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Böhmen unter Karl IV.
04.03.2016, 08:26
Beitrag: #17
RE: Böhmen unter Karl IV.
(04.03.2016 06:32)Sansavoir schrieb:  
(03.03.2016 20:38)Teresa C. schrieb:  Ich frage mich nur, ob wir nicht ein wenig zu viel von den Herrschern des Spätmittelalters erwarten.Tongue

Ich finde, dass Karl IV. eine kluge, konzeptionelle Politik betrieb. Deswegen stellt sich für mich die Frage, warum ließ er im Falle Burgund die sonst vorhandene Weitsicht vermissen.

Letztlich ist es erstaunlich, dass nach der Katastrophe der Pest in Europa relativ viele fähige Herrscher gab, sei es Kaiser Karl IV., der ungarische König Ludwig der Große, der englische König Edward III., der französische König Karl V., der Weise, der dänische König Waldemar IV. Atterdag, der polnische König Wladyslaw I. Lokietek, Dimitri Donskoi, der Großfürst von Moskau oder Winrich von Kniprode. Diese Herrscher starben in den 1370er-/1380er-Jahren, ihre direkten Nachfolger hatten oft nicht das gleiche Format.

Wahrscheinlich wäre auch zu klären, inwieweit Katastrophen wie die Pest oder Heuschrecken wirklich dank des Einsatzes fähiger Herrscher bewältigt wurden oder einfach einen höheren Maßstab legten, sodass sich wirklich nur fähige Leute in der Herrscherschicht behaupten konnten.

Wobei eines zu fragen wäre - woran messen sich die tatsächlichen Fähigkeiten eines Herrschers bzw. seiner Herrschaft? (Abgesehen davon könnte auch gefragt werden, ob es wirklich nur die Fähigkeiten des Herrschers waren, die entschieden.)

Dass die unmittelbaren Nachfolger nicht das Format hatten - ob das nur die Schuld der Nachfolger war? Sehen wir uns einige deiner Beispiele einmal dazu an:

König Kasimir I., der schon zu Lebzeiten seines Vaters Wladyslaw I. Lokietek mit diesem gemeinsam regiert hatte (und somit ausreichend Erfahrung hatte, als er alleiniger Herrscher wurde), starb nur wenige Jahre nach seinem Vater und hinterließ keinen Sohn. (Da er relativ bald starb, hatte er wohl nicht die Zeit aus den Schatten seines Vaters zu treten.)

König Ludwig der Große, König von Ungarn, der ihn als König von Polen beerbte, hinterließ ebenfalls bei seinem Tod nur zwei Töchter, die zu diesem Zeitpunkt auch noch Kinder waren.

Waldemar IV. Atterdag hatte immerhin mit seiner Tochter, die zum Zeitpunkt seines Todes bereits erwachsen war, eine äußerst fähige Nachfolgerin.

Die Söhne von Karl V., dem Weise, waren zum Zeitpunkt seines Todes noch minderjährig, da wäre auch zu fragen, warum es bei diesen Karl nicht möglich war, eine fähige Regentschaft einzusetzen.

Ähnlich sieht es bei Edward III. aus. Da sein ältester Sohn ein Jahr vor ihm starb, wurde dessen noch minderjähriger Sohn sein Nachfolger. (Übrigens war dessen Nachfolge keineswegs unumstritten.)

Die Nachfolger von Kaiser Karl IV. war zwar volljährig, aber eindeutig noch sehr jung.



(Ich habe jetzt in einem anderen Zusammenhang einen Fall aus dem Bürgertum im 19. Jahrhundert von lokalgeschichtlicher Bedeutung untersucht und dabei festgestellt, dass der Niedergang bereits in der zweiten Generation sich abzuzeichnen begann, also keineswegs wie bisher angenommen wurde, erst nach dessen Tod begann.)

Aus zeitgenössischer Perspektive wäre zu fragen, inwieweit Karl IV. die "burgundische Bedrohung" bereits hätte vorhersehen / erkennen können. Als Nachgeborene haben wir es wesentlich leichter als er, da wir wissen, wie es nach seinem Tod weitergegangen ist.

Wenn allerdings z. B. berücksichtigt wird, dass es im Mittelalter (auch noch im Spätmittelalter) durchaus üblich war, dass die Herrschaft über mehrere Länder, die ein Herrscher vereinigt, gewöhnlich unter dessen Söhnen wieder geteilt wird - warum hätte Karl IV. nicht davon ausgehen sollen, dass dieser burgundische Länderkomplex sich ohnehin wieder von selbst auflöst. (Er selbst hat zwar noch seinen ältesten Sohn zu seinem Nachfolger als König von Böhmen, König im Reich (HRR) und Oberhaupt der Familie gemacht, aber keineswegs Maßnahmen ergriffen, seine beiden anderen Söhne und seine beiden Neffen von der Herrschaft gänzlich auszuschließen.

Dass die Herzöge von Burgund in der Folge immer nur einen legitimen Sohn haben würden, der somit die Herrschaft in allen ihren Ländern ungeteilt übernehmen konnte - hätte Karl IV. das wirklich voraussehen können. Auch die Entwicklung in Frankreich, die wesentlich für die Machtposition der Herzöge von Burgund ausschlaggebend werden sollte - hätte Karl IV. die vorhersehen können. (Immerhin war z. B. auch kaum vorhersehbar, dass König Karl VI. von Frankreich zuletzt vollkommen regierungsunfähig sein würde.)

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