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Urheimat der Indoeuropäer
13.12.2014, 15:22
Beitrag: #101
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(10.12.2014 15:47)Arkona schrieb:  Weil die Frage auch kam. Natürlich spielt auch die ganze Gesellschaft eine Rolle. Patriarchalisch, im Besitz von Rad, Pferd und Metall sowie auf Krawall gebürstet. Das waren beste Voraussetzungen, sich über fast ganz Eurasien zu verbreiten. Geografische Hindernissse gibt es nicht zwischen Karpaten und Altai, die Steppenautobahn. Anscheinend haben die Vorfahren der Türken und Mongolen das alles von den frühen Indoeuropäern gelernt. Parzinger verlegt die Wurzeln der iranischen Skythen ins tiefste Sibirien (Tannu-Tuwa), ob er damit richtig liegt kann man diskutieren.

Falls man eine indoeuropäische Expansion postulieren will, sind für Reitervölker der Steppe typische Ausrüstung und Mentalität sicher ein bedeutender Faktor hinsichtlich ihrer Durchsetzungskraft gegenüber der in isolierten Siedlungen lebenden bäuerlichen Bevölkerung. Dass die Urheimat der Skythen Sibirien sein soll, halte ich allerdings für sehr zweifelhaft.

Ein zentraler Einwand der Migrationsgegner lautet, dass die Expansion großer Bevölkerungsgruppen angesichts der dünnen Besiedlung Südrusslands nicht vorstellbar ist. Diesen Einwand haben die Befürworter aufgenommen und das Konzept der Gimbutas bereits vor längerer Zeit modifiziert. Statt großer "Menschenhorden" muss man sich ein allmähliches Einsickern indoeuropäischer Sprachträger in mehreren Wellen vorstellen, die keineswgs flächendeckend waren. Nachdem Indoeuropäer in einigen Gebieten ihre Sprache und Teile ihrer Kultur durchgesetzt hatten, wurden auch andere ethnische Gruppen "indoeuropäisiert".

So breitete sich ein indoeuropäischer Formenkreis großräumig aus, ohne dass indessen überall ethnisch originäre Indoeuropäer am Werk waren.

Was die Skythen betrifft, so sind sie vermutlich ein abgespaltener Teil der Indoiraner, die ab etwa 1500 v. Chr. in zwei Zweigen in den Iran und nach Nordindien einwanderten. Die Skythen könnten sich noch im zentralasiatischen Raum von dieser Wanderbewegung gelöst und ihre historisch bekannten Sitze eingenommen haben.
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20.01.2015, 22:04
Beitrag: #102
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Zuerst einmal Hallo!

Aufgrund der im alten Forum ja schon erwähnten Arbeiten von Hans Krahe, Wolfgang P. Schmid und Jürgen Udolph auf dem Gebiet der Landschafts- und Gewässernamen (Onomastik) bin ich der Meinung, dass der Ursprung des Indogermanischen in Europa liegt.

Gestützt wird dies meiner Meinung nach durch die Verbreitung http://www.biomedcentral.com/1471-2148/1...?highres=y (http://www.biomedcentral.com/1471-2148/10/36 ) der Mutation des Laktase-Gen LCT - C/T 13910 (http://snpedia.com/index.php/Rs4988235 ), die nach heutigem Kenntnisstand vor 7.000 bis 8.000 Jahren in Europa entstanden ist. Laut Computermodell http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3048992/ in Südost-Mitteleuropa (das "Mittel" wurde in der Presse oft unterschlagen). Die Verteilung im Baskenland vor 5000 - 4500 Jahren ist allerdings auch beachtlich http://journals.plos.org/plosone/article...ne.0086251 .
Ich will damit nicht sagen, dass die ersten Menschen mit dieser Mutation Indogermanen waren, allerdings scheint sich diese Mutation mit der Ausbreitung der indogermanischen Sprachen ausgebreitet zu haben.

Die Schnurkeramik kommt für mich wegen ihrem geringen genetischen Eintrag nicht als Ursprung des Indogermanischen in Frage. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4039305 runter scrollen und bei Movie S1 klicken oder auch https://www.youtube.com/watch?v=PqQaED39Xlw , was durch die "Absolutchronologie und die Entstehung der Schnurkeramik" von M. Furholt bestätigt wird http://www.jungsteinsite.uni-kiel.de/pdf...urholt.pdf .

Von den Theorien der Matriarchatsforscherinen wie Marija Gimbutas und den deutschen Wolfsfrauen um Heide Göttner-Abendroth halte ich nichts. Siehe auch die Kritik der ehemaligen Matriarchatsforscherin Martina Schäfer http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2002/04/13/a0282 und “New Age” delusions: Hippy-dippy evidence-free fantasies http://www.badarchaeology.com/?page_id=894 .
Im übrigen sprechen Untersuchungen der genetischen Ähnlichkeit unter den Frauen und unter den Männern und die Isotopen-Verteilungen von Sauerstoff, Kohlenstoff und Strontium in den Zähnen der Opfer von Eulau, Talheim und Schletz für eine zu dieser Zeit vorherrschende patrilokale Kultur und damit gegen den ökonomischen Matriarchatsbegriff.

Ich hoffe, ich habe nicht nur Sachen wiederholt, die im Forum schon diskutiert wurden. Sollte es doch so sein, bitte ich um Verzeihung. Ich bin neu hier und habe mich noch nicht groß im Forum umgesehen.
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21.01.2015, 09:57
Beitrag: #103
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Auch erst einmal Hallo. Smile

(20.01.2015 22:04)Peppermint Pig schrieb:  Von den Theorien der Matriarchatsforscherinen wie Marija Gimbutas und den deutschen Wolfsfrauen um Heide Göttner-Abendroth halte ich nichts. Siehe auch die Kritik der ehemaligen Matriarchatsforscherin Martina Schäfer http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2002/04/13/a0282 und “New Age” delusions: Hippy-dippy evidence-free fantasies http://www.badarchaeology.com/?page_id=894 .
Im übrigen sprechen Untersuchungen der genetischen Ähnlichkeit unter den Frauen und unter den Männern und die Isotopen-Verteilungen von Sauerstoff, Kohlenstoff und Strontium in den Zähnen der Opfer von Eulau, Talheim und Schletz für eine zu dieser Zeit vorherrschende patrilokale Kultur und damit gegen den ökonomischen Matriarchatsbegriff.

Können wir das nicht an anderer Stelle diskutieren? Der Zickenkrieg unter den Matriachatsforscherinnenist sicherlich hochinteressant, aber man tut dem grundsätzlichen Überlegungen durchaus Unrecht, wenn man den kompletten Matriarchatsgedanken auf Überlegungen der Emanzipationsbewegungen und Lesben zurückführt. Es gibt einfach zu viele Indizien aus unterschiedlichen Gegenden und unterscheidlichen Zeitepochen, die darauf hindeuten, daß es zumindest nicht-patriachalische Gesellschaften gegeben hat.
Ob in denen einfach das männliche durch das weibliche ersetzt war, sei einmal dahin gestellt. (Das glaube ich nämlich ganz und gar nicht...)

Falsch ist es sicherlich, einfach davon auszugehen, daß es vor den Indoeuropäern ein weitverbreitetes Matriachat gegeben hat, das nur durch die Indoeuropäer zerstört wurde. Insbesondere, wenn man in diesem "Matriarchat" wirklich nur Männlein gegen Weiblein austauscht.

Aber die Herkunft der Indoeuropäer durch die Kritik an den Matriachatsforscherinnen zu belegen, ist für mich dann doch sehr weit hergeholt...

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21.01.2015, 17:21
Beitrag: #104
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(20.01.2015 22:04)Peppermint Pig schrieb:  Aufgrund der im alten Forum ja schon erwähnten Arbeiten von Hans Krahe, Wolfgang P. Schmid und Jürgen Udolph auf dem Gebiet der Landschafts- und Gewässernamen (Onomastik) bin ich der Meinung, dass der Ursprung des Indogermanischen in Europa liegt.

Die Folgerungen dieser Untersuchungen sind nicht ganz unbestritten. So sind z.B. die Sprachwissenschaftler Theo Vennemann und Harald Haarmann der Meinung, dass zahlreiche Berg- und Gewässernamen nicht- bzw. vorindoeuropäischen Ursprungs sind.

"Der deutsche Linguist Theo Vennemann vermutet, dass die Gewässernamen nicht indoeuropäisch seien, sondern aus Sprachen stammten, die mit einer baskischen Sprachgruppe verwandt wären (Vaskonische Hypothese).[4] Auch diese Hypothese findet Anlass zu weiteren Diskussionen." http://de.wikipedia.org/wiki/Alteurop%C3...Hydronymie

Das würde dann bedeuten, dass indoeuropäische Sprachträger nicht autochthone Mitteleuropäer waren, sondern zugewandert sind.

(20.01.2015 22:04)Peppermint Pig schrieb:  Ich will damit nicht sagen, dass die ersten Menschen mit dieser Mutation Indogermanen waren, allerdings scheint sich diese Mutation mit der Ausbreitung der indogermanischen Sprachen ausgebreitet zu haben.

Was genetische Mutationen mit der Ausbreitung der Indoeuropäer zu tun haben, will mir nicht ganz einleuchten.

Auf jeden Fall gibt es in Europa gute Hinweise auf eine nichtindoeuropäische Bevölkerung, die zeitweise noch in antiker Zeit existent war. So z.B. die altmediterrane Bevölkerungsschicht der Etrusker, Ligurer, Paläosarden, Sikaner, Iberer, Minoer, Hattier, vielleicht auch die legendären Pelasger in Altgriechenland. Nicht zuletzt sind hier die Basken zu nennen, die ebenfalls als Rest einer vorindoeuropäischen Bevölkerung zu deuten sind, die nach Meinung von Theo Vennemann einst einen erheblich größeren Siedlungsraum besetzt hatte.

(20.01.2015 22:04)Peppermint Pig schrieb:  Die Schnurkeramik kommt für mich wegen ihrem geringen genetischen Eintrag nicht als Ursprung des Indogermanischen in Frage.

Ob die Schnurkeramik die Leitkultur einer neuen Einwanderungsgruppe in Form der Indoeuropäer ist, ist sehr umstritten. Auf jeden Fall gibt es einen kulturellen Bruch, der u.a. sehr gut an der Grabkultur sichtbar wird. Die Kollektivbegräbnisse in Form der Megalithbauten verschwinden mit Einbruch der Schnurkeramik fast schlagartig und weichen einer Einzelgrabkultur, deren Menschen ihre Toten einzeln unter Grabhügeln bestatten. Ob das nun mit dem Einbruch neuer indoeuropäischer Bevölkerungsgruppen zu erklären ist, ist strittig.

(20.01.2015 22:04)Peppermint Pig schrieb:  Von den Theorien der Matriarchatsforscherinen wie Marija Gimbutas und den deutschen Wolfsfrauen um Heide Göttner-Abendroth halte ich nichts.

Marija Gimbutas war keine Matriarchatsforscherin, sondern in erster Linie eine hochdekorierte Archäologin, Prähistorikerin und Anthropologin, die jahrzehntelang Ausgrabungsprojekte in Griechenland, Jugoslawien und Italien leitete. Obwohl sie eine matrilineare Tendenz neolithischer Gesellschaften in Europa postuliert, ist sie dennoch keine Matriarchatsforscherin und weit entfernt vom unwissenschaftlichen Hintergrund einer Heide Goettner-Abendroth.

Allerdings vertritt nicht nur die verstorbene Marija Gimbutas die Kurgan-Theorie, nach der indoeuropäische Gruppen aus Südrussland nach Europa migrierten, sondern auch andere Archäologen und Sprachwissenschaftler. So z.B. in neuerer Zeit der US-Amerikaner David Anthony mit folgenden in der Forschung beachteten Publikationen:

- David Anthony: The Kurgan culture. Indo-european origins and the domestication of the horse, a reconsideration. in. Current Anthropology. University of Chicago, Chicago Illinois, 27.1986, S. 291–313. ISSN 0011-3204

- David Anthony, Dorcas Brown: The origins of horseback riding. in: Antiquity. Oxford University Press, Oxford 65.1991

- David Anthony: The Horse, the Wheel, and Language: How Bronze-Age Riders from the Eurasian Steppes Shaped the Modern World. Princeton University Press, Princeton 2007

Ferner der Sprachwissenschaftler Harald Haarmann in:

Die Indoeuropäer - Herkunft, Sprachen, Kulturen. C.H. Beck Wissen, Band 2706, München 2010

Es gibt noch weitere. die mir aber auf die schnelle nicht einfallen.
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24.01.2015, 15:03
Beitrag: #105
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Die Indoeuropäer sind völlig undenkbar ohne das Pferd, das ihre schnelle Ausbreitung und ihre militärische Überlegenheit begründete. Das Pferd wurde in Westsibirien domestiziert, man hat das sogar in einem Landkreis an der Grenze zu Kasachstan lokalisiert. Das ist alles weit logischer als alle anderen Theorien. Man hat versucht, Frau Gimbutas herabzuziehen, aber diese Versuche sind gescheitert. Frau Gimbutas ist allgemein anerkannt.
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24.01.2015, 15:28
Beitrag: #106
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(24.01.2015 15:03)Harald schrieb:  Die Indoeuropäer sind völlig undenkbar ohne das Pferd, das ihre schnelle Ausbreitung und ihre militärische Überlegenheit begründete.

Das Pferd mag eine Rolle gespielt haben, doch bot es in gebirgigen Regionen keinen Vorteil. Unsicher ist auch, ob die Ausbreitung der Indoeuropäer wirklich "schnell" erfolgte. Von der Vorstellung, dass Horden von Indoeuropäern gleich den Hunnen Europa in Besitz genommen hätten, ist man längst abgekommen. Eher stellen sich viele ein allmähliches Einsickern indoeuropäischer Gruppen vor, die aufgrund ihrer Bewaffnung und halbnomadischen Mobilität die Oberhand gewannen. Indoeuropäisierte Stämme könnten ihrerseits indoeuropäische Sprachen und Kultur weitergetragen haben, sodass wir es vielfach mit einer sekundären Indoeuropäisierung zu tun hätten.

Das leuchtet insofern ein, als, eine Ausbreitung von Ur-Indoeuropäern von Mitteleuropa bis Indien schon aus demografischen Gründen nicht erfolgt sein kann. Dazu wäre die Bevölkerungsbasis in Südrussland - sofern wir diesen Ausgangspunkt annehmen wollen - viel zu schmal gewesen.
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25.01.2015, 23:20
Beitrag: #107
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(24.01.2015 15:03)Harald schrieb:  Das Pferd wurde in Westsibirien domestiziert, man hat das sogar in einem Landkreis an der Grenze zu Kasachstan lokalisiert.
Das kann sogar stimmen, aber mich würde schon interessieren woher du das so genau zu wissen glaubst. Eine seriöse Quelle bitte...
Landkreis? Naja. Ein Rayon in Russland kann viel größer als Deutschland sein.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
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26.01.2015, 16:45
Beitrag: #108
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(25.01.2015 23:20)Arkona schrieb:  Das kann sogar stimmen, aber mich würde schon interessieren woher du das so genau zu wissen glaubst. Eine seriöse Quelle bitte...

Wenn wir mal die alte Tante Wiki befragen, so sagt die ähnliches:

"Der Zeitpunkt der Domestizierung des Hauspferds wurde nach DNA-Analysen von Pferdehaarproben unter der Vermutung, dass die gefundene Farbvielfalt sich erst in der Zucht herausgebildet hat, in das 3. Jahrtausend v. Chr. datiert.[31] Diese soll um 3500 in Nordkasachstan stattgefunden haben."

http://de.wikipedia.org/wiki/Pferde

"Nordkasachstan" entspricht Westsibirien, sodass Haralds Aussage korrekt wäre - sofern wir Wiki trauen wollen.

Ähnliches berichtet auch ein Beitrag im Spiegel:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur...31945.html
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27.01.2015, 00:05
Beitrag: #109
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Ich kann mir das auch gut vorstellen. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, das es weitere Domestizierungszentren gab z.B. in Spanien(Höhlenzeichnungen mit Pferden). Ich glaube auch nicht, das wir den Vorlauf der Domestizierung genetisch errechnen können. Beim Hund werden auch die unterschiedlichsten Zahlen genannt. Heute noch vorhandene Mitochondrien geben keine Auskunft über verdrängte Mitochondrien.
Heute sind auch Rentiere Reittiere und Zugtiere, Fleisch- und Milchlieferanten.... Reiten steht aber bei ihrer Haltung nicht im Vordergrund.

viele Grüße

Paul

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in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
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27.01.2015, 16:10
Beitrag: #110
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(27.01.2015 00:05)Paul schrieb:  Ich kann mir das auch gut vorstellen. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, das es weitere Domestizierungszentren gab z.B. in Spanien(Höhlenzeichnungen mit Pferden).

Dass es weitere Orte gab, wo eine Domestizierung des Pferdes erfolgte, ist nicht auszuschließen.

Die Höhlenzeichnungen von Altamira (Spanien) entstanden vor etwa 15 000 Jahren. Es ist kaum anzunehmen, dass bereits zu dieser Zeit eine Domestizierung stattgefunden hat. Die auf den Höhlenmalereien dargestellten Pferde werden als Wildpferde interpretiert, die von den Steinzeitmenschen als Nahrungsquelle gejagt wurden.
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29.01.2015, 22:30
Beitrag: #111
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Pferde zu domestizieren, war eine echt reife Leistung - nicht umsonst sind alle modernen Versuche mit Onagern und Zebras gescheitert und Esel taugen nicht für Streitwagen oder Kavallerie. Diese Viecher sind allesamt zudem in ihrer Wildform kaum zu handhaben, das weiß jeder Zootierpfleger. Deshalb halte ich es auch für unwahrscheinlich, dass man das mehrfach unabhängig erfand. Ich denke schon, dass Nordkasachstan ein ganz guter Kandidat als "Urheimat" des Hauspferdes ist. Addieren wir gleich mal das Rad, Metallverarbeitung und vielleicht den Reflexbogen dazu und dann landen wir auch wieder bei den Proto-Indoeuropäern mit ihren damaligen Wunderwaffen.

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30.01.2015, 20:23
Beitrag: #112
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(29.01.2015 22:30)Arkona schrieb:  Addieren wir gleich mal das Rad, Metallverarbeitung und vielleicht den Reflexbogen dazu und dann landen wir auch wieder bei den Proto-Indoeuropäern mit ihren damaligen Wunderwaffen.

Ja, so stellen sich die Verfechter der Invasionshypothese das vor. Allerdings, und das ist stets ein zentrales Element, kann die Archäologie keine Spuren einer solchen Invasion von Indoeuropäern finden. Das hat zur Folge, dass die Invasionshypothese modifiziert wurde. Und zwar dahingehend, dass kleine Gruppen unter der Herrschaft von War-Lord einsickerten und es somit zu einem "Elitetransfer" ohne größere Bevölkerungsbewegungen kam. Die weitere Verbreitung glich dann einem Schneeballsystem, an dem keine originären Indoeuropäer mehr beteiligt waren.

Oder aber man nimmt die Hypothese, dass die Indoeuropäer identisch sind mit der mitteleuropäischen Urbevölkerung, die sich vom Mesolithikum bis zur Metallzeit ohne größere Störungen von außen entwickelte. Auch die Neolithisierung erfolgte allein durch eine Kulturtrift. - Auch das ist ein denkbares Szenario.

Im Grunde haben beide Hypothesen Pferdefüße und Widersprüche, die nur durch argumentative Verrenkungen erklärbar sind.
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30.01.2015, 23:31
Beitrag: #113
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(30.01.2015 20:23)Dietrich schrieb:  Oder aber man nimmt die Hypothese, dass die Indoeuropäer identisch sind mit der mitteleuropäischen Urbevölkerung, die sich vom Mesolithikum bis zur Metallzeit ohne größere Störungen von außen entwickelte. Auch die Neolithisierung erfolgte allein durch eine Kulturtrift. - Auch das ist ein denkbares Szenario.

Im Grunde haben beide Hypothesen Pferdefüße und Widersprüche, die nur durch argumentative Verrenkungen erklärbar sind.

Wenn man von einer relativen Mitteleuropatheorie ausgeht, dann gab es aber "Storungen" durch Einwanderung der Atlantiker und Bandkeramiker aus dem Süden. Wenn es eine indogermanische Einwanderung aus Westrussland vor z.B. 10000 Jahren nach Mitteleuropa gab, dann würde dies als Mitteleuropatheorie erscheinen. Die östlichen Ursprungsgebiete in Russkand blieben auch Ursprungsgebiete.

viele Grüße

Paul

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31.01.2015, 14:57
Beitrag: #114
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(30.01.2015 23:31)Paul schrieb:  [
Wenn man von einer relativen Mitteleuropatheorie ausgeht, dann gab es aber "Storungen" durch Einwanderung der Atlantiker und Bandkeramiker aus dem Süden. Wenn es eine indogermanische Einwanderung aus Westrussland vor z.B. 10000 Jahren nach Mitteleuropa gab, dann würde dies als Mitteleuropatheorie erscheinen. Die östlichen Ursprungsgebiete in Russkand blieben auch Ursprungsgebiete.

Was die bandkeramische Kultur angeht, so wird vielfach angenommen, dass sich eine bedeutendere Zahl von Immigranten aus Anatoloen nur im Südbalkan findet - dort u.a. die Proto-Sesklo-Kultur in Thessalien mit Sesklo und Nea Nikomedia als zentralen Punkten. Zum Norden hin wird lediglich eine Kulturtrift postuliert, also die Weitergabe von Wissen um die Kenntnis des Ackerbaus. Nicht damit verbunden sind größere Wanderungen von Bevölkerungsgruppen aus SO-Europa, obwohl es das in geringem Umfang gegeben haben mag.

Woher die mesolithische Bevölkerung Europas im einzelnen stammt, lässt sich nicht mehr genau sagen. Genetische Befunde zur altsteinzeitlichen Besiedlung weisen wohl auf Asien hin. Aber wie dem auch sei. Zur Zeit des Mesolithikums lebten die Menschen bereits seit vielen Jahrtausenden in Europa, sodass man sie als autochthone Europäer bezeichnen kann. Die bildeten dann - nach Alexander Häusler - den Grundstock der Proto-Indoeuropäer, der ohne Invasionen relativ ungestört bis in historische Zeiten existent blieb.

Welche der beiden Hypothesen mir nun wahrscheinlicher erscheint, kann ich nicht sagen. Früher war ich intensiver Verfechter der Kurgan-Hypothese von Marija Gimbutas (modifiziert in den letzten Jahren von David Anthony und Harald Haarmann). Heute scheint mir auch die Autochthonenhypothese manches für sich zu haben, vor allem weil die Archäologie keine Invasionen bestätigen kann.
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06.02.2015, 13:31
Beitrag: #115
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Wer mit Pferd und Wagen vorfährt und überlegene Bewaffnung trägt, brauchte keine Invasionsarmee, um sich in irgendeinem friedfertigen mitteleuropäischen Bauernkaff durchzusetzen. Da genügt eine laute Bande Halbstarker. Das ist vermutlich viele Male über Jahrhunderte hinweg passiert - also doch eher Elitetransfer.

Ich weiß nicht, woher @Paul die 10000 Jahre nimmt - da jagte man in unseren Breiten noch Rentiere. Soll das wieder eine Eselsbrücke zu seiner geliebten mesolithischen Ertebölle-Kultur werden?

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06.02.2015, 17:21
Beitrag: #116
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(06.02.2015 13:31)Arkona schrieb:  Wer mit Pferd und Wagen vorfährt und überlegene Bewaffnung trägt, brauchte keine Invasionsarmee, um sich in irgendeinem friedfertigen mitteleuropäischen Bauernkaff durchzusetzen.

Allerdings gab es in Europa riesige urwaldähnliche Gebiete, in denen die kleinen Dörfer der frühen Bauern isoliert lagen. Dort konnte also kein Kriegsherr mit Pferd und Wagen vorfahren, sondern musste sich schon bessere Taktiken ausdenken. Vermutlich waren die indoeuropäischen Bevölkerungsgruppen auch ohne Pferd und Wagen der neolithischen Dorfbevölkerung überlegen.
Die Ausbreitung indoeuropäischer Sprachen von Europa bis Indien beruht sicher zu großen Teilen auf einem Elitetransfer.

(06.02.2015 13:31)Arkona schrieb:  Ich weiß nicht, woher @Paul die 10000 Jahre nimmt - da jagte man in unseren Breiten noch Rentiere. Soll das wieder eine Eselsbrücke zu seiner geliebten mesolithischen Ertebölle-Kultur werden?

Paul zielt hier auf die Autochthonen-Hypothese u.a. von Alexander Häusler. Die postuliert die Entstehung der Indoeuropäer in Zentraleuropa und nimmt eine ungestörte Entwicklung vom Mesolithikum bis in die historische Zeit an - ohne jede Invasion von außen. Das begänne dann bei einer mesolithischen Bevölkerung vor rund 10 000 Jahren.
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06.02.2015, 20:14
Beitrag: #117
RE: Urheimat der Indoeuropäer
(06.02.2015 17:21)Dietrich schrieb:  
(06.02.2015 13:31)Arkona schrieb:  Ich weiß nicht, woher @Paul die 10000 Jahre nimmt - da jagte man in unseren Breiten noch Rentiere. Soll das wieder eine Eselsbrücke zu seiner geliebten mesolithischen Ertebölle-Kultur werden?

Paul zielt hier auf die Autochthonen-Hypothese u.a. von Alexander Häusler. Die postuliert die Entstehung der Indoeuropäer in Zentraleuropa und nimmt eine ungestörte Entwicklung vom Mesolithikum bis in die historische Zeit an - ohne jede Invasion von außen. Das begänne dann bei einer mesolithischen Bevölkerung vor rund 10 000 Jahren.

Aber dann müßte es einen Grund für den krassen kulturellen Wechsel gegeben haben. Gibt es da irgendwelche Hinweise darauf? Klimakatastrophe, Vulkanausbruch oder dergleichen mehr? So ohne Grund werden "friedliche" Bauern ja schließlich nicht zu Kriegern, die dann auch den neuen Umständen angepaßt eine neue Sprache sprechen...

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07.02.2015, 13:18
Beitrag: #118
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Eigentlich sieht meine Hypothese etwas anders aus. Es gab natürlich immer Einheimische. Wie die Sprache in Mitteleuropa vor z.B. 15000 Jahren aussah, wissen wir nicht. Wir wissen, das vor sehr langer Zeit Sprachträger aus Sibirien kamen, von denen ist ein Teil überwiegend im Norden geblieben. Ihre Nachfahren wurden zu den Angehörigen der uralischen Sprachfamilie. Ein Teil wanderte Westwärts und vermischte sich dabei mit ursorünglicheren Osteuropäern. Hier könnte eine Protoindoeuropäische Sprache entstanden sein. Ein Teil wanderte vermutlich weiter Richtung Westen und bildete neue Sprachvarianten. Die Gewässernamen in Norddeutschland weisen auf eine frühe Ankunft. Am Atlantik und später auch die Donau aufwärts kam es zu weiteren Einwanderungen und möglicherweise auch zu Verdrängungen von Indogermanen nach Norden u. Osten. Die Gewässernamen in Süddeutschland sollen nicht indogermanisch sein. Auch die Rätische Sprache weist darauf hin, das dort Nichtindogermanen lebten. Säter wurden weite Teile Europas durch verschiedene Einwanderer indogermanisiert. Der Weg von Nord- zu Süddeutschland war allerdings kurz. Die Abspaltung des Keltischen vom indogermanischen Prägermanisch/westlichen Urindogermanisch kann durch prärätisches Substrat und durch die Einwanderung südlicher Indogermanen z.B. Skythen erfolgt sein. Die zeitlichen Dimensionen müssen überdacht werden.

viele Grüße

Paul

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07.02.2015, 13:55
Beitrag: #119
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Dys ist nicht iwrklich überzeugend.
Eine kultureller Umbruch- und nichts anderes wird mit dem Ausbreiten der Indoeuropäer verknüpft- muss mit einer massiven Veränderung einhergehen- ansonsten würde sich das Neue nicht durchsetzen.
Entweder kamen die Indoeuropäer als Eroberer und Unterdrücker- oder aber ein Veränderung der Lebensbedingugnen machte eine neue Kultur notwendig.
Aber einfach so, weil jetzt mal ein paar Leute von hier nach dagewandert sind, entsteht kein kultureller Umbruch...

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07.02.2015, 14:31
Beitrag: #120
RE: Urheimat der Indoeuropäer
Die größeren kulturellen Umbrüche kamen nicht von den Indogermanen. Die Ertebölleleute wurden schon sesshaft, als Jagd auf Robben und Fischfang dies sinnvoller machte. Die Landwirtschaft kam entlang des Atlantiks und die Donau herauf auch nicht mit Indogermanen. Diese wurden wahrscheinlich zum Teil verdrängt und assimiliert. Die Flüchtlinge übernahmen aber die Landwirtschaft und nahmen sie mit an ihre neuen Wohnorte im Norden und Osten. Wahrscheinlich wurde Süddeutschland zweimal indogermanisiert. Beim 2. Mal mag die Nutzung des Pferdes als Reittier eine Rolle gespielt haben.
Mag sein, das die Fussion der Indogermanen mit den Ertebölleleuten in der Trichterbecherkultur ein sehr attraktives Kulturmodell war. Die Trichterbecherkultur breitete sich erfolgreich aus, auch wenn ich die Ursachen dafür nicht beschreiben kann.

viele Grüße

Paul

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