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Spektakuläre Fluchten und Fluchtversuche:
02.01.2014, 01:05
Beitrag: #13
RE: Spektakuläre Fluchten und Fluchtversuche:
(09.06.2013 22:45)Sansavoir schrieb:  Eine spektakuläre Flucht war auch Casanovas Flucht aus den Bleikammern von Venedig im Jahr 1756. Er war der Einzige, der dies schaffte und aufgrund dieser Flucht wurde er bekannt.

Giacomo Casanova saß als Staatsgefangener vom 26. Juli 1755 bis zum 31. Oktober 1756 in den berüchtigten Bleikammern in Venedig. Die Bleikammern galten als eines der sichersten Gefängnisse der Welt. Allerdings fürchteten die Venezianer selbst, Gefangene im berüchtigten "Pozzi" zu werden. Das "Pozzi" befand sich in den Kellerräumen des Dogenpalastes und war gefürchtet wegen der dort üblichen Folter und den regelmäßigen Überschwemmungen, denen viele Gefangene zu Opfer fielen. Die Bleikammern waren etwa 7 bis 10 enge Räume auf dem Dachboden des Dogenpalastes. Im 18. Jh. hatten viele Häuser Dächer aus Blei, direkt unter den Bleidächern war es im Sommer stickig heiß und im Winter bitterkalt.

Casanova besaß eine robuste Gesundheit, er war zum Zeitpunkt seiner Haft 30 bzw. 31 Jahre alt. Es gelang ihm, die Wärter über seinen tatsächlichen Gesundheitszustand zu täuschen, so dass es ihm ermöglicht wurde, relativ oft einen befreundeten Arzt zu empfangen, der den angeblich Kranken zu heilen hatte, ihm aber mit Werkzeug usw. versorgte. Die Schwierigkeit einer Flucht bestand darin, dass sich die Bleikammern genau über den Tagungsraum des Großen Rates befand. Das heißt, eine Flucht war nur nachts möglich und Casanova musste darauf achten, dass seine Grabungsarbeiten weder vom Wärter noch vom Großen Rat bemerkt wurden. Da er oft einen Mitgefangenen hatte, verzögerten sich seine Fluchtvorbereitungen ständig. Außerdem musste er den Aushub aus seiner Zelle entfernen, dies gelang ihm bei dem ihm morgendlich gewährten Spaziergang.

Seinen ersten Ausbruch plante Casanova für den 28. August 1756. Aber gerade an diesem Tag fanden Zellverlegungen statt, so dass Casanova in einer scheinbar "besseren" Gefängniszelle gelangte. An diesem Tag oder etwas später wird in Casanova die Idee gereift sein, statt sich durch die Decke in den Saal des Großen Rates sich abzuseilen, sich dort zu verstecken und dann nach der Eröffnung der Tagung des Rates die Menschenansammlung zu nutzen, um den Dogenpalast zu verlassen, die Flucht über die Dächer zu wagen.

Des Weiteren lernte er den wegen Sexualdelikten inhaftierten Pater Balbi kennen, der ebenfalls seine Flucht schon vorbereitet hatte. Irgendwie gelang es den beiden Männern, ihre Aktionen abzustimmen. Casanova legte schließlich als Termin für die Flucht den 31. Oktober fest, einen günstigen Tag für die Flucht, da ihm zwei Feiertage folgten, an denen der Rat nicht tagte und arbeitete.

Am 31. Oktober 1756 gelangten Casanova und Balbi auf das Dach des Dogenpalastes, von wo aus sie sich abseilten und nach einigen Schwierigkeiten im Gebäudeinneren nach unten gelangten. Als früh um sechs, der Hausmeister das Tor des Palasts aufschloss, hielt er die beiden Gefangenen für zwei vorzeitig eingeschlafene und deshalb eingeschlossene Gäste einer Feier, was damals nicht selten vorgekommen sein sollte.

Casanova und Balbi sprangen in die nächste Gondel und ließen sich bis nach Mestre fahren. Dort trennte sich Casanova von seinem Gefährten, der schon im ersten Wirtshaus auffiel, weil er die Bedienung recht eindeutig anbaggerte. Casanova fand dann Unterschlupf im Haus des Sbirrenführers, der ihn suchte. Er redete dessen Ehefrau ein, er wäre ein guter Freund ihres Mannes. Trotz seiner deutlichen Blessuren wurde die Polizistenfrau nicht misstrauisch, dass es bei Casanova um einen der gesuchten Häftlinge handeln könnte. Casanova wurde jedenfalls von der Frau und der inoch im Hause wohnenden Mutter des Sbirren gesund gepflegt. Als er nach drei Tagen den heimkehrenden Sbirren erblickte, suchte er schleunigst das Weite.

Er flüchtete nach Bozen, wo er einen für ihn bereitgestellten Geldbetrag in Empfang nahm. Von Bozen reiste er nach München, von München nach Strasbourg, von wo aus er sich nach Paris begab. Dort kam er am 5. Januar 1757 an.

Nach seiner spektakulären Flucht wurde Casanova sehr bekannt. Erst 1774 begnadigte Venedig Casanova. Seit 1776 arbeitete er als Spion für die venezianische Staatsinquisition. Von 1785 bis zu seinem Tod im Jahr 1798 arbeitete er als Bibliothekar des Grafen Waldstein. In dieser Zeit verfasste er seine Memoiren, in denen er u. a. seine Frauenabenteuer vor und nach seiner Inhaftierung ausführlich schilderte. 1821 veröffentlichte der Brockhaus-Verlag erstmals diese Memoiren, seitdem wird der Name "Casanova" als Synonym für einen Frauenhelden verwenden.

Casanova selbst musste sich zum Ende seines Lebens begnügen, der ältere Bruder zweier damals erfolgreicher Hofmaler in Wien und Dresden zu sein. In Dresden wird z.B. heute Giovanni Casanova zuerst als jüngerer Bruder des bekannten Herzensbrechers Giacomo Casanova den aufmerksamen Museumsbesucher vorgestellt, ehe man erfährt, dass er der Schüler und künstlerische Nachfolger des bekannten Hofmalers und Porträtisten Louis de Silvestre war und neben den beiden Canalettos zu den bedeutendsten Dresdner Malern des 18. Jahrhunderts zählt. Seinem in Wien wirkenden Bruder Francisco wird es wohl ähnlich ergangen sein.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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