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Seemacht China:
10.10.2013, 04:27
Beitrag: #2
RE: Seemacht China:
(08.10.2013 22:45)WDPG schrieb:  China hat in der Zeit der frühen Ming-Dynastie (genauer genommen Anfang des 15. Jahrhunderts) eine Phase erlebt in der die Seefahrt aufblühte, ja man könnte sogar sagen das China in dieser Zeit die größte Seemacht der Welt war. Doch dann stoppte man die Seefahrt wieder komplett.

Soweit ich informiert richtig informiert bin, planten die Ming-Kaiser ursprünglich nicht, ihre Entdeckungsreisen zu beenden. Es waren ja Naturkatastrophen, die sie zwangen, die Seefahrt zu stoppen. Dies war sicherlich nur zeitlich begrenzt gewollt und im 15. Jahrhundert nur infolge finanzieller Probleme nicht weiter fortsetzbar. Später verloren die Ming-Kaiser dann das Interesse an der Seefahrt daran, man beschränkte sich mehr auf sich, wobei es aber in China nie zu einer Isolationspolitik kam, wie in Japan des Tokugawa-Shogunats.

Mein Gedankenspiel baut sich deshalb auf die sieben Reisen von Zheng He auf.

(08.10.2013 22:45)WDPG schrieb:  -Was denkt ihr wäre passierte wenn China damals weiterhin als Seemacht aktiv gewesen wäre?

Die Chinesen wären vor allem im Indischen und Pazifischen Ozean unterwegs gewesen. Der Schwerpunkt ihrer Seefahrt hätte sich zuerst auf Asien beschränkt. Man hätte in vorhandenen Hafenstädte Handelsniederlassungen aufgebaut, von denen man sich das jeweilige Hinterland erschlossen hätte. China wäre in Japan, Indochina, Indien und am Persischen Golf präsent, ebenso auf den heutigen Philippinen oder im heutigen Indonesien bzw. Malaysia. Das ist allerdings noch nicht überraschend.

Weiterhin ist es denkbar, dass China sich die ostafrikanische Küste erschlossen hätte. Ebenso hätte man sich den Pazifik erschlossen. Vorstellbar ist, dass ein Angehöriger des Kaiserhofes (ähnlich wie Heinrich der Seefahrer) die Ergebnisse koordiniert hätte und weitere Entdeckungen zielstrebig organisiert hätte, und dies womöglich mit Hilfe von Geografen, Astronomen oder Mathematiker. Die Entdeckung Australiens, Neuseeland usw. wäre nur eine Frage der Zeit und der Finanzen gewesen, ebenso die der amerikanischen Westküste.

Die Chinesen hätten, wenn sie das Kap der Guten Hoffnung erreicht hätten, ihre Seefahrt einerseits über Westafrika nach Europa, andererseits nach Brasilien fortgeführt.

Aber alle aufgeführten Ziele wären nicht in dem engen zeitlichen Fenster – vom Tod Zhengs bzw. den Abbruch der chinesischen Expeditionen in den 1430er Jahren bis zur Entdeckung Amerikas durch Kolumbus im Jahr 1492 geschehen. D.h. hätten die Chinesen im 15. Jahrhundert das heutige Neuseeland entdeckt, hätten sie wahrscheinlich ihre Aktivitäten im Indischen und Atlantischen Ozean eingeschränkt und umgedreht.

(08.10.2013 22:45)WDPG schrieb:  -Hätte man Amerika vor Kolumbus entdeckt?

Wenn man sich auf die Erschließung der Küsten am Indischen Ozean konzentriert hätte und bis zum Süden oder gar Westen Afrika vorgedrungen wäre, ist es vorstellbar, dass die Chinesen das östliche Südamerika entdeckt hätten. Es ist auch vorstellbar, dass die Chinesen über den Pazifik an die Westküste Nord-, Mittel oder Südamerikas angelangt wären. Aber ich halte dies nur für möglich, wenn sie vorher Teile der Inselwelt Ozeaniens erschlossen und dort Versorgungsstützpunkte aufgebaut hätten. Eine Non-Stop-Seefahrt von China nach Amerika hätte es zu Zeiten von Kolumbus nicht gegeben.

(08.10.2013 22:45)WDPG schrieb:  -Wäre man auf Europäer gestoßen, wer hätte ein Kräftemessen gewonnen?

Die Frage ist, ob die Chinesen sich einem Kräftemessen gestellt hätten. Wenn ja, wären die spanischen bzw. die europäischen Soldaten die Besseren. Die Ming-Dynastie hatte nicht die besten Soldaten, vor allem weil der Soldatenstand erblich war und somit oft nicht geeignete Männer diesen Beruf ausübten. Ebenso denke ich, dass die Chinesen nicht das Landesinnere erschlossen hätten. Einen Mann, wie Francisco de Orellana, der den Amazonas entdeckte und vom Westen nach Osten befuhr, kann ich mir bei den chinesischen Entdeckern nicht vorstellen. Die Chinesen hätten bei ihrer Entdeckung von Amerika nur Stützpunkte an den Küsten aufgebaut, um Handel zu treiben.

Interessant ist die Spekulation, was wäre geschehen, wenn die Chinesen auf Kulturen wie die der Azteken oder der Inkas gestoßen? Ich denke, die Chinesen wären auch nur an Handel interessiert. Eine politische Unterwerfung dieser Reiche durch die Chinesen wäre nicht passiert. Außerdem hätten die Chinesen nicht so viel Aufwand betrieben, die Bevölkerung religiös zu bekehren. Die Vernichtung der präkolumbianischen Kulturen wäre nicht geschehen, wir hätten heute wahrscheinlich mehr Überlieferungen und Informationen über das Leben der Azteken, Mayas, Inkas usw.

Einen starken Herrscher wie dem Inka Pachacútec Yupanqui wären die Chinesen bestimmt mit Achtung begegnet und hätten mit ihm Handelsbeziehungen aufgenommen. Ob die Chinesen sich in einen Thronstreit, wie zwischen Huascar und Atahuallpa, einmischen würden, weiß ich nicht genau.

Egal, was die Chinesen gemacht hätten. Sie hätten z.B. nicht den Untergang des Aztekenreiches verhindern können. Das Inkareich wäre auch zerfallen, vielleicht hätte ein Teilstaat mit chinesischer Hilfe überlebt. Die Europäer, im Besonderen die Spanier hätten die Eroberung Amerikas ausgeführt. Vielleicht gebe es heute Staaten, die von einer chinesischen Mehrheit dominiert werden, der Anteil von Mestizen an der Gesamtbevölkerung wäre größer aber insgesamt wären die Ereignisse nach 1492 so ähnlich verlaufen, wie es tatsächlich geschah.

Die demografische Katastrophe des 16. Jahrhundert wäre ebenso passiert. Eine Ankunft der Chinesen vor den Europäern, hätte nicht verhindert, dass die Europäer ihre Krankheiten unter der indigenen Bevölkerung verbreitet hätten. Die indigene Bevölkerung wäre dahingerafft worden. Nach neueren Forschungen lag das aber nicht nur an den europäischen Seuchen, sondern auch an in Amerika entstandenen Viren, die durch große Nagerpopulationen verbreitet wurden, so 1545 oder 1576.


(08.10.2013 22:45)WDPG schrieb:  -Welche andren Auswirkungen hätte es gehabt wenn China weitere Seeexpeditionen unternommen hätte?

Wahrscheinlich wäre der Pazifik der Chinesische Ozean geworden. Die Geschichte von Australien, Neuseeland, Tahiti, Hawai, der Osterinseln usw. wäre anders verlaufen.

Das ist aber alles Spekulation. Die Ming-Kaiser hatten bereits im 15. Jahrhundert nicht mehr die Möglichkeiten und die Kraft, ihre Seeexpeditionen fortzusetzen. Der überseeische Handel hätte auch das Mutterland beeinflusst. Inwieweit die Chinesen auf eine unkontrollierte Gold- oder Silberzufuhr reagiert hätten, weiß ich nicht, da ich die monetären Fähigkeiten der Chinesen unter den Ming nicht einschätzen kann. Ich traue ihnen allerdings mehr Geschick zu als den Spaniern, kurz hintereinander folgende Staatsbankrotte wie 1557 und 1575 halte ich im China des 16. Jahrhunderts für wenig möglich. China wäre aufgrund seines Handels mit der gesamten Welt wirtschaftlich stärker geworden und damit wohl innenpolitisch gestärkt, so dass die Eroberung Chinas durch die Mandschus im Jahr 1644 nicht stattgefunden hätte. Die Ming-Dynastie bestünde demnach weiter, ob die chinesische Geschichte nach dem 1. Opiumkrieg in den 1840er anders verlaufen wäre, will ich jetzt nicht einschätzen aufgrund der vielen Unbekannten, die man untersuchen müsste. China selbst erlebte ja unter den Mandschu im 17. und 18. Jahrhundert eine Blütezeit, der Niedergang begann erst im 19. Jahrhundert. Aber die Entwicklung von England bzw. Großbritannien wäre anders verlaufen, wenn die Chinesen ihre Seefahrten nach den 1430er Jahren fortgeführt hätten.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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Seemacht China: - WDPG - 08.10.2013, 22:45
RE: Seemacht China: - Sansavoir - 10.10.2013 04:27
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