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Germanisch/deutsche Dialekte
24.12.2019, 11:57
Beitrag: #234
RE: Germanisch/deutsche Dialekte
(12.12.2019 17:56)Suebe schrieb:  In SPON wird bejammert/bejubelt, dass sich die Sprache immer mehr nivellieren würde.

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mens...00797.html

"Dialekte würden unbeliebter...."

TongueTeethShade

also zumindest im Oberdeutschen Sprachraum stimmt das nun überhaupt nicht.
Da liebt man seine Sprache/Mundart/Dialekt Wilted_rose

Auf jeden Fall ist der Artikel-Schreiber auch kein echter Fachmann
er schreibt davon, dass sich die "Hochdeutschen" Formen immer mehr durchsetzen würden.
Von wegen "Hochdeutsch" er meint "Standard-Deutsch" oder "Schrift-Deutsch"
aus wiki
...

Fakt ist allerdings, dass Dialekt eigentlich nur mehr bei den älteren und "mittelalterlichen" Generationen geschätzt wird. Für die jetzige Generation sind gutes Aussehen und die Kenntnis (oder angebliche) Kenntnis vieler internationaler Sprachen das Qualitätsmerkmal, wobei jemand, der nicht wenigstens eine slawische Sprache beherrscht oder zu beherrschen vorgibt, in Österreich heute gar nicht mehr als Mensch gesehen wird, wie ich erst neulich selbst erlebt habe. In der Kärntner Straße gibt es inzwischen auch nur mehr Sahne, ich habe den Eindruck, dass die Cafés, Eissalons etc. inzwischen gar nicht mehr wissen, was Obers oder Schlagobers bedeutet.

Auf Wikipedia gibt es zwar Kategorien wie "österreichbezogen" etc., "dialektale" Ausdrücke sind jedoch von denen, die dort das Sagen haben, nicht erwünscht und werden, wo es nur geht, gleich ausgemerzt oder durch einwandfrei hochdeutsche Worte ersetzt, siehe zum Beispiel: Jänner.

Von der oberösterreichischen Landeshymne, die unter den Landeshymnen in Österreich eine Sonderstellung einnimmt, sie wurde zur Gänze im (Innviertler) Dialekt verfasst (zum Vergleich: der Text der Vorarlberger Landeshymne verwendet zwar die Bezeichnung Ländle, ist aber abgesehen von diesem Wort hochdeutsch), existiert inzwischen bereits eine Übersetzung ins Hochdeutsche beziehungsweise eine hochdeutsche Fassung.
-------------

Dass das Hochdeutsche als Sprache in den deutschsprachigen Ländern in Europa nicht ausreicht beziehungsweise in Wirklichkeit die eigentliche Fremdsprache ist, habe ich lebenslang beobachten dürfen. Zumindest in Österreich war das Hochdeutsche zu der Zeit, als ich aufgewachsen bin, die Fremdsprache, damals sprachen "richtige" Österreicherinnen und Österreicher gewöhnlich Dialekt (und nur in Ausnahmefällen wie bei einem Behördengang oder auf der Universität bei einem Vortrag wurde die Kenntnis der hochdeutschen Sprache positiv aufgenommen). Heute ist das nicht viel anders, nur dass der Dialekt inzwischen durch "Migrantensprachen" wie Serbokroatisch ersetzt wurde.

Wenn ich deutschsprachige Bücher lese, die vor 2000 geschrieben wurden, fällt mir immer wieder auf, was für eine schöne deutsche Sprache damals selbst in der Unterhaltungsliteratur und oft sogar in der Trivialliteratur zu finden war. Was die Bücher in deutscher Sprache betrifft, die nach 2000 geschrieben wurden, fällt dagegen auf, dass am ehesten Übersetzungen von fremdsprachigen Büchern diesen Standard haben. Ansonsten lässt die sprachliche Finesse selbst bei jenen deutschsprachigen Büchern sehr zu wünschen übrig, die ihren Autorinnen oder Autoren einen Preis (oder wenigstens eine Nominierung) eingebracht haben, oder die sogar durch Stipendien gefördert wurden.

Auffallend ist auch, dass zumindest in Österreich, das inzwischen keinen eigenständigen Buchmarkt mehr hat, auch eine gewisse eigenständige Note verloren geht, wie ich vor Monaten in einer Diskussion erlebt habe. Damals ging es um die Frage einer jungen Autorin, die ein Manuskript auf dem Markt bringen wollte, ob sie ihren Helden bei Hofer oder bei Aldi einkaufen lassen sollte. Ihr Literaturagent hatte ihr empfohlen, ihn unbedingt bei Aldi einkaufen zu lassen, weil das Buch sonst am deutschsprachigen Markt keine Chance haben würde.

Abgesehen davon, dass es jedenfalls erschütternd ist, wenn es tatsächlich von solchen Kleinigkeiten abhängt, ob das Buch Publikationschancen hat, hätte ich die Entscheidung selbst nach folgendem Kriterium getroffen: nach dem Schauplatz. Wenn das Buch in einer österreichischen Stadt spielt, hätte ich ihn zu Hofer geschickt, wenn die Handlung beziehungsweise dieser Handlungsteil in Deutschland spielt, hätte ich ihn zu Aldi geschickt. Und wenn der Held eine Österreicher in Deutschland ist oder ein Deutscher in Österreich hätte ich vielleicht noch eine Anspielung darauf eingebaut, dass er die Handelskette zu Hause unter einem anderen Namen kennt. Die Autorin löste ihr Problem übrigens, in dem sie den Helden in einen namenlosen Disconter einkaufen schickte.

So wie es aussieht, werden deutschsprachige Dialekte und deutsche Sprachen bald nur mehr ein Thema für exotische Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler sein.

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

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