Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 0 Bewertungen - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Die Zeitenwende in Süddeutschland
11.04.2013, 16:28
Beitrag: #48
RE: Die Zeitenwende in Süddeutschland
(01.04.2013 14:07)Suebe schrieb:  es bleibt spannend.
Auf jede gelöste Frage kommen 10 neue, ungelöste.

Oh ja!
Ich bin mittlerweile mit meinem Buch "durch". Vor allem Irmtraud Heitmeier hat einen interessanten Beitrag beigesteuert zur spätantiken Geschichte Noricums und Rätiens. Das betrifft zwar eigentlich das 6./7.Jh., aber es lassen sich auch einige Aussagen über die Zeitenwende machen.
Noricum wurde ja erst nach einer Übergangszeit als Klientelkönigtum (seit 15 v.Chr.) von Kaiser Claudius zur römischen Provinz gemacht, als es die militärische Strategie erforderte. Bereits damals wurde begonnen, im Vorfeld der Donaugrenze germanische Stämme zu dulden. Nach einer Zeit ostgermanischer Besiedlung traten Elbgermanen in den Vordergrund, in erster Linie suebische Stämme. Die siedelten in einem breiten Streifen vor dem Limes, in etwa von Pannonien bis Niedergermanien, mit einem deutlichen Zentrum in Böhmen. Überall dort findet man im 5.Jh. auch die Keramik der Friedenhain-Prestovice-Kultur, die früher oft als Ursprung der Bajuwaren identifiziert wurde, heute aber als allgemein elbgermanische Kultur gesehen wird, quer über die jeweiligen Stammesgrenzen.
Als die (elbgermanisch geprägten) Alemannen den Limes überrannten, siedelten sie sich im Dekumatland an sowie in Rätien. Die Bajuwaren bildeten sich damals grade erst; sie gehen vermutlich auf einen Militärverband zurück, der von den Römern zum Schutz der Provinzen "beschäftigt" wurden - im Fall der Bajuwaren war dies wohl in erster Linie erst mal nur (Ufer-)Noricum. In Rätien - wo das Gegenstück zu den "Bajuvarii" lebte, die "Raetovarii" - lassen sich archäologisch bis ins 6. Jh. eigentlich "nur" (sorry, Suebe Wink ) Alemannen feststellen, ebenso im Ortsnamengut, das z.B. im Pfaffenwinkel - also weit östlich von Iller und Lech) ebenfalls alemannisch geprägt war.
Die um die Zeitenwende festgelegte Grenze zwischen Rätien und Noricum war also immer noch wirksam. Der Inn war Grenzfluss zwischen Alemannen bzw. "Suaven" (letztere werden nur bis ins 8.Jh. erwähnt) einerseits und "Bajuwaren" andererseits. So konnte es sein, dass zur Zeit Severins (um 480) ein alemannischer König Passau und Regensburg belagern konnte. Er hatte keinen weiten Weg...
Erst im 6.Jh. unter dem ersten nachgewiesenen Herzog Garibald schafften es die Bayern, aus Noricum nach Westen auszugreifen. Offenbar war der "bayerische" Herzog damals Inhaber zweier Titel: Er herrschte als dem merowingischen Frankenkönig untertaner Fürst über den östlichen Teil von Rätien bis zum Lech und zur Iller (konnte also wohl von der Schächung der Alemannen nach Zülpich 496/97 profitieren), war aber gleichzeitig König in Noricum, das zum Einflussbereich des oströmischen (!) Kaisers gehörte (dem ja nominell auch der Ostgote Theoderich unterstanden hat). Erst im 6.Jh. konnte die Grenze zwischen Rätien und Noricum bayerischerseits "überwunden" werden, indem beide "Reichsteile" vereinigt wurden. Zu diesem Zeitpunkt unter Herzog Theodo im 6.Jh. wurde auch Regensburg zur Hauptstadt Bayerns (zuvor war das vermutlich für den Westteil = Osträtien Augsburg, für den Ostteil = Noricum Lauriacum/Lorch oder Salzburg, dem späteren Sitz des bayerischen Erzbischofs). Die Stadt liegt genau zwischen Rätien und Noricum...
So hat sich also die im 1.Jh. gebildete Grenze zwischen Rätien und Noricum bis ins 7.Jh. als politisch wirksam erwiesen...

VG
Christian
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Nachrichten in diesem Thema
RE: Die Zeitenwende in Süddeutschland - 913Chris - 11.04.2013 16:28

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds