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Die Kulturnation
29.08.2014, 22:13
Beitrag: #2
RE: Die Kulturnation
Habe momentan nicht genügend Zeit, alles ausführlich darzulegen. Beschäftige Dich mal mit dem Wiener Kongress. Hier wurden ja nicht die Interessen der Nationen berücksichtigt, sondern man teilte große Teile Europas nach dynastischen Interessen auf, so als ob es keine französische Revolution und napoleonische Ära gegeben hatte. Ich denke da besonders an Italien oder Polen. In Deutschland blieben napoleonische Staaten wie das Königreich Bayern erhalten, andere wurden aufgelöst bzw. verkleinert. Ein wichtiger Beschluss war jedoch, Preußen rheinländische Gebiete zu überlassen, so dass dieser Staat nicht nur im Osten, sondern auch im Westen des Reiches präsent war und dort sich als eine vorherrschende Macht etablieren konnte. Es war nur eine Frage der Zeit, die Gebiete in Ost und West zu vereinigen (siehe Krieg von 1866).

Es gab zwei Strömungen, die staatliche Einheit umzusetzen: die "großdeutsche" und die "kleindeutsche". Die "großdeutsche" Variante schloss Österreich mit ein, die "kleindeutsche" Variante schloss Österreich aus. D.h. bei erster Variante wäre ein Nationalstaat unter österreichisch-preußischer Führung entstanden, wobei die ungarischen Teilgebiete nicht zu diesem Staat gehört hätten. Es setzte sich jedoch die "kleindeutsche" Variante unter preußischer Führung durch. Einen dritten Weg, einen dritten Staat, einen Bund der restlichen deutschen Staaten (ohne Preußen und Österreich) unter Führung der Mittelstaaten, entstehen zu lassen, stand de facto nie zur Disposition. Obwohl in einigen dieser Mittelstaaten wegweisende Verfassungen und Gesetze, Zoll- und Handelsbestimmungen oder soziale Regelungen gegeben hatte.

Aufrechterhalten wurde der nationale Gedanke vor allem durch die bürgerliche bzw. studentische Jugend. Denke da an das Wartburgfest 1817 oder an Hambach 1832. Auch das Attentat auf den ehemaligen russischen Diplomaten und deutschen Schriftsteller August von Kotzebue durch Ludwig Sand im Jahr 1819 hat einen nationalen Hintergrund. Die Folge des Attentats war jedoch, dass Österreich und Preußen den gesamten Deutschen Bund von ihrer Geheimpolizei überwachen ließen und die Deutschen sich für mindestens 10, wenn nicht sogar 20 Jahre auf Romantik und Biedermeier beschränkten, mal von Ausnahmen zwischen 1830 und 1832 als Folge der Juli-Revolution in Frankreich. In Italien wirkten während dieser Zeit Geheimbünde wie die "Carbonari", Vertreter eines monarchistischen "jungen Italiens" wie Giuseppe Mazzini setzten sich gegen die alten Republikaner durch. Seit 1830 übernahm eine jüngere Generation den nationalen Gedanken - Göttinger Sieben 1837; Junghegelianer usw., seit 1840 setzte man große Hoffnung auf Friedrich Wilhelm IV., der als preußischer König die deutsche Einheit vollenden sollte.

Nach 1848/49 emigrierte ein großer Teil überlebender Demokraten. Vielleicht ist das Fehlen dieser Demokraten ein Grund, dass sich der deutsche Nationalismus in Zukunft in chauvinistische Richtung entwickelt hat, von einer progressiven in eine reaktionäre Bewegung.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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Die Kulturnation - Mangekyō - 29.08.2014, 14:28
RE: Die Kulturnation - Sansavoir - 29.08.2014 22:13

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