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Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
10.07.2012, 16:33
Beitrag: #19
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
Bisher wurde das Thema Ultramontanismus sehr stark als von Rom aus gesteuertes Phänomen beleuchtet. Dabei hängt dieser komplexe Entwicklungsprozess auch mit der Entstehung des Katholizismus als eigenständige soziale Formation im 19. Jahrhundert zusammen. Eine Wendepunkt in der jüngeren Kirchengeschichte war sicher das napoleonische Zeitalter. War vor der frz. Revolution das Kirchengut noch in der Hand des Adels stärkte dies den Einfluss regionaler Mächte auf die Kirche, so dass dem Papst - abgesehen vom Kirchenstaat - nur ein diplomatischer Einfluss verblieb. Im Übrigen agierte er als geistliche Autorität. Die Säkularisation und Enteignung verlangten im frühen 19. Jahrhundert eine Neuorientierung, die vom Heiligen Stuhl aus mit einer klugen Vertrags- und Konkordatspolitik eingeleitet wurde. Insbesondere gelang es Rom zunehmend das Recht der Bischofsauswahl an sich zu ziehen.
Das ist aber nur eine Facette in einem größeren Strukturwandel. Genauso wichtig war die Nutzung bürgerlicher Freiheiten zur Selbstorganisation, wie sie sich im 19. Jahrhundert in vielen Staaten Europas etablierten. Auf diese Weise erstanden katholische Vereine und Parteien wie es sie vorher nicht gab. Vor allem in protestantischen und laizistischen Staaten wie Deutschland oder Frankreich konnten sich solche Bewegungen mit einem Erblühen der Volksfrömmigkeit verbinden. Die Folge war, dass sich an vielen Orten - gerade von der Basis aus! - der Katholizismus als eine nach außen stark abgegrenzte und nach innen homogene Gruppierung entwickelte, die sich in Konkurrenz zu den Ideologien seiner Zeit verstand. Der Ultramontanismus war also auch eine Reaktion auf die Epoche der Ideologien (von der frz. Revolution bis zum Ende des II. Weltkriegs), wo er eine vergleichsweise gute Figur machte. Hier fügt sich auch der damals formulierte ausschließliche Wahrheitsanspruch der Kirche ein, der u.a. von der zeitgenössischen Vorliebe für die Scholastik begünstigt wurde.
Der Abschluss dieser Entwichlung war das Unfehlbarkeitsdogma und das Jurisdiktionsprimat, was wiederrum eine Sakralisierung und Verehrung des Papstes nach sich zog, wie es sie vorher nicht gab. Die Kirche als Einrichtung entwickelte sich zunehmend als Konkurrenz zum Nationalstaat (alledings in feudalistischen Strukturen). Da, wo der Nationalstaat seinerseits der Kirche entgegentrat - etwa Bismarck - entstand ein Solidarisierungseffekt der Gläubigen. Je prekärer die Situation der Katholiken wurde, desto mehr empfanden sie das geschlossene Milieu der Kirche als Zufluchtsort, als feste Burg, als ein "Haus voll Glorie". Das Kirchenlied von Mohr erstand 1876, der Kulturkampf war damals in vollem Gange.
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RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche - Marco - 10.07.2012 16:33

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