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Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
20.09.2014, 06:01
Beitrag: #60
RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen
Lothringens Zugehörigkeit zu Frankreich ist letztlich eine Folge von mehreren Verträgen, wie der 1542 abgeschlossene Vertrag von Nürnberg, der 1552 abgeschlossene Vertrag von Chambord und den 1735 geschlossenen Vertrag von Wien. Also eher das Werk von Diplomaten als eines kriegerischen französischen Königs.

1542 gewährte Kaiser Karl V. im Vertrag von Nürnberg den Herzog Anton von Lothringen mehr Autonomie. Dies führte dazu, dass Lothringen sich mehr Frankreich zuwandte. Antons Bruder Claude war im Übrigen der Inhaber des französischen Herzogtums Guise. Claudes Söhne und Enkel spielten im 16. Jh. eine bedeutende Rolle in der französischen Politik.

1552 schloss Moritz von Sachsen mit Heinrich II. von Frankreich den Vertrag von Chambord, in dem der sächsische Kurfürst das Reichsvikariat über die drei lothringischen Bistümer Metz, Toul und Verdun sowie über das Bistum Cambrai an den französischen König übertrug. Die Bevölkerung in den Städten war überwiegend französisch. Allerdings war Moritz von Sachsen formal gar nicht berechtigt, einen Reichsgebiete betreffenden Vertrag mit einem ausländischen Herrscher abzuschließen. Das französische Geld, welches er als Gegenleistung erhielt, nutzte er jedoch zur Bezahlung der protestantischen Fürsten, die an seiner Seite gegen Kaiser Karl V. kämpften. Das bedeutet, ohne den Vertrag von Chambord wäre der erfolgreiche Aufstand der protestantischen Fürsten von 1552 gegen Karl V. nicht möglich gewesen. Es wäre 1552 kein Passsauer Vertrag zustande gekommen, in dem der Kaiser die Ergebnisse der Reformation einschließlich der Säkularisation katholischer Güter anerkannt hat. Und ohne Passauer Vertrag hätte es 1555 keinen Augsburger Religionsfrieden gegeben, dem eine ca. 60jährige Friedenszeit im Reich folgte. (mal abgesehen vom Kölner Bischofskrieg oder die Grumbachische Fete).

Der 1735 geschlossene (Vor-)Frieden von Wien beendete den polnischen Erbfolgekrieg von 1733/35. Der ehemalige polnische und im Erbfolgekrieg gescheiterte König Stanislaw Leszczynski erhielt das Herzogtum Lothringen und der bisherige Herzog, Franz Stephan von Lothringen, erhielt im Gegenzug die Anwartschaft auf das Großherzogtum Toskana. Außerdem wurde die Pragmatische Sanktion anerkannt. Seit 1736 herrschte anstatt von Franz Stephan von Lothringen, der seit 1745 auch als Kaiser Franz I. dem HRR vorstand, Stanislaw Leszczynski im formal unabhängigem Lothringen. Da er bereits 60 Jahre alt, erwartete man sein baldiges Ableben. Aber der Schwiegervater des französischen Königs Ludwig XV. wurde 90 Jahre alt, er herrschte demnach 30 Jahre über sein Herzogtum. Erst 1766 fiel Lothringen an Frankreich - formal erbte Ludwig XV. als Schwiegersohn von Stanislaw dessen Herzogtum. Für die lothringische Hauptstadt Nancy war die Herrschaft Leszczynskis allerdings ein Segen.

Die Annexion von Teilen Lothringens durch das Deutsche Reich im Jahre 1871 hat mehrere Gründe, erwies sich aber letztlich als schädlich für das Reich. Ein Grund war die seit den 1850er Jahren entstandene Kohle- und Stahlindustrie, deren Erträge die Kriegskosten von 1870/71 abdecken sollten. Wäre dies der tatsächliche Grund gewesen, wäre eine nur befristete Zugehörigkeit zum Deutschen Reich und eine vorher terminlich geregelte Rückgabe an Frankreich politisch sinnvoll gewesen. Damit wäre dem Deutschen Reich eine andere Außenpolitik möglich geworden. Die Rückgabe des größtenteils von Franzosen bewohnten Gebietes geschah jedoch nicht, d.h. es gab neben den wirtschaftlichen Gründen schwerwiegendere Gründe für den Einbehalt von Teilen Lothringens. Dies waren militärische Gründe, die Stationierung preußischer Truppen bezweckten für die Zukunft sowohl defensive als auch offensive Optionen gegen Frankreich. Außerdem konnte von Lothringen (und natürlich auch vom Elsass) aus preußische Truppen in etwaige unsichere süddeutsche Staaten eingreifen. D.h. Bismarck handelte nicht im Sinne des deutschen Nationalstaates sondern als Sicherer der preußischen Hegemonie.

Das Elsass hat eine völlig andere Geschichte als Lothringen, die wiederum gesondert betrachtet werden muss.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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RE: Akzeptanz der Staatszugehörigkeit im Elsass und in Lothringen - Sansavoir - 20.09.2014 06:01

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