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Jux-Rätsel mit geschichtlichem Hintergrund
13.08.2019, 20:02
Beitrag: #2894
RE: Jux-Rätsel mit geschichtlichem Hintergrund
Ich habe also Recht behalten, Suebe.

Das Rätsel hast Du völlig korrekt gelöst. Der Gesuchte ist Wolfgang Schüsselspüler, besser bekannt als Wolfgang Holzer, Bürgermeister von Wien und im 18. und 19. Jahrhundert gewöhnlich als "Volkstribun" bekannt, eine sehr faszinierende, aber auch sehr umstrittene Persönlichkeit der Geschichte der Stadt Wien, dessen Bewertung bei der Nachwelt offensichtlich stark von den aktuellen politischen Verhältnissen abhängig war. Im Zeitalter der EU und der Globalisierung, wo Lokalgeschichte gewöhnlich nicht mehr sein darf, ist er wohl völlig vergessen.

Seine Mutter und sein Stiefvater hatten es nur zu Besitz in einer damaligen Wiener Vorstadt gebracht. Er brachte es als Viehhändler zu besonderen Reichtum und schaffte den Aufstieg in die führende Oberschicht der Stadt Wien, gehörte dem Konsortium der Hausgenossen an und war zeitweise Meister der Münze. Als engagierter Anhänger von Ulrich von Eyczing (Wolfgang Holzer war offensichtlich alles andere als "konfliktscheu"), eines Adligen des Herzogtums Österreich, der beabsichtigt haben dürfte, unter der (offiziellen) Herrschaft des minderjährigen Königs Ladislaus Postumus im Herzogtum Österreich jene Position zu übernehmen, welche im Königreich Böhmen zu dieser Zeit ein gewisser Georg Podiebrad und im Königreich Ungarn ein gewisser Janos Hunyady innehatte, die des "Verwesers". (Nur dass Friedrich III., anders als in den beiden Königreichen, für das Herzogtum Österreich eine solche Lösung nicht in Frage kam.)

Nach dem Sturz des Ulrich von Eyczing durch den Grafen Ulrich (II.) von Cilli (den Cousin von König Ladislaus, dieser Ulrich von Cilli war der Neffe von Königin Barbara, der Ehefrau von König / Kaiser Sigismund, dem Großvater des Ladislaus Postumus) hatte Wolfgang Holzer dafür schwer zu büßen (Kerker, Folter, Exil außerhalb von Wien). Erst nach der Ermordung des Grafen Ulrich von Cilli kehrte er nach Wien zurück, wo er weiterhin politisch tätig war. Die Auseinandersetzungen um die Herrschaft über das Herzogtum Österreich nach dem Tod von König Ladislaus boten im letztlich politische Zustände, unter denen er als "Mann des Volkes" für einige Zeit zum Bürgermeister der Stadt avancierte.
(Interessant ist, dass in dieser Zeit erstmals eine Teilung des Herzogtums Österreich stattfand, die Ende des Jahrhunderts zur Entstehung zweier Herzogtümer Österreich führte und von Dauer sein sollte, ein wesentlicher Grund, warum es heute im EU-Land Österreich die Bundesländer Oberösterreich und Niederösterreich gibt.)

Wolfgang Holzer ist der (negative) Titelheld in "Ulrich (!sic) Holzer, Bürgermeister in Wien" von Benedikte Naubert. Der heute völlig vergessene frühe historische Roman (publiziert 1793) wurde als Schlüsselroman zur französischen Revolution gesehen. Ich vermute, dass Alexander Dumas ihn gekannt hat, denn hier findet sich einiges, was in seiner Romanserie "Memoiren eines Arztes" (Cagliostro, Das Halsband der König etc.) vorkommt. Hier ist Holzer ein einfallsreicher Bösewicht diverser zwielichtiger Geheimbünde, der die Guten sogar recht erfolgreich gegeneinander ausspielen kann. Er ist der nicht besonders intelligente Sohn eines Henkers (die mangelnde Intelligenz und die Art, wie er als Schurke agieren darf, bilden allerdings einen starken Widerspruch)

In "Die Bürger von Wien" (publiziert 1946), einem dreiteiligen Roman des heute als Vielschreiber eher vergessenen Eduard Breier, ist er als Bösewicht vor allem dazu gut, dass er die übrigen politischen Akteure ein wenig entlasten darf. (Der Titel verweist nicht nur auf das zeitgenössische Werk von Michel Beheim. Beheims Epos ist eine recht wichtige Quelle zu Wolfgang Holzer, allerdings sind seine Informationen mit Vorsicht zu betrachten, da er eindeutig zum "Lager" der "Holzer-Gegner" zählt.

Die vielleicht interessanteste Darstellung von Wolfgang Holzer in einem Roman erfährt er (mein Eindruck) in dem heute völlig vergessenen Roman "Der Rosstäuscher" von Emil Jolles (publiziert direkt nach dem Ersten Weltkrieg), einer der bösesten und zynischsten Romane, die ich je gelesen habe.

Ich habe allerdings den Eindruck, dass der Roman, den Du gelesen hast, keiner dieser drei Romane sein dürfte.

Suebe, nachdem Du das Rätsel gelöst hast, bedeutet das aber, dass Du jetzt doch ein weiteres Rätsel einstellen musst.

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
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Josephine Tey, Alibi für einen König
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RE: Jux-Rätsel mit geschichtlichem Hintergrund - Teresa C. - 13.08.2019 20:02

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