Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 0 Bewertungen - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Die Entstehung der Bajuwaren
27.04.2013, 10:52
Beitrag: #1
Die Entstehung der Bajuwaren
Nach der Lektüre von "Die Anfänge Bayerns" (herausgegeben von Hubert Fehr und Irmtraut Heitmeier) fühle ich mich bemüßigt, euch die neusten Entwicklungen in der Bajuwarenforschung mitzuteilen.

Das Werden der Bayern scheint nämlich nach den neuesten Theorien noch komplizierter verlaufen zu sein als von der älteren Forschung ohnehin schon angenommen. Als das Römische Reich im 5.Jh. allmählich dahinsiechte, siedelten sich Elbgermanen, vermutlich aus Böhmen, am Limes an und dienten als Föderaten. Nachdem die Hunnen das ganze Herrschaftsgefüge nördlich der Alpen durcheinander gebracht hatten, etablierte sich ein zweiter Schwung an Einwanderern am nördlichen Rand des späteren Bayern. Auch diese hatten böhmische Ursprünge, waren allerdings nicht mehr von der gesamtböhmischen Vinarice-Kultur geprägt, sondern von der südböhmischen Friedenhain-Perstovice-Kultur. Ungefähr gleichzeitig kamen - nach einer verheerenden Niederlage gegen die Franken - Alamannen ins östliche Raetien und brachten ihre romanisch geprägten Begräbnissitten sowie ihre Sprache mit, was sich in Ausgrabungen und durch die Ortsnamen bis heute feststellen lässt. Wenige Jahrzehnte später veränderte sich die politische Großwetterlage im Raum nördlich der Alpen erneut grundlegend: Das Ostgotenreich brach zusammen, Raetien wurde von den Franken übernommen. In Norikum dagegen wurde ein byzantinischer Dukat eingerichtet, der den Einflussbereichs Ostroms sichern sollte. Die hier trotz der Evakuierung unter Odoaker 488 immer noch zahlreich lebenden Romanen wurden geschützt durch die im Limesvorfeld altbekannten Föderaten elbgermanischer Provinienz, die mittlerweile oder auch erst durch die Einrichtung des oströmischen Dukats den Namen „Baiovarii“ angenommen hatten. Diese Baiovarii regierten Norikum als Stellvertreter des Kaisers in Byzanz und erlangten irgendwann im Verlauf der zweiten Hälfte des 6.Jhs. den Status von byzantinischen Klientelkönigen. Mitte des 6.Jhs. hatte sich aber auch in Raetien einiges ereignet: Garibald, ein hoher fränkischer Adliger aus dem Kreis der Vertrauten des fränkischen Königs war 555 mit einer langobardischen Prinzessin liiert worden und hatte – ob vor oder nach der Hochzeit ist unklar – die Würde eines fränkischen Dux von (-Ost-)Raetien übernommen. Dieser Mann aus der Familie der Agilolfinger schaffte es, auch das baiovarische Norikum unter Kontrolle zu bekommen und seine Familie als fürstliche Familie der Baiovaren zu etablieren. Dabei waren er und seine direkten Nachfolger in einer Doppelrolle als fränkischer Dux in (Ost-)Raetien und als byzantinischer Klientelkönig in Norikum.
Gleichzeitig knüpfte Garibald, vermutlich über seine Gattin, verwandtschaftliche Beziehungen zu den Langobarden, die genau während seiner Herrschaftszeit ihr Reich in Pannonien räumten und sich von Friaul aus ein neues Reich in Oberitalien eroberten. Die Agilolfinger gewannen bei den Langobarden einen solchen Einfluss, dass sie dort sogar die Königsdynastie stellen konnten.
Erst unter Herzog Theodo gelang es ab 680, die beiden Teile Bayerns, den „Dukatus Baiovariorum“ im östlichen Raetien und das „Regnum Baiovariorum“ in Norikum wirklich zu vereinigen und diese Vereinigung durch die Etablierung Regensburgs als bairische Hauptstadt an der Grenze zwischen beiden ehemaligen Teilreichen abzuschließen. Fortan gab es nur noch ein Herzogtum Bayern unter nomineller fränkischer Oberhoheit, das sich noch unter Theodo auch eine eigenständige kirchliche Organisation gab.

VG
Christian
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
27.04.2013, 11:21
Beitrag: #2
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
Wären da noch die Main-Slawen, die in dem Chaos unauffällig einsickerten und unter eigenen Führern existieren durften, sofern sie den fränkischen Obercheffe akzeptierten und brav ihre Steuern bezahlten.

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
27.04.2013, 16:29
Beitrag: #3
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
Bei der Entstehung der Bajuwaren bewegen wir uns im 5. und v.a. im 6.Jh. Die Slawen sickerten frühestens 100 Jahre danach am oberen Main ein. Sie unterscheiden sich auch archäologisch von den Venarice- und Prestovice-Gruppen, die mit der Entstehung der Bajuwaren in Zusammenhang stehen.
Da aber schon die Venarice-Leute (die wohl Elbgermanen waren) intensive Verbindungen ins Obermaingebiet hatten, dürften die Slawen, als sie nach Böhmen einwanderten, lediglich alte Wege weiter genutzt haben.
Jedenfalls stehen die Slawen NICHT in Verbindung mit der Genese der Bajuwaren.

VG
Christian
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
27.04.2013, 19:06
Beitrag: #4
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
(27.04.2013 16:29)913Chris schrieb:  Jedenfalls stehen die Slawen NICHT in Verbindung mit der Genese der Bajuwaren.
Das hätten sie vielleicht gerne, stimmt aber nicht so ganz...

„Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius 0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“ (Albert Einstein)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
28.04.2013, 10:29
Beitrag: #5
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
(27.04.2013 19:06)Arkona schrieb:  
(27.04.2013 16:29)913Chris schrieb:  Jedenfalls stehen die Slawen NICHT in Verbindung mit der Genese der Bajuwaren.
Das hätten sie vielleicht gerne, stimmt aber nicht so ganz...

Inwiefern? Die meinst, die Bajuwaren/Bayern hätten das gerne, aber die Slawen hätten doch was mit der Genese der Bajuwaren zu tun? Was? und wie?

Sowohl Venarice- als auch Prestovice-Kultur waren elbgermanische Kulturen. Im 5.Jh. saßen die Slawen noch östlich der Langobarden, also auch östlich der späteren Bajuwaren und östlich Böhmens sowie Mährens (das gehörte zum langobardischen Machtbereich). Als sich in der ersten Hälfte bis spätestens 550 die Bajuwaren bildeten, waren also noch böhmische Elbgermanen ("Sueben") und Langobarden quasi als "Puffer" zwischen Slawen und späteren Bajuwaren.

VG
Christian
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
14.05.2013, 05:57
Beitrag: #6
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
(28.04.2013 10:29)913Chris schrieb:  
(27.04.2013 19:06)Arkona schrieb:  Das hätten sie vielleicht gerne, stimmt aber nicht so ganz...

Inwiefern? Die meinst, die Bajuwaren/Bayern hätten das gerne, aber die Slawen hätten doch was mit der Genese der Bajuwaren zu tun? Was? und wie?

Sowohl Venarice- als auch Prestovice-Kultur waren elbgermanische Kulturen. Im 5.Jh. saßen die Slawen noch östlich der Langobarden, also auch östlich der späteren Bajuwaren und östlich Böhmens sowie Mährens (das gehörte zum langobardischen Machtbereich). Als sich in der ersten Hälfte bis spätestens 550 die Bajuwaren bildeten, waren also noch böhmische Elbgermanen ("Sueben") und Langobarden quasi als "Puffer" zwischen Slawen und späteren Bajuwaren.

VG
Christian


Servus Christian .

567. schlugen die Awaren mit den Langobarden die Gepiden .
Daraufhin übernahmen die Awaren die ungarische Tiefebene .
Im Jahre 568. zogen die Langobarden gen Norditalien .

Das mit dem Karantanischen Dukanat war mir neu .
Daß es eine Umschreibung aus dem Byzantinischen ;
Boiovarii gab , las ich schon einmal.

Aber hat sich das Dukanat aufgelöst ?
Denn im Zuge der Awarenexpansion zogen vom Südosten
Slawen ein .
Das Herzogtum Karantien war ein slawisches , ärgert heute noch
die Kärtner , auch wenn sie rein deutsche Namen wie Globoćnik tragen .

Aber auch nördlich waren das Wald- und Mühlviertel westslawisch
( spätere Tschechen , Mährer ) besiedelt .

Und im südlichen Oberösterreich bis in den südlichen Traungau saßen
die Karantanen ( spätere Slovenen ) .
Ortsnamen zeugen noch heute davon ( wie z.B. Windischgarsten ) .
Nördlich davon östlich des Enns-Flusses ,
bis zur Donau saßen die Awaren mit ihren Klientel-slawen .

Insofern mag das mit dem Dukanat schon stimmen ,
aber wie dann österreichisches Gebiet bei der Genese der Bajuwaren
beteiligt war ?

Ausgenommen das Inn - und Hausruckviertel denn diese waren
sehr rasch bairisch besiedelt oder waren schon von Beginn an dabei ?

G.v.Luki

Und übrigens , Morgen ist auch noch ein Tag Cool
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
14.05.2013, 15:16
Beitrag: #7
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
Mangels Kenntnissen kann ich bei Eurer Diskussion nicht mitreden.

Vielleicht solltet ihr euch aber mal wieder verdeutlichen, die Ethnien der damaligen Zeit definierten sich durch "Beitrittserklärungen".
Baier war, wer Baier sein wollte.

Nur so sind doch diese ganzen Völker, die aus dem "nichts" auftauchen und teilweise spurlos wieder verschwinden überhaupt erklärbar.
Es ist doch bei den Alemannen nicht anders wie bei den Baiern. Nur dass die Alemannen sich "überwiegend" aus den Sueben "erklärt" haben. Die "Doppelidendität" sich erhalten konnte, während eine 4-5fach Idendität halt nicht zu erhalten ist.

Ist den Diskutanten bekannt, dass die letzten Krimgoten optisch "Tataren" waren?
Schlitzaugen usw., (Mönsch hätte der Adolf blöd geguckt)

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
14.05.2013, 23:47
Beitrag: #8
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
Hier mal ein Bild von einem Krimtataren.

http://www.google.de/imgres?q=krimtatare...56&bih=736

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
15.05.2013, 16:24
Beitrag: #9
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
(14.05.2013 15:16)Suebe schrieb:  Vielleicht solltet ihr euch aber mal wieder verdeutlichen, die Ethnien der damaligen Zeit definierten sich durch "Beitrittserklärungen".
Baier war, wer Baier sein wollte.

Deshalb finden wir ja auch archäologische Spuren im späteren Bayern, die uns Alemannen, Romanen, Slawen, sogar Hunnen zeigen, während von eventuellen Völkerkämpfen keine Rede ist. Außer den obligatorischen Alemannenübefällen auf (spätrrömische) Städte wie Regensburg und Passau. Das waren dann aber Alemannen aus dem späteren Herzogtum Alemannien, wohingegen im späteren Ostbayern = Osträtien schon längst Alemannen siedelten, die gewiss nicht mit überfallen haben, sondern mit überfallen wurden...Zerstörungshorizonte beweisen dies.
"Die Bayern", das waren im 6.Jh. einfach die Menschen, die im Dukat des Garibald und seiner Nachfolger lebten bzw. sich mit diesem Land identifizierten. Und zwar augenscheinlich sowohl in Osträtien wie auch in Norikum...
In beiden Gebieten war man froh, vor irgendwelchen Überfällen durch Awaren, Alemannen, Slawen oder auch Franken geschützt zu werden - wenn die Theorie stimmt, von der Militärtruppe der Bajuwaren, zu denen man sich dann auch rechnete, ob man nun ursprünglich Alemanne, Keltoromane oder Slawe war.

VG
Christian
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
15.05.2013, 18:51
Beitrag: #10
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
Was alle Quellen nicht verraten ist, wie die Bajuwaren eigentlich nach Bayern gekommen sind. Früher wurde angenommen, die Bajuwaren wären aus Böhmen eingewandert. Vor allem die Keramik sprach dafür. Als man erkannte, dass in Bayern auch Funde verbreitet waren, die nicht zum Typ Friedenhain-Prestovice gehörten, modifizierte man diese These dahingehend, dass die aus Böhmen kommenden Friedenhain-Leute nur den Kern der späteren Bajuwaren bildeten und dass neben diesen auch Angehörige vieler Völker, angefangen von den Romanen über diverse ost- und elbgermanische Völker bis hin zu Hunnen, miteinander verschmolzen wären und so auf dem Boden des späteren Bayern ein neues Volk gebildet hätten.

Von dieser These ist man mittlerweile abgekommen. Es hat sich nämlich erwiesen, dass es keine archäologischen Gründe dafür gibt, den Bewohnern des nördlichen Limesvorlandes und Böhmens einen ethnologischen Sondercharakter zuzuschreiben, nur weil sie die gleiche Keramik benutzten. Ähnliche Keramik taucht nämlich im ganzen Limesvorland auf, von Pannonien bis zum Niederrhein. Den gleichen Befund gibt es bei den Reihengräbern, die ebenfalls als „typisch“ für die frühen Bajuwaren angenommen worden waren. Mittlerweile sieht es stattdessen danach aus, als seien in Böhmen Menschen gesessen – wohl kaum Markomannen, wie die frühere Forschung angenommen hat, sondern generell Elbgermanen – die über das Maintal intensive Verbindungen ins Rheinland hatten und daneben eben auch nach Süden an die Donau und in den Regensburger Raum expandierten.

VG
Christian
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
17.05.2013, 18:24
Beitrag: #11
Gräberfelder
.

Servus Christian .

Mir ist eingefallen , daß es in Linz-Zizlau auch ein Gräberfeld gab .

Leider ist es zu rasch ausgegraben worden .
Denn die dort lebende Bevölkerung wurde abgesiedelt und
vom tausendjährigen Reiche , wurden dort unteranderem die
Hermann Göringwerke errichtet .

Aber eines ist sicher , es lagen dort Christen und Nichtchristen .
Die Männer waren überwiegend zwischen 20. und dreißig Jahre alt .
Im Kampfe gefallen .
Es fanden sich allemannische Beigaben , Hunnische , Awarische
und Langobardische .
Vorwiegend aber Bajuwarische und auch Menschen
mit byzantinischen Beigaben ?

Und eines ist noch interessant .
Es wurden auch Pferde beigegeben .

Und diese und andere aus anderen Gräberfeldern waren etwas kleiner
als die westeuropäischen Pferdefunde .

Was mich wieder an Awarische Rassen denken lässt ?


Aus Wikipedia Gräberfelder aus dem 6/7. Jahrhundert .:

[Bild: 300px-Bajuwarische_Funde.jpg]

Und größer :

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:B..._Funde.jpg

Und was hälts Du von diesem Artikel ?

Da fand man einen Prae-Baiern aus dem 4. Jahrhundert ?????

http://www.ingolstadt.de/stadtmuseum/sch...math01.htm

G.v.Luki

Und übrigens , Morgen ist auch noch ein Tag Cool
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
18.05.2013, 08:35
Beitrag: #12
RE: Gräberfelder
(17.05.2013 18:24)Luki schrieb:  Mir ist eingefallen , daß es in Linz-Zizlau auch ein Gräberfeld gab .

Das ist aus dem 7.Jh.?
Aber interessant, dass es noch in dieser eindeutig bairischen Zeit dort am Ostrand des Herzogtums ein solches Sammelsurium an Völkern gab, die auch noch miteinander beerdigt wurden. Inklusive Heiden - jedenfalls wenn man davon ausgeht, dass die Gräber mit Beigaben, gleich gar mit Pferden, heidnisch sind. In dieser Klarheit sagt das heute kaum noch ein Archäologe, seit man herausgefunden hat, dass sich auch Christen mitunter noch Beigaben mitgeben ließen, z.T. sogar eindeutig heidnische Beigaben - sicher ist sicher - und dass auch Waffenbeigaben kein eindeutiger Hinweis auf Heiden sind.

(17.05.2013 18:24)Luki schrieb:  Es fanden sich allemannische Beigaben , Hunnische , Awarische
und Langobardische .
Vorwiegend aber Bajuwarische und auch Menschen
mit byzantinischen Beigaben ?

Und eines ist noch interessant .
Es wurden auch Pferde beigegeben .

Und diese und andere aus anderen Gräberfeldern waren etwas kleiner
als die westeuropäischen Pferdefunde .

Was mich wieder an Awarische Rassen denken lässt ?

Nicht unbedingt. Zwar waren die Awaren auch Pferdehändler, so gesehen kein Wunder, dass hier im Nachbarbereich der Awaren awarische Pferde auftauchen, aber auch bei den mittel- und nordeuropäischen Pferden finden wir keine gröberen Abweichungen, was die Größe der Pferde angeht. Alle waren sie zwischen 130 bis 140cm Widerristhöhe.

Die byzantinischen Beigaben erklären sich übrigens ganz locker damit, dass Noricum der Oberhoheit von Byzanz unterstand.

(17.05.2013 18:24)Luki schrieb:  Und was hälts Du von diesem Artikel ?

Da fand man einen Prae-Baiern aus dem 4. Jahrhundert ?????

http://www.ingolstadt.de/stadtmuseum/sch...math01.htm

G.v.Luki
Sowohl der Seitenbetreiber Kurt Scheuerer als auch der Autor des von dir zitierten Artikels Karlheinz Rieder sind mir persönlich als hervorragende Archäologen und Historiker bekannt, natürlich kenn ich Kurt Scheuerers Seiten. Scheuerer ist experimenteller Archäologe, "Privatgelehrter" und pensionierter Lehrer, Rieder war mal Chef des hiesigen Landesdenkmalamtes. Was die beiden über die Archäologie und Geschichte der Region Ingolstadt nicht wissen, das gibt´s nicht. Wink

Der Krieger von Kemath passt hervorragend in das Bild, das man sich nach neuesten Kenntnissen von den frühen Bajuwaren macht. Er gehörte einer Bevölkerung an, die sich mit den Römern arrangiert hatte, zusehends romanisiert wurde und v.a. militärische Aufgabe im Limesvorfeld erfüllte. Aus diesen Leuten wurden dann die Bajuwaren.

VG
Christian
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
18.05.2013, 08:39
Beitrag: #13
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
Die neueren Theorien zur Entstehung der Bajuwaren nehmen die politische Gliederung des rätisch-norischen Raums im 6./7.Jh. in den Blick und kommen mit dieser Methode zu erstaunlich präzisen Ergebnissen. Denn es kann kein Zufall sein, dass der Name der Bajuwaren um 551 zum ersten Mal auftaucht und dass ein fränkischer Hochadliger „dux Garibald“, der ein bairischer Herzog gewesen sein muss, um 555 zum ersten Mal erwähnt wird.

Die „baiovarii“ müssen auch nicht unbedingt aus Böhmen gestammt haben. Vielmehr könnte es sein, dass sich ein älterer Landschaftsname erhalten hat und dieser Name auf das neu entstehende „Volk der Bajuwaren“ übertragen wurde. Schon „Böhmen“ ist ja von den keltischen Bojern abgeleitet, die allerdings im 6.Jh. schon lange nicht mehr in Böhmen saßen. Und die Zeit, in der „Sueben“ in „Schwaben“ wohnten, war zum Zeitpunkt der Entstehung des Bevölkerungsnamens der „Suaven“ (der einige Zeit parallel zum Namen „Alemannen“ verwendet wurde) ebenfalls schon lange vorbei, es sei denn, man setzt „Elbgermanen“ mit „Sueben“ gleich. Naheliegender wäre es da schon gewesen, auf das Reich der Markomannen Beziehung zu nehmen, das sein Zentrum ja auch im böhmischen Kessel hatte. Wenn in der Spätantike dort immer noch Menschen lebten, die sich auf die Markomannen zurück führten (wovon die ältere Forschung ausging), hätten sie viel eher den angestammten Stammesnamen nach Bayern „mitgenommen“ als die Landschaftsbezeichnung „Boiohemium“.

Die Archäologie hat in den letzten Jahren vielmehr erkannt, dass etwa nach 530 sich die Beigabensitte in bairischen Reihengräbern ändert, denn wie schon seit dem 5.Jh. in Gebieten mit spätrömischer Macht- und Kulturkontinuität im Rheinland und in Alamannien üblich, wurden plötzlich Waffen als Beigaben in die Gräber gelegt. Bei den gleichzeitigen Bewohnern des übrigen Germaniens, bei den Thüringern etwa oder in Böhmen, war dieser Brauch dagegen nahezu unbekannt. Auch dies spricht eigentlich gegen eine massive Einwanderung von Leuten aus Thüringen, Böhmen oder aus den Bereichen östlich oder nördlich davon nach Bayern (auch hiervon ging die ältere Forschung aus, indem sie auch Rugier, Skiren, Goten etc. zu den bairischen „Vorfahren“ zählte), sondern vielmehr dafür, dass um die Zeit, in der ein Herzogtum Bayern zu entstehen scheint, Menschen mit kulturellen Beziehungen zu den Romanen (!) in Alamannen und bei den Franken hier lebten, wobei gleichzeitig kulturelle Verbindungen nach Böhmen und zu den Thüringern existieren. Dazu passt auch, dass das (Alt-)Bairische ein westgermanischer Dialekt war, der besonders mit dem Alamannischen und dem Thüringischen enge Verbindungen aufwies. Sollte das Mitte des 6.Jhs. stattfindende Ausgreifen der Franken auf die ehemals ostgotischen Gebiete Rätiens und die damit zusammenhängende Reorganisation des Gebiets als Dukat statt als Provinz mit der Entstehung der Bajuwaren zusammenhängen? Dann müsste die Ethnogenese der Bajuwaren in zwei Schritten abgelaufen sein, von denen der erste mit der Vinarice-Kultur aus Böhmen in Verbindung steht, der zweite hingegen mit der Friedenhain-Prestovice-Kultur aus Südböhmen sowie den in Raetien lebenden Romanen. Ungewöhnlich wäre das nicht. Auch Vandalen oder Sachsen sind ja in mehreren Stufen entstanden, die mit Änderungen in der Herrschaftsstruktur zusammen hingen.

Die sprachliche Verbindung nach Thüringen und die Verbreitung zuerst der böhmischen Vinarice-Kultur, dann der südböhmischen Friedenhain-Prestovice-Keramik, an der mittleren Donau und im Maingebiet deutet darauf hin. Letztere Keramik scheint im 5.Jh. in Südböhmen entstanden zu sein, allerdings unter starkem Einfluss suebischer Gruppen aus dem Donauraum Pannoniens sowie der älteren, in ganz Böhmen, im Maingebiet und in Bayern nachweisbaren Vinarice-Kultur. Der Einfluss ostgermanischer Gruppen in Böhmen ist in dieser Zeit gegen Null reduziert worden, so dass wir hier von einem Bevölkerungswechsel in Pannonien und auch in Böhmen sprechen können, der mit dem Hunnenreich Attilas in auffälliger zeitlicher Korrelation steht.

Nach dem Ende des Hunnenreichs ändert sich das Bild: Um 500 breitet sich nämlich eine elbgermanische Kultur in diesem Raum aus, die den mittleren Donauraum umfasst und zur gleichzeitigen Kultur in Böhmen/Bayern (Vinarice-/Friedenhain-Prestovice-Kultur) und im mittleren und unteren Elbegebiet Beziehungen aufweist. Gleichzeitig ändert sich in Bayern die Beigabensitte in den Reihengräberfeldern und gleicht sich romanischen Begräbnissitten in Alamannien und bei den Franken an. Auffälligerweise existieren zu dieser Zeit enge Verbindung zwischen Böhmen und dem Reich der Thüringer (deren Reich sicher ins Maingebiet ausgriff und wahrscheinlich sogar nach Böhmen und möglicherweise sogar bis an die bayerische Donau!), ebenso wird den Langobarden eine Wanderung vom unteren Elbegebiet über Böhmen an die mittlere Donau nachgesagt. Um 485 eroberten die Langobarden, der Sage nach aus Böhmen kommend, das Reich der Rugier und breiteten sich um 490 nach Südmähren aus, um 510 vernichteten sie das Herulerreich in Pannonien und besiedelten auch dieses Gebiet. Parallel dazu beherrschen die Ostgoten Raetien, wohin nach der Niederlage der Alamannien gegen den Franken Chlodwig in der Schlacht von Straßburg 506 auch viele Alamannen flohen.

Es deutet sich die Entwicklung einer allgemeinen suebisch-elbgermanischen Kultur an, aus der sich wohl auch diejenigen rekrutierten, die später den Kern der „Bajuwaren“ bildeten, gleichzeitig verstärkt sich im späteren Bayern der Einfluss alamannischer Kulturaspekte.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
18.05.2013, 08:40
Beitrag: #14
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
Auch die weitere Entwicklung Raetiens muss im Zusammenhang mit den politischen Bedingungen der Zeit gesehen werden.

531 unterliegt das Reich der Thüringer den Franken, 546/47 beansprucht König Theudebert gegenüber dem byzantinischen Kaiser Justinian die „Gebiete der unterworfenen Thüringer und deren Provinzen und (…) [die Gebiete] entlang der Donau bis an die Grenzen Pannoniens.“ Pannonien war damals byzantinischer Einflussbereich.

Auch anhand von Fibelfunden lässt sich für diese Zeit noch ein relativ einheitlicher Kulturraum von Niedersachsen und das Rheinland bis nach Niederösterreich und in das Gebiet der – in Pannonien und in Südmähren sitzenden – Langobarden rekonstruieren.

Die Ausbreitung der elbgermanischen Kultur nach Bayern lässt sich demnach in zwei Phasen gliedern: In eine spätrömische (Vinarice-Kultur, Funde z.B. in Neuburg a.d.Donau und Eining) und in eine merowingerzeitliche (Friedenhain-Prestovice-Kultur).

Als Mitte des 6.Jhs. das „Herzogtum der Bajuwaren“ von den Franken etabliert wurde, hatten sich die Bajuwaren als Stammesverband schon gebildet. Noch immer aber ist unklar, ab wann dieses Ereignis als abgeschlossen betrachtet werden kann.

Weitere Hinweise liefert die Natur des frühen Herzogtums Bayern als „Dukat“. Der bairische Dux, so wie er uns Mitte des 6.Jhs. und in der „Lex Baiovariorum“ begegnet, scheint dem zur gleichen Zeit im Byzantinischen Reich üblichen Duces nachgebildet zu sein. Die Byzantiner gingen zu dieser Zeit dazu über, den zuvor rein römischen Amtsträgern gewisser Grenzprovinzen, etwa in Libyen oder in Syrien, weitergehende Rechte zu gewähren, die schließlich dazu führten, dass diese Duces in den Rang von Unterkönigen gelangten, was ihnen schließlich auch durch die Zuerkennung der Bezeichnung „Rex“ anerkannt wurde.

Ähnliches geschah offenbar in Raetien. Mitte des 6.Jhs. war das ein Gebiet, das die Franken erst vor kurzem eingenommen hatten und das von Osten her bedroht wurde. Die frühen Duces im byzantinischen Reich waren Militärbefehlshaber mit dem Recht, Steuern und Wirtschaft in ihrem Geltungsbereich zu regeln. Aus der „Lex Baiovariorum“ sind für den bairischen Herzog ganz ähnliche Rechte zu entnehmen, und der Nachfolger des ersten „Dux“ Garibald wird dann „Rex“ Tassilo (I.) genannt. Wenn aber Garibald ein Dux nach byzantinischem Vorbild war, dann hatte er in erster Linie die Aufgabe, seinen Dukat militärisch zu schützen. Auffällig ist nun, dass alle Bezeichnungen von Bevölkerungsgruppen mit der Endung „-varii“ militärische Einheiten bezeichnen. In Nachbarschaft zu den „Baiovarii“ finden wir folgerichtig auch die alamannischen „Raetovarii“ (sie sind im Gebiet des Nördlinger Rieses nachweisbar und standen laut der zwischen 395 und 433 entstandenen „Notitia Dignitatum“ – einer Übersicht über spätrömische Militäreinheiten - zusammen mit einem weiteren alamannischen Stamm aus der Gegend von Mainz in oströmischen (!) Diensten). Der Name „Baiovarii“ sagt also nichts oder wenig aus über die Herkunft dieser Leute aus Böhmen. Vielmehr lässt sich aus dieser Bezeichnung herauslesen, dass es sich um eine militärische Gruppe in römischer Tradition handelt, die ethnologisch vermutlich durchaus heterogen war und für die es sich daher anbot, mangels fehlender gemeinsamer Herkunft den Ort ihrer Entstehung als Unterscheidungsmerkmal von anderen „-varii“-Gruppen zu verwenden (z.B. waren die „Chattovarii“ mitnichten Chatten, diese siedelten aber im ehemaligen Gebiet der Chatten). Da Anfang des 5.Jhs., wie oben gesehen, Böhmen bzw. Südböhmen und das Limesvorland ein einheitlicher Kulturraum waren und weiterhin die keltischen Boier nicht nur in Böhmen, sondern auch südlich davon an der Donau siedelten, liegt hierin die Erklärung für den Namensbestandteil „Baio-“ bei den Bajuwaren/Baiovarii.

Um die Mitte des 6.Jhs. wird der Name „Baiovarii“ allgemein als bekannt vorausgesetzt, so muss die Stammesbildung zu diesem Zeitpunkt schon einige Zeit abgeschlossen gewesen sein. Als vorerst wahrscheinlichster Zeitpunkt nehme ich die Zeit um 500 ins Blickfeld, als sich in Bayern gewaltige Umbrüche ereigneten, nicht nur durch die an der Änderung der Grabsitten erkennbaren Zuwanderung von Alamannen, sondern auch durch die Räumung Norikums durch Odoaker. In den Salzburger Annalen wird überdies schon zum Jahr 508 von Bajuwaren gesprochen; dies ist allerdings ein vereinzelter Nachweise, dazu noch aus einer Handschrift des 12.Jhs.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
18.05.2013, 08:40
Beitrag: #15
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
Vielleicht führt uns die Klärung der genauen Beziehungen zwischen Bayern und Norikum weiter. Denn das Herzogtum Bayern umfasste ja nicht ganz Raetien, sondern nur den östlichen Teil der alten römischen Provinz, daneben aber auch noch Binnenoricum. Wie kam es zu diesem östlichen Landesteil des frühen Bayern? Immerhin lässt sich eine Gründungssage der Bajuwaren rekonstruieren, die von einer Herkunft der Bayern aus Norikum spricht! Es muss eine Erinnerung gegeben haben, die mitnichten die Entstehung der Bajuwaren in Raetien zum Inhalt hatte, sondern dieses Ereignis in der östlich von Raetien, nie unter fränkische Herrschaft gekommenen Provinz verortet. Auffälligerweise stand diese Provinz auch noch fast immer unter oströmischem Einfluss, sei es zu Zeiten Theoderichs (der ja offiziell oströmischer „Repräsentant“ in Italien war), sei es zu Zeiten nach dem Ende des Ostgotenreichs.

Paulus Diakonus berichtet am Ende des 8.Jhs. im Zusammenhang mit der Vermählung des Langobardenkönigs Authari mit Theudelinde, der Tochter von „Garibald und Walderada aus Bayern“ im Jahr 588/89, dass Authari den Weg zurück „über Norikum“ wählte. Als Erklärung schiebt Paulus nach, „es ist freilich die Provinz der Noriker, die das Volk der Baiern bewohnt“. Keine Rede von Raetien!

Auch in den Wessobrunner Glossen aus dem frühen 9.Jh., der etwa gleichzeitigen „Divisio Regnorum“ von 806, und in den Freisinger Traditionen zu den Jahren 825 und 846 werden zwar Bayern und Norikum, nicht aber Raetien gleichgesetzt. In der Vita des Abtes Sturmi von Fulda wird erwähnt, Bonifatius sei „in die Region Norikum“ gegangen, 839 ist nach den Annalen von Saint Bertin Ludwig der Deutsche auf der Flucht vor seinem Vater nach „Noreia“ zurückgekehrt, „das jetzt Baioaria genannt wird“. Derselbe Ludwig der Deutsche erhält in der Reichsteilung von 843 „außer Norikum noch Alamannien, Thüringen“ und andere Gebiete, wobei später im Text des Vertrages von Verdun gesagt wird, „Ludwig aber ist König der Noriker, id est Baioariorum“. Bis 1180 (!) finden wir diese Gleichsetzung von Bayern und Norikum in den Quellen.

Der Name Raetien ist im Unterschied zu Norikum für den bairischen Bereich aus den Überlieferungen verschwunden. Für die Raetia I hat sich die Bezeichnung „Curienses“ (nach der Hauptstadt Chur) eingebürgert. Die Raetia II, die zwischenzeitlich am Lech zwischen Alamannien und Bayern aufgeteilt worden ist, umfasst nur noch den alamannischen Teil des alten Raetien, für Bayern ist der Name spurlos verschwunden. Warum ist das nicht auch mit Norikum passiert?

Denn nicht überall, wo Bayern betroffen ist, wird von Norikum gesprochen, etwa bei der Erhebung Salzburgs zum Erzbistum für Bayern im Jahr 798. Dieses Erzbistum umfasste allerdings nicht nur die ehemals norischen Gebiete Bayerns, sondern auch die rätischen Teile des Herzogtums sowie die ehemals italischen (Südtirol, Trentino), pannonischen (Karantanien, Ungarn), böhmischen und mährischen Regionen, die durch die Kolonisation von Bayern aus mittlerweile zum Herzogtum dazugekommen waren bzw. bairisches Missionsgebiet darstellten.

Es könnte sein, dass die frühen Bajuwaren nach dem Abzug der Provinzialrömer unter dem hl.Severin im Jahr 488 das Machtvakuum nutzten und sich ausgehend von ihren rätischen Ursprüngen Norikum aneigneten. Als die Franken in Raetien ihren Dukat einrichteten und Garibald als „Dux“ einsetzten, hätten dann die Bajuwaren, die sich in Norikum mittlerweile zur neben der verbliebenen – und ausweislich der vielen romanischen Personen- und Ortsnamen bestimmt nicht kleinen – Romanenschicht herrschenden Bevölkerungsgruppe aufgeschwungen haben müssten, den Namen der Provinz, mit der sie sich jetzt in erster Linie identifizierten, mitgenommen haben müssen, so dass (Ost-)Raetien quasi zu einem Teil Norikums wurde, das im Gegenzug mit dem „Land der Bajuwaren“ identifiziert wurde.

Arbeo von Freising freilich schreibt um 770, dass Bayern auf dem Boden zweier römischer Provinzen lag, nämlich der „Valeria“ (womit er Raetien meinte; der Name Raetien war aber mittlerweile so vollständig auf die alpenländischen Teil Raetiens übergegangen, dass Arbeo eine andere Bezeichnung wählte) und von „Noricum Cisalpinum“, womit Ufernorikum, das alte „Noricum ripense“ gemeint war. Warum diese deutliche Zweiteilung, wenn der Name Norikum längst auf Raetien übertragen worden war? Es muss einen anderen Grund für die langanhaltende Norikum-Tradition in Bayern gegeben haben.

Irmtraut Heitmeier liefert in „Die Anfänge Bayerns“ einen überzeugenden Lösungsansatz:

Noch bis in die Mitte des 11.Jhs. war der Inn, der die Grenze zwischen Reatien und Norikum darstellte, eine Grenze innerhalb Bayerns. Er hatte damit noch 500 Jahre nach dem Ende der römischen Provinzen Reatia II und Noricum ripense die gleiche Funktion wie zu römischen Zeiten. Der Hintergrund war wider ein politischer: Schon Theoderich der Große konnte Raetien sehr direkt beherrschen, für Norikum jedoch sind nur wenige Urkunden erhalten. Auch gibt es nur für Raetien einen von Theoderich eingesetzten Dux. Der Hintergrund dürfte gwesen sein, dass Norikum zur ehemaligen weströmischen Diözese Illyrien gehörte, während Raetien zur Diözese Italia gehörte. Theoderich konnte jedoch aufgrund seines Abkommens mit den byzantinischen Kaisern 493 und 497 nur „Italien“ (= Diözese Italia) direkt beherrschen, nicht jedoch Illyrien.

Auch 536/37 trat der Ostgotenkönig Witigis nur die beiden Raetien an die Franken ab, nicht jedoch Norikum. Auf das eine hatte er direkten Zugriff, auf das andere offenbar nicht.

Schon Odoaker hatte 488 lediglich aus Norikum die Romanen evakuieren lassen, nicht jedoch aus Raetien. In Raetien lassen sich in der Folgzeit auch keinerlei institutionelle Brüche feststellen, in Norikum dagegen sehr wohl.

Auch die Nachricht des Jordanes, westlich der „Regio Suavorum“ säße „der Bajuware“, widerspricht dem nicht. Wenn die Grenze zwischen Bayern und Alamannen zum Zeitpunkt der Abfassung der Gotengeschichte (spätestens 551/52) nicht der Lech, sondern der Inn gewesen ist, dann wären die Bayern zu diesem Zeitpunkt eben NUR in Norikum gesessen. Das Gebiet, das Garibald dann wenig später als „Dukat“ Bayern übernahm, ist aber ein Gebiet gewesen, das tatsächlich im Westen bis zum Lech reichte, inklusive der um 500 verstärkt von Alamannen besiedelten Gebiete zwischen Lech und Inn. War das frühe Bayern also doch zweigeteilt, in einen norisch-bajuwarischen und einen ex-alamannischen Teil?

Auch der sog. Geogarph von Ravenna scheint dies anzudeuten, indem er für „Alemannorum patria“ Städtenamen angibt, die im Osten bis zum Staffelsee und bis Zirlz im Inntal reichen. Dass der Lech ausweislich der Ortsnamen keineswegs eine alamannisch-bairische Sprachgrenze war, unterstützt die These eines politisch wie bevölkerungsmäßig zweigeteilten Ur-Bayern noch.

Weitere Faktoren kommen hinzu: Östlich des Inn finden wir ganze Gruppen von Romanensiedlungen, die sich durch ihre Namen zu erkennen geben, insbesondere um Salzburg herum. Diese Siedlungen scheinen auch anders besteuert gewesen zu sein als die laut ihren Namen germanischen Siedlungen. Sie sind nämlich auffallend oft um eine Siedlung gruppiert, deren Name einen Bezug zum spätlateinischen Wort „camera“ aufweist. Eine solche „Kammer“ war aber in spätrömischer Zeit das Zentrum eines Steuerbezirks!

Als Norikum durch den hl.Severin geräumt wurde, erfahren wir auffälligerweise nichts von Einfällen der Alamannen oder Thüringer in diesen Raum, obwohl er für diese verkehrstechnisch (Alpenpässe! Zugang zu Illyrien/Pannonien!) sowie wegen seiner Salzvorkommen überaus interessant gewesen sein müsste. Um das Gebiet östlich von Norikum zu sichern, setzte der oströmische Kaiser Zeno zuerst auf die Rugier, die er dann von den Langobarden auslöschen ließ. Wie aber sicherte er Norikum? Immerhin war das Gebiet zwar nach archäologischen Maßstäben siedlungsleer, aber die Kontinuität von Ortsnamen und das später (wieder) reich dokumentierte Vorhandensein vieler Romanen deutet in eine andere Richtung. Diese Leute und das strategisch wertvolle Land zu sichern, das dürfte die Aufgabe der „Baiovarii“ gewesen sein. Für Zeno im Grunde eine einfache Sache: Die Ansiedlung von „Barbaren“ zur Sicherung von römischem Grenzgebiet hatte eine alte Tradition, die Baiovarii waren ohnehin schon lange im Vorfeld des Limes ansässig, sie brauchten eigentlich nur noch zur neuen norischen Oberschicht gemacht werden, dann hatte Norikum nach Odoakers Rückzug auch schon eine neue Truppe. Wie in den syrischen und libyschen Dukaten Ostroms auch, dürften die Baiovarii in Norikum nicht nur das Land geschützt haben, sondern es auch tatsächlich besessen und regiert haben.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
18.05.2013, 08:41
Beitrag: #16
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
Die Agilolfinger sind fast sicher eine quasi „internationale“ Adelsfamilie gewesen. Der Leitname „Agilolf“ bzw. dessen Varianten „Agiulf“, „Ailulf“, „Agilf“ oder „Agio“ ist von den Westgoten (457 unterliegt ein Statthalter des westgotischen Königs im Suebenreich namens Agiulf nach einem Aufstand den Truppen des Königs) über die Franken bis hin zu den Langobarden nachgewiesen. Ein 602 gestorbener Bischof von Metz (wo auch einer der Stammväter der Karolinger mit Namen Arnulf Bischof war!) hieß Agilulf. Es gibt sogar einen langobardischen König mit Namen „Agilulf“, der jedoch in den Quellen als „aus der Familie der Anawas“ stammend bezeichnet wird. Spätestens seit Theudelinde hingegen sind die langobardischen Könige mit den Agilolfingern verwandt. Die Nachkommen ihres Bruders Gundoald waren 652-712 langobardische Könige. Theudelinde war auch der Grund dafür, dass der Katholizismus bei den Langobarden neben dem Arianismus die zweite bedeutende christliche Konfession wurde, was zu einigen Thronfolgestreitigkeiten zwischen katholischen und arianischen Prätendenten führte.

Fredegar berichtet auch von einem Herzog Taso von Friaul, der zusammen mit Theudelindes Tochter Gundperga eine (katholische) Verschwörung geplant habe. Taso ist nun kein häufiger Name, umso auffälliger muss es sein, dass die Verkleinerungsform von Taso „Tassilo“ lautet, und unter diesem Namen sind gleich drei Herzöge von Bayern bekannt. Hier muss es also eine Verbindung geben, noch dazu, wo Paulus Diaconus berichtet, eine Schwester Tasos von Friaul habe einen bairischen Herrscher geheiratet. Garibald II., der Sohn Tassilos I., muss dieser Herrscher gewesen sein. Die Historia Langobardorum verweist zudem auf eine damals offenbar allgemein bekannte verwandtschaftliche Verbindung zwischen den Herzögen von Alemannien, Bayern und Benevent. Tatsächlich lassen sich bei den alamannischen Alaholfingern viele Leitnamen wie Lantperht, Uta, Swanahilt, Wicpert, Hildebrant feststellen, die auch bei den bayerischen Agilolfingern üblich waren, hier muss es also eine verwandtschaftliche Verbindung gegeben haben. Dieses Annahme wird bestärkt durch die Tatsache, dass in der laut „Lex Baiovariorum“ zu den fünf mächtigsten Familien in Bayern („genealogiae“) zählenden Familie der Huosier, die im Bereich links und rechts des Lech Besitzhäufungen hatten, der Name „Eigilolf“ (= Agilolf) recht häufig war. Die Huosi könnten also eine Verbindung zwischen den Herzogsfamilien Alamanniens und Bayerns herstellen.

Die Herzöge von Benevent hingegen waren ursprünglich Herzöge von Friaul…

Ein fränkischer Adliger namens Chrodoald, der gegen den Teilkönig Dagobert einen missglückten Aufstand probte, floh Dagoberts Vater König Chlothar und wurde trotz des Versprechens, ihn zu schonen, später von Dagobert getötet. Dieser Chrodoald war laut Fredegar ein Agilolfinger. Sein Sohn Fara ist in Thüringen nachweisbar, eine der „fünf genealogiae“ der Bajuwaren hatte den Namen „Feringa“ (im Ortsnamen Unterföhring, einst „Feringen“, erhalten), was darauf hindeutet, dass nicht nur die Huosi, sondern auch die Feringa im Prinzip nur Seitenzweige der Agilolfinger waren. Ob die „Hahalinga“ (im Ortsnamen Unterhaching erhalten; Unterhaching ist wie Unter-/Oberföhring heute ein Vorort von München), die Druozzi und die Fagana, die die „fünf genealogiae“ komplettieren, mit den Agilolfingern verwandt waren, lässt sich kaum feststellen, ich persönlich würde mich aber nicht wundern, wenn solches einmal zu Tage käme. Wenn das so wäre, dann hätten sich die Agilolfinger samt ihren Seitenzweigen vom fränkischen König, der die „Lex Baiovariorum“ abgesegnet hatte, quasi die Alleinherrschaft über Bayern zusichern lassen, wobei der Hauptstamm der Familie die Herzogswürde zugesprochen bekommen haben würde.

Auch wenn die genealogischen Informationen zu den frühen Herzögen von Bayern also zu einem Großteil auf Indizien oder Spekulationen beruhen, lässt sich dennoch feststellen, dass es etwa seit Mitte des 6.Jhs. ein Herzogtum Bayern gegeben haben muss und dass die aus fränkischem Hochadel stammenden Agilolfinger von Anfang an in diesem Herzogtum eine gewichtige Rolle gespielt haben. Damit ist die Verbindung zwischen Agilolfingern und Bayern sowie die Entstehungszeit eines Herzogtums Bayern um die Mitte des 6.Jhs. relativ gesichert.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
18.05.2013, 08:44
Beitrag: #17
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
Nur noch mal kurz, damit die Überischt nicht verloren geht:
Westlich des Inn existierte im 6.Jh. nach wie vor Raetien, ein von Römern und Ostgoten als Militärbezirk organisiertes Herrschaftsgebilde, das ebenfalls von Menschen besiedelt war, aus denen sich die Baiovarii rekrutierten, und in das sich zusätzlich mit den Alamannen ein spätrömisch-fränkisch akkulturiertes Volk angesiedelt hatte. Die städtische Struktur war nicht ganz so ausgeprägt wie in Norikum, aber mit Augsburg und – im Grenzbereich zu Norikum – Regensburg besass auch Raetien tragfähige organisatorische Strukuren. Dort herrschte nach Odoaker Theoderich der Große, der gerne näher mit den Thüringern zusammengearbeitet hätte und mit dem Kaiser in Byzanz zunehmend in Gegensatz geriet. Auch hier war es für den Kaiser eine strategische Option, mit den norischen Baiovarii eine militärisch schlagkräftige Truppe zu haben, die dazwischenfunken konnte und Theoderich von einem weiteren Ausgreifen an der Donau abhalten konnte.

Nachdem aber die Franken zuerst das nördlich von Ufernorikum gelegene Thüringerreich erobert hatten, später von den Ostgoten Raetien bekommen hatten, danach 545 noch Binnennoricum, war Norikum um die Mitte des 6.Jhs. von fränkisch dominierten Gebieten umgeben. Wenn tatsächlich Ufernorikum eine Art „Außenposten Ostroms“ und das (zu der Zeit einzige) Herrschaftsgebiet der Baiovarii war, dann war die Lage der Bajuwaren richtig ernst. Zwischen 537 und 555 fehlen jegliche Nachrichten sowohl aus dem später bairischen Raetien wie auch aus Norikum. Dann aber gelingt es offensichtlich dem Agilolfinger Garibald, sowohl Norikum als auch Ostraetien unter seine Herrschaft zu bekommen. 565 beschreibt Venantius Fortunatus den Lech als „Fluss IN Bayern“, d.h. zu diesem Zeitpunkt muss das Gebiet der Bajuwaren bis an den Lech gereicht haben. Zusammen mit der (offenbar fundierten) Stammeslegende der Herkunft der Bajuwaren aus Norikum und mit den Indizien, die wir zusammengetragen haben und die darauf hindeuten, dass Norikum das erste Territorium der Baiovarii war, bedeutet das, dass Garibald Norikum und Ostraetien vereinigt hatte.

Wenn dies aber so war – und wir gehen der Spekulation zuliebe davon aus – warum ermöglichte dann der Frankenkönig dem Herrscher/Dux von Norikum eine solche Machtausweitung in einem strategisch wichtigen, machtpolitisch aber eher wackligen Gebiet? Die Verbindung Garibalds mit der langobardischen Königstochter liefert einen Hinweis. Erst ab 568 eroberten die Langobarden Norditalien, 555 waren sie also noch östliche Nachbarn der Baiovarii und deren „Kollegen“ als Grenzwächter im Dienste Ostroms. Dem Frankenherrscher hätte diese Verbindung mit einer Langobardin die Möglichkeit eröffnet, dfie Baiovarii in die Zange zu nehmen. Genauso gut wäre es aber, sich den ohnehin einer fränkischen Hochadelsfamilie entstammenden Bajuwarenfürsten zu verpflichten bzw., da dieser Garibald zu den Vertrauten des Königs („unus es suis“) gehörte, sich diesen noch mehr zu verpflichten. Ob Garibald nun 555 schon „Dux“ der Baivarii war oder quasi „Dux“ ohne Amtsbereich, als er Herzog der Baiovarii wurde, hatten die Franken diesen Stamm unter Kontrolle. Paulus Diakonus, ein Langobarde, berichtet zum Ende des Garibald interessanterweise, dem König (!) Garibald sei eine „perturbatio“ widerfahren, wodurch seine Tochter mit ihrem Bruder Gunoald zu ihrem Bräutigam Authari ins Langobardenreich geflohen sei (das mittlerweile von Friaul aus sukzessive über Norditalien ausgedehnt worden war).

Wie kam es zu dieser Rangerhöhung des Garibald?

Die Frankenkönige haben damals noch keine Unterkönigreiche eingerichtet. Einzig denkbare Alternative: Garibald herrschte über zwei Gebiete, so wie auch Arbeo von Freising 200 Jahre später noch von zwei römischen Provinzen schreibt, auf deren Boden Bayern läge. Die eine Provinz war Raetien, unter fränkischer Herrschaft stehend und mittlerweile als Dukat, d.h. fränkische Provinz unter der Herrschaft eines Dux, organisiert. Das zweite Gebiet muss Norikum gewesen sein, und dieses Norikum muss – analog z.B. zu den Grenzgebieten des Oströmischen Reichs in Mesopotamien und Syrien, wo aus den byzantinischen Dukaten höchstoffiziell arabisch-christliche Königreiche geworden waren – von Ostrom mittlerweile als Klientelkönigreich angesehen worden sein. Nur so ist es auch möglich, dass Tassilo I. 591, zwei Jahre, nachdem laut Paulus Diakonus Garibald unter einer „perturbatio“ zu leiden hatte, von König Childebert als „rex“ (König) in Bayern eingesetzt worden war. Auch diese Nachricht stammt von Paulus. Der Langobarde hatte aufgrund der Verwandtschaft der bairischen und der langobardischen Dynastie vielleicht einen Grund, den Bayernherzog als König zu bezeichnen, aber genauso gut ist es möglich, dass Tassilo wie auch Garibald tatsächlich Könige waren – und Duces. Voraussetzung ist, dass Raetien als fränkischer Dukat organisiert war, aber Norikum nach wie vor als oströmisches Klientelkönigreich, so dass Garibald und Tassilo tatsächlich beides waren: Dus in Raetien und König in Norikum. Nur so wird auch erklärlich, warum der Inn als Grenze zwischen Raetien und Norikum noch so lange wirksam bleiben konnte: Er war eine Grenze innerhalb Bayerns, aber tatsächlich eine Grenze zwischen den beiden Teilen Bayerns!

Zwischen 633/35, als Fredegar berichtet, die Baiovarii hätten im Auftrag König Dagoberts 9000 Bulgaren abgeschlachtet, und 680, als Herzog Theodo die Herrschaft antritt, fehlen jegliche Nachrichten aus Bayern. Zuvor hat es u.a. unter Garibald II. noch Slawenzüge der Bayern nach Binnenorikum (mittlerweile Karantanien) gegeben. Bis 680 scheinen jedenfalls Raetien und Norikum wieder eigene Wege gegangen zu sein, aber Theodo schaffte es, aus Bayern ein eigenständiges, mächtiges Herzogtum zu machen. Die Bischöfe Virgil von Salzburg und Arbeo von Freising schufen im 8.Jh. eine Reihe von Heiligenviten und lassen dabei die bairische Herzogsreihe mit Theodo und dem Jahr 680 beginnen. Warum? Offensichtlich, weil sie die Herrschaft Theodos als eigentlichen Beginn des Herzogtums Bayern, so wie sie es kannten, betrachteten.

Der Name Theodo kann vom fränkischen Königsnamen Theudebert/-bald abgeleitet werden, unterstreicht also noch einmal die Königsnähe der bairischen Agilolfinger. Trotzdem wird er in fränkischen Quellen dieser Zeit kaum erwähnt. Gleichzeitig wissen wir z.B. aus der Emmeramsvita, dass Theodo daran ging, Bayern in Bistümer zu gliedern. Die Missionare und Wanderbischöfe Emmeram, Korbinan und Rupert waren zu Theodos Zeit in Bayern aktiv und gründeten die Bistümer Regensburg, Freising und Salzburg, also die für Altbayern wichtigen Bischofssitze. Salzburg war dabei das einzige neue Bistum auf norischem Grund; dass es ausgerechnet Salzburg war, das später zum Erzbistum erhoben werden sollte, könnte der bewussten Förderung des norischen Bistums geschuldet sein. Die Tatsache, dass Norikum damals von Slawen und Awaren verheert wurde, könnte verhindert haben, dass im ehemaligen baiuwarischen Kernland ebenfalls Bistümer eingerichtet wurden. In Linz oder Lauriacum/Lorch wären noch römerzeitliche Städte vorhanden gewesen, die die Einrichtung eines dortigen Bistums rechtfertigen hätten können, doch war die Lage an dieser nunmehrigen Außengrenze des Frankenreichs wohl doch zu unsicher. Die Gebiete wurden später von Passau und Salzburg aus erneut missioniert, sie waren also in der Zwischenzeit für Bayern verloren gegangen und mussten neu erobert werden.

Außerdem wissen wir, dass Theodo vor seinem Tod noch eine Romreise angetreten hat. Der Sinn dieser Romreise könnte gewesen sein, dass Theodo seine Bistumsgliederung vom Papst absegnen lassen wollte – ein Maßnahme, die ihm noch mehr Eigenständigkeit vom Frankenkönig beschert hätte. Nachdem aber erst Herzog Odilo diese Anerkennung von Rom erlangte, war Theodo wohl nicht erfolgreich.

Aber es war dieser Theodo, der die Hauptstadt Bayerns nach Regensburg verlegte; zuvor war sie wohl in Augsburg, dem alten Herrschaftsmittelpunkt Raetiens, gewesen. Regensburg liegt aber ziemlich genau auf der Grenze zwischen Raetien und Norikum. Es könnte also Theodo gewesen sein, der die alte Spaltung in Raetien und Norikum aufgehoben hatte und so den Grundstein legte für eine vereinigtes, mächtigeres Bayern. Die faktische Loslösung Bayerns vom Frankenreich in der Folgezeit war also das Verdienst der Vorarbeiten Theodos.
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
18.05.2013, 08:46
Beitrag: #18
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
Zusammenfassung:
Das Werden der Bayern scheint nach den neuesten Theorien noch komplizierter verlaufen zu sein als von der älteren Forschung ohnehin schon angenommen. Als das Römische Reich im 5.Jh. allmählich dahinsiechte, siedelten sich Elbgermanen, vermutlich aus Böhmen am Limes an und dienten als Föderaten. Nachdem die Hunnen das ganze Herrschaftsgefüge nördlich der Alpen durcheinander gebracht hatten, etablierte sich ein zweiter Schwung an Einwanderern am nördlichen Rand des späteren Bayern. Auch diese hatten böhmische Ursprünge. Ungefähr gleichzeitig kamen Alamannen ins östliche Raetien und brachten ihre romanisch geprägten Begräbnissitten sowie ihre Sprache mit, was sich in Ausgrabungen und in Ortsnamen bis heute feststellen lässt. Wenige Jahrzehnte später veränderte sich die politische Großwetterlage im Raum nördlich der Alpen erneut grundlegend: Das Ostgotenreich brach zusammen, Raetien wurde von den Franken übernommen. In Norikum dagegen wurde ein byzantinischer Dukat eingerichtet, der den Einflussbereichs Ostroms sichern sollte. Die hier trotz der Evakuierung unter Odoaker 488 immer noch zahlreich lebenden Romanen wurden geschützt durch die im Limesvorfeld altbekannten Föderaten elbgermanischer Provinienz, die mittlerweile oder auch erst durch die Einrichtung des oströmischen Dukats den Namen „Baiovarii“ angenommen hatten. Diese Baiovarii regierten Norikum als Stellvertreter des Kaisers in Byzanz und erlangten irgendwann im Verlauf der zweiten Hälfte des 6.Jhs. den Status von byzantinischen Klientelkönigen. Mitte des 6.Jhs. hatte sich aber auch in Raetien einiges ereignet: Ein hoher fränkischer Adliger aus dem Kreis der Vertrauten des fränkischen Königs war mit einer langobardischen Prinzessin liiert worden und hatte – ob vor oder nach der Hochzeit ist unklar – die Würde eines Dux von (-Ost-)Raetien übernommen. Dieser Mann aus der Familie der Agilolfinger schaffte es, auch das baiovarische Norikum unter Kontrolle zu bekommen und seine Familie als fürstliche Familie der Baiovaren zu etablieren. Dabei waren er und seine direkten Nachfolger in einer Doppelrolle als fränkischer Dux in (Ost-)Raetien und als byzantinischer König in Norikum.

Gleichzeitig knüpfte er, vermutlich über seine Gattin, verwandtschaftliche Beziehungen zu den Langobarden, die genau während seiner Herrschaftszeit ihr Reich in Pannonien räumten und sich von Friaul aus ein neues Reich in Oberitalien eroberten. Die Agilolfinger gewannen bei den Langobarden einen solchen Einfluss, dass sie dort sogar die Königsdynastie stellen konnten.

Erst unter Herzog Theodo gelang es, die beiden Teile Bayerns, den „Dukates Baiovariorum“ im östlichen Raetien und das „Regnum Baiovariorum“ in Norikum wirklich zu vereinigen und diese Vereinigung durch die Etablierung Regensburgs als bairische Hauptstadt an der Grenze zwischen beiden ehemaligen Teilreichen abzuschließen. Fortan gab es nur noch ein Herzogtum Bayern unter nomineller fränkischer Oberhoheit, das sich noch unter Theodo auch eine eigenständige kirchliche Organisation gab.

Da gnaze Artikelreihe zum Werden der Bajuwaren kann auch nachgelesen werden unter http://geschichte-wissen.de/antike/90-die-germanen.html , Stichwort "Die frühen Bajuwaren".

VG
Christian
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
18.05.2013, 10:37
Beitrag: #19
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
.
Servus Christian .

Nach Deinen Ausführungen muß ich mich leider von der
mir liebgewordenen Bezeichnung für die Baiern verabschieden .

Daß sie die :
Findelkinder der Völkerwanderung seien .

Nach Deiner Historie wären dann die Gebiete des nördlichen Salzburg
und das heutige Oberösterreich die erste Keimzelle der Boiovarii .

Deine Meinung zur Gründung des Salzburger Bistum ist sicherlich richtig .

Denn der Missionar Rupert von Worms schiffte 695. Donauabwärts nach
Lorch _ Lauriakum , ( Heute Enns an der Ennsmündung in die Donau ).
Um da eine Missionsstelle zu errichten .

Da aber die Awaren das heutige Niederösterreich ( rechts der Enns )
nicht mehr nur als Vorlande sahen , sondern selbst und mit
von ihnen beherrschten Slawenstämmen besiedelten .
Und auch links der Enns mittels Überfällen heimsuchten ,was an den Kampfspuren
der Krieger im Gräberfeld Zizlau nachweisbar ist .

Dem Missionar Ruprecht war die Lage in Lorch daher zu unsicher und
er verlegte seinen Missionarsitz nach Iuvavum ( Salzburg ) .
Obwohl ca. 50/60. Km von Lorch binnenwärts die ehemalige Hauptstadt
von Binnennorikum Ovilava ( Wels ) lag , zog er es vor noch weiter weg
von den Awaren zu siedeln .

G.v.Luki.

Und übrigens , Morgen ist auch noch ein Tag Cool
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
18.05.2013, 12:59
Beitrag: #20
RE: Die Entstehung der Bajuwaren
(18.05.2013 10:37)Luki schrieb:  Obwohl ca. 50/60. Km von Lorch binnenwärts die ehemalige Hauptstadt
von Binnennorikum Ovilava ( Wels ) lag , zog er es vor noch weiter weg
von den Awaren zu siedeln .

Wobei ihn auch der Zustand von Ovilava davon abgehalten haben dürfte, hier ein Bistum zu errichten: Die Stadt war nach der Räumung Noricums 488 eine Ruine geworden, weitgehend verlassen.

VG
Christian
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds