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Wie die Pfalz bayerisch wurde
12.04.2013, 16:12
Beitrag: #4
RE: Wie die Pfalz bayerisch wurde
Du fängst aber spät an! Vor 1814/15, als die Pfalz mit - damals schon - Königreich Bayern vereinigt wurde, gab es mindestens vier Jahre, in denen man von einer Vereinigung von Bayern und der Pfalz sprechen konnte:
Als 1799 der Kurfürst von Bayern (Karl Theodor) kinderlos starb, trat der regierende Kurfürst von der Pfalz (Maximilian IV. Joseph von Pfalz-Zweibrücken) das Erbe an und regierte beide Länder in Personalunion.

Ähnliches war schon 1777 geschehen, als Karl Theodor von Pfalz-Sulzbach die Regierung in München angetreten hat: Auch damals war die Münchner Linie - die sogenannte altbayerische Linie, die seit 1392 in München residierte und die "Schwesterlinien" Bayern-Landshut, Bayern-Ingolstadt und Bayern-Holland-Straubing (alle auf Ludwig den Bayern zurückführbar) ausgeschaltet bzw. überlebt hatte - ausgestorben und die Pfälzer Verwandten hatten geerbt. Karl Theodor war halt mit den Münchner Wittelsbachern schlicht näher verwandt als der spätere König Max I., deshalb war 1777 erstmal er dran.

1623 bis 1649 waren Pfalz und Bayern schon einmal vereinigt gewesen. In dieser Zeit regierte der Kurfürst von Bayern, Maximilian I., auch die Pfalz, weil ja der Pfälzer Kurfürst, der "Winterkönig" (als Kurfürst "Friedrich V."), nach seiner Niederlage am Weißen Berg abgesetzt worden war. Die katholische Verwandtschaft aus München hatte sich vom katholischen Kaiser die protestantische Pfalz zuteilen lassen...
1649 bekam Friedrichs Sohn Karl I. Ludwig die Pfalz wieder zurück.

Die wittelsbachischen Länder Pfalz und Bayern waren zuvor unter dem oben schon einmal erwähnten Ludwig IV. (= dem Bayern) vereinigt worden. Keine einfache Geschichte: Ludwig selber hatte als Herzog von Oberbayern und Pfalzgraf bei Rhein seine Karriere als Fürst begonnen, anfangs noch in einer Doppelregierung mit seinem Bruder Rudolf, mit dem er allerdings mit kämpfte als zusammen arbeitete. Als 1317 Rudolf alle Herrschaftsansprüche aufgab und seinem Bruder übertrug, fand also quasi eine "halbe" Vereinigung zwischen Pfalz und (Ober-)Bayern statt, wobei auch die Herzöge von Niederbayern unter Vormundschaft Ludwigs standen, sodass letzten Endes doch ganz Bayern und die Pfalz unter einer Herrschaft standen. 1329 wurden Bayern und Pfalz im "Hausvertrag von Pavia" erneut getrennt, als Ludwig IV. die Pfalz an den Sohn seines Bruders Rudolf über- bzw. zurückgab.

Warum waren nun Ludwig und Rudolf gemeinsam Fürsten von Bayern und der Pfalz? Weil es 1214 eine erste Vereinigung von Pfalz und Bayern gegeben hatte, als Herzog Ludwig I. ("der Kelheimer") von Bayern mit der Pfalz belehnt wurde (und seitdem den goldenen Löwen im Wappen führte). Es war also "nur" eine lehensrechtliche Vereinigung, der gleiche Herrscher für zwei Gebiete, aber immerhin das erste Mal, dass Pfalz und Bayern gemeinsam regiert wurden. 1255 teilten sich die Söhne Herzog Ottos II. (des Sohnes von Ludwig I.) die Herrschaft über die bisher gemeinsam regierten Länder Bayern und Pfalz auf, so dass Ludwig II. ("der Strenge") Oberbayern und die Pfalz erhielt, sein Bruder Heinrich XIII. Niederbayern. Die beiden Linien blieben getrennt, bis Ludwig IV. sie wieder zusammenführte bzw. bis 1340 der letzte Exponent der "ersten" niederbayerischen Linie Johann das Kind starb. (Exkurs: Die "zweite" niederbayerische Linie wird auch Niederbayern-Landshut oder Bayern-Landshut genannt und geht auf Stephan II., einen der Söhne Ludwigs des Bayern zurück; sie endete 1503 mit dem Tod Georgs des Reichen).

Im Prinzip war es dann 1214 wie auch 1317 aber doch sehr ähnlich wie bei der "Wiedervereinigung" von 1814/15, denn auch als bayerische Könige nannten sich die Wittelsbacher mitnichten "König von Bayern und der Pfalz", sondern "Könige von Bayern UND Kurfürsten von der Pfalz" (daneben u.a. auch noch Herzog von Franken und Herzog von Schwaben...). Es wurde also nicht ein Land aus zwei Ländern gebildet, sondern zwei Länder durch einen Fürsten regiert.
Der wesentliche Unterschied bestand darin, dass 1214, 1317 und 1623 bayerische Herrscher die Pfalz "übernahmen", während es 1777 und 1799 genau anders herum war.

1214-1255 kamen Pfalz und Bayern also zum ersten Mal in eine Hand, 1623-1649, 1777 und 1799 und in gewisser Weise auch 1317-1329 waren Pfalz und Bayern also jedes Mal wieder neu vereinigt worden, bevor sie 1814 zum letzten Mal bis zur endgültigen Trennung 1940 (Auflösung der "bayerischen Pfalz" zugunsten der "Westmark") unter einem Herrscher zusammengeführt wurden.

VG
Christian
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Wie die Pfalz bayerisch wurde - Suebe - 11.04.2013, 21:54
RE: Wie die Pfalz bayerisch wurde - 913Chris - 12.04.2013 16:12

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