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Stadtbrände - Diskussion zum G/Geschichteheft 6/2014:
28.11.2012, 18:20
Beitrag: #11
RE: Stadtbrände
(27.11.2012 20:22)WernerS schrieb:  
Zitat:Tacitus, der 64 ungefähr zehn Jahre alt gewesen sein muss und von den späteren Geschichtsschreibern den geringsten zeitlichen Abstand zum Geschehen hat, erklärt als guter Historiker, er könne nicht feststellen, ob es Brandstiftung war oder nicht. Er nimmt also die für einen Geschichtsschreiber passende vorsichtige Meinung an.

Problem: Tacitus. Vorsicht mit dem. Tacitus schreibt mit spitzer Feder und einseitigem Blick. Da ich diese Stelle nicht kenne aber momentan Tacitus studiere glaube ich, dass du hier über einen seiner Tricks gestolbert bist. Tacitus hat gibt immer vor, er würde sine ire et studio schreiben (ohne Zorn und Eifer), aber doch genau das macht er. Und zwar manipuliert er den Leser mit einer recht ungewöhnlicher Methodik: Er sagt er wisse nicht, was passiert sei und nimmt scheinbar eine neutrale Meinung ein, in dem er das Gerede der damaligen Leute, sowie Zeitzeugen in seine Beurteilungen streut. Er lässt also gezielt alles in der Schwebe, aber durch das einstreuen der Gerüchte bringt er unterbewusst jemanden dazu ihm das auch so abzunehmen. Tacitus ist in der Gesammtheit also kein Geschichtsschreiber und schon gar nicht vorsichtig und gar nicht neutral, auch wenn er den Anschein macht. Sich auf Tacitus als Quelle zu stützen macht dann Sinn, wenn man die Kaiserzeit als Rezptionsgeschichte untersucht. Da wird klar, wie die republikanische Gesinntheit gedacht hat und vor allem wie sie manipulierte. Tacitus ist macht das echt in einzigartiger Perfektion. Von dem her würde ich ihm auch nicht alles abkaufen und man kann davon ausgehen, alles was er neutral darstellt, ist letzlich doch ganz stark gefärbt. Aber es geht hier um Stadtbrände und nicht um Tacitanische Geschichtsschreibung wollte das nur sagen. Wäre ein eigener Thread wert.

Im Vergleich zu den anderen antiken Historikern war Tacitus doch einer der wissenschaftlicheren. Ich vermute nämlich nicht, dass er diese Beteuerung des Nicht-Wissens nur eingestreut hat, um die aufgeführten Gerüchte glaubwürdiger zu machen. Ich sehe es eher als Kompromiss, den er zwischen der Wahrheit (dem Nichtwissen) und dem Mainstream seiner sozialen Schicht (die senatorische Ablehnung Nero gegenüber) machte. Möglich, dass er wie auch Sueton, Cassius Dio etc. und quasi alle anderen Senatoren an die Brandstiftungstheorie glaubte. Aber ich würde doch sagen, dass er es dann eher wie die eben erwähnten Kollegen gemacht hätte. Er hat also historisch korrekt sein Nichtwissen eingestanden, aber vielleicht flossen doch seine persönliche Meinung mehr oder minder mit ein. Ich bin ziemlich sicher, dass die Zahl der Geschichtsschreiber, die in der Antike ohne einseitigen Blick schrieb, gegen Null ging.
Zumal gerade der von dir beschriebene "Trick" auf mich recht seltsam wirkt: Da er trotz der vielen einseitigen Hinweise, die es laut ihm gibt, eine neutrale Position einnimmt, würde ich ihn (wüsste ich nichts über den sozialen Hintergrund seiner Person etc.) eher als Fürsprecher Neros ansehen. Ich habe irgendwie das Gefühl, diese These ist doch etwas zu sehr von dem neuen Trend mancher Historiker, der pro-neronischen Geschichtsschreibung, beeinflusst. Woher wollen sie denn wissen, dass Tacitus ein schlechter Historiker war? Und gibt es dann überhaupt noch eine schriftliche Quelle der römischen Antike, die für einigermaßen zuverlässig gehalten wird?

Wie standen die Kaiser der Adoptivkaiserzeit eigentlich zu Nero? Folgten sie der Meinung der Senatoren?

VG

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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Stadtbrände - Maxdorfer - 30.10.2012, 21:02
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