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Jux-Rätsel mit geschichtlichem Hintergrund
13.07.2016, 11:25
Beitrag: #1744
RE: Jux-Rätsel mit geschichtlichem Hintergrund
Da im vorherigen Rätsel die "Zimmersche Chronik" erwähnt wurde, nehme ich an, es geht bei der gesuchten Person um Katharina von Zimmern, der letzten Fürstäbtissin der Fraumünsterabtei Zürich. Katharinas Familie, die Zimmern, waren ein "mittleres" Adelsgeschlecht während ihre Mutter, als Mitglied der Familie der Grafen Oettingen, dem Hochadel entstammte.

Zum Background (zusammengefasst, da liegt noch viel mehr drin):
Der Vater von Katharina war Johann Werner von Zimmern, Herr von Messkirch sowie Gefolgsmann und Rat Herzogs Sigismund des Münzreichen von Tirol, der in diesem Forum auch schon thematisiert wurde. Sigismund, trotz seines vielversprechenden Beinamens permanent in finanziellen Engpässen, verkaufte 1487 für "einen Appel und ein Ei" den grössten Teil der habsburgischen Vorlande (Besitzungen im Elsass, Sundgau, Schwarzwald, Hohenberg, Villingen sowie die Waldstädte Rheinfelden, Laufenburg, Säckingen und Waldshut) an den bayrischen Herzog Albrecht IV. Sigismunds Cousin, Kaiser Friedrich III (die "Schlafmütze") legte sein Veto ein und forderte die Bewohner der Vorlande, sich einer allfälligen
witteslbachischen Besetzung gewaltsam zu widersetzen. Und da es bereits im Mittelalter nicht möglich war, den "Souverän" selbst für dessen Fehlleistungen haftbar machen zu können, verhängte Friedrich III die Reichsacht über die "bösen" Räte Sigismunds, darunter auch Johann Werner von Zimmern, den Vater Katharinas. Der Besitz von Johann Werner, Messkirch, ging an die Fehdegegner der Zimmern (an die Freiherren von Werdenberg), bei denen Friedrich III in der Kreide stand und so elegant seine Schulden loswerden konnte. Der besitzlos gewordene Johann Werner protestierte vergeblich, u.a. auf den Reichstagen und beim Papst (die ganze Geschichte im Detail ist Thema der von Suebe erwähnten "Zimmerschen Chronik") und floh schliesslich in die Eidgenossenschaft, welche zwar ebenfalls Teil des HRR war, aber im Gegensatz zu heute Asylanten noch aufgeschlossen gegenüber stand. Im Exil gelang es dem veramten Johann Werner wenigstens, seine Töchter Katharina und Anna in der Fraumünsterabtei unterzubringen und dadurch ihre Versorgung sicherzustellen. Katharina wurde schliesslich 1499 sogar zur Äbtissin gewählt.

Katharina selbst war offenbar - dem Zeitgeist folgend - reformatorisch angehaucht. Sie galt als Kunstmäzenin und unterhielt enge Kontakte mit den Humanisten in Zürich und auch zum Reformator Ulrich Zwingli (die reformatorische Westentaschenausgabe von Martin Luther in der Eidgenossenschaft). Der Leutpriester, den sie für das Fraumünster einsetzte, Heinrich Engelhard, wurde ein Anhänger Zwinglis. Im Jahr 1524 verzichtete sie auf ihr Amt und übergab die Abtei mit all ihren Besitzungen der Stadt Zürich. Ein grosser Teil der Stadträte von Zürich waren Sympathiesanten von Zwingli und der Reformation. Mit der Übertragung der Abtei an die Stadt ermöglichte Katharina die Reformation in Zürich
ohne Bürgerkrieg. Zürich stieg in der Folge zum "Vorort" der Reformation in der Eidgenossenschaft. Seine Politik war dementsprechend etwas intoleranter und unduldsamer als diejenige von Bern, ebenfalls ein führendes Mitglied der Reformation in der Eidgenossenschaft.

Zürich und Zwingli waren, wenig überraschend, natürlich höchst erfreut über die Übergabe der Abtei, den diese war, obwohl im Verlauf des Mittelalters einige Besitztümer verloren gegangen waren, immer noch eine bedeutende Grundherrin. Demgemäss blieb Katharina eine geschätzte Bürgerin Zürichs. 1525 heiratete sie Eberhard von Reischbach, einen würrtembergischen Söldnerführer. Als Gefolgsmann des vom Schwäbischen Bund vertriebenen Herzogs Ulrich von Württemberg (ja - derselbe vom "Armen Konrad" -Smile ) betätige sich Eberhard in Zürich als Soldagent, was nicht ganz unproblematisch war. Zwingli und damit auch das protestantische Zürich waren vehemente Gegner des Solddienstes. Das Verbot des Solddienstes war nicht zuletzt ein wichtiger, heute unterschätzter Grund, weshalb sich die katholischen Orte der Innerschweiz und vornehmlich des Alpenraums nicht für die Reformation erwärmen konnten. Solddienst und Soldhandel war ein unverzichtbarer Wirtschaftszweig dieser Orte. Der Solddienst verlor dort erst mit dem Beginn der Industrialisierung Ende des 18. Jahrhunderts an Bedeutung.

Trotz der Beliebtheit Katharinas von Zimmern im protestantischen Zürich fiel ihr Mann aufgrund seiner Söldneranwerbung für seinen geflüchteten Herzog in Zürich in Ungnade, nachdem Zürich in seinem Territorium den Solddienst verboten hatte. 1529 wurde Eberhard von Zwingli begnadigt und dieser kehrte mit Katharina nach Zürich zurück. 1531 fiel Eberhard, zusammen mit Zwingli, in der zweiten Schlacht von Kappel im Krieg Zürichs gegen die katholischen Orte der Eidgenossenschaft. Katharina lebte bis zu ihrem Tod 1547 in Zürich.
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RE: Jux-Rätsel mit geschichtlichem Hintergrund - Aguyar - 13.07.2016 11:25

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