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Justinianische Pest kam bis Germanien
23.05.2013, 11:06
Beitrag: #1
Justinianische Pest kam bis Germanien
Servus!
Die Justinianische Pest war eine Seuchenwelle, die v.a. im 6.Jh. nicht nur das Römische Reich, sondern auch den gesamten Nahen Osten heimsuchte. In mehreren Wellen, die im Abstand von etwa 12 Jahren durch das Römische Reich und Europa fegten, wurden etwa 25% der Bevölkerung getötet. Paulus Diakonus berichtet in seiner Langobardengeschichte auch davon, dass die Pest bis ins Rheinland vorgedrungen war. Der Beweis für seine Behauptung ist jetzt sicher erbracht: Nachdem schon in Sens Y.pestis-Spuren in Skeletten festgestellt wurden, wurde jetzt auch in Bayern der eindeutige Nachweis identifiziert.

Die Seuche hatte weitreichende politische Auswirkungen:
Die Franken brachen einen Einfall nach Italien ab und zogen sich wieder zurück, die Langobarden hingegen ließen sich nicht abschrecken und drangen in dieser Zeit nach Oberitalien vor. Der allgemeine Niedergang des (damals schon nur noch Ost-)Römischen Reichs wurde mit dieser Pest in Verbindung gebracht - wohl zu Unrecht, da auch die persischen und arabischen Gegner von Byzanz davon betroffen waren...

Lange war spekuliert worden, ob sich dahinter wirklich die Pest, verursacht durch den Erreger Yersinia pestis, verbarg. Zwar wurden z.B. von Prokop die charakteristischen beulenartigen Geschwulste beschrieben (= Beulenpest), und auch von "Bluthusten" (= Lungenpest) ist die Rede. Aber ein so frühes Auftauchen der Pest konnten sich viele Wissenschaftler nicht vorstellen.
Schon 2005 allerdings wurden im bajuwarischen Gräberfeld von Aschheim Spuren von Yersinia pestis festgestellt, die nun verifiziert werden konnten. Ein internationales Wissenschaftlerteam hat bei Untersuchungen in zwei unabhängigen Labors zweifelsfrei festgestellt, dass die Krankheit, an der eine Mutter und ein Kind im Aschheimer Gräberfeld starben, die Pest war. In ihren Zähnen hatten sich genetische Spuren des Bakteriums über 1400 Jahre erhalten.
Nun steht also auch fest, dass es nicht nur die spätmittelalterliche Pandemie des 14.Jhs. (betraf v.a. Europa und den Nahen Osten) sowie die neuzeitliche Pandemie des 19.Jhs. (die von China ihren Ausgang nahm und sich weltweit verbreitete) gab, sondern auch eine allererste Pandemie im 6.Jh.

Der Errger der ersten, justinianischen Pandemie stand im Entwicklungsbaum des Bakteriums in der "Stammgruppe", während der Erreger des mittelalterlichen "Schwarzen Todes" sowie der neuzeitlichen Pandemie Weiterentwicklungen dieses Erregers darstellten (vgl. die GRafik im PLOS-Artikel).

Quellen:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15386257 (2005)
http://www.plospathogens.org/article/inf...at.1003349 (2012)

http://www.g-geschichte.de/News-Altertum...ium=e-mail
http://www.wochenanzeiger.de/article/134259.html
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23.05.2013, 16:33
Beitrag: #2
RE: Justinianische Pest kam bis Germanien
Vom Zeitraum her könnte diese Pestwelle das Vordringen der Slawen in der Lausitz und Böhmen erklären, wenn die dort lebenden "Elbgermanen" besonders von der Pest betroffen waren und die Slawen weniger.
Später wurde die Pest als Erklärung herangezogen, warum polnische Siedler aus Masownien im Prussenstaat angesiedelt wurden. Durch die Pest war es um 1500 schwieriger geworden in anderen Teilen Deutschlands Siedler zu finden.
Eine Entvölkerung durch Abzug in der Völkerwanderungszeit, war ja nie eine überzeugende Erklärung gewesen, warum man fruchtbare Gegenden verlassen sollte.

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
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23.05.2013, 19:44
Beitrag: #3
RE: Justinianische Pest kam bis Germanien
(23.05.2013 16:33)Paul schrieb:  Vom Zeitraum her könnte diese Pestwelle das Vordringen der Slawen in der Lausitz und Böhmen erklären, wenn die dort lebenden "Elbgermanen" besonders von der Pest betroffen waren und die Slawen weniger.
Später wurde die Pest als Erklärung herangezogen, warum polnische Siedler aus Masownien im Prussenstaat angesiedelt wurden. Durch die Pest war es um 1500 schwieriger geworden in anderen Teilen Deutschlands Siedler zu finden.
Eine Entvölkerung durch Abzug in der Völkerwanderungszeit, war ja nie eine überzeugende Erklärung gewesen, warum man fruchtbare Gegenden verlassen sollte.
Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Die Pest schlug traditionsgemäß in den urbanen Zentren zu, wo sich sehr viele Menschen auf der Pelle hockten, nicht aber in den dünn besiedelten Gebieten Mittel- und Osteuropas. Da fehlte ihr einfach die Basis.
Und wenn, wieso sollten die Slawen immun sein?

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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24.05.2013, 09:28
Beitrag: #4
RE: Justinianische Pest kam bis Germanien
(23.05.2013 16:33)Paul schrieb:  Vom Zeitraum her könnte diese Pestwelle das Vordringen der Slawen in der Lausitz und Böhmen erklären, wenn die dort lebenden "Elbgermanen" besonders von der Pest betroffen waren und die Slawen weniger.

Die Geschichte der Langobarden ist eher eine Grundlage für eine andere These: Nachdem die Hunnen die Ostgermanen aus dem ostmittelauropäischen Raum vertrieben hatten, haben Elbgermanen ihren Platz eingenommen. Als Italien bzw. die romanisierten Gebiete Südgermaniens geschwächt waren - ob durch den Abzug der Bevölkerung durch Odoaker bzw. durch eigenständige Abwanderung oder durch die Pest oder durch beides - wanderten Elbgermanen (wo sie nicht eh schon wie die Alamannen und Bajuwaren die Romanen ergänzt/ersetzt hatten - in die (machtpolitisch gesehen) "freien" Gebiete ein, so wie es eben die Langobarden taten. Die Langobarden hatten zuvor in ihrer Nachbarschaft (Rugier, Heruler, Gepiden) dafür gesorgt, dass mit ihrem Abzug ins lockende Italien ein Vakuum entstand, das die Slawen ausfüllten.

Die Pest mag also schon eine Rolle gespielt haben bei der frühmittelalterlichen Westwanderung der Slawen, aber m.E. eher eine indirekte. Der direkte Grund waren tatsächlich die Völkerverschiebungen der Völkerwanderungszeit.

VG
Christian
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