Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
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04.12.2012, 21:37
Beitrag: #1
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Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
Gruß in die Runde!
Was ja auch eine der Intentionen war, für das Thema des Neuen Lebendigen Forums die Kindheit und Jugend zu nehmen, war deren großer Einfluss auf diverse Aspekte der Geschichte, nicht nur gesellschaftliche, sondern auch politische und kulturelle. Deshalb hier meine Fragen an euch zu diesem Thema: - In wie weit hatte die Ausbildung einer breiten Masse einer Gesellschaft oder einzelner Schichten Einfluss auf die Geschichte dieses Volkes? Wo kann man solches zumindest vermuten? - Welcher Herrscher wurde in seinen außergewöhnlichen Handlungen durch seine ersten Lebensjahre/-jahrzehnte beeinflusst? Haben uns bekannte außergewöhnliche Menschen der Geschichte und ihre Handlungen eine Wurzel in der Kindheit? - Was kann man besonders aus den Antworten auf die erste Frage auf die heutige Zeit übertragen? Ich bin selber noch auf der Suche nach Antworten. Mal sehen, was uns so einfällt. VG Der Maxdorfer Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch) |
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04.12.2012, 23:36
Beitrag: #2
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
Hallo Maxdorfer,
ich versuche mal schnell Deine Fragen zu beantworten. (04.12.2012 21:37)Maxdorfer schrieb: - In wie weit hatte die Ausbildung einer breiten Masse einer Gesellschaft oder einzelner Schichten Einfluss auf die Geschichte dieses Volkes? Wo kann man solches zumindest vermuten?Zu dieser Frage fällt mir Brandenburg bzw. Preußen ein. Seit der Herrschaft des "Großen Kurfürsten" Friedrich Wilhelm wurde aus dem Adel und Teilen des Bürgertums eine nur dem Kurfürsten / König verpflichtete zivile Beamtenschaft und Offizierkorps gebildet. In deren Ausbildung wurde Wert gelegt auf Tugenden wie Ordnung, Fleiß, Pünktlichkeit, Genauigkeit usw. Diese Ausbildung wurde dann auch unter Friedrich I., Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. fortgesetzt. So dass man zuerst von preußischen, nach der Reichsgründung von 1871 sogar von deutschen Tugenden sprach bzw. spricht. (04.12.2012 21:37)Maxdorfer schrieb: - Welcher Herrscher wurde in seinen außergewöhnlichen Handlungen durch seine ersten Lebensjahre/-jahrzehnte beeinflusst? Haben uns bekannte außergewöhnliche Menschen der Geschichte und ihre Handlungen eine Wurzel in der Kindheit?Infolge ihrer schwierigen Kindheit entstanden Herrscherpersönlichkeiten, die zeitlebens mit ihrer Politik ihr Kindheitstrauma kompensieren wollten. Friedrich II. von Preußen durch die Misshandlungen seines Vaters. Wilhelm II. wegen seines missgebildeten Armes. Mary Tudor durch die Ablehnung ihres Vaters. Iwan IV., Peter I., Heinrich IV. (HRR) - alle wegen Ereignisse als Minderjährige unter fremder Regentschaft Ludwig XIV. wurde dagegen von seiner Mutter Anna von Österreich und Mazarin zu einem selbstbewussten, fast selbstgerechten, jungen Mann erzogen. Der Sonnenkönig glaubte schließlich selbst, dass er der Mittelpunkt der Welt ist. Dagegen wurde Ludwigs Bruder Philipp von Orleans jeglicher Wille gebrochen und jegliche Fähigkeiten unterdrückt. Das Ergebnis der Erziehung: einerseits der strahlende Sonnenkönig und andererseits ein willenloser Höfling, den später die Aufklärer als Beispiel der Dekadenz des Adels vorführten. (04.12.2012 21:37)Maxdorfer schrieb: - Was kann man besonders aus den Antworten auf die erste Frage auf die heutige Zeit übertragen? Wenn Du Lebensbeschreibungen von Herrschern liest, wirst Du oft feststellen, dass Erlebnisse der Kindheit und Jugend sehr prägend waren. Leider oft im negativen Sinn. Das trifft nicht nur für gekrönte Herrscher zu. So das war es erst einmal. Werde versuchen, noch weitere Beispiele zu finden. VG Sansavoir "Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero |
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05.12.2012, 02:25
Beitrag: #3
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(04.12.2012 23:36)Sansavoir schrieb: Wenn Du Lebensbeschreibungen von Herrschern liest, wirst Du oft feststellen, dass Erlebnisse der Kindheit und Jugend sehr prägend waren. Leider oft im negativen Sinn. Das trifft nicht nur für gekrönte Herrscher zu. Stimmt, nicht nur bei Herrschern ist es so das die Erfahrungen die in Kindheit/Jugend gemacht werden, auch für das spätere Leben prägend sind oder sein können. Würde sogar sagen, das es bei allen Personen so ist das, diese Erfahrungen einem nicht unmaßgeblich sowohl positiv als auch negativ beeinflussen. Da spielt übrigens nicht nur die Erziehung eine Rolle (wie es oft auf den 1. Blick gerne gesehen wird), sondern wohl das ganze Erleben. Ein Grund warum das Thema "Kindheit und Jugend" so extrem wichtig ist. |
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05.12.2012, 22:27
Beitrag: #4
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(04.12.2012 21:37)Maxdorfer schrieb: Gruß in die Runde! Ich glaube, man könnte für jeden dieser drei Unterpunkte einen eigenen Thread eröffnen... Interessant sind sie alle, diskussionswürdig allemal. Sollen wir nicht vielleicht die Herrscher, die von einem Erlebnis in ihrer frühen Kindheit massiv geprägt wurden, in einem Extra_Trhead sammeln? da ich mich gerade ein bißchen mit Amy Robsart, Robert Dudley und Elizabeth der I beschäftigt habe, könnte ich gerne einen beitrag darünber schreiben, inwieweit Elizabeth´ herrschaft davon geprägt war, daß ihr Vater ihre Mutter enthaupten ließ... Zum ersten Thema stelle ich mal die kühne These auf, daß ein Bildungssystem, in dem das Lernen sich vor allem auf das Auswendiglernen konzentriert, eine Bevölkerung hervorbringt, die ziemlich Obrigkeitshörig ist. Und nein, ich denke dabei nicht an Deutschland, sondern an das ehemalige Jugoslawien... Der Original Ausspruch eines serbischen Bauern zu zeiten von Milosevic war, er werde den anderen dann wählen, wenn der an der Macht sei... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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09.12.2012, 14:08
Beitrag: #5
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch) |
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09.12.2012, 15:13
Beitrag: #6
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(05.12.2012 22:27)Bunbury schrieb: Zum ersten Thema stelle ich mal die kühne These auf, daß ein Bildungssystem, in dem das Lernen sich vor allem auf das Auswendiglernen konzentriert, eine Bevölkerung hervorbringt, die ziemlich Obrigkeitshörig ist. Und nein, ich denke dabei nicht an Deutschland, sondern an das ehemalige Jugoslawien... Der Original Ausspruch eines serbischen Bauern zu zeiten von Milosevic war, er werde den anderen dann wählen, wenn der an der Macht sei... Das klingt ein bißchen nach Psychohistorie a la Loyd deMause, eine umstrittene Hypothese. http://de.wikipedia.org/wiki/Lloyd_deMause Er hält den allgemeinen Erziehungsstil und die Aufwachsbedingungen von Epochen für ursächlich für manche Entwicklungen in der Geschichte. Ein bißchen hatte ich mich mal damit beschäftigt. http://www.psychohistorie.de/diskussion/kurth.pdf Wer Lust hat, kann im Link näheres erfahren, aktuell habe ich ihn auch noch nicht gelesen. OT Will ich noch machen, zum besseren Wiederfinden parke ich ihn hier. |
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09.12.2012, 20:15
Beitrag: #7
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(05.12.2012 22:27)Bunbury schrieb: [...] Das ist absolut schlüssig. Es gibt nicht wenige, die sich mit plumpen Auswendiglernen leichter tun, als mit zusammenhängenden Verstehen von verschiedenenen Sachverhalten. Dabei wird m.E. das Auswendiglernen von Fakten in unserer Zeit durch einem permanent abrufbares Informationsüberangebot zuenehmend marginalisiert. Dazu kommt, dass es für den Lehrer mitunter einfacher ist, auswendig Gelerntes abzufragen, als sinnerfassendes Verstehen zu prüfen. (05.12.2012 22:27)Bunbury schrieb: Und nein, ich denke dabei nicht an Deutschland, sondern an das ehemalige Jugoslawien... Der Original Ausspruch eines serbischen Bauern zu zeiten von Milosevic war, er werde den anderen dann wählen, wenn der an der Macht sei... Was einem die Induktion aufdrängt, dass es für eine funktionierende Demokratie auch eine dafür sensibilisierte Bevölkerung braucht; die Genese einer Demokratie braucht ihre Zeit. Mitteleuropa hat dafür auch zweihundert Jahre benötigt. Das Fehlen dieser Sensibilität führt z.B. auch den westlichen Demokratieexport ad absurdum. MfG, Titus Feuerfuchs |
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10.12.2012, 11:27
Beitrag: #8
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
Was auf jeden Fall stimmt, dass totalitäre Regimes etc. ein gewisses Maß an Auswendig-Lernen brauchen. Freie Diskussion, eigene Erarbeitung einer Meinung etc. kann der vorgeschriebenen Meinung entgegenlaufen und das funktioniert schon mal überhaupt nicht.
Aber es dürfte schon zutreffen, dass sich die Nutzung des Gehirns mehr oder weniger abtrainieren lässt. Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch) |
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10.12.2012, 13:56
Beitrag: #9
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(10.12.2012 11:27)Maxdorfer schrieb: Was auf jeden Fall stimmt, dass totalitäre Regimes etc. ein gewisses Maß an Auswendig-Lernen brauchen. Freie Diskussion, eigene Erarbeitung einer Meinung etc. kann der vorgeschriebenen Meinung entgegenlaufen und das funktioniert schon mal überhaupt nicht. Nee, das stimmt doch nicht. Sind die Verhältnisse restriktiv, verwendet Mensch sein Gehirnschmalz darauf, ein einengendes, unterdrückendes System auszutricksen. Da braucht man doch nur in die DDR zu gucken, mit ihren komplizierten Tauschringen und dem Scheinwahren an der Oberfläche. Im Iran, Rußland, China und afrikanischen Militärdiktaturen würde ich ähnliche Verhaltensmuster erwarten. Menschen können unglaublich kreativ werden, um diktatorische Gewaltregime zu unterlaufen, auch wenn sie sie vordergründig nicht ändern können wegen des Gewaltmonopols. |
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10.12.2012, 22:14
Beitrag: #10
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(10.12.2012 13:56)Renegat schrieb: [quote='Maxdorfer' pid='15421' dateline='1355131671'] Ich denke nicht, daß das etwas mit der Nutzung des Gehirnes zu tun hat. Auch totalitäre Regimes haben ihre Genies. Was aber vermutlich keine Frage der Intelligenz ist, ist die Art und Weise zu denken. Nimmt man alles , oder hitnerfragt man kritisch? Schließt man sich aus Bequemlichkeit der vergegebenen Meinung an oder bildet man sich ein eigenes Urteil? Ich denke, hierzu kann die Art und Weise der Erziehung einiges beitragen. Jemand, der gewohnt ist, auswendig zu lernen, wird sich nicht unbedingt (es sei denn eine Notlage zwingt ihn dazu) damit beschäftigen, Dinge zu hinterfragen. Wer jedoch von vorneherein die kritische Auseinandersetzung gewohnt ist, der läuft nicht so leicht blindlings einer Ideologie hinterher... (10.12.2012 13:56)Renegat schrieb: Nee, das stimmt doch nicht. Sind die Verhältnisse restriktiv, verwendet Mensch sein Gehirnschmalz darauf, ein einengendes, unterdrückendes System auszutricksen. Da braucht man doch nur in die DDR zu gucken, mit ihren komplizierten Tauschringen und dem Scheinwahren an der Oberfläche. Oh, ich gebe dir durchaus recht, daß viele recht findig sind, sich auf ihre Weise mit dem System zu arrangieren. Geht ja auch nicht anders. Ob das jetzt wirklich eine Sache des Gehirnschmalzes ist, wage ich dann dennoch zu bezweifeln. Da sind andere Tugenden (oder Untugenden, je nach dem) gefragt... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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10.12.2012, 23:34
Beitrag: #11
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(10.12.2012 22:14)Bunbury schrieb: [...]Was aber vermutlich keine Frage der Intelligenz ist, ist die Art und Weise zu denken. Nimmt man alles , oder hitnerfragt man kritisch? Schließt man sich aus Bequemlichkeit der vergegebenen Meinung an oder bildet man sich ein eigenes Urteil?[...] Im Gegenteil, das ist ein Hauptmerkmal von Intelligenz. Vgl. dazu auch Kants Definition der Aufklärung. MfG, Titus Feuerfuchs |
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11.12.2012, 17:54
Beitrag: #12
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
Das hängt davon ab, welcher Definition von Intelligenz man folgt.
Es gibt viele Genies auf ihren Sachgebieten, die aber außerhalb dessen nichts hinterfragen. Denen kann man nicht unbedingt die Intellgenz absprechen. Aber das sind auch die, die das System nicht verändern... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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11.12.2012, 20:36
Beitrag: #13
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(11.12.2012 17:54)Bunbury schrieb: Das hängt davon ab, welcher Definition von Intelligenz man folgt. Das stimmt natürlich. Es gibt unzählige Definitionen von Intelligenz, eine einheitliche gibt es m.W. nicht. Die jenigen, welche in einem best. Gebiet sehr begabt sind, haben nicht selten auf anderen Gebieten solche Defizite, dass man meint, sie seien grenzdebil. Um Wissen zu akkumulieren und das in einem kleinen Spezialgebiet anzuwenden, braucht man ein gewisses Mindestmaß an Intelligenz, muss aber keinesfalls ein Genie sein. Etwas best. zu lernen, auch was Komplexeres, schaffen die meisten. Magelnde kognitive Fähigkeiten lassen sich bis zu einem gewissen Grad durch Fleiß, Ehrgeiz, Zielstrebigkeit,etc...kompensieren so und nun zum eigentlich sprigenden Punkt: Sich seines Verstandes ohne die Hilfe eines anderen zu bedienen, selbstständig und selbstreflektierend zu denken. Das kann man nicht lernen, das hat man oder eben nicht. Das hat auch so gut wie nichts mit dem Bildungsstatus zu tun. Für mich ist das das zentrale Merkmal von Intelligenz. Karl Mannheim nannte das "Freischwebende Intelligenz". http://de.wikipedia.org/wiki/Freischwebende_Intelligenz (11.12.2012 17:54)Bunbury schrieb: Aber das sind auch die, die das System nicht verändern... Hm... Du vergisst den mittelbaren Einfluß. Der Erfinder des PC veränderte das System genauso, wie der der Atombombe. Insofern haben auch oder gerade die Spezialisten auf einem best. wissenschaftlichen Gebiet eine große Verantwortung. Hier sind dann wieder so "unnötige" Wissenschaften wie z.B. Geschichte oder Philosophie gefragt, um mit solch neuen Entdeckungen umgehen zu können. Dürrenmat thematisiert das z.B. in seinem Werk "Die Physiker" . MfG, Titus Feuerfuchs |
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11.12.2012, 22:04
Beitrag: #14
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(11.12.2012 20:36)Titus Feuerfuchs schrieb: Um Wissen zu akkumulieren und das in einem kleinen Spezialgebiet anzuwenden, braucht man ein gewisses Mindestmaß an Intelligenz, muss aber keinesfalls ein Genie sein. Etwas best. zu lernen, auch was Komplexeres, schaffen die meisten. Magelnde kognitive Fähigkeiten lassen sich bis zu einem gewissen Grad durch Fleiß, Ehrgeiz, Zielstrebigkeit,etc...kompensieren Tja, da taucht sie schon auf, die berühmte Frage nach der Henne und dem ei. Denn seien wir ehrlich- ohne Disziplin, Ehrgeiz und Zielstrbigkeit erreicht man auch mit Intelligenz nichts. Es nutzt nichts, superintelligent zu sein, wenn man faul, ziellos und nihilistisch ist. Also muss man sich schon fragen, wie weit zur Entfaltung von Intelligenz vor allem die Disziplin notwendig ist... Ist ein disziplinierter Mensch dem Intelligenten nicht letztendlich haushoch überlegen? (11.12.2012 20:36)Titus Feuerfuchs schrieb: Sich seines Verstandes ohne die Hilfe eines anderen zu bedienen, selbstständig und selbstreflektierend zu denken. Das kann man nicht lernen, das hat man oder eben nicht. Das hat auch so gut wie nichts mit dem Bildungsstatus zu tun. Für mich ist das das zentrale Merkmal von Intelligenz. Du willst doch nicht etwa darauf hinaus, daß man Intelligenz nicht beeinflussen kann, oder? Damit würdest du 50 Jahre Hirnforschung einfach unter den Tisch fallen lassen. Heute, so zumindest mein Kenntnisstand, geht man im Allgemeinen davon aus, daß Intelligenz vor allem eine Frage der neuronalen Vernetzung ist. Je stärker diese Vernetzung ist, um so intelligenter ist der Mensch, umso komplexere Fragestellungen kann er beantworten. Nun ist es aber so, daß diese neuronale vernetzung durchaus beeinflussbar ist. Sicher, es mag menschen geben, die nur wenige Anreize benötigen, um ein recht komplexes Netz zu schaffen, und es mag andere geben, die auch mit vielen Anreizen nicht total vernetzt sind, aber letztendlich macht das, was unveränderlich ist, nur einen kleinen Teil aus. Viel entscheidender auf die Intelligenz ist, welchen Anreizen das kindliche Gehirn in der frühen Kindheit ausgesetzt ist. Zu viele dürfen es auch nicht sein, weil das Kind dann abschaltet. Zur Herausbildung von Intelligenz spielt beides eines Rolle- die Fähigkeit, neuronale Vernetzungen bilden zu können, aber auch die Anreize, um es dann wirklich zu tun. Schwer, das eine vom anderen zu trennen. (11.12.2012 20:36)Titus Feuerfuchs schrieb:(11.12.2012 17:54)Bunbury schrieb: Aber das sind auch die, die das System nicht verändern... Von der sie aber oftmals nichts wahrhaben wollen... (11.12.2012 20:36)Titus Feuerfuchs schrieb: Hier sind dann wieder so "unnötige" Wissenschaften wie z.B. Geschichte oder Philosophie gefragt, um mit solch neuen Entdeckungen umgehen zu können. Genau die werden aber aus der Bildung immer weiter eleminiert. Das sind die "unnötigen Geisteswissenschaften", wir brauchen ja unbedingt "Naturwissnschaften". Wir brauchen Ingenieure, die Dinge erfinden, aber nicht unbedingt geisteswissenschaftlich so geschult sind, daß sie auch die Verantwortung für ihre Entwicklungen übernehmen können. Ohne Bildungssystem läuft also nichts Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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21.12.2012, 11:12
Beitrag: #15
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(10.12.2012 23:34)Titus Feuerfuchs schrieb:(10.12.2012 22:14)Bunbury schrieb: [...]Was aber vermutlich keine Frage der Intelligenz ist, ist die Art und Weise zu denken. Nimmt man alles , oder hitnerfragt man kritisch? Schließt man sich aus Bequemlichkeit der vergegebenen Meinung an oder bildet man sich ein eigenes Urteil?[...] Das ist ein wichtiger Aspekt für diesen Thread: "Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen, dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt usw., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen. Daß der bei weitem größte Teil der Menschen (darunter das ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit, außer dem daß er beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte, dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben. Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben und sorgfältig verhüteten, daß diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperreten, wagen durften, so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie es versuchen, allein zu gehen. Nun ist diese Gefahr zwar eben so groß nicht, denn sie würden durch einigemal Fallen wohl endlich gehen lernen; allein ein Beispiel von der Art macht doch schüchtern und schreckt gemeiniglich von allen ferneren Versuchen ab. Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar liebgewonnen und ist vorderhand wirklich unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals den Versuch davon machen ließ. Satzungen und Formeln, diese mechanischen Werkzeuge eines vernünftigen Gebrauchs oder vielmehr Mißbrauchs seiner Naturgaben, sind die Fußschellen einer immerwährenden Unmündigkeit. Wer sie auch abwürfe, würde dennoch auch über den schmalesten Graben einen nur unsicheren Sprung tun, weil er zu dergleichen freier Bewegung nicht gewöhnt ist. Daher gibt es nur wenige, denen es gelungen ist, durch eigene Bearbeitung ihres Geistes sich aus der Unmündigkeit herauszuwickeln und dennoch einen sicheren Gang zu tun." Aus: Immanuel Kant: Beantwortung der Frage "Was ist Aufklärung" (Kernaussagen fett markiert). Anders ausgedrückt: Die Erziehung zu einem obrigkeitshörigen Menschen ist ein wichtiger Schritt, um unterwürfige und unkritische Personen zu schaffen, also solche, die ein Regime braucht. Dazu gehören mehr oder weniger auch die "Satzungen und Formeln", also das Auswendiglernen, besonders aber die Propaganda. Heutzutage gibt es das in aktualisierter Form in der Werbung. Wer zu faul ist, seinen Verstand zu benutzen, und zu feige, um sich von dem antrainierten Konsumverhalten abzuwenden, gerät in die besagte Unmündigkeit und unter die Diktatur der Wirtschaft. Das ist jetzt etwas pathetisch formuliert, aber nicht völlig aus dem Wind gegriffen. Die Frage sowohl bei der wirtschaftlichen als auch bei der politischen Unmündigkeit ist die, in wie weit das selbstverschuldet ist. Kants Definition von Aufklärung ist, dass diese der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit sei. "Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen." Und das liege, wie bereits zitiert, an Faulheit und Feigheit. Nun, und ist diese selbstverschuldet, sind die Menschen freiwillig unterwürfig. Ich würde das nicht so sehen: Die Faulheit ist dem Menschen angeboren (Steinzeitverhalten: nächste Mahlzeit ungewiss --> Energie sparen); die Feigheit wiederum wird im antrainiert, von Kindesbeinen an. Politische oder wirtschaftliche Mächte versuchen, sich seiner zu "bemächtigen". Hier setzen Diktaturen und Machthungrige den Hebel an, sie nehmen subtil Einfluss auf seine Denkweise. Formeln und Instuktionen sind da sicher eine der Möglichkeiten. Es ist also nicht schwer, obrigkeitshörige Menschen zu erzeugen. Um wieder auf den geschichtlichen Aspekt zurückzukommen: Mir fällt da als ein bemerkenswerter Sonderfall die römische Republik ein. Die Oberschicht war intelligent genug, um nicht ein Regime zu errichten, wie es schon schnell wieder gestürzt hätte werden können, wenn Menschen mit Denken anfangen und sich nach Freiheit sehnen. Nein, die Römer, Patrizier wie Plebejer lernten, dass sie in Freiheit lebten, eine Menge Rechte hatten, der Staat eine gemeinsame Sache (res publica) sei. Darüber bemerkten sie erst sehr spät, dass sie in Wirklichkeit gar keine Macht hatten; dass dieser anerzogene Begriff von Freiheit auch eine Art Diktatur war. Das hat dann wieder mit Kants Definition von Revolution etc. zu tun, doch das führt zu weit vom Thema weg. Ich werde mir in den Weihnachtsferien auch noch einmal die römische Kindheit und Erziehung anschauen. VG Der Maxdorfer Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch) |
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21.01.2013, 12:20
Beitrag: #16
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
Interessant ist auch die Erziehung und Pädagogik in der Sowjetunion. Deshalb habe ich mich einmal daran gesetzt, eine Biographie über Anton Semjonowitsch Makarenko zu schreiben, einen der bedeutendtsten Pädagogen unter Stalin.
Ich weiß nicht, ob die Biographie in diesen Thread passt, aber extra einen neuen Thread zu eröffnen, halte ich für übertrieben. Anton Semjonowitsch Makarenko wurde am 13. März 1888 (nach gregorianischem Kalender) in Belopolje im russischen Reich (das heute zur Ukraine gehört) geboren. Sein Vater arbeitete bei der Eisenbahn, seine Mutter war die Tochter eines Soldaten. Mit sechzehn Jahren beendete der junge Makarenko die Schule und nahm anschließend an einem Kurs teil, bei dem pädagogische Grundkenntnisse vermittelt wurden. Ab 1905 war er Lehrer an russischen Elementarschulen, 1912 bis 1917 studierte er in Poltawa, 1918 wurde er Schulleiter. In der Sowjetunion gab es damals kein offizielles Menschenbild, die Unruhen des Weltkriegs und die Russische Revolution waren noch nicht gänzlich abgeklungen. Die Ideologie, die sich die Revolutionäre zu Eigen gemacht hatten, war in den folgenden Machtkämpfen unbrauchbar geworden, weshalb es zu vielen pädagogischen Versuchen, aber zu keiner endgültigen dogmatischen Festlegung kam. Ein Beispiel dafür ist die Sicht auf der Familie: Die Meinungen reichten von ihrer völligen Befürwortung als Klein-Kollektiv bis hin zur Forderung ihrer Auflösung als ein Relikt der egoistisch-individualistischen Gesellschaft der Bourgeoisie. Und so befand sich auch der junge Makarenko auf der Suche nach einem geistigen Vorbild, nach einem Menschenbild, das seinen Vorstellungen so gut wie möglich entsprach. Er stieß schließlich auf die Schriften Maxim Gorkis, in dessen Werken sich all dies wiederfand, und die in der Zukunft zu seinem Leitbild wurden. Die Gemeinsamkeit von Gorki und Makarenko lag nicht allein in einer abstrakten Theorie vom Menschen, sondern auch in ihren Anschauungen und Zielen. Es ging ihnen darum, die Missstände in der russischen Gesellschaft – die beide aus eigener Anschauung kannten – zu beseitigen und im Sinne des Kommunismus den „neuen Menschen“ für eine sozialistische Gesellschaft zu schaffen. Im November 1920 wurde Makarenko mit der Resozialisierung jugendlicher Rechtsverletzer in einem von umherziehenden und plünderten Banden gefülltes Gebiet beauftragt. Verwahrloste Jugendliche, die sich nur mit Betteleien, Kriminalität oder Prostitution über Wasser zu halten versuchten, gab es damals zuhauf in der entstehenden Sowjetunion. In seiner Hilflosigkeit und seiner Überforderung entschloss er sich, die Schriften Gorkis erneut zu lesen. In der Tat ließen sich dort die ideologischen Grundbedingungen für seine Arbeit finden, aus denen er konkrete Herangehensweisen ableiten wollte und konnte. In einem heruntergekommenen Gebäude, das im Zarenreich eine „Besserungsanstalt“ gewesen war, sollte der zweiunddreißigjährige Pädagoge also seine „Kolonie“ errichten, um dort ein System für die soziale Erziehungsarbeit zu schaffen. Zur Verfügung gestellt hatte ihm das Volksbildungsamt der Sowjetunion etwas Geld für die Renovierung des Geländes und für die wichtigsten Einrichtungs- und Lehrgegenstände, einen bereits ergrauten Wirtschaftsleiter und zwei Erzieherinnen. „Kunden“ waren vorerst sechs Jugendliche. Makarenko sagte später zu diesem Augenblick: „Ich befand mich mit einem Petroleumlämpchen mit einem Rudel Banditen mitten im Wald. Ich erwies mich als pädagogisch hilflos und nannte unter den damaligen Bedingungen die Pädagogik eine Scharlatanerie.“ (zit. nach einem Dokument meines Großvaters, dort nach: Horst E. Wittig: Anton Semenovic Makarenko. Paderborn 1961. S. 155 f.) ...to be continued... Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch) |
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21.01.2013, 22:44
Beitrag: #17
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(21.12.2012 11:12)Maxdorfer schrieb: "Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen, dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt usw., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen. Daß der bei weitem größte Teil der Menschen (darunter das ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit, außer dem daß er beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte, dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben. Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben und sorgfältig verhüteten, daß diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperreten, wagen durften, so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie es versuchen, allein zu gehen. Nun ist diese Gefahr zwar eben so groß nicht, denn sie würden durch einigemal Fallen wohl endlich gehen lernen; allein ein Beispiel von der Art macht doch schüchtern und schreckt gemeiniglich von allen ferneren Versuchen ab. Man könnte es natürlich auch als "Unmündigkeit" bezeichnen, sich in der Definition sklavisch nach Kant zu richten. Wer sagt, daß Kant uneingeschränkt recht hat? Man kann vielleicht sagen, daß "Unmündig im Sinne Kants" genau das bedeutet, was du geschrieben hast, aber das heißt noch lange nicht, daß das "Unmündig" generell bedeutet. Kant ist nämlich von einer Gesellschaft ausgegangen, in der sich das Individuum sich bemühen muss, sich Informationen zu beschaffen, die der Weiterbildung dienen. Von einer Gesellschaft, in der Desinformation eine Folge von zuviel Information ist, ist Kant niemals ausgegangen... Deswegen bezweifle ich, daß die Kant´schen Definitionen auf die moderne Kommunikationsgesellschaft anwendbar sind... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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22.01.2013, 11:19
Beitrag: #18
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(21.01.2013 22:44)Bunbury schrieb: Man könnte es natürlich auch als "Unmündigkeit" bezeichnen, sich in der Definition sklavisch nach Kant zu richten. Wer sagt, daß Kant uneingeschränkt recht hat? Man kann vielleicht sagen, daß "Unmündig im Sinne Kants" genau das bedeutet, was du geschrieben hast, aber das heißt noch lange nicht, daß das "Unmündig" generell bedeutet. Kant ist nämlich von einer Gesellschaft ausgegangen, in der sich das Individuum sich bemühen muss, sich Informationen zu beschaffen, die der Weiterbildung dienen. Da hast du nicht unrecht. Deswegen darf man ja nicht einfach so Kants Texte unkommentiert posten oder verlinken, sondern sollte sie etwas in die heutige Zeit übertragen oder in den geschichtlichen Zusammenhang setzen. Deswegen habe ich auch die Parallele zur Wirtschaft gezogen, denn wirklich Mut braucht man heute nicht mehr, um sich politisch zu engagieren. Und deswegen habe ich ja auch meine (zugegebenermaßen etwas wackelige) Theorie zur römischen Republik aufgestellt. Die politische Ebene des Kant'schen Aufklärungsbegriffes darf man deswegen auch nur im historischen Kontext sehen und auf Diktaturen, absolutistische Monarchien u. ä. anwenden. Wofür sind wir denn auch in einem Geschichts-Forum? Es gilt weiterhin und über die Jahrhunderte hinweg, dass es für Politik und Wirtschaft gleichermaßen "nicht schwer ist, obrigkeitshörige Menschen zu erzeugen" (so mein Fazit im obrigen Beitrag). Doch da wir in einer Demokratie leben, darf man das vor allem in dem von Kant gemeinten politischen Zusammenhang nicht auf Deutschland oder andere europäische Nationen anwenden. Übrigens hat Kant auch die moderne Kommunikations- und Informationsgesellschaft mit einbezogen (im übertragenen Sinne, versteht sich), nämlich in dem Abschnitt des Textes, der sich mit dem geschichtlichen Ablauf einer „Aufklärung“ befasst: „Dass aber ein Publikum sich selbst aufkläre, ist eher möglich; ja es ist, wenn man ihm nur die Freiheit lässt, beinahe unausbleiblich. Denn da werden sich immer einige Selbstdenkende, sogar unter den eingesetzten Vormündern des großen Haufens, finden, welche, nachdem sie das Joch der Unmündigkeit selbst abgeworfen haben, den Geist einer vernünftigen Schätzung des eigenen Werts und des Berufs jedes Menschen, selbst zu denken, um sich verbreiten werden.“ Das kann man durchaus auf moderne Diktaturen (Korea) übertragen, in deren Bevölkerung sich langsam ausdehnender Widerstand bemerkbar macht. Parallelen finden sich auch zum Arabischen Frühling. Dass Kant von Revolutionen nichts hält, mag man beurteilen, wie man möchte, schließlich befürwortet Kant – selbstverständlich – den aufgeklärten Absolutismus seines Landesherrn Friedrichs des Großen. Ganz aus der Luft gegriffen erscheinen jedoch Kants Aussagen nicht: „Besonders ist hierbei [dabei, dass sich ein Publikum selbst aufkläre]: dass das Publikum [=die Bevölkerung], welches zuvor von ihnen [den Aufklärern] unter dieses Joch gebracht worden, sie hernach selbst zwingt, darunter zu bleiben, wenn es von einigen seiner Vormünder, die selbst aller Aufklärung unfähig sind, dazu aufgewiegelt worden; so schädlich ist es, Vorurteile zu pflanzen, weil sie sich zuletzt an denen selbst rächen, die, oder deren Vorgänger, ihre Urheber gewesen sind. […] Durch eine Revolution wird vielleicht wohl ein Abfall von persönlichem Despotism und gewinnsüchtiger Bedrückung, aber niemals wahre Reform der Denkungsart zu Stande kommen; sondern neue Vorurteile werden, eben sowohl als die alten, zum Leitbande des gedankenlosen großen Haufens dienen.“ Anders ausgedrückt: Eine Revolution wird sich schon bald auch gegen die Aufklärer selber richten. Weder bei geschichtlichen Abläufen (Paradebeispiel – die französische Revolution) noch bei aktuellen Ereignissen wie eben dem arabischen Frühling verlief die Revolution so glatt und reibungslos wie ursprünglich gedacht. Im gleichen Augenblick, in dem die Tyrannei beseitigt wird, pflanzt „die Masse“ (die Revolutionäre) den Samen für Machtkämpfe, Unruhen, Bürgerkrieg oder erneutes Terrorregiment. Man kann also sehr wohl viele aktuelle Bezüge in Immanuels Kant Text finden. Natürlich muss man dabei immer beachten, dass das Werk von 1783 stammt und der Inhalt nach zweihundertdreißig Jahren weder als wissenschaftlich noch als unadaptiert zutreffend bezeichnet werden kann. Postskriptum zu dem Argument der Gesellschaft, von der Kant ausging: (21.01.2013 22:44)Bunbury schrieb: Kant ist nämlich von einer Gesellschaft ausgegangen, in der sich das Individuum sich bemühen muss, sich Informationen zu beschaffen, die der Weiterbildung dienen. Das ist der Punkt, an dem man Kants Thesen übertragen muss. Denn einerseits gibt es ja Länder, in denen das Internet beschränkt und kontrolliert wird, es Zensur gibt und ausländische Zeitungen/Bücher etc. nicht erscheinen. Und zweitens eben die Macht der großen Wirtschaftskonzerne. Gerade da ist es besonders schwierig, herauszufinden, wie "gut" die Produkte wirklich sind, was hinter der Werbung steckt, was jetzt bio bzw. fair ist und was nicht... Manchmal schaue ich Sendungen wie den Markencheck, wo versucht wird, pathetisch formuliert "die Wahrheit über die großen Konzerne" herauszufinden. Das politische Desinteresse der heutigen Jugend (sorry für diese Ausdrucksweise von meiner Seite ) muss man in der Tat anders erklären, eben beispielsweise durch das Überangebot an Waren, Informationen, Freizeitbeschäftigungen. VG Der Maxdorfer. Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch) |
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22.01.2013, 14:10
Beitrag: #19
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
Weiter im Text über Makarenko:
Keinen Erfolg hatte Makarenko wiederum mit der Durchführung der bisherigen Praktiken, ein straffes quasimilitärisches System aus Strafen und Regeln zu schaffen. Er selber berichtete darüber: „Abends gingen sie [die Jugendlichen] ungeniert fort, kamen erst am Morgen wieder und begegneten meinen eindringlichen sozialerzieherischen Versuchen mit verhaltenem Lächeln.“ (zit. nach besagtem Dokument meines Großvaters, dort nach: A. S. Makarenko: Der Weg ins Leben. Ein pädagogisches Poem. Berlin 1963. S. 18.) Besonders in dieser Situation entfalteten die Schriften des geistesverwandten Schriftstellers Gorki ihre Wirkung, indem sie den Glauben an das Gute im Menschen immer wieder entfachten. Die verschiedensten Individuen, die also unter Makarenko zusammenkamen, mussten nun eine gemeinsame Aufgabe bewältigen, nämlich das Zusammen- und Überleben unter erschwerten Bedingungen. Makarenko war der Überzeugung, dass Lehrbücher in einem Falle wie diesem nicht weiterhelfen und die Vorangehensweise sich ‚aus der Situation heraus’ ergeben müsse. Andere Möglichkeiten hatte er sowieso nicht, denn bevor nicht zumindest das gröbste in Ordnung gebracht war, konnte er nicht daran denken, sich mit Büchern zu beschäftigen. Anfangs konnte er sich nicht gegen die Jugendlichen durchsetzen und griff einmal in seiner Verzweiflung zu einem eigentlich verbotenen Mittel, der Gewalt. Dies war eine Ausnahme und kam später nicht mehr vor, für den Augenblick bewirkte sie jedoch die Zähmung der Jungen, die die Aufseher plötzlich respektierten. Durch diesen Gefühlsausbruch bildete sich aus den wenigen ersten Bewohnern der „Kolonie“ ein erster Kern im Kollektiv, der die Aufseher respektierte und aus dem sich später die ganze Gemeinschaft bildete. Immer, wenn neue Straffällig gewordene hinzukamen, begannen diese damit, sich von jeder Arbeit fernzuhalten und die Pädagogen zu ignorieren. Da jedoch alle verordnete Arbeit für das Überleben und zur Deckung der Bedürfnisse und somit im Interesse aller geschah, gelang es relativ schnell, auch solche Neuzugänge in das System aus gemeinsamer Arbeit zur Resozialisierung einzubinden. Dadurch, dass den Jugendlichen die Bedeutung des gemeinsamen Besitzes klar wurde – ohne die Geräte der Gemeinschaft konnte man nicht überleben, Privatbesitz hatte de facto keiner – wurde das Gefühl für ein „Volkseigentum“ geschaffen. Dies sollte sich als ein geeignetes Mittel gegen einen Rückfall zur Kriminalität im späteren Leben herausstellen. Wer doch einmal zu seinem alten Leben zurückkehrte und auf Raubzüge etc. ging, musste sich vor der gesamten Kolonie verantworten. Makarenko ging mit Intuition und Menschenverstand vor, nicht mit wissenschaftlichen Untersuchungen oder theoretischen Ansätzen einer planmäßigen Erziehung. Deshalb ist sein literarisches Werk auch nicht geplant, und deshalb ist es auch so schwer, aus ihm ein Schema für eine gelungene Erziehung herzuleiten. Er hatte keineswegs für jedes Problem sofort eine Lösung, was sich besonders in den frühen Jahren der „Kolonie“ immer wieder zeigte. Teil 3 folgt morgen. Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch) |
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22.01.2013, 21:58
Beitrag: #20
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(22.01.2013 11:19)Maxdorfer schrieb: Da hast du nicht unrecht. Deswegen darf man ja nicht einfach so Kants Texte unkommentiert posten oder verlinken, sondern sollte sie etwas in die heutige Zeit übertragen oder in den geschichtlichen Zusammenhang setzen. Deswegen habe ich auch die Parallele zur Wirtschaft gezogen, denn wirklich Mut braucht man heute nicht mehr, um sich politisch zu engagieren. Möge dir der Idealismus der Jugend noch lange erhalten bleiben, und das meine ich ehrlich. (Ich glaube, das habe ich einem anderen User schon einmal geschrieben... ich werde wirklich sehr, sehr zynisch...) Es erfordert mehr Mut, als dir bewußt ist, sich den gewachsenen Strukturen zu widersetzen. Nicht den Mut, der einen das eigene Leben riskieren läßt, das ist zwar richtig. Aber den Mut und die Bereitschaft, dich für deine Ziele zum Ausßenseiter zu machen. Und dieser Mut fehlt den meisten. (22.01.2013 11:19)Maxdorfer schrieb: Es gilt weiterhin und über die Jahrhunderte hinweg, dass es für Politik und Wirtschaft gleichermaßen "nicht schwer ist, obrigkeitshörige Menschen zu erzeugen" (so mein Fazit im obrigen Beitrag). Doch da wir in einer Demokratie leben, darf man das vor allem in dem von Kant gemeinten politischen Zusammenhang nicht auf Deutschland oder andere europäische Nationen anwenden. . Doch natürlich. Gerade wir müssen einiges tun, um zu verhindern, daß Deutschland in etwas abgeleitet, das eben keine Demokratie mehr ist. Wir haben in einigen Breichen schon wieder fast feudalistische Strukturen (Energieversorgung z.B.) und müssen höllisch aufpassen, daß das nicht noch so weiter geht. (22.01.2013 11:19)Maxdorfer schrieb: Übrigens hat Kant auch die moderne Kommunikations- und Informationsgesellschaft mit einbezogen (im übertragenen Sinne, versteht sich), nämlich in dem Abschnitt des Textes, der sich mit dem geschichtlichen Ablauf einer „Aufklärung“ befasst: Ich glaube nicht, daß Kant mit der zerstörung des Wertes einer Information durch viele entgegengesetzte Informationen gerechnet hat. Ich persönlich ziehe an dieser Stelle den guten alten Micheal Crichton zu Rate, der Ian Malcolm in "Dino Park" etwas sehr wichtiges zur Disziplin der Wissenschaft und ihrem Mangel daran gesagt hat. (22.01.2013 11:19)Maxdorfer schrieb: Postskriptum zu dem Argument der Gesellschaft, von der Kant ausging: Das Probelm in der modernen Wissensgesellschaft ist, daß zuerst überprüfen müßtest, wie verläßlich die Quellen sind, auf die du dich stützt. Und das kannst du letztendlich nur, wenn du sie selbst überprüftst. Dazu gibt es aber mittlerweile viel zu viele Informationen, die man einfach nicht mehr nachprüfen kann. Ich habe auch eine Weile geglaubt, daß man Dokumentationen in ARD und ZDF einigermaßen vertrauen kann, aber dem ist offensichtlich nicht so. Die bewertung einer Information, in der alle Informationen sofort zur Verfügung stehen, wird dadurch erschwert, daß jeder eine Information veröffentlichen kann. Und so kann fünf Jahre lang ein erfundener Krieg in Wikipedia stehen... Letztendlich ist es wieder nur eine Glaubenssache- und damit gewiß nicht im Sinne von Kant, welcher Information man letztendlich Glauben schenkt... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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24.01.2013, 18:55
Beitrag: #21
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
Im Winter 1923 – die Schar der Jugendlichen war mittlerweile erneut stark angewachsen – teilte Makarenko seine Zöglinge in Gruppen ein, denen jeweils eines der Mitglieder als Kommandeur vorstand. So versuchte er, die Selbstverwaltung zu erreichen, indem er Erinnerungen an die alten Zeiten (zum Beispiel die Partisanenkriege nach der russischen Revolution) mit den „Banden“ weckte, diese aber in eine gewünschte, der Gemeinschaft förderliche Richtung lenkte. So wollte Makarenko einen Kollektivmenschen schaffen, der mit Freude – diese nahm eine wichtige Stellung in Makarenkos pädagogischem Konstrukt ein – später das Wohl der ganzen Sowjetunion und aller kommunistischer Länder vor Auge haben sollte. Der Pädagoge selbst nahm dabei nicht gerade viele Aufgaben ein und hatte lediglich die Oberaufsicht zu führen. Alle Erzieher aßen zusammen mit den Jugendlichen und gestalteten den gemeinsamen Abend mit.
Kommandeur wurde stets der tüchtigste und eifrigste Junge einer Gruppe, doch wer sich besonders anstrengte, konnte auch Kommandeur einer neuen Abteilung werden. Später wurde die „Macht“ dieser Abteilungsleiter weiter gestärkt, da der „Rat der Kommandeure“ alle wichtigen Entscheidungen treffen durfte und Urteile fällte. Nur selten griff Makarenko ein, und höchstens zu Gunsten des Schuldigen. Doch keinesfalls lebten diese Jugendlichen besser oder mussten weniger Arbeit verrichten als die anderen. Für besondere Aufgaben wie das Holzholen oder die Arbeit auf dem Feld wurden für die Dauer von höchstens einer Woche „Einsatzabteilungen“, also Sonderkommandos, eingerichtet, deren Mitglieder für kurze Zeit ihre alte Gruppe verließen. Auch der Kommandeur einer solchen Sondereinheit war sonst einfaches Mitglied einer regulären Abteilung. Dies bedeutete einen ständigen „Wechsel von Arbeits- und Organisationsaufgaben […] [und] Leiten und Sichunterordnen“ (zit. nach besagtem Dokument meines Großvaters, dort nach: A. S. Makarenko: Der Weg ins Leben. Ein pädagogisches Poem. Berlin 1963. S. 228). Abwechslung erhielt dieses geschickt organisierte System durch gruppenübergreifende Zusammenschlüsse von Jugendlichen, die die gleichen Interessensgebiete hatten und zusammen musizieren, basteln oder anderen Hobbys nachgehen konnten. Neumitglieder (sogenannte „Würzelchen“) erhielten als „Paten“ ein älteres Mitglied, das ihnen (in einer Zweierbeziehung) zur Seite stand. Doch Mitglieder konnten auch als Bestrafung wieder zum „Würzelchen“ erklärt werden. Als solche hatten sie vorerst noch keine Rechte als Person und wurden erst nach einer Bewährungszeit (wieder) Vollmitglied der Kolonie. Als solches besuchte man einen Schulunterricht, arbeitete auf den Feldern für die Versorgung aller und in den Werkstätten. Doch die Behörden und andere Pädagogen begegneten Makarenko Arbeit mit Misstrauen und gerade von staatlicher Seite legte man ihm immer wieder Hindernisse in den Weg. So legte er 1928 den Posten als Leiter der Gorki-Kolonie nieder und wechselte zur Dzierzynski-Kommune bei Charkow, der er nunmehr als Direktor vorstand. Hier wurden aus den verwahrlosten Jugendlichen künftige Mitglieder der Geheimpolizei Tscheka ausgebildet, weshalb sie unter besonderem Schutz stand. Makarenko wiederholte nicht einfach sein Vorgehen aus der Gorki-Kolonie, sondern vollendete seine Methoden. In diesen Jahren entstanden auch die meisten literarischen Werke, vor allem „Der Marsch des Jahres 30“ und „Der Weg ins Leben. Ein pädagogisches Poem“ – letzteres ein hier mehrfach zitierter Roman, in dem Makarenko von seinen pädagogischen Anfängen, Versuchen und Erfolgen schreibt. 1935 wechselte er zu Arbeitskolonien des Innenministeriums NKWD in Kiew, in denen er der Stellvertreter des Verwaltungsleiters wurde. Ab 1937 lebte er in Moskau und widmete sich nur noch seinem literarischen Schaffen. 1939 erhielt Makarenko den Orden des Roten Banners der Arbeit der UdSSR und starb wenige Wochen später, am 1. April 1939 während einer Eisenbahnfahrt. Er wurde auf dem Nowodewitschi-Friedhof in Moskau beigesetzt. Mit ihm starb einer der bedeutendsten Pädagogen der Sowjetunion. Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch) |
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24.01.2013, 19:41
Beitrag: #22
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(21.01.2013 22:44)Bunbury schrieb: Man könnte es natürlich auch als "Unmündigkeit" bezeichnen, sich in der Definition sklavisch nach Kant zu richten. Wer sagt, daß Kant uneingeschränkt recht hat? Die Rationalität der Kant'schen Philiosophie, seine Stellung innerhalb der Wissenschaft und die Schlüssigkeit seiner Ausführungen, sind Indizien dafür, dass seine Thesen Hand und Fuss haben und sie daher als Grundlage verwendbar sind. Ich bin hier ganz bei Popper: Solange sie nicht falsifiziert werden können, solange stimmen sie. (21.01.2013 22:44)Bunbury schrieb: Man kann vielleicht sagen, daß "Unmündig im Sinne Kants" genau das bedeutet, was du geschrieben hast, aber das heißt noch lange nicht, daß das "Unmündig" generell bedeutet. Sehe ich anders. Die Kant'sche Philosophie lässt sich problemlos auf die heutigen Verhältnisse umlegen. Kants aufgeklärter Mensch, das eigenverantwortliche mündige Indiviuum ist auch für das Informationsüberangebot und die redundanten Pushmedien unserer Zeit bestens gerüstet, weil er die Fähigkeit besitzt, zu relativieren, mit dem Überangebot umzugehen, zu selektieren und Schlüsse über den Wahrheitsgehalt von Informationen zu ziehen. Diese Fähigkeiten fehlen dem nicht aufgeklärten Menschen völlig. MfG, Titus Feuerfuchs |
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24.01.2013, 21:59
Beitrag: #23
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(24.01.2013 19:41)Titus Feuerfuchs schrieb:(21.01.2013 22:44)Bunbury schrieb: Man könnte es natürlich auch als "Unmündigkeit" bezeichnen, sich in der Definition sklavisch nach Kant zu richten. Wer sagt, daß Kant uneingeschränkt recht hat? Auch Gott kann man nicht falsifizieren... Dass seine Thesen Hand und Fuss haben, will ich gar nicht anzweifeln, aber ich denke nicht, daß es in Kants Sinne wäre zu sagen "Kant hat gesagt, daß und deswegen so...." Strenggenommen muss sich auch Kant der Überprüfung stellen- und jeder muss nach strenger Überprüfung entscheiden, ob er Kants Definitionen teilt oder nicht. Aber nicht, weil es Kant es gesagt hat- sondern weil man für sich selbst zu dem Schluss gekommen ist, daß die Definitionen richtig sind. (24.01.2013 19:41)Titus Feuerfuchs schrieb: Sehe ich anders. Den letzten Satz kommentiere ich nicht weiter, da stimme ich einfach zu. Ich glaube jedoch beim derzeitigen Informationsüberangebot nicht, daß sich der einzelne wirklich ein realistisches Bild verschaffen kann, weil zu viele widersprüchliche Informationen zur Verfügung stehen. Heute wird eine Information nicht widerrrufen, sondern einfach die gegenteilige Behauptung unter die Leute gebracht. Für beide Behauptungen finden sich auch immer Wissenschaftler, die es belegen oder widerlegen können. Wenn man letztendlich eine Entscheidung fällt, welche der beiden Behauptungen man für wahrscheinlicher hält, geschieht dies jedoch am Ende dann wieder aus irrationalen Gründen. Es gibt nämlich häufig kein objektives Kriterium, das das eine wahrscheinlicher sein läßt als das andere. Vielleicht gelingt es dem aufgklärten, kritischen Individuum, sich zu einem oder zwei Fragen ein detailliertes Bild zu verschaffen, aber beim Rest ist dies sicher nicht möglich- einfach, weil der Tag nur 24 Stunden hat und das menschliche gehirn, selbst bei höchstem IQ, nur begrenzt Informationen aufnehmen und verarbeiten kann. Sofern meine Annahmen stimmen, würde dies bedeuten, daß das Informationszeitalter dazu führt, daß die Menschen immer unaufgeklärter werden, obwohl (bzw weil) die Datenmenge zunimmt... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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25.01.2013, 06:22
Beitrag: #24
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb:(24.01.2013 19:41)Titus Feuerfuchs schrieb: Die Rationalität der Kant'schen Philosophie, seine Stellung innerhalb der Wissenschaft und die Schlüssigkeit seiner Ausführungen, sind Indizien dafür, dass seine Thesen Hand und Fuss haben und sie daher als Grundlage verwendbar sind. ...aber auch nicht verifizieren. Insofern ist Gott nicht unbedingt das beste Beispiel, da es sich im Gegensatz zu Kants Werken um einen nebulosen metaphysischen Begriff handelt. (24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb: Dass seine Thesen Hand und Fuss haben, will ich gar nicht anzweifeln, aber ich denke nicht, daß es in Kants Sinne wäre zu sagen "Kant hat gesagt, daß und deswegen so...." Natürlich. Nur sollte man, wenn man wissenschaftlich anerkannten Thesen hinterfragt -was gut und wichtig ist- und geneigt ist, sie anzuzweifeln oder zu widerlegen, das auch argumentieren können. (24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb:(24.01.2013 19:41)Titus Feuerfuchs schrieb: Sehe ich anders. Von welcher Art Information sprechen wir? Es gibt Informationen, die (zumindest für mich) eindeutig feststehen, z.B. dass Merkel dutsche Kanzlerin ist, dass die Erde eine Kugel (genauer gesagt ein Rotationellipsoid bzw. Geoid) ist, dass der Papst katholisch ist, etc... Dann gibt es wissenschaftliche divergierende Lehrmeinungen zu bestimmten Sachverhalten (z.B. bezüglich EU Krise) und da ist es fraglich, wem man eher Glauben schenkt. Aber auch da kann sich der aufgeklärte Rezipient helfen, indem er sich ansieht, ob eine Lehrmeinung logisch und in sich konsistent ist, wer die Studien bezahlt, in welchen Medien werden sie veröffentlicht, was für einen Ruf hat der Wissenschaftler, wie wurde er sozialisiert, welcher Partei steht er ev nahe, was sind die Argumente seiner Gegner,etc, etc... Weiters einzukalkulieren, ist die Themensetzung der Medien, Fehler von Journalisten, Einfluss der Politik, die wiederum ihrerseits von div. Lobbies beeinflusst ist, etc. Daher ist es unumgänglich, Informationen zwar aufzunhemen und zu verwerten, sie jedoch nicht als sakrosanktes Dogma zu betrachten. (24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb: Wenn man letztendlich eine Entscheidung fällt, welche der beiden Behauptungen man für wahrscheinlicher hält, geschieht dies jedoch am Ende dann wieder aus irrationalen Gründen. Es gibt nämlich häufig kein objektives Kriterium, das das eine wahrscheinlicher sein läßt als das andere. Würde ich nicht zwangsweise so sehen, siehe oben. (24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb: Vielleicht gelingt es dem aufgklärten, kritischen Individuum, sich zu einem oder zwei Fragen ein detailliertes Bild zu verschaffen, aber beim Rest ist dies sicher nicht möglich- einfach, weil der Tag nur 24 Stunden hat und das menschliche gehirn, selbst bei höchstem IQ, nur begrenzt Informationen aufnehmen und verarbeiten kann. Selektion ist dem mündigen Rezipienten durchaus zuzutrauen. (24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb: Sofern meine Annahmen stimmen, würde dies bedeuten, daß das Informationszeitalter dazu führt, daß die Menschen immer unaufgeklärter werden, obwohl (bzw weil) die Datenmenge zunimmt... Das sehe ich überhaupt nicht. Erstens setzt deine Annahme voraus, das ein Großteil der Informationen falsch ist, bzw. aus Desinformation besteht (so pessimistisch und paranoid bin nicht mal ich) und zweitens ignoriert sie, dass der Mensch im historischen Kontext noch nie so gut informiert, bzw. gebildet war, wie heute. Wobei ich mit "heute" den Höhepunkt vor rund 20 Jahren sehe, da die Bildungseinrichtungen und die Bildungspoltik sowie die Gesellschaft seit einiger Zeit beständig abbaut, was aber nichts mit dem Informationsüberangebot zu tun hat. Zum modernen Medienzeitalter gibt es jedoch die m.E. gute Theorie der sog. "increasing konwledge gap", die besagt, dass die Gebildeten eine höhere Medienkompetenz besitzen, ergo mit dem Informationsangebot besser umgehen können und immer gebildeter werden, während die Ungebildeten die Medien nicht entsprechend nutzen (können) und dementsprechend wissenstechnisch stagnieren. MfG, Titus Feuerfuchs |
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27.01.2013, 23:02
Beitrag: #25
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: Natürlich. Nein, das muss man nicht. Warum muss man sich vor sich selbst dafür rechtfertigen, ob man einer Definition folgt oder nicht? Wenn man sie widerlegen möchte, gut, dann braucht man Argumente. Aber wenn man sich einer Definition einfach nicht anschließen kann, muss man sie gar nicht erst mit Argumenten widerlegen können. Das klingt dann so ein bißchen nach "Wer Kant nicht argumentativ widerlegen kann und ihm dennoch keinen Glauben schenkt, der ist unmündig." Und so wie ich Kant verstanden habe, würde der sich dabei im Grab umdrehen. Ihm kam es darauf an, daß man nicht einfach unbesehen glaubt, sondern alles überprüft. Und das kann ich, ohne meine Kritik in logische Worte fassen zu müssen. (25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: Von welcher Art Information sprechen wir? Erst einmal von keiner bestimmten, sondern nur der Information an sich. (25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: Es gibt Informationen, die (zumindest für mich) eindeutig feststehen, z.B. dass Merkel dutsche Kanzlerin ist, dass die Erde eine Kugel (genauer gesagt ein Rotationellipsoid bzw. Geoid) ist, dass der Papst katholisch ist, etc... Da fängt aber die Schwierigkeit schon an. Nur was eindeutig definierbar ist, kann auch eine eindeutge Tatsache ist. Ja, Merkel ist deutsche Bundeskanzlerin, daran führt kein Weg vorbei. Das ist eindeutig definiert. Daß der papst katholisch ist, ist schon wieder schwieriger, weil es kein objektives Kriterium dafür gibt , was "katholisch" genau ist. Das ist Definitionssache. Daß der papst das Oberhaupt der katholischen Kirche ist, ist dagegen eine eindeutige Tatsache. Die nur leider überhaupt nichts besagen, wenn man sie nicht in Bezug zu anderen Tatsachen setzt. Was bedeutet es schon, daß Angela Merkel Kanzlerin Deutschlands ist? Es bedeutet nichts, wenn nicht auch klar ist, was "Kanzler" und "Deutschland" ist. Je tiefer man nachbohrt, um so klarer wird, daß der Informationsgehalt einer Information davon abhängig ist, wie sie interpretiert wird. Und das ist objektiv gar nicht mehr möglich. Als Kant seine Defintionen entwickelte, fing man gerade an zu messen und vermessen, zu wiegen und zu definieren. Man fing gerade an, eindeutige Sachverhalte mit objektivierten Maßen festzustellen. Und- ganz wichtig- aus diesen neu gewonnen Maßen und eindeutig festgestellten Tatsachen wurden völlig neue und neuartige Theorien abgeleitet. Von aufgeklärten Menschen, die alte Denkmuster hinter sich gelassen hatten und einen neuen, frischen und unverbrauchten Blick auf die wenigen eindeutig messbaren Tatsachen warfen. Das war es letztendlich, was Kant forderte. Jeder sollte seinen Verstand gebrauchen und die wenigen eindeutigen Tatsachen selbst interpretieren. Nur sind seit Kant ein paar Jahrhunderte vergangen, und etliche Denker haben Tatsachen interpretiert, in neue Theorien und Modelle gefaßt. Dazu kommt heute, daß die Datenmenge schneller wächst, als der menschliche Verstand sie verarbeiten kann- und ich bezweifle ernsthaft, daß kant diese Möglichkeit vorhergesehen hat... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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27.01.2013, 23:29
Beitrag: #26
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: Dann gibt es wissenschaftliche divergierende Lehrmeinungen zu bestimmten Sachverhalten (z.B. bezüglich EU Krise) und da ist es fraglich, wem man eher Glauben schenkt. Ja, natürlich kann man einer einzelnen Fragen derartig gezielt auf den Grund gehen. Ich kann mir jedes beliebige Thema, das uns heute bewegt, herausnehmen und anfangen, mich mit dieser These intensiv auseinanderzusetzen. ich kann Meinungen und Gegenmeinungen hören, mich darüber informieren, wer was bezahlt usw. Ich kann mich damit beschäftigen, in welchen medien sie veröffentlicht werden (über die ich mir ja letztendlich dann auch wieder ein eigenes Bild verschaffen muss) Bei wievielen Themen der heutigen Zeit kann das einzelne Individuum genau diese Recherche anstellen? Wohl kaum bei allen- dazu reicht einfach die zeit nicht. (25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: Weiters einzukalkulieren, ist die Themensetzung der Medien, Fehler von Journalisten, Einfluss der Politik, die wiederum ihrerseits von div. Lobbies beeinflusst ist, etc.. Genau das ist aber nicht mehr objektiv messbar. Hier kommt das subjektive Empfinden ins Spiel und somit eine Interpretation von Informationen, die nicht alleine auf objektiven Kriterein beruht, sondern auf persönlichen Neigungen. (25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: Daher ist es unumgänglich, Informationen zwar aufzunhemen und zu verwerten, sie jedoch nicht als sakrosanktes Dogma zu betrachten. Natürlich hast du recht- aber ich vermisse hier näheres darüber, wie du die Informationen verwertest. (25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:(24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb: Vielleicht gelingt es dem aufgklärten, kritischen Individuum, sich zu einem oder zwei Fragen ein detailliertes Bild zu verschaffen, aber beim Rest ist dies sicher nicht möglich- einfach, weil der Tag nur 24 Stunden hat und das menschliche gehirn, selbst bei höchstem IQ, nur begrenzt Informationen aufnehmen und verarbeiten kann. Soll das jetzt ein handfestes Argument sein? Das ist keines. Nach welchen Kriterien soll denn der mündige Rezipient selektieren? Woher hat er die denn? Was heißt im übrigen "Mündig"? Wenn er sich für Interesse an den "richtigen" Themen entscheidet? Und wie kann jemand im Kant´schen Sinne mündig sein, der sich nur einem Teil der Fragestellungen widmet? Ist er dann nicht in allen anderen Bereichen unmündig? (25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb:(24.01.2013 21:59)Bunbury schrieb: Sofern meine Annahmen stimmen, würde dies bedeuten, daß das Informationszeitalter dazu führt, daß die Menschen immer unaufgeklärter werden, obwohl (bzw weil) die Datenmenge zunimmt... Die Fragestellungen der Welt heutzutage sind sehr viel komplexer als früher, und komplexe Fragestellungen erfordern komplexe Antworten. Und je komplexer das ganze ist, umso mehr unterschiedliche Bewertungen kommen zu stande. Es gibt keine einfache Antwort auf die Frage, was die EU- Krise ausgelöst hat. Es ist eine komplexe Frage, die eine sehr komplexe Antwort verlangt. Und somit ist sie von vielen Interpretationen getragen- und wahrscheinlich gibt es nicht einmal zwei Wirtschaftswissenschaftler, die darüber wirklich einer Meinung sind. (25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: und zweitens ignoriert sie, dass der Mensch im historischen Kontext noch nie so gut informiert, bzw. gebildet war, wie heute. Das klingt jetzt aber wirr. Zuerst behauptest du, die Leute heute seien nie besser informiert gewesen als heute, dann räumst du ein, daß du eigentlich vor 20 Jahren meintest, behauptest aber, das habe nichts mit dem Informationsüberangebot zu tun, das aber letztendlich in dieser Form erst 15 bis 20 Jahre besteht. Was denn jetzt? Sind die Leute heute nun besser informiert als vor 20 Jahren oder nicht? Wenn nein- warum kann es dann nicht am Informationsüberangebot liegen? (25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: Zum modernen Medienzeitalter gibt es jedoch die m.E. gute Theorie der sog. "increasing konwledge gap", die besagt, dass die Gebildeten eine höhere Medienkompetenz besitzen, ergo mit dem Informationsangebot besser umgehen können und immer gebildeter werden, während die Ungebildeten die Medien nicht entsprechend nutzen (können) und dementsprechend wissenstechnisch stagnieren. Ich liebe dieses Wort. "Medienkompetenz". Es klingt so gut, so wichtig, so allwissend. Ich habe nur bisher noch niemanden gefunden, der mir genau gesagt hätte, was das Wort nun eigentlich bedeutet. "Medienkompetenz", das sagen zum Beispiel die Werbeleute, wenn sie den Politikern und Eltern einreden wollen, daß Kinder ganz genau wissen, welcher Computer für sie der Beste ist. "Medienkompetenz"- davon reden Politiker, wenn sie gefragt werden, was sie für das Ziel guter Bildung halten. Klingt gut, dieses "Medienkompetenz." Als mündiger, aufgeklärter Bürger haben meine Recherchen bisher ergeben, daß das Wort "Medienkompetenz" die Erfindung einer Marketingagentur war... Aber ich bin ja noch nicht am Ende. Ich suche noch ein bißchen weiter... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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28.01.2013, 22:58
Beitrag: #27
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(27.01.2013 23:02)Bunbury schrieb:(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: Natürlich. Ich formuliere es so: Ich halte nichts davon, die Erkenntnisse eines Wissenschaftlers, einfach und unbegründet zur Seite zu wischen, ohne ein halbwegs stimmiges Argument zu haben. (27.01.2013 23:02)Bunbury schrieb: Das klingt dann so ein bißchen nach "Wer Kant nicht argumentativ widerlegen kann und ihm dennoch keinen Glauben schenkt, der ist unmündig."[...] Sollen wir einen Thread mit dem Thema "Ist der Papst katholisch?" aufmachen? (27.01.2013 23:02)Bunbury schrieb: Die nur leider überhaupt nichts besagen, wenn man sie nicht in Bezug zu anderen Tatsachen setzt. Gut, wenn du so argumentierst, kann man gar nichts mehr wissen und nch der Definition jedes Wortes fragen, was den ganzen Diskurs letztlich ad absurdum führt. (27.01.2013 23:02)Bunbury schrieb: Als Kant seine Defintionen entwickelte, fing man gerade an zu messen und vermessen, zu wiegen und zu definieren. Man fing gerade an, eindeutige Sachverhalte mit objektivierten Maßen festzustellen. Das hindert aber niemanden daran , trotzdem seinen kritischen Verstand zu brauchen, womit Kant weiterhin aktuell bleibt. MfG, Titus Feuerfuchs |
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28.01.2013, 23:24
Beitrag: #28
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(27.01.2013 23:29)Bunbury schrieb:(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: Dann gibt es wissenschaftliche divergierende Lehrmeinungen zu bestimmten Sachverhalten (z.B. bezüglich EU Krise) und da ist es fraglich, wem man eher Glauben schenkt. Das war doch schon zu Kants Zeiten so. Niemand kann alles wissen... (27.01.2013 23:29)Bunbury schrieb:(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: Weiters einzukalkulieren, ist die Themensetzung der Medien, Fehler von Journalisten, Einfluss der Politik, die wiederum ihrerseits von div. Lobbies beeinflusst ist, etc.. Ist auch nicht nötig. Intersubjektivität ist in den Sozialwissenschaften ein Kriterium zur Verfizierung von Hypothesen. Das bedeutet nichts anders, als wenn viele Menschen unabhängig von einander zum selben Schluss kommen, gilt eine These als verifiziert. Dabei handelt es sich jedoch um Theorien mittlerer Reichweite und nicht um fix bewiesene, wie in den Naturwissenschaften. (klassisches Beispiel: Gravitation) (27.01.2013 23:29)Bunbury schrieb:(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: Daher ist es unumgänglich, Informationen zwar aufzunhemen und zu verwerten, sie jedoch nicht als sakrosanktes Dogma zu betrachten. Ich baue sie in mein bestehendes Wissensgerüst ein und überprüfe, ob sie schlüssig , bzw. glaubhaft ist . (So ist z.B. eine Nachricht über einen dreitägigen Regen von Goldmünzen über Wien keines von beiden.) (27.01.2013 23:29)Bunbury schrieb:(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: Selektion ist dem mündigen Rezipienten durchaus zuzutrauen. . Mündig hat Kant richtig definiert. Mündigkeit hat per se nichts mit Wissen oder Bildung zu tun. Diese Begriffe verwechselst du hier. (27.01.2013 23:29)Bunbury schrieb:(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: Das sehe ich überhaupt nicht. Das halte ich für völlig übetrieben. Die Sache ist komplex, aber nicht so komplex, dass daran nichts zu durchschauen wäre. Es gibt ganug Fakten, die von allen Wirtschaftswisssenschaftlern ähnlich bewertet werden, z.B. die wirtschaftlichen Ungleichgewichte als Katalysator der Krise. (27.01.2013 23:29)Bunbury schrieb:(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: und zweitens ignoriert sie, dass der Mensch im historischen Kontext noch nie so gut informiert, bzw. gebildet war, wie heute. Information ist m.E. nicht dasselbe wie Bildung. Bei zweiterem beobachte ich eindeutig Verschlechterungen, was freilich nichts daren ändert, dass wir im historischen Kontext der MEnschehitsgeschichte -und da sind die Nuancen der Verschlechterung der letzten Jahre irrelevant- noch nie so gebildet bzw. informiert waren, wie heute. (27.01.2013 23:29)Bunbury schrieb:(25.01.2013 06:22)Titus Feuerfuchs schrieb: Zum modernen Medienzeitalter gibt es jedoch die m.E. gute Theorie der sog. "increasing konwledge gap", die besagt, dass die Gebildeten eine höhere Medienkompetenz besitzen, ergo mit dem Informationsangebot besser umgehen können und immer gebildeter werden, während die Ungebildeten die Medien nicht entsprechend nutzen (können) und dementsprechend wissenstechnisch stagnieren. Das ist eigentlich recht simpel. Es handelt sich dabei um die Fähigkeit, mit Medien richtig umgehen zu können. Ein Kind das jeden Tag x Stunden vorm PC oder Smartphone hängt, hat also z.B. keine Mendienkompetenz. Und damit ist natürlich nicht gemeint, dass man wissen muss welche technischen Vorteile der PC X gegenüber dem PC Y hat, sondern dass man die Medien eigenverantwortlich zu seinem Vorteil und nicht zu seinem Nachteil einsetzt. MfG, Titus Feuerfuchs |
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29.01.2013, 02:33
Beitrag: #29
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
Information ist nicht gleich Bildung. Es gibt Gottseidank noch Familien, die diesen feinen Unterschied kennen. Dabei geht es nicht primär ums Klavierspielen oder Schillers Glocke.
„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein) |
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29.01.2013, 17:53
Beitrag: #30
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RE: Einfluss von Kindheit und Jugend auf die Persönlichkeitsbildung
(29.01.2013 02:33)Arkona schrieb: Information ist nicht gleich Bildung. Es gibt Gottseidank noch Familien, die diesen feinen Unterschied kennen. Dabei geht es nicht primär ums Klavierspielen oder Schillers Glocke. Das sehe ich letztendlich genauso. Obwohl, vielleicht auch nicht. Du drückst dich so allgemeinverbindlich aus, daß wir auch unterschiedliche Sachverhalte meinen können. Irgendwer soll Einstein mal nach einer recht trivialen physikalischen Formel gefragt haben, und Einstein soll darauf gesagt haben "Warum soll ich meinen Kopf mit Dingen belasten, die ich jederzeit im Lexikon nachschlagen kann?" Wichtiger als die Information an sich ist wohl die Bewertung, das Einfügen in ein Wertesystem.... Selbst denken ist nicht selbstsüchtig. Wer nicht selbst denkt, denkt überhaupt nicht
Oscar Wilde
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