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Pro&Contra Schweizer Volksentscheide, speziell jüngster "Begrenzung der Einwanderung"
13.10.2016, 09:45
Beitrag: #7
Einwanderung CH
Es scheint hier ein kleines Missveständnis vorzuliegen. Bei der gegenwärtigen Umsetzung (vorab erst einmal, ich gehörte zur knappen Minderheit, welche die Initiative abgelehnt hatten) der entspr. Abstimmung geht es genaugenommen nicht um eine "Einwanderungs-Begrenzung" sondern um eine "Einwanderungs-Begrenzung von EU-Bürgern", was letztendlich mit der Kündigung des Freizügigkeitsabkommens gleichkommt. Es gab ebefanlls eine Initiative zur allgemeinen Begrenzung der Einwanderung mit der Vorgabe, es dürfen nur x-Prozent in die CH einwandern, abhängig von der Bevölkerungsentwicklung in der Schweiz. Diese Initiative kam ebenfalls zur Abstimmung, wurde aber von einer Mehrheit abgelehnt.

Volksentscheide in der Schweiz sind immer mit Verfassungsänderungen gleichzusetzen - entweder wird ein neuer Artikel in die Verfassung aufenommen, oder es wird einer geändert, oder einer wird entfernt. Im letzten Fall ist der Volkentscheid sogar zwingend vorgeschrieben, während der Volksentscheid zur Aufnahme eines neuen Verfassungsartikels erst zur Abstimmung gelangt, wenn vorher eine bestimmte Anzahl von befürwortenden Unterschriften in einem bestimmten Zeitraum gesammelt werden konnten.

Im vorliegenden Fall nun wurde nun beschlossen, dass die Einwanderung von EU-Bürgern kontingentiert werden soll - was genaugenommen einem Vertragsbruch mit der EU bez. des Freizügigkeitsabkommens gleichkommt. Ein Hauptgrund für das Abstimmungsergebnis ist m.M. im Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt zu suchen. Sehr viele Unternehmen stellten lieber EU-Bürger als Schweizer ein, bei gleicher Qualifikation aber zu weniger Lohn. Mit der Abstimmung wurde jetzt aber überhaupt nichts gewonnen. Denn die Festsetzung der Kontingentierungs-Höhe richtet sich ausdrücklich nach dem momentanen Bedarf der "Wirtschaft". D.h. die Unternehmen bestimmen nach wie vor, wieviele EU-Bürger angestellt werden - und nicht das "Volk". Sie müssen lediglich "nachweisen", dass für eine Stellenausschreibung keine geeigneter Inländer (Schweizer oder ein bereits in der Schweiz wohnhafter Ausländer) vorhanden ist. Eine Begründung, die sich leicht konstruieren lässt.

Also, eigentlich wurde nichts gewonnen - wohl aber verloren. Denn das Freizügigkeitsabkommen mit der EU ist Bestandteil eines Gesamtpacketes von Verträgen, wobei es nicht vorgesehen ist, dass nur einzelne Vertragspunkte gekündigt werden können. Die Schweiz müsste jetzt damit leben, dass die gesamten Veträge mit der EU gekündigt werden. Und das will man eigentlich nicht, auch die Mehrheit der Abstimmungssieger nicht.

Die Nachteile liegen also hierbei nicht nur, wie Sansavoir schreibt, bei fehlenden Fachpersonen aus der EU (die könnten durch Leute ausserhalb der EU ersetzt werden) sondern bei der Kündigung der EU-Verträge, welche der Schweiz den Marktzugang in der EU erleichtern (in dieser Hinsicht hat die Schweiz mehr oder weniger den Status eines EU-Mitglieds). Ohne diesen erleichterten Marktzugang sieht es für die Schweiz - wir sind ein ausgesprochenes Exportland - düster aus. So sehen die Konsequenzen eben aus, wenn anstatt mit dem Gehirn mit dem Hodensack abgestimmt wird.

Noch eine Präzisierung zur dirketen Demokratie: Da es um Eingriffe in die Verfassung geht, sind die Abstimmungsergebnisse von Volksentscheiden absolut bindend, auch dann, wenn sie der Vorsprung der Abstimmungsgewinner im Promille-Bereich liegen würde. Insofern ist es völlig sinnlos, wenn Regierungen nun Mitglieder des Bundesrates einberufen (Merkel und Burkhalter). Denn diese können - zum Mindesten legalerweise - absolut gar nichts mehr tun. Im ganz hypothetischen Extremfall: Die Abstimmungsergebnisse wären sogar bindend, wenn eine Mehrheit beschliessen würde, dass eine Minderheit (z.B. alle Basler) nicht mehr abstimmen dürften und nur noch über eingeschränkte Bürgerrechte verüfgen sollten. Oder sogar dann, wenn eine Mehrheit beschliessen sollte, die Demokratie ganz abzuschaffen.
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Einwanderung CH - Aguyar - 13.10.2016 09:45
RE: Einwanderung CH - Dietrich - 13.10.2016, 16:20
RE: Einwanderung CH - Aguyar - 17.10.2016, 16:14

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