Verhältnis zwischen Rom und den Ortskirchen.

Ja eben, das ist das Neue am Ultramontanismus, dass die Fixierung auf Rom kommt. Bis heute noch hält Rom an der Weltkirche fest, die Einheit der Kirche. Das erwächst aus dem Neoplatonismus, dass alles zu einer Einheit zusammen laufen soll.

Das Unfehlbarkeitsdogma ist eine Umkehrung. In Glaubensfragen galt die Kirche ungeschrieben Reglementiert immer als oberste Autorität, im 19 Jahrhundert hingegen fiel es auf den Papst. Das ist aber auch nicht dermaßen neu, sondern aus der Frühkirche tradiert. Damals hatte der Bischof von Rom (also der heutige Papst), in Glaubensfragen die höchste Priorität neben dem Bischof von der Hauptstadt Konstantinopel und Jerusalem. Das Ganze geht auf die Linie zurück: Rom ist deswegen unfehlbar, weil es Indizien gibt, dass Petrus dort gestorben ist. Es entstand eine Petrologie: die Linie die gezogen wird, beginnt bei Petrus in Rom und endet mit dem jeweiligen Bischof zu der je aktuellen Zeit. Damit besaß vor allem im Westen Europas Rom schon dieses Ansehen, die Unfehlbarkeit im Glauben war somit rechtmäßig annerkannt, ohne das man das groß reflektiert hatte. Im 19. Jarhundert kam dann die Berufung darauf wieder zum Vorschein, die Dogmatisierung also sieht eine Zementierung vor, und dient vor allem dazu, sich - wie du gesagt hast - politisch wichtig bzw. wichtiger zu machen.

Dazu muss man auch sagen: Gregor hat mit Dictatus Papae eigentlich schon den Grundstein dafür gelegt. Als das Schisma zwischen Ost und West vollzogen war, stand Rom als Autorität alleine da, also der Anspruch, im Westen als Hort des Glaubens unangeforchten zu herrschen. Es ist klar, dass man sich dann - auch theologisch begründet - für unfehlbar halten kann.

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16.06.2012, 09:40
Beitrag: #18
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Folge 2 : „Wir sehen wahrlich den Höllenpfuhl offen“ - Kirche und Menschrechte im Ultramontanismus

„Um die Wahrheit sagen zu dürfen, jetzt ist die Stunde für die Mächte der Finsternis, welche die Kinder der Auserwählung sieben wie den Weizen. Wahrlich, es trauerte die Erde und sie zerfloß in Tränen, [...] geschändet von ihren Bewohnern, da sie die Gesetze übertraten, das Recht beugten, das ewige Bündnis zerbrachen.“ Mit diesen Worten reagierte Papst Gregor XVI (1831 – 1846) in seiner Enzyklika „Mirari Vos“ auf die Entwicklungen hin zu den Menschenrechten weg von der gottgegebenen Ordnung. Die Enzyklika, 1832 publiziert, ist eine einzige Kampfansage gegen die Menschenrechte, die 1789 erklärt worden sind. Die Zeit an sich, geprägt von fast schon ungewohnter politischer Ruhe, zeigte jedoch eine leichte liberalisierung in Mitteleuropa.

Der Papst sieht sich in einer Verteidigerolle, seine Haltung ist stark defensiv, häufig ist eine regelrechte Polemik herauslesbar. So etwa sieht er den freien Buchdruck als Gefahr, die niemals genug verurteilt werden können, ja er sei sogar abscheulich. Mit dieser Einstellung gegenüber den geistigen Freiheitsrechten brachte sich die Kirche viele Kritik ein. Gregors Antwort darauf ist allerdings wenig zimperlich: „Wir sehen wahrlich den Höllenpfuhl offen!“ Das ist wohl die stärkste Diffamierung der liberalen Bürgerschicht.

Im Gegenzug ist zu sagen, dass auch der Geist der französischen Revolution sich deutlich in der breiten Gesellschaftsschicht schon bemerkbar gemacht hat. Hieß es dort doch „reißt die Kirchtürme ein!“. Der Kirchtum als Zeichen für die Macht der Kirche, die dem Geist des Menschen widerstrebt. Die Menschenrechte werden in Mirari Vos abgelehnt, aber eben nicht alle – so nimmt Papst Gregor in dieser Enzyklika keinerlei Stellung auf das Recht auf Eigentum noch auf das Recht sich frei niederzulassen, sowie die Unschuldsvermutung bei Angeklagten. Daraus wird deutlich, was die Kirche eigentlich stört: Freiheit der Forschung, Gewissens- und Glaubensfreiheit. Auch das Modell der Demokratie wird zwar nun in wenigen Anspielungen gennant – deutlich wird aber, dass der hohe Klerus wohl nicht die demokratische Verfassung preferiert.

Die Ultramontanen sind abgeneigt gegen die geistige Menschenrechte. Jedoch scheint die Kirche noch das zu retten, was sie retten können – immerhin nehmen sich liberalere Theologen später der Arbeiterfrage an – so der Mainzer Bischof Johann Wilhelm Ketteler. Im Jahre 1864 verfasst er „Arbeiterfrage und Christentum“, greift aber in seinem Fazit ebenfalls den Liberalismus, hier die Gewerbefreiheit an: „Das ist der Sklavenmarkt unseres liberalen Europas, zugeschnitten nach dem Muster unseres humanen, aufgeklärten, antichristlichen Liberalismus und Freimaurertums“. Freimaurertum, antichristlichen Liberalismus, Humanismus alles Feindesbilder der ultramontanen Kirche, die geistige Freiheit verbreiten und Ursprung allem Übels seien.

Literatur zur Folge 2:

von Kettleler, Wilhelm Emanuel: DIe Arbeiterfrage und das Christentum. In Iserloh, Erwin (Hrsg.), Wilhelm Emanuel von Ketteler: 1811 – 1877,Paderborn, 1990. S. 79 – 85.

Papst Gregor XVI: Enzyklika Mirari Vos. In: Marmy, Emil (Hg.): Mensch und Gemeinschaft in christlicher Schau. Dokumente, Freiburg / Schweiz, 1945. S. 15 – 31.

http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Emm...n_Ketteler [aufgerufen 04.06.2012]

Folge 3: Schwierig aber wichtig: Die Theologie der Ultramontanen: Das erste vatikanische Konzil 1870 – 1871.

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10.07.2012, 16:33
Beitrag: #19
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Bisher wurde das Thema Ultramontanismus sehr stark als von Rom aus gesteuertes Phänomen beleuchtet. Dabei hängt dieser komplexe Entwicklungsprozess auch mit der Entstehung des Katholizismus als eigenständige soziale Formation im 19. Jahrhundert zusammen. Eine Wendepunkt in der jüngeren Kirchengeschichte war sicher das napoleonische Zeitalter. War vor der frz. Revolution das Kirchengut noch in der Hand des Adels stärkte dies den Einfluss regionaler Mächte auf die Kirche, so dass dem Papst - abgesehen vom Kirchenstaat - nur ein diplomatischer Einfluss verblieb. Im Übrigen agierte er als geistliche Autorität. Die Säkularisation und Enteignung verlangten im frühen 19. Jahrhundert eine Neuorientierung, die vom Heiligen Stuhl aus mit einer klugen Vertrags- und Konkordatspolitik eingeleitet wurde. Insbesondere gelang es Rom zunehmend das Recht der Bischofsauswahl an sich zu ziehen.
Das ist aber nur eine Facette in einem größeren Strukturwandel. Genauso wichtig war die Nutzung bürgerlicher Freiheiten zur Selbstorganisation, wie sie sich im 19. Jahrhundert in vielen Staaten Europas etablierten. Auf diese Weise erstanden katholische Vereine und Parteien wie es sie vorher nicht gab. Vor allem in protestantischen und laizistischen Staaten wie Deutschland oder Frankreich konnten sich solche Bewegungen mit einem Erblühen der Volksfrömmigkeit verbinden. Die Folge war, dass sich an vielen Orten - gerade von der Basis aus! - der Katholizismus als eine nach außen stark abgegrenzte und nach innen homogene Gruppierung entwickelte, die sich in Konkurrenz zu den Ideologien seiner Zeit verstand. Der Ultramontanismus war also auch eine Reaktion auf die Epoche der Ideologien (von der frz. Revolution bis zum Ende des II. Weltkriegs), wo er eine vergleichsweise gute Figur machte. Hier fügt sich auch der damals formulierte ausschließliche Wahrheitsanspruch der Kirche ein, der u.a. von der zeitgenössischen Vorliebe für die Scholastik begünstigt wurde.
Der Abschluss dieser Entwichlung war das Unfehlbarkeitsdogma und das Jurisdiktionsprimat, was wiederrum eine Sakralisierung und Verehrung des Papstes nach sich zog, wie es sie vorher nicht gab. Die Kirche als Einrichtung entwickelte sich zunehmend als Konkurrenz zum Nationalstaat (alledings in feudalistischen Strukturen). Da, wo der Nationalstaat seinerseits der Kirche entgegentrat - etwa Bismarck - entstand ein Solidarisierungseffekt der Gläubigen. Je prekärer die Situation der Katholiken wurde, desto mehr empfanden sie das geschlossene Milieu der Kirche als Zufluchtsort, als feste Burg, als ein "Haus voll Glorie". Das Kirchenlied von Mohr erstand 1876, der Kulturkampf war damals in vollem Gange.
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11.07.2012, 20:21
Beitrag: #20
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Zitat:Je prekärer die Situation der Katholiken wurde, desto mehr empfanden sie das geschlossene Milieu der Kirche als Zufluchtsort, als feste Burg, als ein "Haus voll Glorie". Das Kirchenlied von Mohr erstand 1876, der Kulturkampf war damals in vollem Gange.

Genau das kommt in der Folge zu der "Socaitas Perfcta".

Zitat: Hier fügt sich auch der damals formulierte ausschließliche Wahrheitsanspruch der Kirche ein, der u.a. von der zeitgenössischen Vorliebe für die Scholastik begünstigt wurde.

Aber der recht einseitigen Neoscholastik. Sie unterscheidet sich schon gewaltig von der Scholastik des Mittelalters. Gegenargumente werden in der Neuscholastik nicht zugelassen, sie ist nur ein Gefüge, dass die Entthese der mittelalterlichen Scholastik zur allgemeinverbindlichen Lehre (ver)kommen lässt.

Zitat: Bisher wurde das Thema Ultramontanismus sehr stark als von Rom aus gesteuertes Phänomen beleuchtet. Dabei hängt dieser komplexe Entwicklungsprozess auch mit der Entstehung des Katholizismus als eigenständige soziale Formation im 19. Jahrhundert zusammen.

Sehr angebrachte Kritik! Bisher habe ich bewusst darauf verzichtet die Umstände so zu nehmen; der Ultramontanismus kam eigentlich aus der Elite deutscher und niederländischer Theologen, die nach unten hin weiter getragen wurde durch Priester unter anderem.

P.S. Das Haus voll Glorie hat eine schöne Melodie. Big Grin

Wer die Vergangheit nicht achtet, dem kann es die Zukunft kosten

"Im übrigen, mein Sohn, lass dich warnen! Es nimmt kein Ende mit dem vielem Bücherschreiben und viel studieren ermüdet den Leib!" Kohelet 12,12
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