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"Steppenfragen"
15.04.2013, 10:24
Beitrag: #38
RE: "Steppenfragen"
(04.04.2013 12:06)WDPG schrieb:  -Ideologie: Der Kaiser von China war der Herrscher über die gesamte zivilisierte Welt, so zumindest aus seiner Sicht. Dieser Universalgedanke bestand seit der Vereinigung von China und spielte in der Geschichte Chinas immer wieder eine sehr bedeutende Rolle. Die Grenzen zu den anderen (aus chinesischer Sicht wohl unzivilisierten Völkern) waren hauptsächlich von der Natur gegeben. Außer die zu den Völkern des Nordens, hier war die Barriere dann statt der natürlichen Grenze die Mauer.

(04.04.2013 12:38)Arkona schrieb:  Es ist der Kerngedanke der chinesischen Politik, dass man selbst der Nabel der Welt ist. Gleichberechtigte Beziehungen zu anderen Mächten gab es bis in unsere Zeit nicht, allenfalls Vasallen und sonstige "Barbaren". Trieb man tatsächlich Handel, kassierte man laut offizieller Lesart "Tribute" und gab "Geschenke". Diese zum Teil rassistische Arroganz bekamen die ersten europäischen Handelsmissionen deutlich zu spüren und sie ist auch heute nicht verschwunden.

Kleiner Exkurs dazu:
Besonders um die Macht des chinesischen Kaisers hervorzuheben, betonte man die Übermacht Chinas. Dafür hatte man ein völlig systematisiertes Weltbild, in Zonen eingeteilt, und im Grunde unverändert beibehalten (hier das 5-Zonen-Modell aus dem Shangshu, das im 5./4. Jhdt. v. Chr. entstanden ist.) :
In der Mitte lag demnach die Hauptstadt (zhong bang), in der der Weltenherrscher residierte und in der alle Fäden zusammenliefen. Sie wurde umgeben von der königlichen Domäne (dian fu), also dem eigentlichen chinesischen Reich.
Außerhalb davon lagen die Gebiete der Lehnsfürsten, die dem Kaiser Tribut zahlten (hou fu), gefolgt von der befriedeten Zone, die von der chinesischen Kultur beeinflusst wird, aber als deutlich primitiver angesehen wird (sui fu).
Die vierte Zone (die Hauptstadt gilt nicht wirklich als "Zone") ist die der alliierten Barbaren (yao fu), die sich wiederum in das Gebiet der Yi-Barbaren und das der Steppenvölker aufteilt.
Am Rand der Welt schließlich liegt die Wildnis (huang fu). Auch sie ist aufgeteilt, nämlich in die Gebiete der Man-Barbaren und die der "schweifenden Völker".
(Theoretisches Weltbild der Chinesen der Zhou-Zeit nach Claudius Müller).

Diesem System zufolge war alles in quadratischen umeinanderliegenden Bereichen um das chinesische Reich herum angeordnet und von diesem abhängig, wie ja schon die Bezeichnung "Reich der Mitte" zeigt. Zwar ließ sich der Anspruch auf Universalität natürlich praktisch nicht durchsetzen, dennoch duldete man nicht so einfach einen anderen Kaiser, wie es im spätantiken Rom und im Mittelalter (Byzanz-Heiliges Römisches Reich) möglich war. Gegen Usurpatoren, separatistische Bewegungen und "Kaiser" anderer Völker ging man streng vor. In Notzeiten musste es zwar zur Koexistenz mit nominell ebenbürtigen Reichen kommen, doch ab der Yuan- und der Quing-Dynastie (erstere 1279–1368, zweitere 1644–1911) versuschte man durchaus, diesen Anspruch auch praktisch durchzusetzen.
Ob man wirklich von der Weltherrschaft überzeugt war, ist fraglich. Jedenfalls war diese Anschauung die Stütze der kaiserlichen Macht und damit der staatlichen Ordnung und diente zur Erhaltung der Machtposition. Ab dem 11. Jahrhundert gab es zudem die Vorstellung einer "korrekten dynastischen Abfolge" der Herrscher über die Welt (zhengtong), die auch in Zeiten mehrerer rivalisierender chinesischer Reiche nur einen legitimen Kaiser und mehrere "Neben-Herrscher" (bewusst nicht Neben-Kaiser) sehen wollte.

Doch das ist ein anderes Thema. Aber gerade weil man sich als Zentrum der Welt sah und nicht nur als ein Reich unter vielen, konnte man sicherlich sich nominell unterwerfende Völker im Reich aufnehmen und an der sowieso überlegenen Kultur teilhaben lassen. Das gab es ja auch im römischen Reich, wo besonders in der Spätantike (nach der Schlacht von Adrianopel) massiv, aber auch vorher schon vereinzelt barbarische Bevölkerung innerhalb der Reichsgrenzen angesiedelt wurde. Was jedoch dort nach Meinung vieler Forscher mit zum Untergang des Reiches beitrug.

(Der Post basiert in den wesentlichen Punkten auf folgendem Artikel: Hans van Ess: Chinesisches Kaisertum. S. 173-189. In: Hartmut Leppin/Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter (Hg.): Kaisertum im ersten Jahrtausend. Wissenschaftlicher Begleitband zur Landesausstellung "Otto der Große und das Römische Reich. Kaisertum von der Antike zum Mittelalter." Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2012. Vgl. besonders die Grafik auf S. 187.)

- Exkurs Ende -

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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