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Ein Streik im Jahre 1910
10.12.2012, 21:18
Beitrag: #1
Ein Streik im Jahre 1910
Ein Streik im Jahre 1910

In und um Schelklingen, nicht weit von Ulm, entwickelte sich im 19. Jahrhundert eine umfangreiche Zementindustrie.
Dieser damals neue Industriezweig zog viele auswärtige Arbeiter an.
Insbesondere auch recht viele Italiener.
Heute fast vergessen, auch die Eisenbahnbauten in Süddeutschland in den 1860er und 70er Jahren wurden zu einem ganz erheblichen Teil durch italienische Bauarbeiter erstellt.
Die Arbeiter auss üdlichen Ländern blieben den Werken in Schelklingen vielfach treu, und so entwickelte sich in der schwäbisch-südlichen Mischung ein ganz besonderes Völkchen.

So gab es in Schelklingen auf dem „Hammerstein“, wie das Viertel der Zementarbeiter hieß, zwei Damen die uns hier noch beschäftigen werden. Die eine, Jungfrau Gabriella Flaschenbierhändlerin, die andere Berta die die Last der Ehefrau trug.
Trafen sich die beiden Damen zum Flaschentausch. leer gegen voll, so frozzelte man sich gerne. Die Graziella „Du hast es gut, du hast einen Mann“ was die Berta mit „Du hast es besser, du hast alle“ ohne Hintergedanken quittierte.

Edit: Hier sei die Anmerkung erlaubt, wer die Zementstädte Nürtingen, das genannte Schalklingen oder Dotternhausen noch Ende der 50er erlebt hat, ein nur selten weichender grauweißer Zementnebel der sich überall ausbreitete, grauweiße Wiesen grauweiße Dächer, der weiß dass die Graziella ein einträgliches Gewerbe ausübte. Die staubigen Kehlen wollten gespült sein.

Im Frühjahr 1910 nun streikten die Schelklinger Zementarbeiter. Sie sollen um das Zementwerk rumgestanden sein und gesungen haben:
„Der Laicher und seine Budiker,
die haben alle goldene Zwicker
und das von unserem verdienten Lohn au weh!
Zu Schelklingen an der Chaussee.“
Man lebte im Lande Silchers, Und sowohl die Söhne des Südens als auch die der Donaugestade haben eine große Sangestradition vorzuweisen.
Angesichts dieser Bemühungen der Kunst, konnten die Gewaltigen der Zementfabrik gar nicht anders.
Der Streik war letztlich erfolgreich.
Die berechtigten Forderungen der Zementarbeiter wurden anerkannt.

Es war ja eine Zeit großer Umwälzungen. Das Frauenwahlrecht war lange gefordert, dann auch bald erreicht.
Die Frauen des Hammersteins packte jedenfalls der wirtschaftspolitische Elan.
Sie forderten mehr Haushaltsgeld!

Da kamen sie aber bei den kampferprobten und siegestrunken Ehemänner an die falschen!
Dafür hatten sie nicht gekämpft!
„Noi, eta.“ lautete die Auskunft. Was man höchstens mit „Njet“ übersetzen kann, das einfache „nein“ wird der schwäbischen doppelten Verneinung noch lange nicht gerecht.

Zur Zeit des Abendschoppens, als die Ehemänner mit diesem beschäftigt, und ohne Arg waren, trafen die Frauen zusammen. „Sie zeterten und goschten“ berichtet der Chronist. Und schließlich soll die vorgenannte Berta den Ehestreik proklamiert haben.
Mit allen klassischen Konsequenzen. Mit weniger entschlossenen Frauen soll sich fölgender Dialog entwickelt haben
„..... und wenn er schlägt?
Dann machs ihm, aber schlecht!
Wo man Gewalt braucht, ist die Lust nicht groß!
Verleid es ihm auf jede Art.....“

Man war durch Anschauungsunterricht auf der Höhe der Zeit.
Streikposten wurden eingerichtet, die in alle Ritzen und Spalten zu schauen hatten. Und gar bald hatte man spitz, dass sich die Jungfrau Graziella als Streikbrecherin betätigte.
Worauf sich die unter der verweigerten ehelichen Pflicht darbende Berta gar mächtig echauffierte.

Sie stellte die Graziella zur Rede, und nannte sie vor größerem Publikum: Ehemannshure!
Was auch schon im Jahre 1910 ziemlich direkt zum königlich württembergischen Amtsgericht führte.

Diesem Gang vor das Gericht verdanken wir die Kunde über den Vorgang, und auch das Wissen, dass vor Gericht noch etliche schwäbisch-italienische Spezialausdrücke gewechselt wurden, was den Richter schließlich bewog, beide Kontrahentinen zu einer gesalzenen Geldstrafe zu verurteilen.
Aber leider schweigen die Quellen über den Ausgang des Streiks.


Desweiteren erinnere ich an den Geburtstag von Frau Schwarzer in der Presseschau. "Die Sprache der Befreiung"
http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...8#pid15168
Es ist, ausgehend vom Jahr 1910, doch noch recht lange gegangen, bis sich grundlegendes geändert hat.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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